Steuerrecht

Widerruf einer Fahrschulerlaubnis wegen Unzuverlässigkeit

Aktenzeichen  11 ZB 15.2754

Datum:
11.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 45486
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FahrlG § 11, § 21

 

Leitsatz

Steuerrückstände sind dann geeignet, den Gewerbetreibenden als unzuverlässig anzusehen, wenn sie sowohl ihrer absoluten Höhe nach als auch im Verhältnis zur steuerlichen Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

16 K 14.5209 2015-10-21 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Berufungszulassungsverfahren wird auf 15.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht hinreichend dargelegt wurden bzw. nicht vorliegen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen vor, wenn ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (zu diesem Maßstab vgl. BVerfG, B. v. 21.1.2009 – 1 BvR 2524/06 – NVwZ 2009, 515 m. w. N.). Solche Zweifel können der Antragsbegründung nicht entnommen werden.
Das Verwaltungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass das Landratsamt die Fahrschulerlaubnisse nach § 21 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Fahrlehrerwesen vom 25. August 1969 (Fahrlehrergesetz – FahrlG, BGBl I S. 1336), zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. August 2013 (BGBl I S. 3313), zu Recht widerrufen hat, da die in § 11 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 FahrlG genannte Voraussetzung nachträglich weggefallen ist. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist dabei die Zustellung des Widerrufsbescheids am 16. Oktober 2014 (BVerwG, B. v. 30.10.1996 – 1 B 197/96 – GewArch 1997, 72 = juris Rn. 6). Danach eingetretene Veränderungen können nicht im Widerrufsverfahren, sondern ggf. in einem Verfahren auf Wiedererteilung einer Fahrschulerlaubnis Berücksichtigung finden.
Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 FahrlG wird eine Fahrschulerlaubnis erteilt, wenn keine Tatsachen vorliegen, die den Bewerber für die Führung einer Fahrschule als unzuverlässig erscheinen lassen. Fällt diese Voraussetzung nachträglich weg, ist die Fahrschulerlaubnis nach § 21 Abs. 2 Satz 1 FahrlG zwingend zu widerrufen. Unzuverlässig i. S. d. § 11 Abs. 1 Nr. 1 FahrlG ist der Erlaubnisinhaber nach § 21 Abs. 2 Satz 2 FahrlG insbesondere dann, wenn er wiederholt die Pflichten gröblich verletzt hat, die ihm nach diesem Gesetz oder den auf ihm beruhenden Rechtsverordnungen obliegen. Darüber hinaus finden die zum allgemeinen Gewerberecht entwickelten Beurteilungsmaßstäbe Anwendung (BVerwG, B. v. 30.10.1996 a. a. O. juris Rn. 8). Die Zuverlässigkeit zur Führung einer Fahrschule setzt dabei ein hohes Maß an charakterlicher Integrität voraus (vgl. Bouska/May/Koehl, Fahrlehrer Recht, 14. Aufl. 2015, § 11 Abs. 1 FahrlG Erl. 2.b). Insbesondere strafrechtliche Verurteilungen wegen Diebstahls, Unterschlagung, Betrugs, Untreue, Urkundenfälschung, Konkursstraftaten oder Steuerdelikten von einigem Gewicht schließen die Zuverlässigkeit regelmäßig aus (Bouska/May/Koehl a. a. O.). Aber auch ungeordnete wirtschaftliche Verhältnisse können die Annahme von Unzuverlässigkeit begründen (BayVGH, U. v. 27.4.1978 – 1 XI 74 – VRS 56, 78).
Soweit der Kläger geltend macht, die strafrechtliche Verurteilung könne die negative Prognose nicht rechtfertigen, da die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden sei, kann dem nicht gefolgt werden. Zum einen war zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids die Bewährungszeit von zwei Jahren noch nicht abgelaufen. Zum anderen handelt es sich um eine Verurteilung von erheblichem Gewicht, die im Zusammenhang mit dem Betrieb einer anderen Fahrschule ergangen ist. Zwar ist eine näher begründete Prognose des Strafrichters hinsichtlich der Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung für die Verwaltungsbehörden und die Verwaltungsgerichte von tatsächlichem Gewicht (vgl. BVerwG, B. v. 16.6.1987 – 1 B 93/86 – GewArch 1987, 351; BayVGH, B. v. 7.10.2014 – 22 ZB 14.1062 – juris Rn. 21). Wird die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung der Strafe zur Bewährung nicht begründet, bleiben die Behörden und Verwaltungsgerichte in ihrer Beurteilung des künftigen beruflichen Verhaltens des Betroffenen frei (vgl. BayVGH, B. v. 8.9.2014 – 22 ZB 13.1049 – juris Rn. 23 m. w. N.). Im vorliegenden Fall hat das Strafgericht in seinem Urteil vom 16. Oktober 2013 die Prognose hinsichtlich der Aussetzung der Vollstreckung der Strafe zur Bewährung nicht näher begründet, sondern nur ausgeführt, die Voraussetzungen des § 56 StGB lägen vor.
Darüber hinaus ist die Unzuverlässigkeit in einer Gesamtschau aller Umstände, die den Fahrschulinhaber als unzuverlässig erscheinen lassen, zu beurteilen (Bouska/May/Koehl, Fahrlehrer Recht, § 11 Abs. 1 FahrlG, Erl. 2.b). Hier belegen auch die erheblichen Steuer- und anderweitigen Zahlungsrückstände die Unzuverlässigkeit des Klägers. Steuerrückstände sind dann geeignet, den Gewerbetreibenden als unzuverlässig anzusehen, wenn sie sowohl ihrer absoluten Höhe nach als auch im Verhältnis zur steuerlichen Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind (BVerwG, B. v. 30.10.1996 – 1 B 197/96 – GewArch 1997, 72 = juris Rn. 8). Es trifft zwar zu, dass durch die Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldungen für das Jahr 2013 und 2014 und die Anrechnung einer Steuererstattung die bis Mitte 2014 aufgelaufenen Steuerrückstände gegenüber dem Finanzamt Erding von fast 60.000 Euro auf unter 20.000 Euro reduziert werden konnten. Gleichwohl verblieb aber eine im Verhältnis zu den Einnahmen und den regelmäßigen Steuerbelastungen des Fahrschulbetriebs des Klägers erhebliche Steuerschuld. Des Weiteren hatte der Kläger auch gegenüber dem Finanzamt Landshut, dem Kirchensteueramt und anderen öffentlichen Stellen erhebliche Rückstände.
Der Widerruf ist auch nicht unverhältnismäßig, da dem Kläger mit Aussetzung des Widerrufsverfahrens bis Ende Januar 2015 die Möglichkeit gegeben wurde, die Sanierung seines Betriebs in die Wege zu leiten. Wird ein Mangel festgestellt, der nach objektiver Beurteilung behebbar erscheint, so gebietet es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den Inhaber der Fahrschulerlaubnis zunächst aufzufordern, diesen Mangel zu beheben (Bouska/May/Koehl, Fahrlehrer Recht, § 21 Abs. 2 FahrlG Erl. 10). Trotz gewisser Mängel des Sanierungskonzepts und Bedenken gegen die ordnungsgemäße Ratenzahlung war das Landratsamt zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter bestimmten Voraussetzungen (keine neuen Schulden, Einhaltung der Ratenzahlungen, keine weiteren Straftaten) bereit, dem Kläger eine Chance zur Sanierung seines Unternehmens einzuräumen. Diese Voraussetzungen und die Folgen der Nichteinhaltung waren dem Kläger bekannt. Durch die Rücksendung der unterschriebenen Auswertung des Landratsamts hat er bestätigt, dass er sich an das vorgelegte Sanierungskonzept halten werde. Nachdem er unstreitig die Ratenzahlungen aber weder im September noch im Oktober 2014 geleistet hat, ist die Grundlage für die Sanierungsmöglichkeit weggefallen. Aus welchen Gründen der Kläger dabei seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen ist, wurde von ihm weder dem Finanzamt noch dem Landratsamt rechtzeitig mitgeteilt und konnte schon deshalb keine Berücksichtigung finden.
Es wäre auch nicht ausreichend gewesen, nur die Erlaubnis für die Zweigstelle zu widerrufen, denn der Kläger war insgesamt als unzuverlässig anzusehen. Die festgestellten Unregelmäßigkeiten resultierten nicht aus dem Betrieb der Zweigstelle und hätten mit einer Schließung der Zweigstelle auch nicht behoben werden können. Aus dem vorgelegten Sanierungskonzept ist ohnehin nicht ersichtlich, welche Betriebseinnahmen und -ausgaben mit der Zweigstelle verbunden sind und welche Einsparungen und Mindereinnahmen mit einer Schließung einhergegangen wären. Hätte es der Kläger als wirtschaftlich vorteilhaft angesehen, die Zweigstelle zu schließen, so ist nicht ersichtlich, weshalb er dies in seinem Sanierungskonzept nicht auch so dargestellt und dann durchgeführt hat.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Hierzu hätte der Kläger darlegen müssen, dass die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, sich also der Rechtsstreit wegen seiner Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt. Dies lässt sich der Antragsbegründung nicht entnehmen
3. Der Antrag auf Zulassung der Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. der Empfehlung in Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 analog (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Anh. § 164 Rn. 14).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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