Steuerrecht

Widmung als Entstehungsvoraussetzung der sachlichen Beitragspflichten

Aktenzeichen  B 4 K 15.984

Datum:
22.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG BayKAG Art. 13
AO AO § 169, § 170
BauGB BauGB § 129 Abs. 1 S. 3, § 133 Abs. 3 S. 2

 

Leitsatz

Zu den rechtlichen Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Erschließungsbeitragspflichten gehört die Widmung der Erschließungsanlage, weil durch sie die zum Anbau bestimmte Straße die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erhält. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Das Leistungsgebot im Bescheid der Beklagten vom 24.11.2014 in der Fassung des Bescheides vom 18.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes Coburg vom 17.11.2015 in Höhe von 2.437,16 EUR wird aufgehoben, soweit es den Betrag von 1.304,75 EUR übersteigt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 90% und die Beklagte 10%.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

1. Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Die Festsetzung eines Erschließungsbeitrags in Höhe von 11.486,16 EUR ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht aufzuheben, weil sie rechtmäßig und die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt ist. Das Lei-stungsgebot in Höhe von 2.437,16 EUR ist im Umfang von 1.132,41 EUR rechtswidrig, weil mit der endgültigen Beitragsschuld eine Vorausleistung von 10.181,41 EUR zu verrechnen ist.
1.1 Bei Erlass des Bescheides vom 18.12.2014 war die Festsetzungsfrist für die Erhebung des endgültigen Erschließungsbeitrags für die Sch …straße noch nicht abgelaufen.
Gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb), Abs. 2 KAG in Verbindung mit § 169 Abs. 1 Satz 1 AO sind eine Abgabefestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist, die vier Jahre beträgt, abgelaufen ist. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) cc), Abs. 2 KAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Abgabe entstanden ist.
Zu den rechtlichen Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Erschließungsbeitragspflichten gehört die Widmung der Erschließungsanlage (st. Rspr., zuletzt BayVGH, Urteil vom 24.02.2017 – 6 BV 15.1000 – Rn. 30, juris; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 19 Rn. 16), weil durch sie die zum Anbau bestimmte Straße die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erhält (Art. 6 Abs. 1 BayStrWG, § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB bzw. Art. 5a Abs. 2 Nr. 1 KAG). Das auf dem Grundstück Fl.-Nr. … verlaufende, im Jahr 2004 technisch hergestellte letzte Teilstück der streitgegenständlichen Erschließungsanlage wurde am 01.12.2010 gewidmet. Damit sind die sachlichen Erschließungsbeitragspflichten in diesem Zeitpunkt entstanden mit der Folge, dass die Festsetzungsfrist erst nach Erlass des Bescheides vom 18.12.2014 am 31.12.2014 abgelaufen wäre.
1.2 Der umlagefähige Aufwand wurde zu Recht unter Abzug eines Gemeindeanteils von 10% vom beitragsfähigen Aufwand ermittelt.
Maßgebend für das Entstehen der Beitragspflichten dem Grunde und der Höhe nach ist die Erschließungsbeitragssatzung, die in dem Zeitpunkt gilt, in dem – bezogen auf die betreffende Erschließungsanlage selbst – sämtliche Entstehungsvoraussetzungen erfüllt sind. Nur die Frage, ob eine Erschließungsanlage den Herstellungsmerkmalen entsprechend endgültig hergestellt ist (§ 132 Nr. 4 BauGB, Art. 5a Abs. 9 KAG), beantwortet sich immer nach der in dem Zeitpunkt gültigen Satzung, in dem der technische Ausbau abgeschlossen ist (Driehaus, a. a. O. Rn. 15).
Vorliegend galt schon im Zeitpunkt des technischen Ausbauabschlusses (2004) und damit erst recht bei Erfüllung sämtlicher Entstehungsvoraussetzungen mit der letzten Widmung im Jahr 2010 die EBS vom 01.06.1988 in der Fassung der am 01.01.2001 in Kraft getretenen 2. Änderungssatzung vom 12.12.2000, welche den Gemeindeanteil im Rahmen des § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB (Art. 5a Abs. 9 KAG) von 33 1/3% auf 10% herabsetzte (§ 4 EBS). Vertrauensschutzgesichtspunkte vermögen nichts daran zu ändern, dass die Erschließungsbeiträge auf dieser Grundlage und nicht unter Zugrundelegung der EBS in ihrer ursprünglichen Fassung zu erheben waren. Sie berühren daher nicht die im Rahmen der Anfechtungsklage allein zu prüfende Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.
1.3 Das Leistungsgebot im Bescheid vom 18.12.2014 ist zu hoch, weil im ursprünglichen Bescheid vom 24.11.2014 zu Recht eine Vorausleistung von 10.181,41 EUR angerechnet wurde.
Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 2 BauGB (Art. 5a Abs. 9 KAG) ist die Vorausleistung mit der endgültigen Beitragsschuld zu verrechnen, auch wenn der Vorausleistende nicht beitragspflichtig ist.
Von der in voller Höhe erbrachten Vorausleistung von 18.325,00 EUR aus dem Bescheid vom 05.05.2004 für das damalige Grundstück Fl.-Nr. … mit einer Gesamtfläche von 2.374 qm entfällt auf das im Eigentum der Klägerin verbliebene Grundstück mit einer Fläche von 1.319 qm ein Betrag von 10.181,41 EUR. Dieser Betrag ist mit der endgültigen Beitragsschuld von 11.486,16 EUR zu verrechnen, weil es gemäß § 133 Abs. 3 Satz 2 BauGB nicht darauf ankommt, dass der auf das Restgrundstück Fl.-Nr. … entfallende Teil der Vorausleistung teilweise von Personen erbracht wurde, die für dieses Grundstück nicht beitragspflichtig sind. Rechtmäßig war daher das Leistungsgebot in Höhe von 1.304,75 EUR im ursprünglichen Bescheid vom 24.22.2014 mit der Folge, dass das Leistungsgebot im Bescheid vom 18.12.2014 im Umfang von 1.132,41 EUR aufzuheben ist.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO, die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.


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