Steuerrecht

Widerruf einer Gaststättenerlaubnis

Aktenzeichen  W 6 K 19.236

Datum:
24.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 15513
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GastG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2
GewO § 35 Abs. 1

 

Leitsatz

Da die Rücknahme bzw. der Widerruf gemäß § 15 GastG – auch im Falle einer gewerbeübergreifenden Unzuverlässigkeit – eine abschließende Befugnis zur Unterbindung eines genehmigten Gaststättenbetriebes darstellt, widerspricht es der Vorrangbestimmung des § 35 Abs. 8 GewO, wenn dem Gastwirt hierfür zugleich eine (einfache und erweiterte) Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GewO ausgesprochen wird. (Rn. 38)

Tenor

I. Der Bescheid des Landratsamtes K. vom 6. Februar 2019 wird in Nummern 3 bis 5 aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens haben der Kläger 2/3, der Beklagte 1/3 zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage gegen den Bescheid vom 6. Februar 2019 ist teilweise begründet, da die Gewerbeuntersagung (Nr. 3 des Bescheids) sowie die daran anknüpfende Aufforderung zur Einstellung des untersagten Gewerbes samt Androhung von Zwangsmitteln (Nr. 4 und Nr. 5 des Bescheids) rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Hinblick auf den Widerruf der Gaststättenerlaubnisse (Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheids) ist die Klage hingegen unbegründet, da der Widerruf rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.
1. Die Klage ist unbegründet, soweit dem Kläger in Nr. 1 des verfahrensgegenständlichen Bescheids die am 28. Juni 1999 erteilte Gaststättenerlaubnis zur Durchführung eines jährlich wiederkehrenden „Hof- und Gassenschoppenfestes“ und in Nr. 2 des Bescheids die am 6. September 2004 erteilte Gaststättenerlaubnis zum Betrieb der Schank- und Speisewirtschaft „Weinhaus … …“ widerrufen wurde, da der Widerruf der Gaststättenerlaubnisse zu Recht erfolgte.
1.1 Rechtsgrundlage für den Widerruf der Gaststättenerlaubnisse ist § 15 Abs. 2 GastG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG. Danach ist die Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die eine Versagung der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger die für den Gaststättenbetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Der Begriff der Zuverlässigkeit stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der gerichtlich voll überprüfbar ist.
Nicht zuverlässig ist, wer nach dem Gesamtbild seines Verhaltens keine Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird (BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 17/79 – BVerwGE 65, 9). Entscheidend ist, ob der Betreffende unter Würdigung aller mit seinem Betrieb zusammenhängenden Umstände willens und in der Lage ist, in Zukunft seinen beruflichen Pflichten nachzukommen und die im öffentlichen Interesse liegende einwandfreie Führung seines Gewerbes zu gewährleisten. Die Feststellung der Unzuverlässigkeit erfordert anhand festgestellter Tatsachen eine Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände, die eine Prognose hinsichtlich der ordnungsgemäßen Ausübung des Gaststättengewerbes für die Zukunft erlauben (vgl. Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand Dezember 2019, § 35 Rn. 31 ff. m.w.N.). Voraussetzung für eine Prognose der Unzuverlässigkeit ist keine feste Gewissheit, sondern eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, der Gewerbetreibende werde seinen Betrieb künftig ordnungswidrig führen. Hierfür reichen beachtliche ernsthafte Zweifel an einer ordnungsgemäßen Betriebsführung in der Zukunft aus (Ennuschat in Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 35 Rn. 31).
Der Widerruf der Gaststättenerlaubnis steht bei erwiesener Unzuverlässigkeit nicht im Ermessen der Behörde, sondern ist zwingend. Entscheidungserheblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (grundlegend BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 146.80 – BVerwGE 65, 1; siehe auch Marcks in Landmann-Rohmer, GewO, Stand Dezember 2019, § 35 Rn. 21 m.w.N.).
Gemessen hieran waren die dem Kläger erteilten Gaststättenerlaubnisse zu widerrufen, da der Kläger im entscheidungserheblichen Zeitpunkt aufgrund erheblicher Nichterfüllung steuerrechtlicher Pflichten (dazu 1.2) sowie aufgrund Fortführung seines Betriebes trotzt anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit (dazu 1.3) unzuverlässig war und deshalb nicht die erforderliche Gewähr bot, dass er seine Gaststättenbetriebe künftig ordnungsgemäß führen wird.
1.2 Zur ordnungsgemäßen Ausübung des Gaststättengewerbes gehört nicht nur die Einhaltung gaststätten- bzw. gewerbespezifischer Verpflichtungen, sondern auch die Erfüllung der mit der Gewerbeausübung zusammenhängenden steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Erklärungs- und Zahlungspflichten (vgl. OVG NW, B.v. 30.4.2020 – 4 B 21/20 – juris Rn. 6 mit Verweis auf BVerfG, B.v. 9.4.1997 – 1 B 81.97 – juris Rn. 5; siehe auch Metzner, GastG, 6. Aufl. 2002, § 4 Rn. 158). Die Nichtabführung gewerbebezogener Steuern und insbesondere vom Gewerbetreibenden treuhänderisch für den Staat vereinnahmter Steuern, z.B. der Umsatz- oder Lohnsteuer, stellt ein gravierendes Fehlverhalten eines Gewerbetreibenden dar (Ennuschat in Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 35 Rn. 52 m.w.N.). Steuerrückstände rechtfertigen die Annahme einer gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit, wenn sie sowohl nach ihrer absoluten Höhe als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind; zudem ist die Zeitdauer, während derer der Gewerbetreibende seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachkommt, von Bedeutung (BVerwG, B.v. 29.1.1988 – 1 B 164/87 – juris). Auch eine beharrliche Missachtung steuerrechtlicher Erklärungspflichten kann für sich genommen eine Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden begründen (BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 146/80 – juris Rn. 13).
Im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses lagen bereits seit geraumer Zeit und im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Klägers, der ausweislich der Gaststättenerlaubnisse ein Gasthaus führt sowie ein jährlich stattfindendes Straßenfest veranstaltet, erhebliche gewerbebezogene Steuerschulden vor. So hatte der Kläger zu Beginn des Widerrufsverfahrens nach Mitteilung des Finanzamtes K. vom 18. August 2017 aus den Jahren 2013 bis 2017 Rückstände für Lohn- und Umsatzsteuer (einschließlich Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten) in Höhe von insgesamt 31.001,06 EUR, sowie zusätzliche Rückstände für aus dem Betrieb resultierende Einkommensteuer (einschließlich Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten) in Höhe von insgesamt 9.524,37 EUR. Ferner verletzte der Kläger erheblich und beharrlich seine steuerlichen Erklärungspflichten. Lohnsteueranmeldungen wurden seit 2011, Umsatzsteuervoranmeldungen seit April 2016 nicht mehr eingereicht. Die Umsatzsteuererklärungen fehlten seit 2012 trotz mehrfacher Aufforderung. Einkommensteuererklärungen und Gewinnermittlungen fehlten ab 2013. Die Besteuerungsgrundlagen mussten deshalb im Schätzungswege ermittelt werden.
Tragfähige Anzeichen für eine alsbaldige Besserung des Verhaltens und der wirtschaftlichen Situation des Klägers waren bis Bescheiderlass nicht erkennbar, sodass auch keine Umstände vorlagen, die dem Kläger trotz der erheblichen Missachtung seiner steuerlichen Pflichten zu einer positiven Zuverlässigkeitsprognose hätten verhelfen können. Der Kläger legte vor allem kein nachvollziehbares und erfolgversprechendes Sanierungskonzept vor (dazu OVG NW, B.v. 30.4.2020 – 4 B 21/20 – juris Rn. 10; U.v. 12.4.2011 – 4 A 1449/08 – NVwZ-RR 2011, 553), das eine zeitnahe Abtragung seiner Steuerschulden und damit eine Rückkehr zu geordneten Vermögensverhältnissen erwarten ließ. Zu Beginn des Widerrufsverfahrens zeigte sich zwar ein Fachanwalt für Steuer- und Insolvenzrecht an und teilte dem Landratsamt mit, dass er sich mit dem Finanzamt K. in Verbindung setzen, fehlende Steuerklärungen nachreichen und einen Zahlungsplan vereinbaren werde. Bis zum Erlass des verfahrensgegenständlichen Bescheids gingen jedoch keine Steuererklärungen ein und ein Zahlungsplan wurde ebenfalls nicht geschlossen (vgl. Aktenvermerk vom 5.2.2019, Blatt 65 der Behördenakte). Stattdessen stiegen nach letzter Mitteilung des Finanzamtes K. vor Bescheiderlass (Schreiben vom 11.9.2018) die Rückstände des Klägers in der Summe auf 58.594,67 EUR (ohne Vollstreckungskosten). Hiervon ausgehend war die Prognose gerechtfertigt, der Kläger werde im Rahmen seiner Gaststättenbetriebe auch in Zukunft seinen steuerlichen Pflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen. Der Beklagte ging daher zu Recht von der Unzuverlässigkeit des Klägers im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG aus und widerrief folgerichtig gemäß § 15 Abs. 2 GastG dessen Gaststättenerlaubnisse.
Dem stehen auch nicht die vom Kläger erhobenen Einwendungen entgegen. Dass es sich bei den Steuerschulden des Klägers um Schätzungen des Finanzamtes handelte, lag in der Verantwortung des Klägers, da dieser die gesetzlich geforderten Erklärungen nicht fristgerecht abgab. Auch die geschätzte Steuerschuld ist gem. §§ 162 Abs. 1, 361 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) voll gültig und fällig. Sie ist deshalb im Gewerbeuntersagungsverfahren rechtlich nicht anders zu behandeln und im Widerrufsverfahren verwertbar (vgl. BVerwG, B.v. 29.1.1988 – 1 B 164/87 – juris; siehe auch BayVGH, B.v. 8.5.2015 – 22 C 15.760 – juris Rn. 19). Wer seinen steuerlichen Erklärungspflichten nicht nachkommt, kann nicht verlangen, gegenüber sich ordnungsgemäß verhaltenden Gastwirten besser gestellt zu werden und von den rechtlichen Konsequenzen verschont zu bleiben, die die Gesetze an ein solches Fehlverhalten knüpfen.
Auch die vom Kläger vorgebrachten persönlichen Umstände vermögen keine andere Entscheidung zu rechtfertigen. Da der Begriff der gaststättenrechtlichen Unzuverlässigkeit die Grundlage für den Widerruf der Erlaubnis und mithin für eine Maßnahme der Gefahrenabwehr darstellt, bestimmt sich sein Inhalt ausschließlich nach objektiven Kriterien. Deshalb ist es grundsätzlich unerheblich, ob den Gewerbetreibenden hinsichtlich der Umstände, derentwegen ihm eine negative Prognose hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit seines künftigen gewerblichen Verhaltens ausgestellt werden muss, ein Verschuldensvorwurf trifft oder ihm diesbezüglich „mildernde Umstände“ zur Seite stehen (BayVGH, B.v. 8.5.2015 – 22 C 15.760 – juris Rn. 20; Ennuschat in Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 35 Rn. 34). Das Vorbringen des Klägers, sein steuerliches Fehlverhalten sei vor dem Hintergrund einiger schwieriger Lebensphasen („Trennung und Scheidung“, „Missbrauchsabwicklung“) zu sehen, wäre allenfalls dann beachtlich, wenn sich feststellen ließe, dass eine derartige problematische Lebensphase – ihr nicht nachgewiesenes Bestehen unterstellt – tatsächlich ursächlich für die Missachtung der gewerbebezogenen Pflichten war, sie bereits lange vor dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt ihren Abschluss gefunden hätte und sich dies in einem gefestigten, nach außen hervortretenden und eindeutig feststellbaren Verhaltenswandel manifestiert hätte (vgl. BayVGH, B.v. 8.5.2015 – 22 C 15.760 – juris Rn. 20). Entsprechende Anhaltspunkte fehlen indes.
Schließlich war auch die weitere Entwicklung nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheids – die (nur) insoweit von Bedeutung sein kann, als sie Rückschlüsse auf die Richtigkeit der Prognose der Zuverlässigkeit zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses erlaubt (NdsOVG, U.v. 15.1.1986 – 7 A 83/85 – GewArch 1986, 196) – vorliegend nicht geeignet, die festgestellte Unzuverlässigkeit des Klägers nachträglich infrage zu stellen. Ausweislich der letzten Information des Finanzamtes K. vom 19. Februar 2019 stiegen die Steuerschulden des Klägers auch nach Bescheiderlass auf 66.713,32 EUR (ohne Vollstreckungskosten) an und es lag auch bis zur mündlichen Verhandlung kein tragfähiges Sanierungskonzept vor.
1.3 Die Unzuverlässigkeit des Klägers ergab sich zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses auch aus dem Umstand, dass dieser seine Gaststättenbetriebe trotzt anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit fortführte.
Die Annahme der Unzuverlässigkeit kann aus einer lang andauernden wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit abzuleiten sein, die infolge des Fehlens von Geldmitteln eine ordnungsgemäße Betriebsführung im allgemeinen und die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Zahlungspflichten im Besonderen verhindert. Auch dabei ist nicht maßgeblich, welche persönlichen Umstände oder Ursachen zu einer Überschuldung geführt haben. Im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs muss von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er ohne Rücksicht auf die Ursachen seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Diese – durch die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung begründete – Erwartung ist der eigentliche Grund, den wirtschaftlich leistungsunfähigen Gewerbetreibenden als unzuverlässig zu bewerten (BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 146/80 – juris Rn. 15).
Der Kläger war zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses in diesem Sinne wirtschaftlich leistungsunfähig und er führte seinen Gaststättenbetrieb dennoch fort. Eine mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit liegt schon vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vor, wenn der Gewerbetreibende die Vermögensauskunft (§ 802c ZPO) abgegeben hat und deswegen eine Eintragung im Schuldnerverzeichnis erfolgt, wonach eine Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen ist (vgl. Ennuschat in Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Auflage 2011, § 35 Rn. 71 m.w.N.). Ferner begründet es die Annahme wirtschaftlicher Zahlungsunfähigkeit, wenn der Gewerbetreibende seinen Gläubigern beharrlich Einblick in seine Vermögensverhältnisse verwehrt, obwohl er dazu gesetzlich verpflichtet ist. Der Kläger gab am 19. Dezember 2018 (Az. DR II 1207/18) die Vermögensauskunft ab. Im Schuldnerverzeichnis des Zentralen Vollstreckungsgerichts Hof wurde deshalb der Eintrag „Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen“ vermerkt. Insgesamt fanden sich vor Bescheiderlass im Schuldnerverzeichnis 22 Einträge des Klägers. Ferner dokumentiert die vorgelegte Behördenakte neben den Schulden beim Finanzamt K. (s.o.) weitere Schulden des Klägers gegenüber öffentlich-rechtlichen Gläubigern. Da dieser bis zum Widerruf der Gaststättenerlaubnisse auch kein tragfähiges Sanierungskonzept vorlegte, durfte von einer ausweglosen wirtschaftlichen Situation ausgegangen werden und stand eine anhaltende wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit fest, da es dem Kläger an der erforderlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit fehlt, um eine ordnungsgemäße Betriebsführung im Allgemeinen und die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Zahlungspflichten im Besonderen zu gewährleisten. Dass der Kläger seine Gaststättenbetriebe ungeachtet seiner Zahlungsunfähigkeit und ohne Rücksicht auf zu erwartende weitere Vermögensschädigungen öffentlicher und privater Gläubiger fortführte, begründet zusätzlich seine gaststättenrechtliche Unzuverlässigkeit, sodass ihm auch deshalb die Gaststättenerlaubnisse zu widerrufen waren.
2. Die Klage ist hingegen begründet, soweit in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids eine Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 GewO ausgesprochen wurde, da dies rechtswidrig erfolgte und den Kläger in seinen Rechten verletzt.
Zusätzlich zum Widerruf der Erlaubnisse untersagte das Landratsamt dem Kläger in Nr. 3 des angegriffenen Bescheids jegliche selbstständige Tätigkeit sowie auch die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person in seinen derzeitigen Gewerben – bezeichnet als „Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft“ bzw. „Durchführung eines Hof- und Gassenschoppenfestes“ – sowie in jedem anderen stehenden Gewerbe im gesamten Geltungsbereich der Gewerbeordnung ab sofort und auf Dauer. Wie die Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigten, zielt die verschachtelte, im Tenor explizit auf § 35 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GewO gestützte Anordnung darauf ab, erstens dem Kläger im Rahmen einer „einfachen“ Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO seine ausgeübten Gewerbe („Schank- und Speisewirtschaft“ und „Durchführung eines Hof- und Gassenschoppenfestes“) generell zu untersagen und zweitens, im Zuge einer „erweiterten“ Gewerbeuntersagung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO ihm auch jegliche selbstständige gewerbliche Betätigung sowie sämtliche Tätigkeiten als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person zu untersagen.
Für den Ausspruch einer solchen einfachen und erweiterten Gewerbeuntersagung gem. § 35 Abs. 1 GewO fehlt es jedoch im vorliegenden Fall an der erforderlichen Rechtsgrundlage.
2.1 Nach § 35 Abs. 8 Satz 1 GewO sind die Absätze 1 bis 7a des § 35 GewO und mithin auch die Bestimmungen über den Ausspruch einer Gewerbeuntersagung nicht anzuwenden, soweit für einzelne Gewerbe besondere Untersagungs- oder Betriebsschließungsvorschriften bestehen, die auf die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden abstellen, oder soweit eine für das Gewerbe erteilte Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zurückgenommen oder widerrufen werden kann. Damit soll der Vorrang der für bestimmte Gewerbe geltenden Sonderregelungen sichergestellt werden (Marcks, in Landmann/Rohmer, GewO, Stand Dezember 2019, § 35 Rn. 195 ff.). Es soll vermieden werden, dass ein Gewerbe wegen Unzuverlässigkeit aufgrund zweier verschiedener Vorschriften untersagt werden kann. Eine Gewerbeuntersagung kann deshalb nicht auf § 35 Abs. 1 GewO gestützt werden, wenn für die Untersagung eines ausgeübten erlaubnispflichtigen Gewerbes aufgrund Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in der Gewerbeordnung oder in gewerberechtlichen Nebengesetzen eine abschließende Regelung besteht. Setzt die jeweilige Gewerbeerlaubnis spezialgesetzlich eine gewerberechtliche Zuverlässigkeit voraus, haben deshalb nach § 35 Abs. 8 Satz 1 GewO auch spezielle Vorschriften über die Rücknahme und den Widerruf Vorrang vor der Untersagung nach § 35 Abs. 1 GewO (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.1986 – 1 B 98.86 – juris Rn. 4; ausführlich jüngst OVG NW, B.v. 30.4.2020 – 4 B 21/20 – juris Rn. 26 ff.).
2.2 Da im Gaststättenrecht die Erteilung einer nach § 2 Abs. 1 GastG erforderlichen Erlaubnis gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG die Zuverlässigkeit des Antragstellers voraussetzt und sich in § 15 GastG eine abschließende Regelung zur Rücknahme bzw. zum Widerruf der Gaststättenerlaubnis im Falle der nachträglichen Unzuverlässigkeit des Gastwirts findet, widerspricht es der in § 35 Abs. 8 Satz 1 GewO getroffenen Vorrangbestimmung, wenn einem Gastwirt – über den Widerruf seiner Gaststättenerlaubnis hinausgehend – gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO diese erneut sowie präventiv auch jeder künftige, noch nicht ausgeübte Betrieb eines Gaststättengewerbes und zusätzlich gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO auch jegliche sonstige selbstständige gewerbliche Tätigkeit sowie gewerbliche Vertretungs- und Leitungstätigkeiten untersagt werden. Für die gegenüber dem Kläger auf § 35 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GewO gestützte (erweiterte) Gewerbeuntersagung in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids besteht daher keine rechtliche Grundlage. Dazu im Einzelnen:
2.2.1 Bei § 15 GastG handelt es sich um eine abschließende spezialgesetzliche Vorschrift zur Unterbindung eines genehmigten Gaststättengewerbes im Falle der Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden, die nach § 35 Abs. 8 Satz 1 GewO den Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 GewO sperrt.
Zwar findet sich im Gaststättengesetz neben den Vorschriften über die Rücknahme und den Widerruf (§ 15 GastG) bei Unzuverlässigkeit eines Gastwirts keine Regelung, die der Behörde – vergleichbar der Gewerbeuntersagung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO, die sich ihrem Umfang nach nicht nur auf das konkret betriebene Gewerbe in seiner spezifischen Form bezieht, sondern auf die einschlägige Gewerbeart (Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand Dezember 2019, § 35 Rn. 81) – eine Befugnis verleiht, dem Gastwirt generell (über das betriebene Gaststättengewerbe hinausgehend) die selbstständige gewerbliche Tätigkeit im ausgeübten Gaststättengewerbe (Gewerbeart) zu untersagen. Ferner enthält das Gaststättengesetz auch keine dem § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO entsprechende Bestimmung zur präventiven Untersagung noch nicht ausgeübter gewerblicher Betätigungen im Falle einer sog. gewerbeübergreifenden Unzuverlässigkeit, also wenn Umstände vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende nicht nur für sein ausgeübtes Gewerbe unzuverlässig ist, sondern auch für andere oder alle (dazu BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6/14, NVwZ 2015, 1544 Rn. 17; Ennuschat in Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 35 Rn. 150).
Daraus folgt jedoch nicht, dass ein Widerruf der Gaststättenerlaubnis im Wege einer ergänzenden Anwendung des § 35 Abs. 1 GewO (i.V.m. § 31 GastG) mit einer Gewerbeuntersagung verbunden werden könnte (a.A. VG Regensburg, U.v. 16.5.2017 – RN 5 K 16.620 – juris Rn. 53 ff.). Einer Kombination des Widerrufs einer Gaststättenerlaubnis mit einer Gewerbeuntersagung steht auch für den Fall einer gewerbeübergreifenden Unzuverlässigkeit, etwa bei einer wie im Falle des Klägers erheblichen Missachtung steuerlicher Pflichten oder andauernden wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit, der in § 35 Abs. 8 Satz 1 GewO normierte Vorrang der spezialgesetzlichen Untersagungs- oder Betriebsschließungsvorschriften entgegen. Es bestehen weder nach der gesetzlichen Systematik noch anhand der Gesetzeshistorie Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Widerruf oder der Rücknahme der gaststättenrechtlichen Erlaubnis, die für einen konkreten Gaststättenbetrieb erteilt wird (vgl. § 3 Abs. 1 GastG), eine Befugnis zur erneuten Untersagung des widerrufenen Gaststättengewerbes und zur generellen Untersagung der Gewerbeart „Gaststättengewerbe“ (bzw. „Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft“ o.ä.) gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO sowie die Möglichkeit einer hieran anknüpfenden erweiterten Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO kombiniert werden kann (ausführlich OVG NW, B.v. 30.4.2020 – 4 B 21/20 – juris Rn. 30 ff.).
2.2.2 Auch aus der Ersetzung des Wortes „sofern“ in § 35 Abs. 8 Satz 1 GewO a.F. durch das Wort „soweit“ durch das Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung vom 13. Februar 1974 (BGBl. I S. 161) kann im Fall des Widerrufs der Gaststättenerlaubnis keine ergänzende Anwendbarkeit des § 35 Abs. 1 GewO abgeleitet werden.
Durch die Gesetzesänderung sollte die Anwendung spezialrechtlicher Untersagungsvorschriften insoweit (und nicht „sofern“) durch § 35 GewO ausgeschlossen werden, als im Einzelfall eine abschließende Regelung in der Gewerbeordnung oder in gewerberechtlichen Nebengesetzen besteht (Marcks in Landmann-Rohmer, GewO, Stand Dezember 2019, § 35 Rn. 196). Die einschränkende Formulierung „soweit“ in § 35 Abs. 8 Satz 1 GewO n.F. begrenzt nach Wortlaut und Systematik die Sperrwirkung dieser Norm nur insoweit, als besondere Untersagungs- oder Betriebsschließungsvorschriften bzw. Rücknahme- oder Widerrufsmöglichkeiten für einzelne Gewerbe bestehen, die wegen der Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden die Untersagung des konkreten Betriebs ermöglichen. Sie stellt aber nicht darauf ab, ob die jeweilige Spezialregelung auch – insbesondere für den Fall einer gewerbeübergreifenden Unzuverlässigkeit – eine Bestimmung zur generellen Untersagung der ausgeübten Gewerbeart sowie aller weiteren Gewerbe enthält (OVG NW, B.v. 30.4.2020 – 4 B 21/20 – juris Rn. 30; a.A. VG Regensburg, U.v. 16.5.2017 – RN 5 K 16.620 – juris Rn. 53).
Eine ergänzende Anwendung des § 35 Abs. 1 GewO wäre nach § 35 Abs. 8 Satz 1 GewO nur möglich, soweit die spezialgesetzlichen Vorschriften keine abschließenden, an die Unzuverlässigkeit anknüpfenden Betriebsunterbindungsregelungen enthalten. Dies kommt etwa in Betracht, wenn die Rücknahme oder der Widerruf einer Erlaubnis auf besondere Fälle der Unzuverlässigkeit beschränkt ist, wenn die spezialgesetzliche Regelung nur bestimmte Gewerbetreibende erfasst oder soweit ein teilbarer Mischbetrieb vorliegt, der durch die Spezialregelungen nicht vollständig verhindert werden kann (OVG NW, B.v. 30.4.2020 – 4 B 21/20 – juris Rn. 32 mit Verweis auf Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand Dezember 2019, § 35 Rn. 196 und § 15 Rn. 17 sowie BT-Drs. 7/111, S. 7). Daraus folgt, dass eine Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 GewO ausgeschlossen ist, wenn nach spezialgesetzlichen Vorschriften im Falle der nachträglichen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden durch die Möglichkeit der Rücknahme oder des Widerrufs einer Erlaubnis eine Unterbindung des (ganzen) tatsächlich ausgeübten Betriebs möglich ist (OVG NW, B.v. 30.4.2020 – 4 B 21/20 – juris Rn. 34).
Dies ist bei einem auf § 15 Abs. 2 GastG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG gestützten Widerruf der Gaststättenerlaubnis der Fall. Es handelt sich um eine abschließende Regelung zur Unterbindung eines genehmigten und ausgeübten Gaststättenbetriebes im Falle einer nachträglichen Unzuverlässigkeit des Gastwirts. Die Widerrufsbefugnis enthält keine Beschränkung ihres persönlichen Anwendungsbereichs auf bestimmte Erlaubnisinhaber. Auch sieht die Regelung des § 15 Abs. 2 GastG, die auf § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG verweist, keine sachliche Eingrenzung auf bestimmte Fälle der Unzuverlässigkeit vor. Bei den in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG genannten Beispielen handelt es sich nur um eine nicht abschließende Aufzählung („insbesondere“) typischer Gründe für eine Unzuverlässigkeit des Gastwirts (Metzner, GastG, 6. Aufl. 2002, § 4 Rn. 49). Der Widerruf nach § 15 Abs. 2 GastG erfasst über den Begriff der Unzuverlässigkeit in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG nicht nur die Fälle der gaststättengewerbespezifischen Unzuverlässigkeit. Auch Umstände, die eine gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit des Gastwirts begründen, sind vom gaststättenrechtlichen Unzuverlässigkeitsbegriff erfasst (zur gaststättenrechtlichen Definition der Zuverlässigkeit Metzner, GastG, 6. Aufl. 2002, § 4 Rn. 10 ff.), sodass es insoweit keiner ergänzenden Anwendung des § 35 Abs. 1 GewO i.V.m. § 31 GastG bedarf.
Auch führt der Widerruf der Gaststättenerlaubnis (verbunden mit einer Schließungsanordnung nach § 15 Abs. 2 GewO, § 31 GastG) zur Unterbindung des gesamten genehmigten Gaststättenbetriebs, sodass es sich bei § 15 Abs. 2 GastG auch im Hinblick auf die Reichweite des Widerrufs um eine abschließende Regelung handelt. Der Erlaubnis nach §§ 2, 3 GastG liegt keine isolierte Erlaubnis derjenigen Tätigkeiten zugrunde, die die Erlaubnispflicht nach § 2 GastG auslösen, insbesondere das Verabreichen alkoholischer Getränke. Ihre Gestattungswirkung bezieht sich vielmehr auf den gesamten Betrieb der Gaststätte. Ist das Gaststättengewerbe erlaubnispflichtig, schließt die erteilte Erlaubnis auch an sich erlaubnisfreie Tätigkeiten ein, etwa das Verabreichen von Speisen und Getränken im Sinne von § 2 Abs. 2 GastG (BayVGH, B.v. 5.10.2018 – 22 ZB 18.841 – juris Rn. 25; OVG NW, B.v. 30.4.2020 – 4 B 21/20 – juris Rn. 45). Dementsprechend umfasst der Widerruf der Erlaubnis den genehmigten und ausgeübten Gaststättenbetrieb insgesamt einschließlich solcher Tätigkeiten, die bei isolierte Betrachtung genehmigungsfrei wären (vgl. § 2 Abs. 2 GastG). Wird ein erlaubnispflichtiges Gaststättengewerbe trotz eines vollziehbaren Erlaubniswiderrufs weiter betrieben, kann anschließend die Fortsetzung des gesamten Betriebes von der zuständigen Behörde verhindert werden (§ 15 Abs. 2 Satz 1 GewO i.V.m. § 31 GastG). Da ein einheitliches erlaubnispflichtiges Gaststättengewerbe ausgeübt wird, besteht auch kein Raum für eine mit dem Widerruf einer Gaststättenerlaubnis verbundene (teilweise) Untersagung eines ausgeübten Gaststättengewerbes nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO hinsichtlich erlaubnisfreier Tätigkeiten, welche im Falle gewerbeübergreifender Unzuverlässigkeit gegebenenfalls mit einer erweiterten Gewerbeuntersagung (§ 35 Abs. 1 Satz 2 GewO) verbunden werden könnte (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2018 – 22 ZB 18.841 – juris Rn. 25; OVG NW, B.v. 30.4.2020 – 4 B 21/20 – juris Rn. 45 ff.; so aber z.T. die frühere Rechtsprechung, vgl. etwa BayVGH, B.v. 16.12.2015 – 22 ZB 15.2218 – BeckRS 2016, 40032; B.v. 3.5.2013 – 22 CS 13.594 – juris Rn. 24; VG Regensburg, U.v. 9.7.2015 – RN 5 K 14.1218 – BeckRS 2015, 122859; VG Augsburg, U.v. 27.7.2007 – Au 4 K 07.636 – BeckRS 2007, 35208).
2.3 Die Unzulässigkeit einer erweiterten Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO neben Rücknahme oder Widerruf einer Gaststättenerlaubnis folgt im Übrigen nicht nur aus § 35 Abs. 8 Satz 1 GewO, sondern auch daraus, dass eine erweiterte Gewerbeuntersagung nur in Verbindung mit einer einfachen Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ausgesprochen werden darf (vgl. BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 14.78 – juris Rn. 39). Eine erweiterte Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO ist danach nur zulässig, wenn – abgesehen von dem Fall des § 35 Abs. 1 Satz 3 GewO – in demselben Verfahren „auch“ ein tatsächlich betriebenes Gewerbe nach Maßgabe von § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO untersagt wird. Deshalb kommt eine erweiterte Gewerbeuntersagung in den Fällen nicht in Betracht, in denen ein erlaubnispflichtiges Gewerbe betrieben und anstelle einer hier nicht möglichen Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO die erforderliche Erlaubnis wegen Unzuverlässigkeit spezialgesetzlich widerrufen wurde. Auch wenn die spezialgesetzliche Regelung – wie § 15 Abs. 2 GastG – lediglich ermöglicht, die Fortführung des konkret ausgeübten Betriebes aufgrund nachträglicher Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zu unterbinden, aber nicht die Möglichkeit vorsieht, daran anknüpfend auch Maßnahmen in Bezug auf andere Gewerbe oder Tätigkeiten zu treffen, ist ein Rückgriff auf § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO aufgrund der eindeutigen, aufeinander aufbauenden Systematik des § 35 Abs. 1 GewO ausgeschlossen und eine erweiterte Gewerbeuntersagung in diesem Fall nicht zulässig (vgl. OVG NW, B.v. 30.4.2020 – 4 B 21/20 – juris Rn. 36 ff.). Es bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass das Gaststättengesetz im Hinblick auf das Fehlen einer dem § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO vergleichbaren Bestimmung eine planwidrige Regelungslücke aufweist, sodass auch eine analoge Anwendung der gewerberechtlichen Befugnis zur erweiterten Gewerbeuntersagung nicht in Betracht kommt.
2.4 Dem Ausschluss des § 35 Abs. 1 GewO im Falle eines gaststättenrechtlichen Erlaubniswiderrufs steht es auch nicht entgegen, dass bei gewerbeübergreifender Unzuverlässigkeit eines Gastwirts, etwa bei Steuerschulden oder wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit, im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr durchaus ein Bedürfnis bestehen kann, dem Gastwirt mit dem Widerruf zugleich die künftige gewerbliche Betätigung zu untersagen, insbesondere wenn ein Ausweichen in andere Gewerbe zu befürchten ist (zu den Voraussetzungen der sog. „Ausweichprognose“ BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6/14, NVwZ 2015, 1544 Rn. 17). Ferner ist es nicht entscheidungserheblich, ob die Nichtanwendbarkeit des § 35 Abs. 1 GewO im Falle der gewerbeübergreifenden Unzuverlässigkeit zu einer Privilegierung von Betreibern erlaubnispflichtiger Gaststättengewerbe gegenüber Gewerbetreibenden eines erlaubnisfreien Gewerbes führt.
Einem Gastwirt, dem die Gaststättenerlaubnis widerrufen wurde, kann aufgrund des § 35 Abs. 8 Satz 1 GewO auch bei gewerbeübergreifender Unzuverlässigkeit nicht zugleich präventiv gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO die künftige Gewerbeausübung untersagt werden (s.o.). Beginnt der Gastwirt nach dem Widerruf seiner Gaststättenerlaubnis ein erlaubnisfreies Gewerbe und besteht die gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit fort, kann die Behörde vielmehr erst nach Aufnahme des erlaubnisfreien Gewerbes eine Untersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO sowie gegebenenfalls eine erweiterte Untersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO aussprechen (vgl. OVG NW, B.v. 30.4.2020 – 4 B 21/20 – juris Rn. 41). Bestehen die gewerbeübergreifenden Unzuverlässigkeitsgründe nach dem Widerruf der Erlaubnis hingegen nicht mehr fort, darf der Gastwirt nach der Anzeige (§ 14 GewO) ohne Rücksicht auf die Jahresfrist des § 35 Abs. 6 GewO ein neues erlaubnisfreies Gewerbe beginnen. Wer demgegenüber ein erlaubnisfreies Gewerbe betreibt, dem kann nach § 35 Abs. 1 GewO bei einer gewerbeübergreifenden Unzuverlässigkeit mit der Untersagung des ausgeübten Gewerbes zugleich jegliche selbstständige gewerbliche Betätigung im Voraus verboten werden. Selbst wenn seine Unzuverlässigkeit alsbald entfällt, hat der erlaubnisfreie Gewerbetreibende im Verfahren der Wiedergestattung (§ 35 Abs. 6 GewO) grundsätzlich noch eine Frist von einem Jahr nach Durchführung der Untersagungsverfügung abzuwarten, bis er erneut ein Gewerbe ausüben darf.
Selbst wenn die gefahrenabwehrrechtliche Behandlung von erlaubnisfreien Gewerben sowie erlaubnispflichtigen Gaststättengewerben vor diesem Hintergrund widersprüchlich erscheinen mag (so VG Regensburg, U.v. 16.5.2017 – RN 5 K 16.620 – juris Rn. 55), führt dies aufgrund des Grundsatzes vom Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht dazu, dass die Befugnis des § 35 Abs. 1 GewO trotz der Bestimmung in § 35 Abs. 8 Satz 1 GewO zu Lasten des Klägers aufgrund teleologischer Erwägungen im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Gaststätten- und Gewerberechts Anwendung findet. Eingriffe in Freiheitsrechte des Betroffenen – hier in die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Klägers – erfordern eine gesetzliche Grundlage. Der Rückgriff auf § 35 Abs. 1 GewO ist im Falle des Widerrufs der Gaststättenerlaubnis – wie aufgezeigt – wegen § 35 Abs. 8 Satz 1 GewO gesperrt. Auch sofern man von einer inkohärenten Ausgestaltung der gaststätten- und gewerberechtlichen Gefahrenabwehr ausgehen mag, wäre es die Aufgabe des Gesetzgebers, darüber zu entscheiden, ob, mit welchem Schutzniveau und auf welche Weise Gefahren eines unzuverlässigen Gastwirts entgegengewirkt werden soll, wobei dem Gesetzgeber grundsätzlich ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zukommt (vgl. BVerfG, U.v. 11.6.2008 – 1 BvR 3262/07, 402, 906/08 – BVerfGE 121, 317, 356 f.). Deshalb kann es auch dahinstehen, ob eine Privilegierung erlaubnispflichtiger Gastwirte bei gewerbeübergreifender Unzuverlässigkeit zu einer mit Blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) i.V.m. der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung von Gewerbetreibenden erlaubnisfreier Gewerbe führt (dies andeutend VG Regensburg, U.v. 16.5.2017 – RN 5 K 16.620 – juris Rn. 55). In diesem Falle wäre es dem Gesetzgeber überlassen, ob er die ungleichmäßig belasteten Gewerbetreibenden in die Begünstigung einbezieht oder ob er die Begünstigung durch Schaffung einer dem § 35 Abs. 1 GewO entsprechenden Regelung im Gaststättenrecht beseitigt.
3. Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Gewerbeuntersagung erweist sich auch die in Nr. 4 und Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltende Aufforderung an den Kläger, wonach er das unter Nr. 3 untersagte Gewerbe „Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft“ spätestens mit Ablauf von sechs Wochen nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheids einzustellen hat, andernfalls ihm die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht wird, als rechtswidrig.
Bei der in Nr. 4 und Nr. 5 verfügten Aufforderung zur Einstellung des untersagten Gewerbes „Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft“ innerhalb von sechs Wochen handelt es sich in der Sache nicht um eine auf den Widerruf der Gaststättenerlaubnisse nach Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheids bezogene Schließungsanordnung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO i.V.m. § 31 GastG, mit welcher die Fortsetzung eines Gaststättengewerbes untersagt wird, das ohne erforderliche Zulassung (weiter-)betrieben wird. Vielmehr handelt es sich um eine sog. Abwicklungsfrist, wie sie regelmäßig mit einer Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO verbunden wird, um dem Gewerbetreibenden aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten eine gewisse Zeit einzuräumen, die Folgen der Gewerbeuntersagung für ihn abzumildern. Dies zeigt zum einen die explizite Bezugnahme auf Nr. 3 des Bescheids, in welcher kein Erlaubniswiderruf, sondern eine auf § 35 Abs. 1 GewO gestützte Untersagung ausgesprochen wurde. Zum anderen offenbart dies die Begründung des Bescheids, wo unter der Überschrift „Verhältnismäßigkeit“ erläutert wird, dass die Frist zur „Schließung und Endabwicklung“ des seit 2005 bestehenden Gaststättenbetriebes ausreichend und angemessen sei, um Lagerbestände aufzubrauchen und die sonst notwendigen Schritte und Vorkehrungen zu treffen, die aufgrund der Betriebsaufgabe regelmäßig anfallen. Ausführungen zu einer auf § 15 Abs. 2 GewO gestützten Unterbindung der Fortsetzung des widerrufenen Gaststättenbetriebes finden sich in der Begründung des Bescheids hingegen nicht.
Eine mit der Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO verbundene Frist erlaubt dem Gewerbetreibenden, bis zu ihrem Ablauf in seinem bislang ausgeübten Gewerbe noch tätig zu sein, um Abwicklungsarbeiten vorzunehmen und die Einstellung des Geschäftsbetriebs vorzubereiten. Eine Auslauffrist hebt die Wirksamkeit der ergangenen Untersagungsverfügung nicht auf, sondern ist deren fester Bestandteil (BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6/14 – NVwZ 2015, 1544 Rn. 19). Damit ist sie auch in ihrem rechtlichen Bestand von der Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung, mit der sie verbunden ist, abhängig. Da es vorliegend für eine auf § 35 Abs. 1 GewO gestützte Untersagung des Gewerbes „Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft“ in Nr. 3 des Bescheids keine Rechtsgrundlage gibt, ist auch die darauf bezogene Abwicklungsfrist von sechs Wochen (Nr. 4 des Bescheids) rechtswidrig. Entsprechendes gilt für die hierauf bezogene Androhung von unmittelbarem Zwang (Nr. 5 des Bescheids) im Falle der Nichteinstellung.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es dem Beklagten unbenommen bleibt, gegebenenfalls mittels einer Schließungsanordnung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO i.V.m. § 31 GastG eine Fortsetzung der in Nr. 1 und Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids widerrufenen Gaststättenbetriebe zur verhindern und dem Kläger ihm Rahmen des dabei eingeräumten Ermessens eine angemessene Frist einzuräumen.
4. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kostenentscheidung des Bescheids (Nr. 6 und Nr. 7) bestehen nicht. Die dem Kläger auferlegte Gebühr von 200,00 EUR entspricht der üblichen Gebührenhöhe in vergleichbaren Fällen und bewegt sich am unteren Ende des von der Beklagten herangezogenen Gebührenrahmens für eine Gewerbeuntersagung (50,00 EUR bis 2.000,00 EUR gem. Tarif-Nr. 5.III.5/15 des Kostenverzeichnisses [KVz]). Da der Widerruf der Gaststättenerlaubnisse rechtmäßig war, wären die dem Kläger im verfahrensgegenständlichen Bescheid auferlegten Kosten auch bei einer sachrichtigen Behandlung hinsichtlich der rechtswidrigen Gewerbeuntersagung entstanden, sodass auch Art. 16 Abs. 5 des Kostengesetzes (KG) der Gebührenerhebung nicht entgegensteht. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Kläger den Widerruf veranlasst hat und dass auch der für den Widerruf einer Gaststättenerlaubnis einschlägige Gebührenrahmen (100,00 EUR bis 2.000,00 EUR gem. Tarif-Nr. 5.III.7/21 KVz) die festgesetzte Gebühr trägt.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Da der Kläger mit seinem wesentlichen Klageziel, den Widerruf seiner Gaststättenerlaubnisse abzuwenden, nicht erfolgreich war, sich allerdings die Gewerbeuntersagung sowie die darauf bezogene Abwicklungsfrist und Zwangsmittelandrohung als rechtswidrig erwiesen haben, erschien es angemessen, dem Kläger 2/3 der Kosten des Verfahrens und dem Beklagten 1/3 aufzuerlegen.
6. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Steuererklärung für Rentner

Grundsätzlich ist man als Rentner zur Steuererklärung verpflichtet, wenn der Grundfreibetrag überschritten wird. Es gibt allerdings Ausnahmen und Freibeträge, die diesen erhöhen.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben