Steuerrecht

Widerruf einer Reisegewerbekarte, erweiterte Gewerbeuntersagung, gewerberechtliche Unzuverlässigkeit, steuerliche Rückstände, Einträge im Vollstreckungsportal

Aktenzeichen  22 ZB 21.1862

Datum:
19.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 33601
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 35 Abs. 1
GewO § 57 Abs. 1
BayVwVfG Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 16 K 19.2874 2021-01-26 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf der ihm erteilten Reisegewerbekarte und eine erweiterte Gewerbeuntersagung.
Mit Bescheid vom 16. Mai 2019 widerrief die Beklagte die dem Kläger am 24. September 2008 unbefristet erteilte Reisegewerbekarte für das „Feilbieten von Weihnachtsbäumen, Feilbieten von Blumen, Pflanzen und Gestecken, Feilbieten von Bier und Wein in fest verschlossenen Behältnissen (ohne Verzehr an Ort und Stelle), Feilbieten und Abgabe / Ausschank von zubereiteten Speisen und Feilbieten und Ausschank von alkoholfreien Getränken (Reisegastwirt)“ gem. Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG i.V.m. § 57 Abs. 1 GewO (Nr. 1.). Ferner untersagte sie ihm die Ausübung des von ihm am 13. Juni 2016 angezeigten Gewerbes „Durchführung von Gütertransporten mit Kraftfahrzeugen, deren zulässiges Gesamtgewicht einschließlich Anhänger bis zu 3,5 t beträgt“ als selbstständigem Gewerbetreibenden im stehenden Gewerbe gem. § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO (Nr. 2). Ebenso untersagte die Beklagte dem Kläger gem. § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter einer Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie die Ausübung jeglicher selbständigen Tätigkeit im stehenden Gewerbe (Nr. 3). Dem Kläger wurde aufgegeben, seine Tätigkeit spätestens 10 Tage nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheids einzustellen und die Reisegewerbekarte bei der Beklagten abzugeben (Nr. 4). Für den Fall, dass der Kläger dem nicht nachkomme, wurde die Anwendung unmittelbaren Zwangs bzw. die zwangsweise polizeiliche Einziehung der Reisegewerbekarte angedroht (Nr. 5, Nr. 6). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger im gewerberechtlichen Sinne unzuverlässig sei. Beim Kassen- und Steueramt der Beklagten hätten zum 16. Mai 2019 öffentlich-rechtliche Forderungen in Höhe von 14.123,22 € bestanden. Die einzige freiwillige Zahlung im Jahr 2019 sei am 10. Mai 2019 in Höhe von 205 € geleistet worden. Die Reduzierung der Forderung sei ansonsten ausschließlich auf eine teilweise Niederschlagung bzw. eine Einbehaltung von Sicherheitsleistungen zurückzuführen gewesen. Eine Zahlungsvereinbarung bestehe nicht. Der Kläger befinde sich zudem in ungeordneten Vermögensverhältnissen. Es lägen vier Einträge im Vollstreckungsportal vor, drei mit dem Vermerk „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ (§ 882c Abs. 1 Nr. 1 ZPO) sowie einer mit dem Vermerk „Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen“ (§ 882c Abs. 1 Nr. 2 ZPO).
Der Kläger erhob gegen den Bescheid Klage zum Verwaltungsgericht München. Mit Urteil vom 26. Januar 2021, dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 7. Juni 2021, wies das Verwaltungsgericht die Klage ab.
Mit am 1. Juli 2021 beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom gleichen Tag beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung. Er begründete diesen Antrag mit Schriftsatz vom 2. August 2021, eingegangen beim Verwaltungsgerichtshof am gleichen Tag, und machte ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend.
Die Beklagte ist dem Antrag auf Zulassung der Berufung entgegengetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen in der Antragsbegründung (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426.17 – juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62 f.).
1. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt (UA Rn. 20), dass sich die negative Prognose hinsichtlich der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers (vgl. § 57 Abs. 1 GewO, § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO) aus der Zusammenschau der im Zeitpunkt des Bescheiderlasses vorliegenden Tatsachen rechtfertige. So habe der Kläger erhebliche Rückstände beim Kassen- und Steueramt gehabt, ohne dass er nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept gearbeitet habe. Der Kläger habe selbst erklärt, dass eine Zahlungsvereinbarung mit dem Kassen- und Steueramt erst nach Bescheiderlass getroffen worden sei. Hinzu komme, dass der Kläger ausweislich der Einträge im Schuldnerverzeichnis mehrfach die Vermögensauskunft nicht abgegeben habe. Hieraus werde deutlich, dass der Kläger zur Erfüllung der ihm im Vollstreckungsverfahren obliegenden Pflicht, seinen Gläubigern den notwendigen Überblick über seine Vermögensverhältnisse zu verschaffen, freiwillig nicht bereit und daher nicht nur leistungsunfähig, sondern auch leistungsunwillig sei.
2. Der Kläger (Antragsbegründung, S. 5) wendet ein, er sei nicht im gewerberechtlichen Sinne unzuverlässig. Die Rückstände beim Kassen- und Steueramt der Beklagten seien in ihrer absoluten Höhe nicht erheblich; das Verwaltungsgericht habe auch offengelassen, wie die Erheblichkeit zu bestimmen sei. Der Kläger habe im Zeitpunkt der Behördenentscheidung an einem Sanierungskonzept gearbeitet, was sich auch daran zeige, dass eine Ratenzahlungsvereinbarung nach Bescheiderlass getroffen worden sei. Auch die Leistungswilligkeit des Klägers sei gegeben.
Aus diesem und dem Vortrag des Klägers im Einzelnen (Antragsbegründung, S. 6 ff.) ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.
2.1 Soweit sich der Kläger wiederholt auf Tatsachen beruft, die nach dem Zeitpunkt des Bescheiderlasses eingetreten seien (Reduzierung der Steuerrückstände, Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung, Löschung von Einträgen im Vollstreckungsportal; vgl. Antragsbegründung, S. 6 f., S. 9, S. 14, S. 15), vermag dies die Annahme seiner gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit nicht in Frage zu stellen.
Denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit sowohl des Widerrufs der Reisegewerbekarte als auch der (erweiterten) Gewerbeuntersagung und damit für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Klägers ist derjenige der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. allgemein zum Widerruf einer gewerblichen Erlaubnis etwa BVerwG, B.v. 25.10.1996 – 11 B 53.96 – juris Rn. 4 m.w.N.; B.v. 9.7.1993 – 1 B 105.93 – juris Rn. 4; B.v. 3.12.1990 – 1 CB 35.90 – juris Rn. 4; zur Reisegewerbekarte BayVGH, B.v. 9.8.2016 – 22 ZB 16.1347 – juris Rn. 25; zur Gewerbeuntersagung etwa BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 15; B.v. 9.4.1997 – 1 B 81.97 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 3.3.2021 – 22 ZB 20.1576 – juris Rn. 18). Für die Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden kommt es daher nicht darauf an, wie sich die tatsächlichen Verhältnisse nach Abschluss des behördlichen Untersagungsverfahrens weiterentwickelt haben (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015, a.a.O.). Von der Maßgeblichkeit des genannten Zeitpunkts ist auch das Verwaltungsgericht ausgegangen (UA Rn. 15).
2.2 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen auch nicht, soweit das Verwaltungsgericht für die Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers auf dessen Steuerrückstände abgestellt hat.
2.2.1 Nach ständiger Rechtsprechung sind Steuerrückstände geeignet, einen Gewerbetreibenden als unzuverlässig erscheinen zu lassen, wenn sie sowohl ihrer absoluten Höhe nach als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind; auch die Zeitdauer, während derer der Gewerbetreibende seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, ist von Bedeutung (vgl. etwa BVerwG, B.v. 9.4.1997 – 1 B 81.97 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 19.10.2020 – 22 ZB 20.362 – juris Rn. 13).
2.2.2 Der Kläger (Antragsbegründung, S. 8 f.) bestreitet die Höhe seiner Rückstände beim Kassen- und Steueramt der Beklagten. Es könne nicht nachvollzogen werden, wie sich die Steuerforderung zusammensetze, insbesondere, wie die Mittel verwendet worden seien, die auf die Steuerforderung verrechnet worden seien, bzw. es könne nicht geprüft werden, wie die Beklagte Zahlungen des Klägers verwendet habe. Kontoauszüge könne das Kassen- und Steueramt der Beklagten, wie sie eingeräumt habe, nicht vorlegen. Auch die ersatzweise von der Beklagten vorgenommene Darstellung eines Kontoauszugs sei nicht nachvollziehbar. Dieser Vortrag vermag die Höhe der dem streitgegenständlichen Bescheid und dem verwaltungsgerichtlichen Urteil zu Grunde liegenden steuerlichen Rückstände des Klägers nicht durchgreifend in Zweifel zu ziehen.
In einer Aufstellung der Beklagten (Behördenakte, Bl. 100) sind die Rückstände des Klägers beim Kassen- und Steueramt nach Art und Fälligkeit zum 28. Februar 2019 im Einzelnen dargestellt. Insgesamt ergab sich zu diesem Zeitpunkt ein Rückstand in Höhe von 16.755,40 €. Aus der Aufstellung ist ersichtlich, dass es sich ganz überwiegend um Rückstände bei Gewerbesteuerzahlungen und diesbezügliche Nebenforderungen handelte. Zwar findet sich in dem vorgelegten Behördenakt unmittelbar vor Bescheiderlass keine weitere derartige Rückstandsaufstellung. Dass der vom Kassen- und Steueramt der Beklagten zum 16. Mai 2019 (Bescheiddatum) ermittelte Rückstand öffentlich-rechtlicher Forderungen in Höhe von 14.123,22 € unzutreffend sein sollte, ist jedoch angesichts der zuvor erstellten, vom Kläger auch nicht konkret in Zweifel gezogenen detaillierten Aufstellung nicht ersichtlich. Die Reduzierung ist vielmehr im streitgegenständlichen Bescheid nachvollziehbar damit erläutert worden, dass der Kläger lediglich eine freiwillige Zahlung von 205 € geleistet hatte und dass die Reduzierung der Forderung ansonsten auf einer teilweisen Niederschlagung bzw. der Einbehaltung von Sicherheitsleistungen beruhte (vgl. zum Zeitpunkt der Reduzierung auch die vom Kläger vorgelegte Aufstellung in Anlage 5 zu einem Schreiben der Beklagten vom 23.7.2020). Die Behauptung des Klägers (Antragsbegründung, S. 12), die Reduzierung des offenen Betrags um 3.500 € beruhe auf einer am 26. März 2019 freiwillig geleisteten Zahlung, wird durch die von ihm vorgelegte Aufstellung nicht belegt.
Der Einwand des Klägers, es sei nicht nachvollziehbar, wie die Mittel verwendet worden seien, die auf die Steuerforderung des Kassen- und Steueramts verrechnet worden seien, bzw. wie seine Zahlungen seinerseits verwendet worden seien, greift nicht durch. Aus § 225 Abs. 1, Abs. 2 AO (zur Anwendbarkeit vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 5 AO, § 3 Abs. 2 AO, Art. 18 KAG) folgt, dass es, wenn mehrere Beträge geschuldet werden und bei freiwilliger Zahlung der gezahlte Betrag nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden ausreicht, zunächst auf die vom Steuerpflichtigen getroffene Tilgungsbestimmung ankommt. Der Kläger wäre also gehalten gewesen, selbst darzulegen, welche Zahlung er wann mit welcher Tilgungsbestimmung geleistet hat. Im Übrigen kommt es für die gewerberechtliche Zuverlässigkeit nicht darauf an, ob es sich bei den steuerlichen Rückständen des Gewerbetreibenden um Steuern oder steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO) handelt (vgl. BayVGH, B.v 19.10.2020 – 22 ZB 20.1088 – juris Rn. 10), zumal gerade das Entstehen von Säumniszuschlägen und Zinsen (§ 3 Abs. 4 Nr. 4 und Nr. 5 AO) darauf beruht, dass der Gewerbetreibende seine Zahlungs- bzw. Erklärungsverpflichtungen nicht erfüllt hat, er also bereits zuvor ein Verhalten gezeigt hat, welches die nicht ordnungsgemäße Ausübung des Gewerbes begründet (vgl. BayVGH, B.v. 21.9.2018 – 22 ZB 18.1043 – juris Rn. 18; OVG Berlin-Bbg, B.v. 26.4.2017 – OVG 1 N 49.15 – juris Rn. 5).
Der Hinweis des Klägers, die Beklagte habe eingeräumt, dass sie seit 2018 keine Kontoauszüge erstellen und vorlegen könne und dass die ersatzweise Darstellung eines Kontoauszugs nicht nachvollziehbar sei, stellt die Höhe der im Zeitpunkt des Bescheiderlasses vorhandenen steuerlichen Rückstände des Klägers ebenfalls nicht in Frage. Die vom Kläger in diesem Zusammenhang vorgelegten Schreiben der Beklagten vom 16. April 2020 und vom 23. Juli 2020 bestätigen vielmehr, dass die Beklagte zur Erstellung einer Aufstellung von Rückständen des Klägers – gerade auch zu solchen vor Bescheiderlass – weiterhin in der Lage war. Soweit der Kläger das Fehlen einer zusätzlichen Aufstellung über seine Zahlungen bemängelt, folgt hieraus nichts zu seinen Gunsten. Welche Zahlungen der Kläger an die Beklagte geleistet hat, müsste ihm selbst bekannt sein; hierauf weist das Schreiben der Beklagten vom 18. April 2020 zutreffend hin. Sollte der Kläger auf eine entsprechende Aufstellung der Beklagten angewiesen sein, weil er den Überblick über die von ihm geleisteten Zahlungen verloren hat, spricht dies eher gegen seine gewerberechtliche Zuverlässigkeit (vgl. BayVGH, B.v. 23.10.2012 – 22 ZB 12.888 – juris Rn. 11).
2.2.3 Auch der Einwand des Klägers, es lasse sich dem Urteil nicht entnehmen, wie die Erheblichkeit der Steuerrückstände zu bestimmen sei, greift nicht durch. Unter welchen Voraussetzungen Steuerrückstände geeignet sind, einen Gewerbetreibenden als unzuverlässig erscheinen zu lassen, ist in der Rechtsprechung geklärt (vgl. oben 2.2.1). Zu diesen, von ihm zum Teil selbst genannten (vgl. Antragsbegründung, S. 10) Kriterien hat der Kläger nichts näher dargelegt. Entsprechende Darlegungen wären jedoch geboten und dem Kläger auch möglich gewesen, da es sich – insbesondere beim Verhältnis der Rückstände zur Gesamtbelastung – um Umstände handelt, die zumindest auch in seiner Sphäre liegen.
Im Übrigen ist die Beurteilung des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Erheblichkeit der steuerlichen Rückstände des Klägers nicht ernstlich zweifelhaft. Aus der Aufstellung der Beklagten zum 28. Februar 2019 ergibt sich, dass es sich um steuerliche Rückstände handelte, die seit Jahren fällig waren, bzw. um Rückstände aus Veranlagungszeiträumen bereits vergangener Jahre. Zudem hatte der Kläger im Jahr 2019 trotz offener Forderungen von gut 14.000 € lediglich eine Zahlung in Höhe von 205 € geleistet. Dies und die sich aus der vom Kläger selbst vorgelegten späteren Aufstellung der Beklagten (vgl. oben 2.2.2, S. 6) ergebenden Beträge lassen erkennen, dass es sich bei dem genannten Rückstand auch um einen im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Klägers ganz erheblichen Betrag handelte. Für eine solche Erheblichkeit spricht weiter, dass vor Bescheiderlass eine weitere Reduzierung der Rückstände nur in Folge teilweiser Niederschlagung und der Einbehaltung von Sicherheitsleistungen erreicht werden konnte; dabei handelte es sich um Beträge, die den vom Kläger selbst geleisteten Betrag weit überstiegen. Von einem zuverlässigen Gewerbetreibenden wird zudem erwartet, dass er gegen ihn gerichtete Ansprüche von sich aus erfüllt (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2016 – 22 ZB 16.1347 – juris Rn. 19).
Unerheblich ist daher, dass der Kläger bei anderen Gläubigern, etwa dem Finanzamt München, keine Rückstände hatte.
2.2.4 Ernstliche Zweifel ergeben sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers zu seiner Zahlungswilligkeit und -fähigkeit sowie einem Sanierungskonzept.
Dass, wie der Kläger geltend macht (Antragsbegründung, S. 10), die Rückstände im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses nicht eine solche Höhe erreicht hatten, dass sie nicht mehr in überschaubarer Zeit zurückgezahlt werden hätten könnten, ist nicht ersichtlich. Hiergegen spricht neben der absoluten Höhe der steuerlichen Rückstände, auf die der Kläger im Jahr 2019 vor Bescheiderlass lediglich einen vernachlässigbaren Betrag freiwillig gezahlt hatte, auch der Umstand, dass dem Kläger in Folge der Anhörung nach Art. 28 BayVwVfG nochmals ohne Ergebnis die Möglichkeit eingeräumt worden war, eine Ratenzahlungsvereinbarung abzuschließen bzw. die Rückstände zu tilgen (vgl. Behördenakte Bl. 106).
Dass der Kläger „an“ einem Sanierungskonzept gearbeitet haben will, reicht daher nicht aus (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2016 – 22 ZB 16.2177 – juris Rn. 16); ebenso wenig, dass er sich um die Begleichung der steuerlichen Rückstände bemüht hat (vgl. OVG NW, B.v. 3.9.2020 – 4 A 2461/19 – juris Rn. 6). Dass es trotz jahrelangen Bemühens nicht zur Tilgung der Rückstände oder zumindest zur Erstellung eines Sanierungskonzepts gekommen war, sprach zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses eher dafür, dass auch künftig nicht mit einem ordnungsgemäßen Betrieb des Gewerbes zu rechnen war. Der vom Kläger geltend gemachte Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung mit Vollstreckungsbeschränkung am 31. Juli 2019 liegt nach dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt. Im Übrigen spricht alles dafür, dass es sich bei der vom Kläger insoweit wohl in Bezug genommenen Niederschrift über eine Vorsprache seines steuerlichen Vertreters bei der Beklagten am 31. Juli 2019 (vgl. VG-Akte, Bl. 190) nicht um den Abschluss einer solchen Vereinbarung und auch nicht um die Vereinbarung einer Vollstreckungsbeschränkung handelte. Vielmehr lassen sich dieser Niederschrift vor allem Absichtsbekundungen des Klägers im Hinblick auf die Zahlung von Rückständen sowie sein Wunsch nach einer Vollstreckungsbeschränkung entnehmen; der Vertreter des Klägers hat dementsprechend bei diesem Termin die Unterlagen zur Gewährung einer Vollstreckungsbeschränkung erst noch erhalten.
Soweit der Kläger auf Schwierigkeiten bei der Vereinbarung eines Sanierungskonzepts wegen seiner nur saisonalen Tätigkeiten verweist (Pflanzenverkauf im Frühjahr, Brotzeitstand auf dem Oktoberfest, vorweihnachtlicher Verkauf von Christbäumen) erschließt sich nicht, weshalb es nicht möglich sein sollte, ein Sanierungskonzept an diese Umstände anzupassen (z.B. durch auf das Entstehen von Einnahmen beim Kläger zugeschnittene Fälligkeitszeitpunkte und Ratenhöhen). Zudem werden zwar die vom Kläger genannten gewerblichen Tätigkeiten nur zu bestimmten Zeiträumen im Jahr ausgeübt; diese Zeiträume stehen aber fest (Oktoberfest, Vorweihnachtszeit) bzw. lassen sich (Pflanzenverkauf im Frühjahr) vergleichsweise verlässlich absehen. Im Übrigen kommt es auf solche Schwierigkeiten nicht an, weil nicht maßgeblich ist, ob die die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigenden Umstände vom Gewerbetreibenden verschuldet sind oder nicht; dies gilt auch dann, wenn es um Steuerrückstände geht (vgl. BVerwG, B.v. 11.11.1996 – 1 B 226.96 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 13.7.2017 – 22 C 17.1016 – juris Rn. 4).
2.3 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers (Antragsbegründung, S. 12 ff.) betreffend seine Einträge im Vollstreckungsportal. Der Kläger macht geltend, die Einträge beruhten auf Sachverhalten, die weit vor Bescheiderlass gelegen seien. Zudem sei hinsichtlich jeder der den Einträgen zu Grunde liegenden Forderungen eine Zahlung erfolgt bzw. habe eine Ratenzahlungsvereinbarung bestanden.
2.3.1 Zunächst stehen insoweit nicht die Einträge in das Vollstreckungsportal als solche inmitten, sondern die daraus zu ziehenden Folgerungen für die fehlende Leistungswilligkeit und -fähigkeit des Klägers (vgl. dazu etwa BayVGH, B.v. 19.10.2020 – 22 ZB 20.362 – juris Rn. 24). Dass allein aus dem Umstand, dass die vier bei Bescheiderlass vorhandenen Einträge etwa zwei bis drei Jahre zuvor angeordnet worden waren (vgl. Behördenakt, Bl. 102), nicht mehr geschlossen werden konnte, der Kläger sei nicht willens und in der Lage, seinen Verpflichtungen als Schuldner nachzukommen, hat der Kläger nicht dargelegt. Nach dem oben zu den steuerlichen Rückständen des Klägers Ausgeführten (vgl. 2.2) konnte dies auch nicht angenommen werden.
2.3.2 Auch der Vortrag des Klägers betreffend die Begleichung der seinen Einträgen im Vollstreckungsportal zu Grunde liegenden Forderungen bzw. den Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung (Unternehmen M…) erweckt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.
Für die Forderung der P … … … GmbH trägt der Kläger bereits nicht vor, dass diese vor dem maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses beglichen worden sein soll.
Hinsichtlich der drei übrigen Einträge macht der Kläger eine Begleichung bzw. den Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung vor Bescheiderlass geltend. Allerdings wurde dies so erstmals in der Antragsbegründung vorgetragen. Der Rechtsmittelführer ist zwar nicht gehindert, im Berufungszulassungsverfahren Tatsachen vorzubringen, die er schon im erstinstanzlichen Verfahren hätte geltend machen können. Dabei genügt es allerdings nicht, neue Tatsachen nur zu behaupten. Zur Erfüllung seiner Darlegungsverpflichtung muss der Rechtsmittelführer neuen Tatsachenvortrag vielmehr substantiieren und glaubhaft machen. Dabei sind an die Glaubhaftmachung umso höhere Anforderungen zu stellen, je weniger nachvollziehbar ein Unterlassen des Vorbringens in der ersten Instanz ist (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2021 – 22 ZB 20.1685 – juris Rn. 23 m.w.N.).
Vorliegend war der Kläger in dem Anhörungsschreiben vom 20. März 2019 u.a. darauf hingewiesen worden, dass vier Einträge im Vollstreckungsportal bestünden. Hierauf war dem Kläger anlässlich der Vorsprache seines Steuerberaters bei der Beklagten am 9. April 2019 u.a. Gelegenheit gegeben worden, eine Bestätigung der Löschung der Einträge im Vollstreckungsportal (vgl. § 882e Abs. 3 Nr. 1 ZPO) bzw. das entsprechende Einverständnis der Gläubiger vorzulegen. Es hätte nahegelegen, dass der Kläger bereits in diesem Zusammenhang Unterlagen dazu vorlegt oder zumindest geltend macht, dass – wenn dies der Fall gewesen wäre – die den Einträgen im Vollstreckungsportal zu Grunde liegenden Forderungen schon (zum Teil längst, März 2018) beglichen worden seien oder zur Begleichung unmittelbar anstünden bzw. eine Ratenzahlungsvereinbarung mit einem der Gläubiger vorlag. Dies ist nicht geschehen.
Auch weder der beim Verwaltungsgericht eingereichten Klagebegründung vom 2. November 2020 noch dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 26. Januar 2021 lässt sich konkret entnehmen, dass der Kläger eine Erfüllung der Forderungen vor Bescheiderlass geltend gemacht hätte. Eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Unternehmen M… hatte der Kläger zwar in der Klagebegründung (S. 7, S. 15, S. 16) erwähnt, nicht aber, dass sie vor Bescheiderlass abgeschlossen worden sei. Näheres zu einer Ratenzahlungsvereinbarung, insbesondere zu deren Datum, ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger mit der Klagebegründung vorgelegten E-Mail einer Rechtsanwaltskanzlei vom 13. August 2020. Zudem hatte der Kläger in dem Klagebegründungsschriftsatz (S. 9) auf zwei Einträge im Vollstreckungsportal verwiesen, aber weder – wie nunmehr – ausgeführt, dass dem Eintrag vom 16. August 2017 eine Forderung des Unternehmens M… zu Grunde liege, noch, dass mit diesem Unternehmen eine vor Bescheiderlass geschlossene Ratenzahlungsvereinbarung bestehen solle.
Da nicht nachvollziehbar ist, weshalb der Kläger die Begleichung von Forderungen bzw. den Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung nicht bereits im behördlichen, spätestens aber im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren geltend gemacht hat, hätte er seine diesbezüglichen Angaben im Berufungszulassungsverfahren näher substantiieren müssen. Dies ist nicht erfolgt. Unterlagen betreffend die von ihm angeführten Zahlungen und die Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Unternehmen M…, zumal hinsichtlich des Zeitpunkts, hat der Kläger nicht vorgelegt. Konkrete Zahlungsdaten hat er Kläger ebenfalls nicht genannt; bezüglich der Forderung des Bayerischen Rundfunks hat er zudem nur pauschal eine Zahlung vor Bescheiderlass angeführt.
3. Die Einwände des Klägers hinsichtlich des Vorliegens eines öffentlichen Interesses für den Widerruf der Reisegewerbekarte (Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Halbs. 2 BayVwVfG) und hinsichtlich der Erweiterung der Gewerbeuntersagung gem. § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO (Antragsbegründung, S. 17 f. bzw. S. 18 ff.) betreffen erneut seine steuerlichen Rückstände und Einträge im Vollstreckungsportal. Substantiierter neuer Vortrag ist der Antragsbegründung insoweit nicht zu entnehmen. Auf die vorstehenden Ausführungen zur gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers kann daher verwiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 54.2.1, Nr. 54.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (wie Vorinstanz; vgl. zum Streitwert beim Zusammentreffen des Widerrufs einer Reisegewerbekarte mit einer erweiterten Gewerbeuntersagung auch BayVGH, B.v. 18.7.2017 – 22 C 17.1218 – Rn. 8 [n.v.]).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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