Steuerrecht

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfall

Aktenzeichen  BayAGH I – 1 – 12/18

Datum:
11.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 39221
Gerichtsart:
Anwaltsgerichtshof
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
ZPO § 227 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1. Wird ein Terminsänderungsantrag erst kurz vor dem anberaumten Termin gestellt und mit einer plötzlichen Erkrankung begründet, muss der Beteiligte nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung die Gründe für die Verhinderung so angeben und untermauern, dass das Gericht die Frage der Verhandlungsfähigkeit selbst zu beurteilen vermag (ebenso BGH BeckRS 2017, 135104 Rn. 16). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. An den Verhinderungsgrund und dessen Glaubhaftmachung sind strenge Anforderungen zu stellen, wenn es um den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls geht (vgl. BGH BeckRS 2017, 135104 Rn. 16). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Um die Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen, muss der Rechtsanwalt seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darlegen; insbesondere muss er eine Aufstellung sämtlicher gegen ihn erhobenen Forderungen vorlegen und im Einzelnen darlegen, ob diese Forderungen inzwischen erfüllt sind oder in welcher Weise er sie zu erfüllen gedenkt (vgl. BGH BeckRS 2008, 21183 Rn. 5). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
4. Dass eine Gefährung der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall ausgeschlossen ist, setzt regelmäßig die Aufgabe einer Tätigkeit als selbständiger Anwalt und den Abschluss eines Anstellungsvertrags mit einer Anwaltssozietät voraus, der nach der Organisation der Sozietät, dem Umfang der Tätigkeitsverpflichtung des Rechtsanwalts gegenüber der Sozietät und den getroffenen Maßnahmen einen effektiven Schutz (auch in Vertretungsfällen) erwarten lässt (ebenso BGH BeckRS 2014, 3664 Rn. 6). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
5. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Zulassungswiderrufs ist allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (ebenso BGH BeckRS 2015, 12841 Rn. 7). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist im Kostenausspruch gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben worden, § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO i.V.m. §§ 112 c Abs. 1, 215 Abs. 3 BRAO; über eine Wiedereinsetzung war deshalb nicht zu befinden. Gemäß Art. 15 Abs. 2 BayAGVwGO war ein Vorverfahren nach § 68 VwGO nicht durchzuführen.
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet und war abzuweisen. Der streitgegenständliche Widerrufsbescheid vom 25.01.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO analog.
1. Der Senat konnte in Abwesenheit der Klägerin entscheiden, da diese ordnungsgemäß zum Termin geladen war und in der Ladung darauf hingewiesen wurde, dass auch bei ihrem Ausbleiben mündlich verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 112 c Abs. 1 BRAO. Der Termin war auch nicht aufzuheben.
a. Wird ein Terminsänderungsantrag erst kurz vor dem anberaumten Termin gestellt und mit einer plötzlichen Erkrankung begründet, muss der Beteiligte nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung die Gründe für die Verhinderung so angeben und untermauern, dass das Gericht die Frage der Verhandlungsfähigkeit selbst zu beurteilen vermag. Wegen der durch einen Vermögensverfall indizierten Gefährdung der Interessen der rechtsuchenden Mandanten sind dabei an den Verhinderungsgrund und dessen Glaubhaftmachung strenge Anforderungen zu stellen. Das gilt in besonderem Maße dann, wenn die Rechtslage zum Widerruf (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) eindeutig ist (BGH Beschluss vom 20.11.2017 – AnwZ (Brfg) 41/17, juris unter II 2 insb. Rn. 16).
b. Vorliegend sind die strengen Anforderungen bereits formal nicht erfüllt. Die Klägerin war bereits mit Schreiben vom 23.08.2018 (Bl. 13 d.A.) darauf hingewiesen worden, dass eine Terminsaufhebung nur aus erheblichen Gründen, die zudem glaubhaft zu machen sind, in Betracht kommt. Für die Glaubhaftmachung wurde ihr eine Frist bis zum 31.08.2018 gesetzt. Mit Schriftsatz vom 04.09.2018 (Bl. 14 d.A. mit Anlage) legte die Klägerin eine offenkundig völlig nichtssagende Arbeitsunfähigkeitsbestätigung vor und kündigte an, eine Glaubhaftmachung innerhalb von 3 Werktagen nach Erhalt des Belegs nachzureichen. Sicherheitshalber und überobligatorisch wurde die Klägerin am 10.09.2018 noch einmal schriftlich (Bl. 17 d.A.) und telefonisch (vgl. Protokoll vom 11.09.2018 S. 2 vierter Absatz, Bl. 19 d.A.) darauf hingewiesen, dass der Termin stattfinden werde. Mit handschriftlichem Deckblatt, das kein Aktenzeichen und keinen Hinweis auf den bevorstehenden Termin vom nächsten Tag enthielt (Bl. 22 d.A.), faxte die Klägerin sodann am 10.09.2018 um 19:49 Uhr ein Attest einer Poli-Praxis zur Vorlage bei Gericht, das bei der Geschäftsstelle des Anwaltsgerichtshofs erst nach dem Termin im normalen Geschäftsgang einging und deshalb dem Senat im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht vorlag. Diese Vorgehensweise genügt bereits formal nicht den strengen Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Verhinderungsgrundes. Die Klägerin war bereits mit Schreiben vom 23.08.2018, zugestellt am 28.08.2018, darauf hingewiesen worden, dass für eine Terminsaufhebung erhebliche Gründe vorliegen müssen und diese glaubhaft zu machen sind. Wenn es dann schon nicht zu verhindern gewesen sein sollte, dass ein Attest erst mit Telefax vom 10.09.2018 um 19:49 Uhr dem Gericht zugeleitet wird, musste die Klägerin wenigstens alle notwendigen Vorkehrungen treffen, dass das Attest den Senat auch bis zum Termin erreicht. Dazu gehört die Angabe des Aktenzeichens, wie die Klägerin das auch in Ihren Schriftsätzen vom 20.08.2018 und vom 04.09.2018 getan hat, und vor allem das Kenntlichmachen der Dringlichkeit, was ohne weiteres durch das Hinzufügen des Zusatzes „des Termins vom 11.09.2018 Bitte sofort vorlegen!“ zum „Antrag auf Aufhebung“ hätte erfolgen können.
c. Aber auch inhaltlich genügt das mit Schriftsatz vom 10.09.2018 vorgelegte Attest im vorliegenden Einzelfall nicht den strengen Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Verhinderungsgrundes. Im Schriftsatz vom 11.09.2018 hatte die Klägerin ausgeführt, sie sei erkrankt und die Krankschreibung dauere bis zum 31.08.2018. Auf Grund der langen Dauer und des derzeitigen Gesundheitszustandes erwarte sie jedoch eine weitere Krankschreibung. Mit Schriftsatz vom 04.09.2018, der im Gegensatz zum Schriftsatz vom 20.08.2018 auch bereits wieder einen Anwaltsbriefkopf enthielt, wurde zwar eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt, aber nur für den – im Vergleich zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit vom 19.09.2017 – moderaten Zeitraum von weiteren zwei Wochen, der den Terminstag gerade umfasste. Vor diesem Hintergrund reichen die von demselben Arzt stammenden Ausführungen zur nunmehr für mindestens drei Monate bestehenden Verhandlungsunfähigkeit nicht aus, um die vor dem Hintergrund des Mandantenschutzes strengen Anforderungen an die Glaubhaftmachung zu erfüllen.
d. Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass die Klägerin zudem – worauf sie mit Schreiben vom 23.08.2018 hingewiesen worden war – gehalten war, im Rahmen ihrer anwaltlichen Organisationspflichten vorsorglich für eine Vertretung zu sorgen.
2. Rechtsgrundlage des Widerrufs wegen Vermögensverfalls ist § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO. Nach dieser Vorschrift ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlass des angegriffenen Bescheids erfüllt.
a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall sind die Erwirkung von Schuldtiteln und fruchtlose Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (st. Rspr.; vgl. nur BGH Beschluss vom 8.2.2010 – AnwZ (B) 11/09 unter II 1 a m.w.N.). Der Vermögensverfall wird nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 915 ZPO) eingetragen ist (siehe hierzu auch BGH Beschluss vom 10.07.2014 – AnwZ (Brfg) 15/15 unter II 1 b).
So verhielt es sich hier. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids am 25.01.2018 war die Klägerin in vier Zwangsvollstreckungsverfahren in das Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts Hof eingetragen; bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung sind noch weitere Eintragungen hinzugekommen.
Die Klägerin hat die Vermutung des Vermögensverfalls auch nicht widerlegt. Um die Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen, muss sie ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darlegen. Insbesondere muss sie eine Aufstellung sämtlicher gegen sie erhobenen Forderungen vorlegen und im Einzelnen darlegen, ob diese Forderungen inzwischen erfüllt sind oder in welcher Weise sie sie zu erfüllen gedenkt (BGH Beschluss vom 15.09.2008 – AnwZ (B) 70/07 unter 2 c, veröffentlicht in juris). Eine derartige substantiierte Vermögensaufstellung unter Angabe aller bestehenden Verbindlichkeiten sowie gegebenenfalls der Vorlage eines entsprechenden Tilgungsplans ist die Klägerin, die sich im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof inhaltlich nicht geäußert hat, schuldig geblieben.
b) Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren, waren bei Erlass des Widerrufsbescheids nicht erkennbar. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer derartigen Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern und den darauf möglichen Zugriff seiner Gläubiger. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ist von dem in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalt zu fordern, dass er die zum Schutz der Interessen Rechtssuchender erforderlichen Vorkehrungen trifft sowie deren Einhaltung vertragsrechtlich und tatsächlich sicherstellt. Das setzt regelmäßig die Aufgabe einer Tätigkeit als selbständiger Anwalt und den Abschluss eines Anstellungsvertrags mit einer Anwaltssozietät voraus, der nach der Organisation der Sozietät, dem Umfang der Tätigkeitsverpflichtung des Rechtsanwalts gegenüber der Sozietät und den getroffenen Maßnahmen einen effektiven Schutz (auch in Vertretungsfällen) erwarten lässt (BGH Beschluss vom 04.01.2014 – AnwZ (Brfg) 62/13 unter II 1 b aa). Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin derartige Schutzmaßnahmen ergriffen hat.
2. Ein eventueller nachträglicher Wegfall des Widerrufsgrundes ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu berücksichtigen: Nach der mit Wirkung ab 01.09.2009 erfolgten Änderung des Verfahrensrechts besteht die unter der Geltung des Verfahrensrechts der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 40 Abs. 4, § 42 Abs. 6 Satz 2 BRAO a.F.) aus prozessökonomischen Gründen zugelassene Möglichkeit, einen nachträglichen Wegfall des Widerrufsgrundes im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen, nicht fort. Vielmehr ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Zulassungswiderrufs allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder – wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren, wie in Bayern (vgl. Art. 15 Abs. 2 BayAGVwGO), entbehrlich ist – auf den Ausspruch des Widerrufsbescheids abzustellen. Die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. BGH Beschluss vom 29.06.2011 – AnwZ (Brfg) 11/10, NJW 2011, 3234 unter II 1 b; BGH Beschluss vom 09.06.2015 – AnwZ (Brfg) 16/15 unter II 2 a, insb. Rn. 7 und 12).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 167 VwGO, 709 S. 2 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 194 Abs. 2 BRAO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung waren nicht gegeben, § 124 Abs. 2 VwGO.


Ähnliche Artikel

Steuererklärung für Rentner

Grundsätzlich ist man als Rentner zur Steuererklärung verpflichtet, wenn der Grundfreibetrag überschritten wird. Es gibt allerdings Ausnahmen und Freibeträge, die diesen erhöhen.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben