Steuerrecht

Zweckentfremdung von Wohnraum durch Vermietung an “Medizintouristen”

Aktenzeichen  M 9 K 16.5771

Datum:
15.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayZwEWG BayZwEWG Art. 2 S. 1, S. 2 Nr. 3, Art. 5
Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS) vom 12.12.2013 (MüABl. 550) § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3
VwGO VwGO § 42 Abs. 2, § 74 Abs. 1 S. 2
BayVwZVG BayVwZVG Art. 37 Abs. 4
AufenthG AufenthG § 25 Abs. 4 S. 1
LStVG LStVG Art. 9 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Bei der durch einen zweckentfremdungsrechtlichen Bescheid begründeten Pflicht handelt es sich in vollstreckungsrechtlicher Hinsicht grundsätzlich um eine Unterlassungsverpflichtung, aus der auch nach Beendigung der Vermietung vollstreckt werden kann. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die wiederholte und regelmäßige kurzzeitige Untervermietung einer Wohnung an Personen, die sich lediglich vorübergehend zur medizinischen Behandlung dort aufhalten, stellt eine Überlassung zu anderen als Wohnzwecken dar. Wenn das Nutzungskonzept für eine Wohnung eine derartige Nutzung erkennen lässt, handelt es sich um eine gewerbliche Nutzung für Zwecke der Fremdenbeherbergung, die eine Zweckentfremdung im Sinne von Art. 2 S. 2 Nr. 3 BayZwEWG und § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 ZeS darstellt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Klage ist zulässig. Die Beklagte hat hinsichtlich des streitgegenständlichen Bescheids, der laut Bescheid gegen Postzustellungsurkunde zugestellt wurde, keinen Empfangsnachweis vorgelegt. Deshalb und wegen des zeitlichen Zusammenhangs ist von der Einhaltung der Klagefrist, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO, auszugehen. Es fehlt auch nicht an der Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO, bzw. am Rechtsschutzbedürfnis. Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er das streitgegenständliche Gebäude seit November 2016 nicht mehr nutze oder weiter vermiete und nach diesem Zeitpunkt auch nicht untervermietet habe. Im Einklang hiermit hat Youssef G. A., der Kläger bzw. Antragsteller in den Verfahren M 9 K 16.4641 sowie M 9 S. 16.5013 im Einvernehmen mit dem Kläger erklärt, dass das Untermietverhältnis zwischen beiden zum 1. November 2016 einvernehmlich aufgelöst worden sei. Selbst wenn jedoch aufgrund dieser für sich genommen glaubhaften Auskünfte davon ausgegangen wird, dass eine Fremdenbeherbergung seitens des Klägers im streitgegenständlichen Objekt nicht mehr stattfindet, lässt dieser Umstand trotzdem die Zulässigkeit der Klage unberührt. Denn der streitgegenständliche Bescheid kommt jedenfalls immer noch als Grundlage für Vollstreckungshandlungen gegen den Kläger in Betracht. Da es sich nach der Rechtsprechung sowohl des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes als auch des Gerichts bei der durch einen zweckentfremdungsrechtlichen Bescheid begründeten Pflicht in vollstreckungsrechtlicher Hinsicht grundsätzlich um eine Unterlassungsverpflichtung handelt – nämlich die Verpflichtung, das verfolgte Nutzungskonzept aufzugeben (vgl. beispielsweise VG München, B.v. 26.4.2016 – M 9 S. 16.1449; BayVGH, B.v. 9.5.2016 – 12 CS 16.899) – kommt wegen der Nichtanwendbarkeit von Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG auf der Grundlage von Art. 37 Abs. 4 Satz 2 VwZVG immer noch die Fälligstellung und Einziehung von Zwangsgeldern in Betracht. Die Beklagte hat auch nicht etwa erklärt, hierauf zu verzichten.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt daher den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, Art. 2 Satz 1, Art. 5 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwEWG), § 4 Abs. 1 der Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS).
Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird zunächst auf den streitgegenständlichen Bescheid vom 17. November 2016 Bezug genommen, § 117 Abs. 5 VwGO.
Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
1. Das Vorliegen eines zweckentfremdungsrechtlichen Tatbestands, hier in der Gestalt der Fremdenbeherbergung, ist gegeben. Das folgt aus den umfangreichen Ermittlungen der Beklagten. Insbesondere die Ortsermittlungen, bei denen zum jeweiligen Zeitpunkt in der Wohnung aufhältige Personen angetroffen wurden (Ortsermittlung vom 12. April 2016, Bl. 36 der Behördenakten; Ortsermittlung vom 18. Juli 2016, Bl. 56 der Behördenakten; Ortsermittlung vom 31. August 2016, Bl. 87 der Behördenakten sowie Ortsermittlung vom 17. November 2016, Bl. 156 der Behördenakten) bestätigen eindeutig die zweckentfremdungsrechtliche Nutzung des streitgegenständlichen Objekts. Unabhängig davon tritt der Kläger diesen Feststellungen auch überhaupt nicht entgegen, sondern räumt in der Klagebegründung die (Weiter-) Vermietung an wechselnde Personen sogar ein.
2. Dass der Kläger in seiner Klagebegründung dagegen aus den vorliegenden Feststellungen andere rechtliche Schlüsse als die Beklagte zieht, vermag seiner Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen. In diesem Zusammenhang wird zunächst darauf hingewiesen, dass der Kläger die von der Beklagten getroffenen rechtlichen Schlussfolgerungen auf Grund der vorliegenden tatsächlichen Umstände nicht bestreiten kann. Vielmehr ist es so, dass die anderweitigen rechtlichen Schlussfolgerungen des Klägers falsch sind. In zweckentfremdungsrechtlicher Hinsicht wird die Wohnung zu anderen als Wohnzwecken überlassen. Die wiederholte und regelmäßige kurzzeitige Untervermietung einer Wohnung an Personen, die sich lediglich vorübergehend zur medizinischen Behandlung in der Landeshauptstadt aufhalten, stellt eine Überlassung zu anderen als Wohnzwecken dar (vgl. statt vieler nur BayVGH, B.v. 7.12.2015 – 12 ZB 15.2287 – juris Rn. 3). Es handelt sich hierbei um eine gewerbliche Nutzung für Zwecke der Fremdenbeherbergung, die eine Zweckentfremdung i.S.v. Art. 2 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG und § 4 Satz 2 Nr. 2 ZeS darstellt. Eine Fremdenbeherbergung i.S. des Zweckentfremdungsrechts liegt dann vor, wenn ein lediglich beherbergungsartiges Unterkommen ohne Verlegung des Lebensmittelpunktes festzustellen ist. Ein solches ist immer dann anzunehmen, wenn eine Wohnung für die Dauer eines zum Zwecke der medizinischen Behandlung erfolgenden Aufenthalts zur Verfügung gestellt wird. Maßgeblich ist insoweit das zugrundeliegende Nutzungskonzept (BayVGH, B.v. 7.12.2015 – 12 ZB 15.2287 – juris Rn. 5). Die Beklagte hat durch ihre Ermittlungen ausreichend dargelegt, dass der Kläger für die streitgegenständliche Wohnung ein derartiges Nutzungskonzept verfolgt. Dass der Kläger die eben dargestellten zugrundeliegenden Rechtsbegriffe und Wertungen nicht teilt, ändert nichts. Ganz unabhängig davon gilt außerdem noch, dass hinsichtlich des Klägers bereits festgestellt ist, dass er als zwischengeschalteter Mieter das Geschäft mit der Vermietung von Wohnraum an sog. Medizintouristen professionell betreibt (BayVGH, B.v. 20.9.2016 – 12 CS 16.1401 – Rn. 9 des Entscheidungsabdrucks).
Schließlich ändert auch der Hinweis des Klägers auf Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 4 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nichts. Zunächst hat dieser Hinweis für den hiesigen Rechtsstreit ohnehin bereits deswegen keine Bedeutung, weil der Kläger nur allgemein darauf verweist, dass es die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen auf dieser Grundlage gibt, was stimmt. Es ist jedoch in diesem Zusammenhang nichts vorgetragen, was konkret mit den in den Ortsermittlungen der Beklagten festgestellten Nutzern der Wohnung und deren jeweiligen Aufenthaltsstatus zu tun hätte. Im Übrigen handelt es sich bei einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage von § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG gerade um einen (nur) vorübergehenden Aufenthalt, der, auch wenn er verlängert wird, so lange nicht zum Daueraufenthalt wird, solange der Zweck des Aufenthalts weiterhin die medizinische Behandlung bleibt. Dass das im konkreten Fall auch nur bei einer der angetroffenen Personen anders sein könnte, hat der Kläger nicht vorgetragen; es ist auch sonst nicht ersichtlich.
3. Der Kläger ist auch richtiger Bescheidadressat gemäß Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG. Auch im Übrigen, insbesondere hinsichtlich der weiteren Nummern 3 und 4 des Bescheids, bestehen keine Bedenken gegen dessen Rechtmäßigkeit.
Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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