Steuerrecht

Zuschläge für Sonntagsarbeit und Feiertagsarbeit des Gesellschafter-Geschäftsführers als verdeckte Gewinnausschüttungen

Aktenzeichen  7 K 1099/17

Datum:
14.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GmbH-Stpr – 2019, 217
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 3b
KStG § 8 Abs. 3 S. 2
FGO § 115 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

II.
1. Die Klage ist unbegründet, weil das Finanzamt im Zusammenhang mit der Zahlung der streitigen Zuschläge zu Recht von verdeckten Gewinnausschüttungen ausgegangen ist.
1.1. Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung -vGAi.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körpersteuergesetzes (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 2. Februar 1994 I R 78/92, BStBl II 1994, 479). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Ist allerdings der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 6/89, BFHE 160, 459, BStBl II 1990, 795).
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit an Gesellschafter-Geschäftsführer nicht gemäß § 3b EStG steuerfrei, sondern in aller Regel nach Körperschaftsteuerrecht als vGA zu beurteilen (grundlegend BFH-Urteile vom 19. März 1997 I R 75/96, BStBl II 1997, 577; vom 27. März 2001 I R 40/00, BStBl II 2001, 655; vom 16. März 2004 VIII R 33/02, BStBl II 2004, 927; BFH-Beschluss vom 9. April 2003 VIII B 124/02, BFH/NV 2003, 1309). Diese Beurteilung beruht auf dem Gedanken, dass ein Geschäftsführer sich in besonderem Maße mit den Interessen und Belangen der von ihm geleiteten Gesellschaft identifizieren und die notwendigen Arbeiten auch dann erledigen muss, wenn dies einen Einsatz außerhalb der üblichen Arbeitszeiten oder über diese hinaus erfordert. Die Vereinbarung über eine gesonderte Vergütung von Überstunden verträgt sich nicht mit den Aufgaben eines GmbH-Geschäftsführers, weil es der GmbH entscheidend auf das Ergebnis des Arbeitseinsatzes des Geschäftsführers ankommt und nicht – jedenfalls nicht vorrangig – darauf, dass der Geschäftsführer eine bestimmte Anzahl von Stunden für die GmbH tätig ist. Daraus folgt, dass die Arbeitszeiten in der Regel keine sachgerechte Bemessungsgrundlage für die Geschäftsführervergütung sind. Deshalb erwarten die Gesellschafter, dass er die ihm übertragenen Aufgaben auch dann erfüllt, wenn er dazu die etwaigen für die anderen Beschäftigten der GmbH geltenden Arbeitszeiten überschreiten muss. Dies gilt nicht nur für Geschäftsführer, die ausschließlich geschäftsleitende Aufgaben wahrzunehmen haben. Von Geschäftsführern kleinerer Unternehmen, die persönlich auch in der Produktion tätig sind oder die persönlich die Dienstleistungen gegenüber den Kunden der GmbH erbringen, wird in der Regel erst recht ein derartiger Arbeitseinsatz erwartet.
Eine Ausnahme von der grundsätzlichen Behandlung der Zahlung derartiger Zuschläge an Gesellschafter-Geschäftsführer zusätzlich zu ihrem Festgehalt als vGA kommt nur dann in Betracht, wenn eine derartige Vereinbarung nicht nur mit dem GesellschafterGeschäftsführer, sondern auch mit vergleichbaren gesellschaftsfremden Personen abgeschlossen worden ist (betriebsinterner Fremdvergleich). Dieser Umstand kann gegen eine gesellschaftliche Veranlassung der Vereinbarung mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer sprechen, da eine derartige Gestaltung darauf hinweist, dass die Vereinbarung speziell in dem betroffenen Unternehmen auf betrieblichen Gründen beruht. Sofern die zu beurteilende Regelung in diesem Sinne einem betriebsinternen Fremdvergleich standhält, kann im Einzelfall eine vGA selbst dann zu verneinen sein, wenn eine entsprechende Regelung im allgemeinen Wirtschaftsleben unüblich ist oder gar aus anderen Gründen regelmäßig zur vGA führt (vgl. BFH-Urteile vom 14. Juli 2004 I R 111/03, BStBl II 2005, 307 und vom 3. August 2005 I R 7/05, BFH/NV 2006, 131).
1.2. Im Streitfall durfte das Finanzamt schon deswegen vom Vorliegen einer vGA ausgehen, weil den Zahlungen der streitigen Zuschläge keine klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarungen zugrunde liegen (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 6/89, BFHE 160, 459, BStBl II 1990, 795). T ist alleiniger Gesellschafter und damit beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer (vgl. BFH-Urteil vom 9. April 1997 I R 52/96, BFH/NV 1997, 808). Der mit ihm abgeschlossene Arbeitsvertrag vom 1. April 1997 enthält keine Vereinbarungen über die Zahlung von Feiertags-, Nacht- oder Sonntagszuschlägen. In § 5 Nr. 1 des Arbeitsvertrages wurde lediglich ein monatliches Festgehalt vereinbart. Regelungen, ob und in welcher Höhe Feiertags-, Nacht- oder Sonntagszuschlägen vergütet werden sollen, sind darin jedoch nicht enthalten (vgl. Küttner, Personalbuch 2016, Poeche 381 Rz. 15). Insbesondere wird auch in § 5 Nr. 2 S. 2 des Vertrages nur bestimmt, dass durch die Sonn- und Feiertagszuschläge die nicht beanspruchten freien Tage und Feiertage abgegolten sind. Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg einwenden, dass die Vergütungsansprüche eines Geschäftsführers in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht nicht schriftlich geregelt werden müssen (vgl. Baumbach/Hueck/ Zöllner/Noack, 21. Aufl. 2017, GmbHG § 35 Rn. 168). Im Streitfall könnte eine etwaige mündliche Vereinbarung über die Zahlung der Zuschläge nicht anerkannt werden, da § 16 Nr. 1 des Anstellungsvertrages eine Schriftformklausel enthält. Im Übrigen besteht kein gesetzlicher Anspruch auf Sonn- und Feiertagszuschläge (Urteil des Bundesarbeitsgerichts – BAG – vom 11. Januar 2006 5 AZR 97/05, BB 2006, 783). Außerdem hat die Klägerin auch keine sonstigen Ansprüche, insbesondere tarifvertraglicher Art vorgetragen. Soweit der Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass sich die Höhe der gezahlten Zuschläge nach den einschlägigen Tarifverträgen gerichtet hat, hat er nicht substantiiert dargelegt, ob und welcher Tarifvertrag im Streitfall für einen Gesellschafter-Geschäftsführer überhaupt zur Anwendung kommen könnte.
Darüber hinaus ist im Streitfall auch ein betriebsinterner Fremdvergleich nicht möglich, weil die Klägerin trotz gerichtlicher Anordnung keine Unterlagen vorgelegt hat, dass entsprechende Vereinbarungen auch mit vergleichbaren gesellschaftsfremden Personen abgeschlossen worden sind. Die Klägerin hatte keine leitenden Angestellten, die wie T überwiegend im Außendienst beschäftigt waren. Wie die Klägerin vorträgt, war S, die zweite Geschäftsführerin der Klägerin, nur teilweise auch im Außendienst tätig und erledigte ansonsten die Büroarbeit. Ein Vergleich mit anderen Mitarbeitern scheidet aus, da diese von ihrer Stellung her nicht mit einem Geschäftsführer vergleichbar sind.
Der Senat verkennt nicht, dass die im Unternehmenszweig der Klägerin erbrachten Tätigkeiten in hohem Umfang in der Nacht und an Sonn- und Feiertagen ausgeführt werden. Dieser Umstand wird jedoch bei einem Geschäftsführer, der letztlich an keine Arbeitszeit gebunden ist (vgl. § 3 Nr. 2 des Arbeitsvertrages vom 1. April 1997) und sich für das Wohl und Wehe seiner Gesellschaft einzusetzen hat, durch ein höheres Gehalt mit abgegolten und gehört zum Berufsbild eines Wachmanns.
2. Das Finanzamt war auch verfahrensrechtlich berechtigt, die Steuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern. Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Im Streitfall ist dem Finanzamt im Rahmen der für den Zeitraum ab 2004 durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung die Tatsache bekannt geworden, dass in den Zahlungen der Klägerin an ihren Geschäftsführer T auch SFN-Zuschläge enthalten waren.
Einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO steht nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Wie die Klägerin zwar richtig einwendet, verstößt das Finanzamt gegen Treu und Glauben, wenn sie den Steuerbescheid aufhebt oder ändert, weil ihr nachträglich Tatsachen (oder Beweismittel) bekannt geworden sind, die sie bei gehöriger Erfüllung der ihr nach § 88 AO obliegenden Ermittlungspflicht schon vor der Steuerfestsetzung hätte feststellen können (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23. November 1987 GrS 1/86, BStBl II 1988, 180, Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 151. Lieferung 02.2018, § 173 AO Rz. 62 m.w.N.)
Im Streitfall liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Finanzamt bereits bei der erstmaligen Steuerfestsetzung für die Streitjahre bekannt war, dass in den Zahlungen der Klägerin auch an W SFN-Zuschläge enthalten waren. Auch etwaige Ermittlungspflichten wurden nicht verletzt. In den Kontennachweisen zur Gewinn- und Verlustrechnung 2009 unter dem Konto 6000 bzw. den Erläuterungen zur Gewinn- und Verlustrechnung 2010 bis 2013 wurden von der Klägerin lediglich Unterkonten für Löhne, Gehälter, Tantiemen, pauschale Steuer für Aushilfen und vermögenswirksame Leistungen, nicht jedoch für SFN-Zuschläge angegeben. Das Finanzamt durfte von deren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen, ohne besondere weitere Ermittlungen anstellen zu müssen (Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 151. Lieferung 02.2018, § 173 AO Rz. 65 m.w.N.). Es bestand kein Anlass für weitere Rückfragen.
3. Auch auf Vertrauensschutz kann sich die Klägerin nicht berufen. Selbst wenn die Zuschläge in den Jahren vor den Streitjahren vom Finanzamt nicht als vGA behandelt wurden, hat dies wegen des Prinzips der Abschnittsbesteuerung keine Auswirkungen auf die Folgejahre. Weitere Gesichtspunkte, aus denen sich eine Bindungswirkung nach Treu und Glauben ergeben könnte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere wurde keine verbindliche Auskunft (vgl. § 42e Einkommensteuergesetz, § 89 Abs. 2 Abgabenordnung) eingeholt.
4. Im Übrigen liegt auch keine Doppelbesteuerung der streitigen Zuschläge vor, da der Besteuerung zwei verschiedene Steuerobjekte zugrunde liegen. So war die Klägerin einerseits für die auf die Zuschläge entfallende Lohnsteuer der Beschäftigten in Haftung genommen worden. Andererseits erhöht sich aufgrund der an T entrichteten Zuschläge und der außerbilanziellen Zurechnung zum Einkommen der Klägerin die Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe ersichtlich ist.


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