Steuerrecht

zur Frage der Haftung als faktischer Geschäftsführer

Aktenzeichen  6 K 1426/19 We

Datum:
22.6.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Weimar 6. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:VGWEIMA:2021:0622.6K1426.19WE.00
Normen:
§ 69 AO
§ 191 AO
§ 34 AO
§ 35 AO
§ 3 AO
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Spruchkörper:
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Leitsatz

zur Frage der Haftung als faktischer Geschäftsführer

Tenor

1. Der Bescheid vom 9. November 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 15. August 2019 wird die Haftungshöhe betreffend aufgehoben, soweit er die Haftungssumme von 621.883,08 € übersteigt und der Kläger insofern gesamtschuldnerisch in Anspruch genommen wird.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Verfahrens haben der Kläger 89 % und die Beklagte 11 % zu tragen.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, durch den er als Haftungsschuldner für die Gewerbesteuerschulden der E… in Anspruch genommen wird.
Die durch notariellen Vertrag vom 30. Juli 2007 gegründete Firma E… (nachfolgend: E…) unterhielt im Zeitraum vom 1. September 2007 bis zum 1. Oktober 2010 eine Betriebsstätte im Stadtgebiet Erfurt.
Unternehmensgegenstand waren der Verkauf -und die Verwaltung sowie die Vermietung und Verpachtung von Immobilien und Beteiligungen. Alleiniger Gründungsgesellschafter war Herr … B…. Auf der Grundlage eines Gesellschafterbeschlusses vom 30. Juli 2007 wurde Frau … H… zur Geschäftsführerin bestellt. Sie erteilte dem Kläger am 29. August 2007 eine notariell beglaubigte unbefristete Vollmacht für Grundstücksangelegenheiten dem Geschäftszweck der Gesellschaft (Bl. 2 der Haftungsakte) entsprechend. Des Weiteren erhielt der Kläger am 2. Oktober 2007 vom Alleingesellschafter eine Vollmacht zur Geschäftsanteilsübertragung, zur Ausübung des vollen Stimmrechts sowie zur unbegrenzten Abfassung von Gesellschafterbeschlüssen. Am 16. September 2009 gab der Alleingesellschafter, der durch den Kläger vertreten wurde, seine Geschäftsanteile an Frau …_ P… und an die A… GmbH ab. Am 30. September 2009 erfolgte die Abberufung von Frau H… als Geschäftsführerin. In der Folge wurde Herr … K… zum neuen Geschäftsführer bestellt. Zur gleichen Zeit wurden die Gesellschaftsanteile an die B… Ltd. übertragen und der Sitz der GmbH nach England verlegt.
Am 25. August 2010 leitete die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Erfurts ein Steuerstraf-verfahren gegen die nominelle Geschäftsführerin der GmbH, Frau H…, und den Kläger als faktisch auftretenden Geschäftsführer der GmbH wegen des Verdachts der Körperschaftssteuerverkürzung ein. Auf der Grundlage der dabei gemachten Feststellungen setzte das Finanzamt Erfurt mit Bescheid vom 21. September 2010 eine Körperschaftssteuervorauszahlung für das Jahr 2009 in Höhe von 724.284 € fest. Hiergegen erhob die E… Einspruch. Nach Auswertung der Ermittlungen der Steuerfahndung setzte das Finanzamt die Körperschaftsteuervorauszahlung mit Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2011 auf 151.813 € fest und erließ am 26. November 2014 einen entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid 2009. Aufgrund jener Feststellungen der Steuerfahndung erließ das Finanzamt Erfurt am 9. Dezember 2010 einen Körperschaftssteuervorauszahlungsbescheid in Höhe von 478.500 €. Auf den dagegen eingelegten Einspruch hin setzte das Finanzamt unter Berücksichtigung der Feststellungen der Steuerfahndung und den ihm vorliegenden Veräußerungsanzeigen die Körperschaftssteuervorauszahlung für 2010 mit Bescheid vom 28. Oktober 2011 auf 362.977 € herab. Am 26. November 2014 erließ das Finanzamt Erfurt zudem einen entsprechenden Körperschaftssteuerbescheid 2010. Beide Körperschaftssteuerbescheide sind bestandskräftig geworden.
Am 25. August 2010 wurde ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Hinterziehung von Körperschaftsteuern und Gewerbesteuern zugunsten der E… für das Kalenderjahr 2009 eingeleitet. Im Rahmen dieses Strafverfahrens fand eine Durchsuchung des Wohn- und Geschäftshauses des Klägers statt, wobei Teile der Buchhaltung der E… beschlagnahmt wurden. Ferner führt die Staatsanwaltschaft Bochum ein Strafverfahren gegen die Verantwortlichen der A… GmbH. In einer Verfügung vom 20. Februar 2014 äußert die Staatsanwaltschaft Bochum den Verdacht, dass die E… bereits im Zeitpunkt der Übertragung, d. h. ab dem 1. Oktober 2010, zahlungsunfähig bzw. überschuldet gewesen sei.
Am 10. Oktober 2010 meldete Frau H… aufgrund einer von Herrn K… erteilten Vollmacht das Gewerbe der GmbH bei der Beklagten wegen des erfolgten Gesellschaftsanteilsverkaufs ab, obwohl der Kläger am 15. Februar, am 30. Juni und am 4. August 2011 noch Grundvermögen der GmbH veräußerte. Weil die GmbH weder die festgesetzten Körperschaftssteuervorauszahlungen noch die entsprechenden steuerlichen Nebenleistungen bezahlte, befand sie sich seit dem 18. Januar 2011 in Vollstreckung. Sämtliche Vollstreckungsmaßnahmen blieben erfolglos, weshalb das Finanzamt Erfurt, nach vorheriger Anhörung vom 8. Oktober 2011, gegenüber dem Kläger am 10. Dezember 2014 einen Haftungsbescheid nach § 191 in Verbindung mit §§ 69, 34 und 35 der Abgabenordnung (AO) erließ, mit dem es ihn als faktischen Geschäftsführer der GmbH für die rückständigen Körperschaftssteuervorauszahlungen 2009 und 2010 sowie der steuerlichen Nebenleistungen in Höhe von insgesamt 801.890 € in Haftung nahm (Bl. 112 der Haftungsakte). Dieser wurde dem als inländischen Bevollmächtigten benannten Prozessbevollmächtigten des Klägers am 31. Dezember 2014 zugestellt. Außerdem erließ das Finanzamt Erfurt auch gegen die nominellen Geschäftsführer der GmbH Frau H… und Herrn K… entsprechende Haftungsbescheide.
Die vom Kläger hiergegen erhobene Klage vom 25. September 2015 hatte nur insoweit Erfolg, als dass das Thüringer Finanzgericht mit Urteil vom 25. Oktober 2018, Az.: 1 K 632/15, die Haftungssumme von 801.890,10 € auf 697.935,10 € herabsetzte. Im Übrigen wies es die auf die Aufhebung des Haftungsbescheids des Finanzgerichts Erfurt vom 10. Dezember 2014 gerichtete Klage ab.
Die vom Kläger beim Bundesfinanzhof erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wurde mit Beschluss vom 13. November 2019, Az.: XI B 24/19, als unbegründet zurückgewiesen.
Mit Bescheiden vom 8. Januar 2015 setzte die Beklagte gegenüber der E… die Gewerbesteuerforderungen für 2009 und 2010 von insgesamt 496.914,60 € sowie Zinsen zur Gewerbesteuer für 2009 von 31.770,00 € und Zinsen zur Gewerbesteuer für 2010 von 58.690,00 € jeweils auf der Grundlage der Gewerbesteuermessbescheide des Finanzamtes Erfurt für die Jahre 2009 und 2010 vom 26. November 2014 fest.
Die Steuerbescheide wurden an den neuen Geschäftsführer der E…, Herrn K…, adressiert.
Mit Haftungsbescheid vom 9. November 2016 nahm die Beklagte den Kläger als faktischen Geschäftsführer gesamtschuldnerisch für die Gewerbesteuer- und -zinsschulden der E… gem. §§ 34, 35, 69 und 191 AO in Anspruch und forderte ihn zur Leistung des Haftungsbetrages in Höhe von 696.692,60 € auf. Dabei argumentiert sie, der Kläger sei durch Generalvollmacht vom 29. August 2007 zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigt worden. Von dieser Generalvollmacht habe er umfassend Gebrauch gemacht, indem er nachweislich bei Immobilien An- und Verkäufen der GmbH gehandelt und die laufenden Geschäfte der Gesellschaft geführt habe. Der Kläger habe als faktischer Geschäftsführer der GmbH und damit als Verfügungsberechtigter im Sinne von § 35 AO dafür Sorge zu tragen gehabt, dass die einem Geschäftsführer obliegenden – hier: steuerrechtlichen – Pflichten ordnungsgemäß erfüllt würden. Diesen Verpflichtungen sei der Kläger offensichtlich nicht nachgekommen. Sein dahingehendes Verhalten sei als zumindest grob fahrlässige Pflichtverletzung zu werten. Als faktischer Geschäftsführer seien ihm diese Pflichtverletzungen zuzurechnen, welche auch kausal zum Steuerausfall geführt hätten. Zu den Pflichten des Verfügungsberechtigten nach § 35 AO gehöre insbesondere, dafür Sorge zu tragen, dass Steuererklärungen ordnungsgemäß abgegeben würden und, dass Steuerschulden aus den Mitteln beglichen würden, die sie verwalteten. Weiterhin bestünden Mitwirkungspflichten nach den §§ 140 ff. AO, darunter fielen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten sowie Aufbewahrungs- und Berichtigungspflichten nach § 53 AO. Es gehöre auch zu den Pflichten des Verfügungsberechtigten einer Kapitalgesellschaft, sich mit den steuerlichen Anforderungen, die an die Ausübung dieser Tätigkeit gestellt würden, vertraut zu machen. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung seien die Buchhaltungsbelege und -daten der Gesellschaft weder vorgelegt noch solche aufgefunden worden. Die Buchführung für das Jahr 2009 sei nur fragmentarisch und für das Jahr 2010 gar nicht vorhanden, buchführungspflichtige Vorgänge seien nicht oder nicht vollständig in den vorgelegten Jahresabschlüssen vorhanden gewesen, insbesondere sei der Jahresabschluss 2010 nicht nachvollziehbar und nicht nachprüfbar. Die Bestände zu den Bilanzstichtagen entsprächen nicht den Tatsachen, seien nicht ausgewiesen und die die Buchhaltung begründenden Unterlagen seien nicht vorhanden sowie bereits im Oktober 2010 beiseite geschafft und damit jeder weiteren behördlichen Überprüfung entzogen worden. Jener Sachverhalt sei dergestalt zu würdigen, dass gravierend gegen die Buchführungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten nach den §§ 140 ff. AO für die Erhebungszeiträume 2009 und 2010 verstoßen worden sei. Aufgrund der verspäteten Abgabe der zudem unrichtigen bzw. unvollständigen Steuererklärungen für die Jahre 2009 und 2010 lägen ferner Verstöße gegen die Erklärungspflichten nach § 14a GewStG i. V. m. §§ 149 ff. AO vor. Als Verfügungsberechtigter müsse sich der Kläger diese Pflichtverletzung zurechnen lassen. Dem stehe nicht entgegen, dass neben der Person des Klägers als formell berufene Geschäftsführer Frau H… und Herr K… ebenso zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt gewesen seien. Bei mehreren Vertretern bzw. Verfügungsberechtigten habe jeder für sich die Pflicht, die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen. Die Verletzung der Mitwirkungs- und Erklärungspflichten führe auch kausal zum Steuerausfall. Bei unterstellter ordnungsgemäßer Abgabe der Steuererklärung 2009 bis zum 31.05.2010 sei von einer Steuerfestsetzung für 2009 noch im dritten Quartal 2010 auszugehen gewesen. Mit der Steuerfestsetzung wären gem. § 19 GewStG auch die Vorauszahlungen für 2010 in gleicher Höhe angepasst worden. Bei unterstellter ordnungsgemäßer Einreichung der Steuererklärung 2010 bis zum 31. Mai 2011 sei von einer Steuerfestsetzung im dritten Quartal 2011 auszugehen. Der Steuerakte seien keine Anhaltspunkte zu entnehmen, dass die E… zu den fiktiven Fälligkeiten der Steuerforderungen nicht über ausreichende liquide Mittel zu deren Begleichung verfügt habe. Als Verfügungsberechtigter habe der Kläger außerdem dafür Sorge zu tragen gehabt, dass die Steuerforderungen fristgemäß beglichen würden. Es sei davon auszugehen, dass dem Kläger ausreichende Mittel zur Begleichung der Steuerforderung zur Verfügung gestanden hätten. Die Vertreterhaftung erstrecke sich dabei gem. § 69 S. 2 AO nicht nur auf die Steuerschulden, sondern gleichermaßen auf die Säumniszuschläge, die infolge der Pflichtverletzung entstanden seien. Nach alledem sei es auch ermessensgerecht, den Kläger neben Herrn K… und Frau H… gesamtschuldnerisch für den Steuerausfall bei der E… für die Erhebungszeiträume 2009 und 2010 einschließlich Säumniszuschläge als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen und ihn zur Leistung in vollem Umfange aufzufordern. Die Inanspruchnahme und das Leistungsgebot in voller Höhe des Steuerausfalls sei dabei geboten, da keine Kenntnis von Seiten der Behörde über ein eventuell bestehendes Vermögen der Mitschuldner bestehe und somit eine Fruchtlosigkeit der Vollstreckung in das Vermögen der anderen Schuldner in Betracht gezogen werden müsse. Auch seien die Aufenthaltsorte von Herrn K… und Frau H… nicht bekannt.
Die Beklagte bat mit Schreiben vom 25.05.2016 das Finanzamt Erfurt um weitere Informationen zum festgestellten Sachverhalt. Mit Schreiben vom 9. Juni 2015 und vom 3. Juni 2016 teilte das Finanzamt Erfurt auf die Haftungsanfrage der Beklagten unter Aufzeigen dortiger Erkenntnisse mit, dass die Voraussetzungen für eine Haftung im Sinne des § 35 AO vorliegen würden. Grobfahrlässige Pflichtverletzungen müssten sich demnach sowohl die Geschäftsführerin Frau … H… als auch Herrn … T… für den Erhebungszeitraum 2009 und 2010 zurechnen lassen.
Da der Kläger seinen Wohnsitz in der S… hat, erfolgte eine öffentliche Bekanntgabe des Bescheides. Über die Bekanntgabe des Bescheides wurde der Kläger mit Schreiben vom 19.12.2016 informiert.
Mit Fax vom 23. Dezember 2016 erhob der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers Widerspruch, welcher mit Schreiben vom 9. Februar 2017 im Wesentlichen damit begründete, dass der Kläger kein Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO gewesen sei, da ihm spätestens ab dem 30. September 2010 die rechtliche Verfügungsmacht gefehlt habe. Ihm hätten keine steuerlichen Pflichten oblegen. Die Steuerforderungen seien der Höhe nach nicht gerechtfertigt und der Kläger habe diese unter Beachtung der Regelung des § 166 AO nicht gegen sich gelten zu lassen. Gleichfalls stehe der Grundsatz der anteiligen Tilgung der Inanspruchnahme entgegen, da die Gesellschaft nach Kenntnis des Klägers über keine ausreichenden Firmenmittel verfügt habe. Auf die Zahlungsunfähigkeit ab September 2010 sei bei den Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamtes in Erfurt hingewiesen worden und diesbezüglich seien Unterlagen zur Vermögensarrestierung im Rahmen der Vollstreckung vorgelegt worden. Des Weiteren sei ein Ermessensfehlgebrauch gegeben. Auch die Festsetzungsverjährung sei bereits eingetreten.
Mit Schreiben vom 27. Februar 2017 wurden weitere Unterlagen zur Widerspruchsbegründung nachgereicht.
Auf Grundlage eines Amtshilfeersuchens nach § 111 AO nahm die Stadt Erfurt zum bisherigen, in der Vergangenheit erfolgten Agieren des Klägers Ermittlungen bei verschiedenen Stellen der Stadtverwaltung Erfurt (bei der unteren Gewerbebehörde, der Stadtkasse und dem Sachgebiet Grundsteuer), beim Handelsregister des Amtsgerichts Jena und bei der Bewertungsstelle des Finanzamtes Erfurt auf.
Das Finanzamt Erfurt übermittelte der Stadt Erfurt umfangreiche Unterlagen, welche im Rahmen des dortigen Haftungsstreitverfahrens zusammengetragen und dem Kläger über eine Akteneinsicht im finanzgerichtlichen Klageverfahren bereits bekannt waren. Die Aktenübergabe begleitend, gab das Finanzamt Erfurt mit Schreiben vom 13. Juni 2017 einen zusammenfassenden Überblick zur aktuellen Sachlage. Neben den erzielten Grundstücksverkaufserlösen der E… verwies das Finanzamt auch auf erfolglose Einspruchsentscheidungen des Finanzamtes Erfurts gegenüber der E… als Einspruchsführerin vom 28. Oktober 2011 gegen die Festsetzung von Vorauszahlungen für die Körperschaftssteuer 2009 und 2010.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. August 2019 wies das Thüringer Landesverwaltungsamt den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung legte es dar, die E… sei als Gewerbebetrieb gem. § 2 GewStG Schuldnerin der Gewerbesteuer. Der aus diesem Schuldverhältnis bestehende Anspruch der Stadt Erfurt auf Entrichtung der Gewerbesteuer für die Erhebungszeiträume 2009 und 2010 sei bislang nicht erfüllt worden. Die Steuerforderung in Höhe von 696.692,60 € sei fällig. Der Kläger sei faktischer Geschäftsführer und somit verfügungsberechtigt gewesen. Dies sei insbesondere im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und durch die Feststellungen der Steuerfahndung zutage getreten. § 35 AO stelle gerade nicht auf die formell-rechtlichen Vertretungsverhältnisse ab, sondern trage den tatsächlichen Umständen in einem Unternehmen Rechnung. Abgestellt werde also auf die mittelbare rechtliche Verfügungsbefugnis. Ausgehend von einer solchen Verfügungsmacht, könnten ebenso tatsächlich rechtliche Verhältnisse in einem Unternehmen geschaffen werden, wie es ein formal bestellter Geschäftsführer könne. Der Kläger sei sowohl nach innen als auch nach außen im rechtsgeschäftlichen Verkehr wie ein förmlich bestellter Geschäftsführer aufgetreten. Er habe die Unternehmenspolitik bestimmt, die Organisation sowie die Buchführung im Unternehmen gesteuert und die maßgeblichen Entscheidungen in Steuerangelegenheiten getroffen. Der Kläger habe am 29. August 2007 durch die förmlich bestellte Geschäftsführerin Frau H… eine unbefristete Vollmacht zur Vornahme von Grundstücksgeschäften erhalten. Diese stelle sich, auch wenn es sich dabei nicht um eine Generalvollmacht handle, entsprechend des Gesellschaftszwecks als sehr weitreichend dar. Der Kläger habe notarielle Kaufverträge abgeschlossen, Grundpfandrechte bestellt und an Zwangsversteigerungen teilgenommen. Außerdem habe der Kläger am 2. Oktober 2007 vom alleinigen Gesellschafter der GmbH eine Vollmacht zur Gesellschaftsanteilsübertragung, der Ausübung des vollen Stimmrechts und der Abfassung von Gesellschaftsbeschlüssen erhalten. Spätestens ab dem 2. Oktober 2007 habe der Kläger daher wie ein Geschäftsführer der GmbH handeln und nach außen auftreten können. Der Kläger sei auch über die erteilten Vollmachten hinaus tätig geworden. Er habe etwaige Sanierungen der Gebäude organisiert und Geschäftsverhandlungen geführt. Er sei mit dem Steuerbüro R… und R… in Kontakt getreten, habe Buchungsvorgänge verwaltet und die Gehaltshöhe der bestellten Geschäftsführerin bestimmt. Ferner habe er Kontakte zu Rechtsanwälten aufgenommen und das gemeinsame Vorgehen bestimmt. Ausweislich mehrerer Zeugenaussagen sei die bestellte Geschäftsführerin Frau H… gegenüber ihren Geschäftspartnern nicht als entscheidungsbefugte Person aufgetreten. Wie übereinstimmende Zeugenaussagen belegen würden, habe es keine Geldflüsse im Unternehmen gegeben, wenn der Kläger nicht zugegen gewesen sei. Der Kläger sei der Ansprechpartner für die Betreuung der Hausverwaltung „… K…“ und für deren Konten wirtschaftlich berechtigt gewesen. Er habe Mietverträge unterschrieben und -rückstände angemahnt. Der Kläger habe über die PINs und TANs der Geschäftskonten verfügt, welche bei einer Durchsuchung am 15. September 2010 in den Räumen des Klägers aufgefunden worden seien. Schließlich habe der Kläger die Verhandlung zur Abwicklung der E… mit der Firma A…, die für Firmenbestattungen bekannt sei, geführt. Alleingesellschafter sei zunächst Herr … B… gewesen. Mit notariellem Kaufvertrag vom 16. September 2009 habe Frau … P… die Mehrheitsanteile erworben, weitere Anteilseignerin wurde die A… GmbH, vertreten durch Frau S… eigentlich. Mit notariellem Kaufvertrag vom 30. September 2010 seien die gesamten Geschäftsanteile an die B… Ltd. veräußert worden. Der Alleingesellschafter … B… habe dem Kläger die Vollmacht zur vorbehaltlosen Übertragung seiner Geschäftsanteile an Dritte und in den Gesellschafterversammlungen in seinem Namen Beschlüsse zu fassen, erteilt. Eine gleichlautende Vollmacht habe sich der Kläger von der nachfolgenden Mehrheitsgesellschafterin Frau … P… am 16. September 2009 ausstellen lassen. Sowohl die Gesellschafterin Frau P… als auch der auf … H… folgende Geschäftsführer der E…, Herr K…, hätten bei ihrer Zeugenvernehmung angegeben, lediglich ihren Namen hergegeben, aber keinerlei Geschäftsführerfunktionen wahrgenommen zu haben. Herr K… habe ferner geäußert, dass ihm keinerlei Geschäftsunterlagen übergeben worden seien und er für seine interimsmäßige (Schein-) Geschäftsführertätigkeit von der A… GmbH lediglich 350,00 € bekommen habe. Unter Nutzung der unbefristet erteilten Grundstücksvollmacht habe sich der Kläger selbst im Jahr 2011, d. h. über den Firmenverkauf im September 2010 hinaus, noch als Geschäftsführer geriert. Die zu jenem Zeitpunkt noch im Eigentum der E… befindlichen Objekte in E…, J… und D…, seien durch den Kläger verkauft worden. Zudem sei der Kläger auch Unterzeichner von Abtretungen, z. B. an die M… GmbH vom 15. Februar 2011, gewesen. In der Gesamtschau stehe fest, dass der Kläger der umfassenden Aktenlage entsprechend zumindest noch bis August 2011 aufgrund der offensichtlich immer noch gültigen Grundstücksvollmacht wie ein Geschäftsführer der GmbH nach außen aufgetreten sei und die E… auch intern gegenüber der eingetragenen Geschäftsführerin i. S. d. § 35 AO gelenkt habe. Dass die Beklagte zunächst bei Erlass des Haftungsbescheids vom Vorliegen einer Generalvollmacht ausgegangen sei, ändere an der Rechtmäßigkeit des Ausgangsbescheides nichts. Für die Inanspruchnahme nach § 35 AO bedürfe es nämlich keiner Generalvollmacht, sondern es müsse allein auf die tatsächliche Verfügungsbefugnis abgestellt werden. Der Kläger habe gravierend gegen die Buchführungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten der §§ 140 ff. AO für die Veranlagungszeiträume 2009 und 2010 verstoßen. Zudem habe er gegen § 14a GewStG i. V. m. §§ 149 ff. AO verstoßen, indem er eine unrichtige bzw. unvollständige Steuererklärung verspätet abgegeben habe. Der Kläger hätte als faktischer Geschäftsführer des Unternehmens dafür Sorge tragen müssen, dass die absehbaren Gewerbesteuern beglichen werden könnten. Das sei ihm aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit als Immobilienmakler und Geschäftsführer anderer Unternehmen auch ohne Weiteres möglich gewesen. Er habe jedoch keine Mittelvorsorge getroffen und die Tilgung der Steueransprüche durch sein Vorgehen in Gestalt von Abtretungen, Darlehensgewährungen, organisierten Firmenbestattungen usw. geradezu vereitelt. Nach den Zeugenaussagen sei bekannt, dass die Auftragnehmer der E… im Anschluss an die Kontosperrung bei der Sparkasse angewiesen worden seien, die bereits fällige Rechnung auf eine andere GmbH, in welcher der Kläger tatsächlich Geschäftsführer gewesen sei, umzuschreiben. Der Kläger habe etwa die Erlöse aus dem Verkauf der Grundstücke „D…“ und J…“ im Dezember 2009 an die H… mbH bzw. im Februar 2011 an die M… GmbH M… I… abgetreten. Weiterhin habe er durch die Veräußerung des Grundstücks unter dem Verkehrswert an eine nahestehende Person, die diese kurze Zeit später zu einem wesentlich höheren Wert weiterveräußert habe, selbst dafür gesorgt, dass der E… die Mittel zur Begleichung der Steuerzahlung fehlten. Zwar treffe den Steuergläubiger grundsätzlich die Feststellungslast. Ausgehend von den §§ 90 Abs. 1, 93 Abs. 1 AO ergebe sich für den Haftungsschuldner jedoch eine entsprechende Mitwirkungspflicht zur Aufklärung des wahren Sachverhalts. Die eilige Firmenbestattung nach den Durchsuchungsmaßnahmen spreche dafür, dass sogar willentlich Unterlagen und Dokumentationen dem Zugriff der Behörden hätten entzogen werden sollen. Der Kläger hätte sich in Kenntnis der finanziellen Schwierigkeiten der E… im Rahmen der Beweisvorsorge entsprechende Geschäftsunterlagen kopieren bzw. beschaffen müssen. Unterlagen, die eine tatsächlich fehlende Liquidität des Unternehmens im Haftungszeitraum belegen könnten, seien nicht vorgelegt worden. Die von dem Finanzamt festgestellten Erlöse im Jahr 2009 in Höhe von 4.853.000,00 €, im Jahr 2010 von 3.890.000,00 € und in 2011 in Höhe von 420.000,00 € ließen keinen anderen Schluss zu, als dass die E… auch noch nach dem Firmenverkauf am 3. September 2010 gewirtschaftet habe. Der Kläger habe keine Angaben über die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten und den Umfang der Tilgung im Haftungszeitraum gemacht, weshalb die Behörde von der Schätzungsbefugnis habe Gebrauch machen dürfen. Seine Pflichten als faktischer Geschäftsführer habe der Kläger zumindest grob fahrlässig verletzt. Er habe Kenntnis über sämtliche Geschäftsunterlagen und die vorherrschende Stellung in der Gesellschaft gehabt. Ihm habe die Entscheidungsgewalt oblegen. Es hätte dem Kläger daher klar sein müssen, dass er als faktischer Geschäftsführer steuerrechtlich und gesellschaftsrechtlich in der Verantwortung stehe. Er sei im Besitz der Verwaltungs- und Verfügungsgewalt gewesen. Als Schaden stünden die fälligen Gewerbesteuer- und Zinsforderungen für die Erhebungszeiträume 2009 und 2010 in Höhe von 587.375,00 € zu Buche. Darüber hinaus habe für den Erhebungszeitraum 2009 keine Vorauszahlung gemäß § 19 Abs. 1 und 2 GewStG auf der Grundlage der letzten Veranlagung festgesetzt werden können. Bei rechtzeitiger Abgabe der Steuererklärung 2009 wäre nach Angaben der Beklagten eine Vorauszahlung in Höhe von 141.204,00 € zum 15. November 2010 fällig geworden. Die fristgerechte und inhaltlich korrekte Abgabe der Steuererklärung 2009 zum 31. Mai 2010 hätte zu einer Steuerfestsetzung zum 3. Quartal 2010 geführt. Ebenso verhalte es sich mit der Steuererklärung für 2010. Eine Vorauszahlung für 2010 auf Grundlage der Steuererklärung für 2009 hätte zum 15. November 2010 festgesetzt werden können. Die Ermessensentscheidung der Beklagten im Rahmen des § 191 AO sei nicht zu beanstanden. Sie habe ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, einen Haftungsbescheid zu erlassen und diesen an den Kläger zu richten. Entsprechende Ermessenserwägungen seien in den Haftungsbescheid eingestellt worden. Der Kläger habe keine substantiierten Angaben zu den Vermögensverhältnissen der Primärschuldnerin für den relevanten Haftungszeitraum gemacht. Es hätten daher keine weiteren Anhaltspunkte für eine weitere Sachverhaltsaufklärung bestanden. Insbesondere sei die Inanspruchnahme des Klägers nicht unverhältnismäßig. Es sei kein Grund erkennbar, weshalb er nicht in voller Höhe für die von der Gesellschaft geschuldeten Steuern haften solle. Auch gegen die Höhe der geltend gemachten Forderungen bestünden keine Bedenken.
Am 13. September 2019 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben.
Zur Begründung vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Unter Berücksichtigung der BFH-Rechtsprechung sei der streitgegenständliche Haftungsbescheid rechtswidrig und aufzuheben. Eine Generalvollmacht sei dem Kläger zu keinem Zeitpunkt erteilt worden. Es sei wenig überzeugend, eine angebliche rechtliche Verfügungsbefugnis des Klägers für das Kalenderjahr 2011 damit zu begründen, dass der Kläger ca. 4 Jahre vor diesem Zeitpunkt eine Gesellschaftervollmacht von einem ,,alleinigen Gesellschafter der GmbH“ erhalten habe, obwohl dieser bereits 2 Jahre vor dem maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich am 30. September 2010 als Gesellschafter der E… ausgeschieden sei. Die umfangreichen, im Urteil des Thüringer Finanzgerichts enthaltenen Ausführungen der Beklagten zu dem angeblichen Auftreten des Klägers im Außenverhältnis – ohne Angabe von Zeit, Ort und jeweiligem Geschäftspartner – dienten ausschließlich der Stimmungsmache.
Eine Pflichtverletzung in Gestalt der fehlenden Mittelvorsorge sei nicht gegeben. Sie scheide nämlich dann aus, wenn der Handelnde keine Bankvollmacht inne gehabt habe. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt eine Bankvollmacht zugunsten der E… erhalten habe. Vor Ablauf der Frist zur Abgabe der Steuererklärungen habe der Kläger selbst nicht handeln können. Nach Ablauf der Steuererklärungsfrist sei keine ausreichende Zeit verblieben, um auf der Grundlage der Gesellschaftervollmacht einen neuen gesetzlichen Vertreter zu bestellen, der die Steuererklärung fristgerecht abgegeben hätte. Unklar bleibe, wie der Kläger nach Wegfall seiner mittelbaren Verfügungsbefugnis zum 30. September 2010 dafür hätte sorgen sollen, dass der gesetzliche Vertreter der E… im Jahr 2011 die Steuererklärungen für das Kalenderjahr 2010 fristgerecht abgebe. Jedenfalls könne dem Kläger ab dem 30. September 2010 keine Verletzung einer ihm angeblich auferlegten Pflicht i. S. v. § 69 AO mehr vorgeworfen werden. Die Beklagte komme weder ihrer Feststellungslast noch ihrer objektiven Beweislast nach. Sie könne nicht beweisen, dass die E… zum Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit der maßgeblichen Steuerschulden – hier: 12.02.2015 – wirtschaftlich in der Lage gewesen sei, alle Gesellschaftsverbindlichkeiten in vollem Umfang zu begleichen, ebenso wenig, dass die Möglichkeit der vollständigen Begleichung sämtlicher fälliger Verbindlichkeiten der E… im Kalenderjahr 2011 bestanden habe. Die Beklagte trage lediglich die Umsatzerlöse der Primärschuldnerin für die Jahre 2009, 2010 und 2011 vor. Diese seien irrelevant. Die Geschäftsunterlagen befänden sich nicht in der Verfügungsbefugnis des Klägers, da die die Staatsanwaltschaft Bochum diese beschlagnahmt habe. Der Kläger sei deshalb nach der gesetzlichen Regelung in § 93 Abs. 3 S. 2 AO nicht zur Mitwirkung verpflichtet, so dass es bei der objektiven Beweis- und Feststellungslast der Beklagten bleibe. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs habe die Beklagte vorzutragen und zu beweisen, dass die E… bei Fälligkeit der Steuerschulden am 12. Februar 2015 über hinreichende Mittel zu deren Begleichung verfügt habe. Dies könne die Beklagte aber weder vortragen noch beweisen.
Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid der Beklagten vom 9. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Thüringer Landesverwaltungsamts Weimar vom 15. August 2019 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft die Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid. Dabei ist sie der Ansicht, es sei ausreichend, dass der Verfügungsberechtigte i. S. v. § 35 AO unmittelbar rechtlich und tatsächlich in der Lage sei, die steuerlichen Pflichten eines gesetzlichen Vertreters zu erfüllen. Der vorgebrachte Umstand des Ausscheidens des Gesellschafters Herrn … B… und ein damit einhergehendes Erlöschen der Verfügungsbefugnis des Klägers seien in die hiesige Entscheidungsfindung mit einbezogen worden. Jedoch sei anhand der vorliegenden Unterlagen, z. B. dem strafrechtlichen Ermittlungsbericht vom 30. März 2017, der Zuarbeit der Steuerfahndungsstelle Gotha zur Staatsanwaltschaft Erfurt vom 12. April 2019 oder der Zeugenaussagen im Steuerstrafverfahren davon auszugehen, dass der Kläger zumindest noch bis August 2011 wie ein Geschäftsführer der GmbH nach außen hin aufgetreten sei und er auch intern gegenüber der eingetragenen Geschäftsführerin die Geschicke der E… gelenkt habe. Die Mittelvorsorgepflicht des Klägers leite sich nicht aus einer formal erteilten Bankvollmacht ab, sondern aus seiner Stellung als faktischer Geschäftsführer. Danach habe er, wie ein formell bestellter Geschäftsführer, für Mittel zur Zahlung zu sorgen gehabt und zwar bereits im Zeitpunkt der Entstehung des Steueranspruchs und nicht erst bei dessen tatsächlicher Fälligkeit. Für den Zeitpunkt der Entstehung der Fälligkeit seien den vorliegenden Akten zahlreiche Anhaltspunkte entnehmen, dass die GmbH über entsprechende Mittel verfügt habe, welche der Kläger für die Begleichung der Steuerverbindlichkeiten hätte vorhalten müssen. Dies entspreche auch der Ansicht des Thüringer Finanzgerichts. Darüber hinaus seien bei der Durchsuchung seiner Geschäftsräume am 15. September 2010 noch in größerem Umfang Geschäftsunterlagen der GmbH mit Onlinezugang zu den Konten der GmbH sowie entsprechenden TAN-Listen aufgefunden worden, so dass geschlussfolgert werden könne, dass der Kläger auch zu diesem Zeitpunkt zumindest mit Duldungsvollmacht noch rechtlich und tatsächlich über die Konten der GmbH habe verfügen können. Auch der vorgetragene Umstand, dass die Steuererklärung 2009 durch die vormals bestellte Geschäftsführerin Frau H… unterschrieben und am 1. Oktober 2010 eingereicht worden sei, vermöge den Kläger nicht von einer ihn treffenden Erklärungspflicht zu befreien. Da diese unrichtig gewesen sei, habe für den Kläger nämlich nach § 153 Abs. 1 AO die Pflicht bestanden, sie zu berichtigen. In diesem Kontext seien auch die im Widerspruchsbescheid angeführten Verletzungen der Buchführungspflichten zu sehen. Die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass die Steuern beglichen worden, bestehe aber nicht erst mit Fälligkeit der festgesetzten Steuer. Vielmehr sei regelmäßig schon vor Fälligkeit einer entstandenen Steuerforderung eine Pflichtverletzung gegeben. Der Verfügungsberechtigte könne sich nicht auf das Fehlen von Mitteln zur Tilgung von Steuerrückständen berufen, wegen dieses Fehlen seine Ursache im Voraus Abtretungen an andere Gläubiger habe. Zwar sei davon auszugehen, dass die im Widerspruchsbescheid aufgeführte Abtretung der Kaufpreisansprüche im Dezember 2009 unwirksam gewesen sei. Doch bleibt es letztlich dabei, dass der Kläger weder im hiesigen noch im finanzgerichtlichen Verfahren substantiierte Angaben zu der finanziellen Situation der E… gemacht habe. Angesichts dessen reiche die vorgebrachte Argumentation des Klägers nicht aus, um eine Begrenzung des Umfangs der Pflichtverletzung und damit eine Reduzierung der Tilgungsquote herbeizuführen. Seitens der Behörde seien sämtliche zumutbare Anstrengungen unternommen worden, Beweise, welche für eine Haftungsinanspruchnahme des Klägers relevant seien, zusammenzutragen. Hinweise darauf, dass die im Rahmen der Ermittlungen der Steuerfahndung gegen den Kläger gewonnenen Erkenntnisse unrichtig seien, bestünden nicht. Demgegenüber habe der Kläger als Haftungsschuldner – selbst nach Aushändigung der sichergestellten Beweismittel durch die Steuerfahndung Gotha am 19. August 2019 – keine relevanten Einwendungen gegen die Feststellungen vorgetragen. In Rechtsprechung und Literatur sei anerkannt, dass es zu einer vollen Haftung des Vertreters komme, wenn dieser die Pflicht zur Abgabe oder rechtzeitigen Abgabe der vollständigen Steuererklärung verletzt habe. Denn bei rechtzeitiger Festsetzung der Steuer hätte die Finanzbehörde vollstrecken können bzw. wäre es möglicherweise noch zu einer freiwilligen Zahlung der Steuer gekommen, sodass es auf spätere Zahlungsschwierigkeiten nicht mehr ankommen könne. Gleiches gelte für die Verschuldensfrage, wo maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung, ob eine schuldhafte Pflichtverletzung vorliege, nicht erst der Eintritt der Fälligkeit der Ansprüche aus dem Steuerverhältnis sei, sondern der gesetzliche Vertreter oder Verfügungsberechtigte bereits bei der Entstehung der Steuer sicherstellen müsse, dass diese zum Zeitpunkt der Fälligkeit aus den Mitteln des Vertretenen an das Finanzamt entrichtet werden könnten. Durch die verspätete Abgabe der inhaltlich unrichtigen Erklärungen sei ein Schaden eingetreten, welchen der Kläger zu verschulden habe. Zutreffend sei daher auf den gesetzlich normierten Zeitpunkt, hier den 15. November 2010, hinsichtlich der Vorauszahlungen für den Erhebungszeitraum 2010 abgestellt worden. Das Urteil des Thüringer Finanzgerichts vom 25. Oktober 2018, welchem der identische Lebenssachverhalt zugrunde gelegen habe, sei mittlerweile rechtskräftig geworden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat nur zum Teil Erfolg. Im Übrigen ist ihr kein Erfolg verbeschieden. Der angegriffene Verwaltungsakt stellt sich überwiegend als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Lediglich was die Haftungshöhe zu einem Betrag von insgesamt 74.809,52 € betrifft, ist der angegriffene Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
I.
Die Klage ist in der Sache nur zu einem Teil begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Der Kläger haftet dem Grunde nach für die Steuerschulden der E….
a) Rechtsgrundlage des angefochtenen Haftungsbescheids vom 9. November 2016 ist § 191 Abs. 1 S. 1 i. V. m. §§ 69, 34 AO. Nach §§ 1 Abs. 2 Nr. 2 und 4 i. V. m. § 3 Abs. 2 AO finden die §§ 191, 69, 34 AO für die Gewerbesteuer als Realsteuer direkte Anwendung.
Gem. § 191 Abs. 1 S. 1 1. Alt. AO kann als Haftungsschuldner durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Die Haftung eines Vertreters ist in § 69 AO geregelt. Danach haften die in §§ 34, 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Diese Haftungsschuldner treten kraft Gesetzes in ein unmittelbares Pflichtverhältnis zur Finanzbehörde/steuererhebungs-berechtigten Behörde. Abgestellt wird nach § 69 AO i. V. m. § 34 AO allein auf die Stellung als gesetzlicher Vertreter einer natürlichen oder juristischen Person (vgl. Koenig/Intemann, 3. Aufl. 2014, AO § 69 Rn. 22-24).
Gegenstand der Haftung sind gem. § 37 AO u. a. der Steueranspruch selbst sowie die steuerlichen Nebenleistungen. Hierunter fallen u. a. gemäß § 3 Abs. 4 Nr. 4 AO Nachzahlungszinsen gem. §§ 233a, 238 AO sowie Säumniszuschläge gem. § 3 Abs. 4 Nr. 5, § 69 Satz 2 AO, wenn diese während der Tätigkeit des Geschäftsführers durch schuldhafte Pflichtverletzung entstanden oder infolge seiner Pflichtverletzungen später entstanden sind, weil pflichtwidrig nicht dafür gesorgt worden ist, dass die Steuern (während der Tätigkeit des Betreffenden) rechtzeitig entrichtet wurden (vgl. Klein/Rüsken, AO, 15. Aufl., § 69, Rn. 21).
Die Steuerschuld muss (materiell-rechtlich) entstanden sein und muss – von der Einschränkung nach § 191 Abs. 5 S. 2 AO abgesehen – bei Geltendmachen der Haftung noch bestehen. Sie braucht nicht festgesetzt worden sein (vgl. Klein/Rüsken, § 69 Rn. 9-11). Soweit es sich nicht um Vorauszahlungen i. S. d. § 21 GewStG handelt, entsteht die Gewerbesteuer gem. § 18 GewStG mit Ablauf des Erhebungszeitraums, für den die Festsetzung vorgenommen wird. Erhebungszeitraum ist das jeweilige Kalenderjahr (§ 14 S. 2 GewStG). Die Vorauszahlungen auf die Gewerbesteuer entstehen mit Beginn des Kalendervierteljahres, in dem die Vorauszahlungen zu entrichten sind, oder, wenn die Steuerpflicht erst im Laufe des Kalendervierteljahres begründet wird, mit Begründung der Steuerpflicht (§ 21 GewStG).
Die Auslösung einer Haftung nach § 69 AO setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs voraus, dass die dafür in Betracht kommende Person eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen hat und durch diese Pflichtverletzung kausal ein Schaden in Gestalt eines Ausfalls von Steuern oder steuerlichen Nebenleistungen herbeigeführt wurde (vgl. BFH, U. v. 29. November 2006 – I R 103/05 – juris Rn. 12; U. v. 5. März 1991 – VII R 93/88 – juris Rn. 11 ff.; B. v. 11. August 2005 – VII B 244/04 – juris Rn. 9).
b) Die Kammer hat in der Gesamtschau keinen Zweifel daran, dass der Kläger als ehemaliger faktischer Geschäftsführer der E… GmbH diese Tatbestandsvoraussetzungen im Hinblick auf die streitgegenständlichen Gewerbesteuer und -zinsschulden der Gesellschaft für die Erhebungszeiträume 2009 sowie 2010 einschließlich verwirkter Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 621.883,08 € erfüllt.
Das Thüringer Finanzgericht hat in seinem Urteil vom 25. Oktober 2018, Az: –1 K 632/15 – dem der identische Lebenssachverhalt in Bezug auf die Körperschaftssteuer zugrunde lag, ausgeführt:
„Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Grundsätze ist nach den vorliegenden Akten und im Ergebnis der mündlichen Verhandlung davon auszugehen, dass in der Person des Klägers die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftungsinanspruchnahme als faktischer Geschäftsführer erfüllt sind. Dabei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung. Aufgrund der dem Kläger am 29. August 2007 erteilten notariell beglaubigten Grundstücksvollmacht und der ihm vom alleinigen Gesellschafter der GmbH B… am 2. Oktober 2007 erteilten Vollmacht zur Gesellschaftsanteilsübertragung, der Ausübung des vollen Stimmrechts und der unbegrenzten Abfassung von Gesellschafterbeschlüssen, steht fest, dass der Kläger spätestens ab dem 2. Oktober 2007 wie ein Geschäftsführer der GmbH handeln konnte und nach außen auch so aufgetreten ist. Das bestätigen auch die von der Steuerfahndung vernommenen Handwerker, M…, R… und V…. Glaubhaft und übereinstimmend geben sie an, dass bei Fragen zu den beauftragten Arbeiten und zur Bezahlung immer nur der Kläger ihr Ansprechpartner bei der GmbH gewesen sei. Die nominelle Geschäftsführerin Frau H… sei nach deren Erkenntnissen nur auf Anweisung des Klägers tätig geworden, ansonsten sei sie nur als Putzfrau und zur Schlüsselübergabe auf den Baustellen tätig gewesen. Diese Angaben decken sich auch mit den Angaben der zwischenzeitlichen Gesellschafterin der GmbH Frau P…, die darüber hinaus angibt, dass über die Zahlungsmittel der GmbH (Goldbarren und Bargeld bei Kontensperrung) nur der Kläger verfügt habe. Frau H… hat für den Kläger nur Botengänge erledigt. Ausweislich des von der Steuerfahndung sichergestellten Schriftverkehrs ist der Kläger zumindest noch bis Ende August 2011 auch gegenüber den steuerlichen Beratern und Prozessbevollmächtigten für die GmbH aufgetreten. Dieser Umstand und die Tatsache, dass der Kläger mit der offensichtlich noch bestehenden Vollmacht für Grundstücksangelegenheiten zuletzt noch im August 2011 Grundstücke der GmbH in E… veräußert und nach außen wie der Geschäftsführer der GmbH aufgetreten ist, spricht dafür, dass sich daran weder mit der Übertragung der GmbH-Anteile auf Frau P… und an die A… GmbH am 16. September 2009, noch mit der am 30. September 2009 erfolgten Übertragung der GmbH Anteile an die B… Ltd. und der Bestellung von Herrn K… zum nominellen Geschäftsführer etwas geändert hat. So schildert Herr K… in seiner Vernehmung durch die Steuerfahndung glaubhaft, dass er auf Veranlassung der A… GmbH lediglich als Strohmann (- Geschäftsführer) für die GmbH aufgetreten sei und ähnlich wie Frau H… keinerlei Befugnisse als Geschäftsführer gehabt habe. Der Senat kann offen lassen, ob es sich bei den von K… darüber hinaus gemachten Angaben um Schutzbehauptungen handelt, um die eigene Haftungsinanspruchnahme zu vermeiden. Jedenfalls steht für den Senat fest, dass der Kläger zumindest noch bis August 2011 auch aufgrund der offensichtlich immer noch gültigen Grundstücksvollmacht wie ein Geschäftsführer der GmbH nach außen aufgetreten ist und auch intern gegenüber der eingetragenen Geschäftsführerin die GmbH gelenkt hat. Ein weiteres Indiz dafür ist auch, dass bei der Durchsuchung der Geschäftsräume des Klägers in der Gustav-Freytag-Straße in Erfurt am 15. September 2010 noch im größeren Umfang Geschäftsunterlagen der GmbH gefunden wurden. Aus den vorgefundenen Unterlagen für den Onlinezugang zu den Konten der GmbH mit den entsprechenden Tan-Listen schließt der Beklagte zu Recht, dass der Kläger auch zu diesem Zeitpunkt zumindest mit Duldungsvollmacht noch rechtlich und tatsächlich über die Konten der GmbH verfügen konnte. Aus dem vorgefundenen Schriftverkehr zwischen dem Kläger und der A… GmbH folgert der Beklagte darüber hinaus zu Recht, dass der Kläger mit der Übertragung der GmbH Anteile an die B… Ltd. und der Bestellung von Herrn K… zum Geschäftsführer mit Hilfe der A… GmbH die Abwicklung der GmbH betrieben hat. Dennoch hat er, wie oben ausgeführt, noch aktiv Grundstücksverkäufe für die GmbH abgewickelt. Der Kläger war deshalb mindestens noch bis Ende August 2011 als faktischer Geschäftsführer der GmbH anzusehen, denn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse war er derjenige, der das Handeln der GmbH auch nach außen bestimmt hat.
Als faktischer Geschäftsführer haftet der Kläger gemäß §§ 69, 35 AO, soweit Ansprüche aus dem Steuerverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Der Kläger hat im Streitfall durch mehrere Pflichtverletzungen (nicht rechtzeitige Abgabe der Körperschaftsteuervoranmeldungen 2009 und 2010) die Ursache dafür gesetzt, dass die Steuerschuld der GmbH letztlich nicht erfüllt wurde.
Der Senat kann im Streitfall offen lassen, ob der Kläger, wie der Beklagte annimmt, schon in 2009 bzw. 2010 eine Mittelvorsorge hätte treffen müssen, denn der Kläger hat es in jedem Fall schuldhaft unterlassen, dafür zu sorgen, dass die GmbH die aufgrund der Körperschaftsteuervorauszahlungen für 2009 und 2010 fälligen Steuern sowie die entstandenen Nebenleistungen entrichtet. Auch nach Ergehen der Körperschaftsteuerjahresbescheide 2009 und 2010 gegenüber dem Steuerschuldner kann der Haftungsschuldner durch Haftungsbescheid für rückständige Körperschaftsteuervorauszahlungen 2009 und 2010 in Anspruch genommen werden, wenn die Haftungsvoraussetzungen bezüglich dieser Vorauszahlungen vorliegen (BFH-Urteil vom 12. Oktober 1999 – VII R 98/98, BStBl. II 2000, 486). Abzustellen ist daher auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Vorauszahlungsbescheide. Der Klägervertreter macht zwar zu Recht geltend, dass auch bei der Haftung für Körperschaftsteuer der von der BFH-Rechtsprechung entwickelte Grundsatz der anteiligen Tilgung zu berücksichtigen sei, und einen Vertreter nur dann pflichtwidrig handle, wenn er mit eventuell noch vorhandenen Zahlungsmitteln Gläubiger einseitig bevorzugt. Der Kläger kann sich im Streitfall insoweit jedoch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er schon deshalb nicht pflichtwidrig gehandelt habe, weil die GmbH zum Zeitpunkt der Fälligkeit der offenen Steuern über keine finanziellen Mittel mehr verfügt habe. Weder der Hinweis auf die Einschätzung der Steuerfahndung Bochum, die GmbH sei bereits Ende 2010 zahlungsunfähig gewesen, noch der vom Prozessbevollmächtigten erstmals im Klageverfahren aufgestellte Liquiditätsstatus (S. 563 der Gerichtsakte) sind als Nachweis dafür geeignet. Zwar ist zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass dem Beklagten grundsätzlich im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht nach § 88 Abs. 1 AO die Feststellungslast für den Fall der Haftung und damit auch für das Bestehen einer Pflichtverletzung des Haftungsschuldners trifft. Da bei der Feststellung der finanziellen Lage der Gesellschaft jedoch für das Finanzamt bzw. das Finanzgericht erhebliche Schwierigkeiten bestehen, zumal es um Verhältnisse geht, die im Wesentlichen in der Sphäre des Steuerpflichtigen liegen, ergibt sich aus den §§ 90 Abs. 1, 93 Abs. 1 AO und § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO insoweit für den Haftungsschuldner eine entsprechende Mitwirkungspflicht zur Aufklärung des wahren Sachverhalts. In deren Rahmen obliegt es dem in Anspruch genommenen Haftungsschuldner, Auskunft zum Umfang vorhandener finanzieller Gesellschaftsmittel und zu deren Verwendung, insbesondere von in seinem Besitz befindlichen und von ihm zu beschaffenden Unterlagen, zu erteilen. Zu diesem Zweck muss er substantiierte Angaben machen sowie Aufzeichnungen und Belege beibringen, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang die Gesellschaft im Haftungszeitraum Zahlungen an andere Gläubiger geleistet hat (vgl. BFH-Urteile vom 25. Mai 2004 – VII R 8/03, BFH/NV 2004, 1498 und vom 8. Juli 1982 – V R 7/76, BStBl II 1983, 249; BFH-Beschluss vom 31. März 2000 – VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322). Es bleibt dem Haftungsschuldner unbenommen, durch entsprechende Auskünfte zu einem für ihn günstigeren Ergebnis beizutragen. Allerdings hat er spätestens im finanzgerichtlichen Verfahren substantiierte Einwendungen gegen die seitens des Finanzamts bezüglich der Liquiditätslage der Gesellschaft getroffenen Annahmen und die ermittelte Haftungsquote zu erheben. Die Folgen diesbezüglicher mangelhafter Mitwirkung hat er selbst zu tragen (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Juni – VII S 1/11, n.v., m.w.N.).
Da der Kläger vorliegend weder im Klageverfahren noch im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren substantiierte Angaben zu der finanziellen Situation der GmbH gemacht hat und sich aus den Feststellungen des Beklagten hinreichende Anhaltspunkte für vorhandene Gesellschaftsmittel ergeben, darf somit zu Lasten des Klägers davon ausgegangen werden, dass die Liquiditätslage es der GmbH bis Ende August 2011 durchaus ermöglicht hätte, die Steuerverbindlichkeiten der Gesellschaft zu begleichen. Soweit der Kläger etwas Gegenteiliges gemacht, obliegt es ihm, dies durch substantiierte Angaben und Vorlage geeigneter Belege zu widerlegen. Dies ist jedoch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht geschehen. Ein Schätzungsfehler kann dem Finanzamt, dass keinerlei Angaben über die Gesamtverbindlichkeiten und die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten erhalten hat, nicht vorgeworfen werden (BFH-Urteil vom 31. März 2000 VII B 187/99 BFH/NV 2000, 1322). So ist es im Streitfall.
Nach den vorliegenden Akten und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist die Auffassung des Beklagten, die GmbH habe zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Körperschaftsteuervorauszahlungen für 2009 und 2010 noch über genügend finanzielle Mittel zur vollständigen Begleichung dieser Rückstände verfügt, oder habe nur deshalb nicht (mehr) darüber verfügt, weil der Kläger die entsprechenden Erlöse der GmbH zum Nachteil des Beklagten an andere Gläubiger oder verbundene Unternehmern abgetreten oder übertragen hat, nicht zu beanstanden. Der vom Kläger am 27. April 2018 vorgelegte Liquiditätsstatus kann schon deshalb nicht als geeigneter Nachweis zur Liquiditätslage der GmbH im Haftungszeitraum angesehen werden, da er keine Angaben zur Mittelverwendung der GmbH im fraglichen Zeitraum enthält, obwohl schon aus den teilweise vorliegenden Buchungsunterlagen ersichtlich ist, dass die GmbH im Haftungszeitraum in 2009 ausgewiesene Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 557.504 € getilgt hat und auch die für 2010 geschätzten Betriebsausgaben in Höhe von 700.000 € beglichen haben muss, da insoweit keine neuen Darlehensverbindlichkeiten erkennbar sind. Darüber hinaus hätte der Kläger auch die Abtretung des Kontoguthabens der GmbH in Höhe von 336.234,89 € an die M… GmbH vom 24. September 2010 zur Rückzahlung eines der GmbH ursprünglich von Herrn H… in 2010 gewährten Darlehens im Liquiditätsstatus als Mittelverwendung angeben müssen. Auch soweit der Kläger in den Liquiditätsstatus angibt, dass die GmbH über keine Zahlungsmittel verfügt habe, kann dem nicht gefolgt werden. Wie bereits oben ausgeführt, waren die Abtretungen der Kaufpreisansprüche aus der Veräußerung der Grundstücke D… und J… an die W… GmbH vom 10. Dezember 2009 unwirksam, sodass die GmbH durch die Veräußerung der beiden Grundstücke in 2011 über entsprechende Mittel verfügt haben muss. Der Beklagte geht dabei zu Recht davon aus, dass nicht nur die in den Kaufverträgen vereinbarten Kaufpreise zu berücksichtigen sind. So verkaufte die GmbH das Grundstück D…, welches ausweislich eines Gutachtens und den Feststellungen des Bausachverständigen des Beklagten einen Wert von über 700.000 € hatte und auch ein Kaufvertrag mit einem anderen Erwerber über einen Kaufpreis in Höhe von 725.000 € bereits vorlag, letztlich lediglich für 300.000 € an Herrn M… H…. Der Beklagte schließt daraus zu Recht, dass die Veräußerung zu diesem Preis nur deshalb erfolgt ist, um einen Zugriff des Beklagten auf den Erlös zu verhindern. Inwieweit auch das Grundstück J… unter Wert veräußert wurde, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Der GmbH stand aber zumindest der Erlös zur Verfügung.
Den für die Haftungsinanspruchnahme des Klägers berichtigten Körperschaftsteuerrückständen 2009 und 2010 einschließlich Nebenleistungen in Höhe von 697.93510 € und Gewerbesteuerruckständen in Höhe von 512.250,51 € stehen allein aus den beiden Grundstücksveräußerungen und dem abgetretenen Guthaben der GmbH auf dem Sparkassenkonto Beträge in ähnlicher Höhe gegenüber, sodass der Ansatz eine Tilgungsquote von 100 % unter Berücksichtigung der mangelnden Mitwirkung des Klägers, nicht zu beanstanden ist.
Der Senat folgt auch nicht der Argumentation des Klägers, das durch die Übergabe der Geschäftsunterlagen an den neuen nominellen Geschäftsführer der GmbH Herrn K… die Mitwirkungspflicht erloschen sei, bzw. sich die Beweislast umkehre. Zum einen wird eine solche Übergabe der Geschäftsunterlagen der GmbH von Herrn K… in seiner Zeugenaussage nicht bestätigt, und zum andern verweist der Beklagte zu Recht darauf, dass der Kläger selbst dafür gesorgt habe, dass die Unterlagen nicht mehr zur Verfügung stehen, denn er selbst hat die Übertragung der GmbH-Anteile zur Abwicklung an die B… Ltd. betrieben. Außerdem hätte sich der Kläger in Kenntnis der finanziellen Schwierigkeiten der GmbH im Rahmen der Beweisvorsorge die entsprechenden Geschäftsunterlagen kopieren können. Soweit von der Steuerfahndung in seinen Geschäftsräumen Geschäftsunterlagen der GmbH sichergestellt wurden, hätte der Kläger im Steuerstrafverfahren Akteneinsicht nehmen können. Im Übrigen trägt der Beklagte zu Recht vor, dass sich der Kläger weigert, trotz mehrmaliger Aufforderung, die Zugangsdaten zu dem sichergestellten Laptop bekanntzugeben, auf dem der Beklagte die Geschäftsunterlagen der GmbH vermutet.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass sich gesetzliche Vertreter oder Verfügungsberechtigte nach der Rechtsprechung des BFH nicht auf das Fehlen von Mitteln zur Tilgung von Steuerrückständen berufen können, wenn dieses Unvermögen seine Ursache in der Vorausabtretung von Forderungen an andere Gläubiger hat. Hierzu hat der BFH wiederholt entschieden, dass durch solche Vorausabtretungen – sei es im Ganzen (Globalzession), sei es im Einzelfall (bezogen auf bestimmte Verkäufe) – die Verpflichtungen des gesetzlichen Vertreters weder objektiv noch subjektiv begrenzt oder eingeschränkt werden (vgl. zur Globalzession BFH-Urteile vom 26. April 1984 V R 128/79, BStBl II 1988, 172). Dieser Grundsatz beruht letztlich auf der Erwägung, dass es sich bei der Pflicht zur Tilgung von Steuerverbindlichkeiten um Verpflichtungen öffentlich-rechtlicher Natur handelt, die nicht durch privatrechtliche Abmachungen abbedungen werden können (so BFH-Urteil vom 13. September 1988 VII R 35/85, BFH/NV-1989, 139; BFH-Beschluss vom 30. Dezember 2004 VII B 145/04, BFH/NV 2005, 665; FG Berlin, EFG 2004, 707; vgl. auch BFH-Beschluss vom 4. Mai 2004 VII B 318/03, BFH/NV 2004, 1323).
Auch diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor, denn der Kläger hat durch die Abtretung von Kontoguthaben zur Darlehnsrückzahlung GmbH dafür gesorgt, dass vorrangig nur dieser Anspruch in vollem Umfang ausgeglichen wird, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits Kenntnis von den bestehenden Steuerrückständen der GmbH hatte. Außerdem hat er zumindest durch die Veräußerung des Grundstücks D… unter dem Verkehrswert an eine nahestehende Person, die dieses kurze Zeit später zu einem wesentlich höheren Wert weiterveräußert hat, dafür gesorgt, dass der GmbH die Mittel zur Begleichung der Steuerzahlung fehlen und Pfändungsversuche des Beklagten ins Leere gehen.
Die festgestellte Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des Klägers indiziert im Übrigen zumindest dessen grobe Fahrlässigkeit (vgl. hierzu BFH- Beschlüsse vom 14. September 1999 – VII B 33/99, BFH/NV 2000, 303; vom 25. Juli 2003 – VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540; BFH-Urteil vom 13. März 2003 – VII R 46/02, BStBl II 2003, 556). Grob fahrlässig in diesem Sinne handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt bzw. wer außer Acht lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BFH- Beschlüsse vom 7. März 1995 – VII B 172/94, BFH/NV 1995, 941 m.w.N.; vom 4. April 1998 – I B 116/96, BFH/NV 1998, 1460, 1462).
Der Kläger hat hiernach wenigstens grob fahrlässig gehandelt, denn als erfahrener Geschäftsmann hätt er wissen müssen, dass er als faktischer Geschäftsführer der GmbH dafür hätte Sorge tragen müssen, dass die GmbH ihren steuerlichen Erklärungspflichten rechtzeitig nachkommt und die offenen Steuern einschließlich der steuerlichen Nebenleistungen entrichtet (§ 37 Abs.1 AO i.V.m. § 3 Abs. 4 AO). Der im angefochtenen Haftungsbescheid geltend gemachte Fiskalschaden wurde schließlich auch in voller Höhe adäquat kausal durch das schuldhafte Fehlverhalten des Klägers ausgelöst. Zwar hat der Schadensersatzcharakter der Haftung nach § 69 Satz 1 AO (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 19. September 2007 – VII R 39/05, BFH/NV 2008, 18 m.w.N.) zur Folge, dass sich die Haftung dem Umfang nach auf den Betrag beschränkt, der infolge der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung nicht bzw. nicht rechtzeitig festgesetzt oder entrichtet worden ist. Die Höhe der Haftung ergibt sich daher unabhängig vom Grad des Verschuldens grundsätzlich allein aus der adäquat kausalen Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den bei dem Fiskus eingetretenen Vermögensschaden. Hierzu ist festzustellen, ob und in welchem Umfang dem Steuerschuldner die Mittel zur Verfügung standen, um die von ihm geschuldeten Steuern zu entrichten (vgl. BFH Urteil vom 6. März 2001 – VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100). Dabei ist der bereits angesprochene Grundsatz der anteiligen Tilgung zu berücksichtigen (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 26. April 1984 – V R 128/79, BStBl II 1984, 776, 778 m.w.N.). Wurden die rückständigen Steuerbeträge vom Geschäftsführer bei Fehlen ausreichender Mittel zur Tilgung sämtlicher Verbindlichkeiten nicht in ungefähr gleichem Verhältnis wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern getilgt, so liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die er als Haftungsschuldner einzustehen hat (Haftungssumme). Hierzu hat das Finanzamt unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen die Haftungsquote zu ermitteln oder ggfs. im Schätzungswege festzustellen, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt. Bei der Ermittlung dieses haftungsbegründenden Kausalzusammenhangs ist der Beklagte allerdings – wie vorstehend bereits ausgeführt – auf die Mitwirkung des Haftungsschuldners angewiesen. Vor diesem Hintergrund bestehen im Streitfall keine rechtlichen Bedenken gegen die Schätzung einer Haftungsquote von 100 %. Anhaltspunkte für eine Reduzierung dieser Quote sind seitens des Klägers nicht nachgewiesen worden. Trotz Anhörung im Verwaltungsverfahren erfolgten seinerseits auch im Klageverfahren letztlich nur nicht nachprüfbare Ausführungen zur Vermögenslage der GmbH. Aufgrund der mangelnden Mitwirkung des Klägers sind keine stichhaltigen Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die GmbH andere Gläubiger nicht vollständig befriedigt worden wären. Der bloße Hinweis auf die Aussage der Steuerfahndung Bochum, die GmbH sei bereits 2010 zahlungsunfähig gewesen, genügt dafür nicht. Vielmehr ist aufgrund der Feststellungen des Beklagten zu den Abtretungen von Kaufpreisansprüchen an andere Gläubiger diesbezüglich vom Gegenteil auszugehen.
Nach alledem ist die Haftungsschuld unter Berücksichtigung einer Körperschaftsteuerschuld 2009 in Höhe von 86.112 € abzüglich bereits getilgter 960 € und Solidaritätszuschlag in Höhe von 4.736,16 € abzüglich bereits getilgter 27,30 € und einer Körperschaftsteuerschuld 2010 in Höhe von 362.547 € und Solidaritätszuschlag in Höhe von 9.376,50 € sowie die bis zum 10. Dezember 2014 insgesamt entstandenen Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 225.363 € auf 697.935,10 € festzusetzen.
Der Beklagte hat auch das ihm nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO eingeräumte Ermessen rechtmäßig ausgeübt. Der Senat hat insoweit gemäß § 102 Satz 1 FGO nur zu überprüfen, ob der Beklagte die in § 5 AO festgelegten Grenzen des Ermessens über- oder unterschritten hat oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.
Bei der Entscheidung, ob überhaupt ein ausstehender Steueranspruch durch Geltendmachung von Haftungsansprüchen realisiert werden soll (Entschließungsermessen), ist die Aufgabe des Finanzamtes entscheidend, Steuerausfälle zu verhindern. Bei Uneinbringlichkeit der Steuern muss daher die Haftungsinanspruchnahme die Regel sein (vgl. Rüsken in: Klein, AO, 13. Aufl., § 191 Rz. 35 m.w.N.). Das Entschließungsermessen ist vor diesem Hintergrund durch den Hinweis auf die Unmöglichkeit der Einziehung der rückständigen Steuern durch Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber dem Steuerpflichtigen jedenfalls bei Nichtvorliegen außergewöhnlicher Umstände regelmäßig ausreichend begründet (vgl. BFH-Urteile vom 13.06.1997 – VII R 96/96, BFH/NV 1998, 4,; vom 29.09.1987 – VII R 54/84, BStBI II 1988, 176). S0 verhält es sich auch im vorliegenden Streitfall. Der Beklagte hat in dem angefochtenen Haftungsbescheid darauf verwiesen, dass die GmbH als Steuerschuldnerin erfolglos zur Zahlung der ruckständigen Steuern aufgefordert worden ist und sämtliche gegen sie gerichteten Vollstreckungsversuche erfolglos geblieben sind.
Letztlich hat der Beklagte auch sein Auswahlermessen richtig ausgeübt, indem er neben dem Kläger als faktischer Geschäftsführer der GmbH auch die im Haftungszeitraum im Handelsregister als Geschäftsführer der GmbH eingetragene Frau H… und Herrn K… in Haftung genommen hat.“
Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2021 an. Es sind keine Gründe durch den anwesenden Klägervertreter vorgebracht worden, die eine andere Beurteilung rechtfertigen würden. Solche ergeben sich insbesondere auch nicht aus den übrigen, im Verwaltungsverfahren sowie verwaltungsgerichtlichen Verfahren gewechselten Schriftsätzen. So hat der Kläger vor allem bereits im finanzgerichtlichen Verfahren die Auffassung vertreten, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftungsinanspruchnahme als faktischer Geschäftsführer seien in seiner Person nicht erfüllt. Dem folgte nicht nur das Thüringer Finanzgericht aus den oben dargelegten Urteilsgründen nicht. Vielmehr stellte gerade auch der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 13. November 2018, Az.: – XI B 24/19 – klar:
„Das FG hat sich mit den vom Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebrachten Einwendungen auseinandergesetzt (FG-Urteil, S. 18 ff.); es hat die Tatsachen sowie den Akteninhalt dahingehend gewürdigt (FG-Urteil, S. 22), dass den Steuerrückständen, für die der Kläger als faktischer Geschäftsführer nach den §§ 191, 69, 35 der Abgabenordnung (AO) in Haftung genommen wird, allein aus den beiden Grundstücksveräußerungen und dem abgetretenen Guthaben der GmbH auf dem Sparkassenkonto Beträge in ähnlicher Höhe gegenüberstanden, so dass der Ansatz einer Tilgungsquote von 100 % unter Berücksichtigung der mangelnden Mitwirkung des Klägers nicht zu beanstanden sei. Nach Ansicht des FG könne sich der Kläger, der außerdem zumindest durch die Veräußerung des Grundstücks D… unter dem Verkehrswert an eine nahestehende Person dafür gesorgt habe, dass der GmbH Mittel zur Begleichung der Steuerzahlung fehlten und Pfändungsversuche des Beklagten ins Leere gegangen seien, nicht auf das Fehlen von Mitteln zur Tilgung von Steuerrückständen berufen, weil er durch die Abtretung von Kontoguthaben zur Darlehensrückzahlung dafür gesorgt habe, dass vorrangig nur dieser Anspruch in vollem Umfang ausgeglichen wurde (FG-Urteil, S. 25). Das FG konnte im Übrigen keine stichhaltigen Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass andere Gläubiger der GmbH nicht vollständig befriedigt worden wären (FG-Urteil, S. 25). […]
Es trifft nicht zu, dass das FG – wie der Kläger meint (Beschwerdebegründungsschrift, S. 44 f.) – entgegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht berücksichtigt habe, dass dass die zu seinen Gunsten erteilte Vollmacht des ehemaligen Alleingesellschafters mit dessen Ausscheiden aus der Gesellschaft am 16.09.2009 erloschen und zugleich seine Verfügungsbefugnis entfallen sei. Das FG hat bei der Urtei1sfindung berücksichtigt, dass am 16.09.2009 der durch den Kläger vertretene Alleingesellschafter seine Geschäftsanteile abgetreten hat (FG-Urteil, S. 5). Es hat unter Würdigung der Umstände des Streitfalls erkannt, dass der Kläger zumindest bis Ende August 2011 für die GmbH (als faktischer Geschäftsführer) aufgetreten sei und sich daran mit der Übertragung der GmbH-Anteile am 16.09.2009 nichts geändert habe (FG-Urteil, S. 15). […]
(1) Der Kläger rügt zwar (Beschwerdebegründungsschrift, S. 21 ff.), dass das FG im Zusammenhang mit der Ermittlung des Liquiditätsstatus seine Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO verletzt habe. Es fehlt jedoch an der Darlegung, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können, soweit der Kläger geltend macht, dass das FG, wenn es den Sachverhalt auf der Grundlage der seitens der Staatsanwaltschaft Bochum beschlagnahmten Geschäftsunterlagen der GmbH erforscht hätte, weitere Verbindlichkeiten in den Liquiditätsstatus aufgenommen und angebliche Mittelverwendungen aus dem Liquiditätsstatus herausgenommen hätte.
(2) Hinsichtlich der Rüge, dass das FG es unterlassen habe, die von der Staatsanwaltschaft Bochum beschlagnahmten Geschäftsunterlagen beizuziehen, aus denen sich ergeben hätte, dass die GmbH zum Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit der Primärschuldner bereits zahlungsunfähig gewesen sei (Beschwerdebegründungsschrift, S. 33 ff.), gilt nichts anderes. Im Übrigen hat es der Kläger auch versäumt, mit seiner Beschwerde vorzutragen, weshalb er selbst in der mündlichen Verhandlung die Beiziehung dieser Akten nicht beantragt hat. Aus dem Protokoll über den Termin vom 25.10.2018 ergibt sich jedenfalls nicht, dass der rechtskundig vertretene Kläger einen derartigen Antrag gestellt hätte. […]
Der Kläger hat weder tragende abstrakte Rechtssätze derart bezeichnet und gegenübergestellt, dass eine Abweichung im Rechtsgrundsätzlichen erkennbar wäre, noch hat er aus seiner Sicht abweichende Entscheidungen anderer Gerichte konkret im Einzelnen in Bezug genommen und dargelegt, dass diesen u. a. ein zumindest vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt. Eine Divergenz i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ist jedenfalls nicht gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargetan, soweit der Kläger im Kern pauschal vorbringt, das FG habe hinsichtlich der korrekten Ermittlung des Haftungszeitraums die maßgeblichen Grundsätze der Rechtsprechung des BFH nicht angewandt (Beschwerdebegründungsschrift, S. 25 f.), weiche von eindeutigen gesetzlichen Regelungen ab und setze sich auch über die Rechtsprechung des BFH hinweg (Beschwerdebegründungsschrift, S. 36 ff.). Dies gilt gleichermaßen für sein Beschwerdevorbringen, dass das FG mit seiner Rechtsauffassung “Einmal faktischer Geschäftsführer – immer faktischer Geschäftsführer” nicht nur von § 35 AO, sondern auch von der Rechtsprechung des BFH zur Haftungsinanspruchnahme abweiche (Beschwerdebegründungsschrift, S. 43 f.). […]
Macht der Kläger – wie hier (Beschwerdebegründungsschrift, S. 27) – einen offensichtlichen Rechtsfehler in Bezug auf die Höhe einer Schätzung geltend, kann objektive Willkür allenfalls in den Fällen bejaht werden, in denen das Schätzungsergebnis des FG wirtschaftlich unmöglich und damit schlechthin unvertretbar ist. Ein Verstoß gegen Denkgesetze führt bei Schätzungen erst zur Zulassung der Revision wegen willkürlich falscher Rechtsanwendung, wenn sich das Ergebnis als offensichtlich realitätsfremd darstellt (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 21.07.2017 – X B 167/16, BFH/NV 2017, 1447, Rz 17; in BFH/NV 2019, 1113, Rz 13).
b) Gemessen daran ist im Streitfall ein offensichtlicher Rechtsfehler in diesem Sinne nicht zu erkennen. Denn das FG hat sich mit der Rechtslage eingehend auseinandergesetzt; seine Auffassung entbehrt nicht jedes sachlichen Grundes.
aa) Es hat seine Entscheidung, warum dem FA kein Schätzungsfehler vorgeworfen werden könne und der Einsatz der Tilgungsquote von 100 % nicht zu beanstanden sei, auf S. 21 ff. des Urteils u. a. damit begründet, dass die GmbH noch über genügend finanzielle Mittel zur vollständigen Begleichung der betreffenden Steuerrückstände verfügt oder nur deshalb nicht verfügt habe, weil der Kläger die entsprechenden Erlöse der GmbH zum Nachteil des FA an andere Gläubiger oder verbundene Unternehmer abgetreten oder übertragen habe (s. dazu auch vorstehend unter 1.a bb [1]). Das FG legt darüber hinaus dar, weshalb der Steuerfahndung Bochum nicht darin gefolgt werden könne, dass die GmbH zahlungsunfähig gewesen sei (FG-Urteil, S. 25), der vom Kläger vorgelegte Liquiditätsstatus nicht als geeigneter Nachweis zur Liquiditätslage der GmbH im Haftungszeitraum angesehen werden könne (FG-Urteil, S. 21) und dieser seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei (FG-Urteil, S. 21 f.).
bb) Soweit der Kläger auch einen Rechtsmangel darin sieht (Beschwerdebegründungsschrift, S. 36 ff.), dass das FG auf eine mögliche Einschränkung der Mitwirkungspflicht nach § 93 Abs. 3 Satz 2 AO nicht abstelle, obgleich diese Bestimmung in § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO ausdrücklich genannt sei, macht er damit keinen gravierenden Rechtsanwendungsfehler geltend. Ein solcher liegt auch nicht vor. Das FG führt zur Verletzung der Mitwirkungspflicht aus (FG-Urteil, S. 22 f.), dass der Kläger selbst dafür gesorgt habe, dass die Unterlagen ihm nicht mehr zur Verfügung stünden, er im Rahmen der Beweisvorsorge die entsprechenden Geschäftsunterlagen hätte kopieren und im Steuerstrafverfahren hätte Akteneinsicht nehmen können, soweit Unterlagen von der Steuerfahndung sichergestellt worden seien. Außerdem erkennt das FG eine Verletzung der Mitwirkungspflicht auch darin (FG-Urteil, S. 23), dass der Kläger sich trotz mehrfacher Aufforderung weigere, die Zugangsdaten zu dem sichergestellten Laptop bekanntzugeben, auf dem das FA die Geschäftsunterlagen der GmbH vermute.“
Die Kammer schließt sich auch jenen Ausführungen vollumfänglich an und macht sie sich zu Eigen. Weitere Einwendungen, die zu einer abweichenden Beurteilung des hiesigen Sachverhalts bezogen auf die Gewerbesteuer führen könnten, hat der Kläger – trotz entsprechenden Hinweises des Gerichts vom 21. August 2020 – nicht vorgetragen. Solche sind auch nicht ersichtlich und wurden insbesondere in der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2021 auch nicht vorgetragen. Vielmehr haben sämtliche, in der Verhandlung geltend gemachten Einwände entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers bereits Berücksichtigung und entsprechende Würdigung in den vorangegangenen zitierten Entscheidungen des Thüringer Finanzgerichts sowie des Bundesfinanzhofs gefunden. Soweit der Kläger abermals lediglich auf das Erlöschen der mittelbaren rechtlichen Verfügungsbefugnis am 16. September 2009 und eine Pflicht der Beklagten, die Tilgungsquote (im Haftungszeitraum bestehenden Gesamtverbindlichkeiten im Verhältnis zu dem auf diese Verbindlichkeiten tatsächlich geleisteten Zahlungen) ordnungsgemäß zu ermitteln, verwiesen hat, bleibt festzuhalten, dass die hierzu vom Kläger vertretene, abweichende Rechtsansicht und Würdigung von Tatsachen sowie Akteninhalten eine anderweitige rechtliche Bewertung nicht veranlasst (vgl. BFH, Beschluss vom 13. November 2019 – XI B 24/19 –, dort unter 1. bb) (3)).
Sofern der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2021 erklärt hat, während des finanzgerichtlichen Verfahrens habe die Aussage der Steuerfahndung Bochum, wonach der Verdacht bestehe, dass die E… bereits zum 1. Oktober 2010 zahlungsunfähig gewesen sei, noch nicht vorgelegen und daher nicht berücksichtigt werden können, trifft dies ersichtlich nicht zu. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, war dem Finanzgericht die betreffende Aussage sehr wohl bekannt. Es hat diesen bloßen Verdacht der Steuerfahndung, der keine weitere Substantiierung durch den Kläger erfahren hat, hingegen ebenso wenig ausreichen lassen wie den extra vom Prozessbevollmächtigten erwähnten Pfändungsbeschluss vom 9. September 2010 sowie den nachträglich aufgestellten Liquiditätsstatus der Gesellschaft, um die Feststellungen und die damit einhergehenden Schätzungen des Finanzamts Erfurt zu erschüttern (vgl. S. 10, 20 u. 25 des Urteils). Auch der Verweis auf die von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Unterlagen geht fehl. Denn dieser Umstand fand im Urteil des Finanzgerichts ebenfalls Berücksichtigung, wobei für den Senat nach dem Ergebnis der umfangreichen Beweisaufnahme feststand, dass der Kläger den Umstand der Nichtverfügbarkeit der Unterlagen durch das Betreiben der Übertragung der GmbH-Anteile zur Abwicklung an die B… Ltd. selbst zu verantworten hat. Zudem verweist der Senat nach Ansicht der Kammer zu Recht darauf hin, dass der Kläger sich die entsprechenden Geschäftsunterlagen in Kenntnis der finanziellen Schwierigkeiten der GmbH im Rahmen der Beweisvorsorge hätte kopieren können (vgl. S. 23 des Urteils) und er sich letztlich nicht darauf zurückziehen kann, überhaupt keine substantiierten Angaben zur finanziellen Situation der E… zu machen (S. 21 des Urteils).
c) Gegen den streitgegenständlichen Haftungsbescheid bestehen, was den Haftungsgrund anbelangt, auch im Übrigen keine Bedenken. Der Kläger kann sich nicht auf § 191 Abs. 5 S. 1 AO berufen, weil die Beklagte die Gewerbesteuerforderungen für 2009 und 2010 gegenüber der Steuerschuldnerin, der E…, mit Bescheiden vom 8. Januar 2015 jeweils auf der Grundlage der Gewerbesteuermessbescheide des Finanzamtes Erfurt für die Jahre 2009 und 2010 vom 26. November 2014 festgesetzt hat. Diese Festsetzungen sind dem seinerzeitigen Geschäftsführer, Herrn K…, auch wirksam bekannt gegeben worden.
Der Haftungsanspruch der Beklagten war auch noch nicht verjährt, § 191 Abs. 4 AO, so dass gegen den streitgegenständlichen Haftungsbescheid aus den oben aufgeführten Gründen und mangels weiterer Einwendungen des Klägers nichts zu erinnern ist.
2. Soweit sich die Klage gegen die Höhe der im angegriffenen Bescheid festgesetzten Haftungssumme richtet, hat sie zum Teil Erfolg. Der Höhe nach ergibt sich vorliegend eine Haftungsumme für den Kläger von 621.883,08 €. Der Haftungsbescheid war vom Gericht demnach um den verbleibenden Betrag von 74.809,52 € zu kürzen.
Dabei gilt zunächst, dass die Kammer grundsätzlich nicht gehindert ist, die Haftungssumme der Höhe nach zu überprüfen. In ständiger Rechtsprechung und mit dem Schrifttum wird davon ausgegangen, dass der Haftungsschuldner, gegen den nach § 191 Abs. 1 AO ein Haftungsbescheid erlassen worden ist, Einwendungen im Haftungsverfahren nicht nur gegen den Haftungsgrund, sondern auch gegen die Höhe der Steuerschuld, für die er als Haftender in Anspruch genommen wird (sog. Primärschuld), vorbringen kann (vgl. etwa nur VG München, Urteil vom 10. Juli 2008 – M 10 K 07.2752, Rn. 26 m. w. N. –, zit. nach juris). So ist es ihm insbesondere möglich einzuwenden, dass die Primärschuld dem Grunde oder der Höhe nach nicht mehr besteht (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. November 1996 – 2 BvR 1157/93, Rn. 17 –, zit. nach juris). Zwar sind dem Haftungsschuldner nach § 166 AO Einwendungen gegen die Primärschuld ausnahmsweise abgeschnitten, wenn diese unanfechtbar gegenüber dem Steuerpflichtigen festgesetzt worden ist und der Haftungsschuldner entweder Gesamtrechtsfolger des Primärschuldners ist oder er rechtlich in der Lage gewesen wäre, den gegen diesen erlassenen Steuerbescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten. Ein solcher Fall ist hier aber deshalb nicht gegeben, da die streitgegenständlichen Steuerbescheide nicht an den Kläger, sondern an den neuen Geschäftsführer der E…, Herrn K…, adressiert waren.
Soweit der Haftungsschuldner im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine unzutreffende Festsetzung des Steuermessbetrages rügt, muss er dem Gericht die einschlägigen Buchhaltungsunterlagen und Belege zur Verfügung stellen, die für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen notwendig sind. Es ist ihm zuzumuten, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (vgl. § 90 AO) durch Vorlage entsprechender Unterlagen und Erklärungen an der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen mitzuwirken.
Bei Anwendung jener Kriterien errechnet sich im hiesigen Fall eine Haftungssumme von 621.883,08 €.
Der Kläger hat im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens u. a. das Urteil des Thüringer Finanzgerichts vom 25. Oktober 2018, Az.: 1 K 632/15, vorgelegt.
In diesem führt das Finanzgericht aus, dass die Einnahmen des Jahres 2009 um die angesetzten Erlöse aus Factoring i. H. v. 438.000 € zu mindern sind (vgl. Urteil vom 25. Oktober 2018, S. 16). Dem schließt sich die Kammer an.
Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer ist nach § 6 GewStG der Gewerbeertrag. Gem. § 7 S. 1 GewStG handelt es sich dabei um den nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnden Gewinn aus dem Gewerbebetrieb. Da dieser für das Jahr 2009, entsprechend den Darlegungen des Finanzgerichts, zu reduzieren ist, wirkt sich dies auch auf die zu erhebende Gewerbesteuer aus.
Unter Zugrundelegung des Gewerbesteuermessbescheids für das Jahr 2009 geht die Kammer daher davon aus, dass sich der Gewerbesteuermessbetrag wie folgt neu berechnet:
Von dem ursprünglich durch das Finanzamt Erfurt ermittelten Gewinn aus Gewerbebetrieb i. H. v. 1.056.130,00 € sind die genannten 438.000,00 € abzuziehen, so dass ein Betrag von 618.130,00 € verbleibt. Von diesem sind als Gewerbeverlust auf den 31. Dezember des Vorjahres 47.448,00 € abzuziehen (§ 10a GewStG). Von den hiernach verbleibenden 570.682,00 €, abgerundet 570.600,00 €, war der Steuermessbetrag nach § 11 Abs. 2 GewStG zu ermitteln. Dieser beträgt 19.971,00 €.
Wird jener Betrag nunmehr, dem Gewerbesteuerbescheid der Beklagten vom 8. Januar 2015 entsprechend, zur Veranlagung für das Jahr 2009 angesetzt (Hebesatz 400 %), ergibt sich hieraus ein Veranlagungssoll i. H. v. 79.884,00 €, welches dem Haftungsbescheid anstatt der bisherigen 141.204,00 € zugrunde gelegt werden muss.
Für das Jahr 2010 hat das Thüringer Finanzgericht keine Änderungen festgestellt, so dass es bei dem Veranlagungssoll i. H. v. 355.710,60 € verbleibt. Es errechnet sich dann eine neue Gesamtsumme i. H. v. 435.594,60 €.
In der Konsequenz reduzieren sich auch die Zinsen im Jahr 2009, welche bislang mit 31.770,00 € berechnet waren, auf 17.973,90 €. Für die Zinsen des Jahres 2010 ergibt sich, den obigen Darlegungen gemäß, keine Veränderung.
Nichts anderes kann schließlich für die Säumniszuschläge von 1 % je angefallenem Monat für jeden auf 50 € abgerundeten Betrag, berechnet jeweils vom 13. Februar 2015 bis zum 24. November 2016, gelten. Den obigen Ausführungen entsprechend, sind diese für das Jahr 2009 ebenfalls zu kürzen, so dass sie i. H. v. 17.574,48 € statt den bisher angenommenen 31.064,00 € zu Buche schlagen, während es für das Jahr 2010 bei den bereits zugrundegelegten 78.254,00 € verbleibt.
Die sich neu ergebende Haftungssumme beträgt damit 621.883,08 €.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.
Die Berufung zum Thüringer Oberverwaltungsgericht war nicht zuzulassen, da ein Grund für die Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO i. V. m. § 124a Abs. 1 S. 1 VwGO nicht vorlag. Insbesondere fehlt es, in Anbetracht der zitierten vorhandenen Rechtsprechung, an der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 696.692,60 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).


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