Steuerrecht

Zweckentfremdung von Wohnraum – Erneute Zwangsgeldandrohung

Aktenzeichen  M 9 S 18.5843

Datum:
9.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 10038
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZwEWG Art. 1 S. 2 Nr. 1
VwZVG Art. 36 Abs. 6 S. 2

 

Leitsatz

1. Eine vorausgegangene Androhung ist erfolglos geblieben, wenn das zunächst angedrohte Zwangsgeld fällig geworden und der Grundverfügung nicht fristgerecht nachgekommen worden ist; keinesfalls ist erforderlich, dass das zunächst angedrohte Zwangsgeld beigetrieben wurde.(Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Möblierung und Dekorierung einer Wohnung vor dem Hintergrund einer angekündigten Ortsermittlung kann nicht als glaubhafter Nachweis für eine Wohnnutzung und für die Beendigung der zweckentfremdungsrechtlich unzulässigen Nutzung angesehen werden, wenn jeglicher Anhaltspunkt dafür fehlt, dass dort eine Wohnnutzung auf Dauer im Sinne eines Lebensmittelpunktes stattfindet, zumal wenn es sich bereits melderechtlich nicht um den Hauptwohnsitz handelt. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 30.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die erneute Zwangsgeldandrohung in Höhe von 30.000,- EUR für den Fall der Nichterfüllung der Verpflichtung aus der Nutzungsuntersagung in Ziff. 1 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 30. März 2017 sowie die Verpflichtung, den Wohnraum wieder Wohnzwecken zuzuführen in Ziff. 2 des Bescheides vom 30. März 2017 in Höhe von jeweils 30.000,- EUR für den Fall der Nichterfüllung dieser Verpflichtungen binnen zwei Monaten ab Zustellung des Bescheides vom 6. November 2018.
Die Antragstellerin ist Mieterin der Wohnung in der T.straße in M., 5. OG Mitte, vier Zimmer, Küche, Bad, Wohnfläche ca. 136 m². Im Erdgeschoss betreibt die Antragstellerin die „…-Parfümerie“. Aufgrund von Ermittlungen seit 2012 wegen des Verdachts der Zweckentfremdung wurde mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. März 2017 die Nutzung des Wohnraums zu anderen als Wohnzwecken untersagt und der Antragstellerin aufgegeben, den Wohnraum unverzüglich wieder Wohnzwecken zuzuführen (Ziff. 1 und 2 des Bescheides v. 30.3.2017).
Die Klage der Antragstellerin wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 11. April 2018 (M 9 K 17.1966) abgewiesen. Die Antragstellerin nutze die Wohnung nicht überwiegend zum Wohnen, sondern gewerblich. Das Urteil ist rechtskräftig.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Bescheid vom 30. März 2017 sowie das Urteil vom 11. April 2018 (M 9 K 17.1966) Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin hat am 18. Oktober 2018, 25. Oktober 2018 und 30. Oktober 2018 Ortseinsichten durchgeführt (Bl. 330 u. 334 der Behördenakte – BA). Bei den Ortseinsichten vom 18. Oktober 2018 und 25. Oktober 2018 war eine Besichtigung der Wohnung nicht möglich. Zumindest am 25. Oktober 2018 war die Antragstellerin in den Räumen, öffnete aber nicht und vereinbarte mit den Mitarbeitern der Antragsgegnerin den Besichtigungstermin vom 30. Oktober 2018. Bei der Ortseinsicht am 30. Oktober 2018 verweigerte die Antragstellerin ihre Zustimmung zum Fotografieren. Ausweislich des Vermerks waren die Zimmer möbliert. Zimmer 1 als „Arbeitszimmer“, Zimmer 2 als „Esszimmer“, Zimmer 3 als „Kosmetikbehandlungsraum“, Zimmer 4 als „Schlafzimmer“ mit einer Doppelbettcouch, Bettzeug, Schrank mit Kleidungsstücken, zwei ausgeklappten Sonnenliegen, die auf den Balkon gehörten, und einer Reisetasche. Das Bad habe die übliche Ausstattung eines Badezimmers enthalten. Bei allen drei Ortsterminen waren alle Schilder mit „Parfümerie“ beschildert. Die Antragstellerin gab bei der letzten Ortseinsicht an: Sie habe nach Beratung mit ihrem Bevollmächtigten die Räumlichkeiten entsprechend vorbereitet und die von ihrem Bevollmächtigten angefertigten Fotografien würden der Antragsgegnerin zugesandt.
Mit Schreiben/Bescheid vom 6. November 2018 wurde das mit Bescheid vom 30. März 2017 unter Ziff. 1 und 2 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von insgesamt 40.000,- EUR wegen Nichterfüllung der Verpflichtung, die Nutzung zu anderen als Wohnzwecken unverzüglich zu beenden und den Wohnraum unverzüglich wieder Wohnzwecken zuzuführen, für fällig erklärt. Ein erneutes Zwangsgeld in Höhe von jeweils 30.000,- EUR für den Fall der Nichterfüllung binnen einer Frist von 2 Monaten wurde angedroht (Ziff. 1 und 2).
Nach dem Ergebnis der Ortsermittlungen sei die Antragstellerin ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen und setze die zweckfremde Nutzung fort. Es würden weiterhin Kosmetikbehandlungen in der Wohnung durchgeführt; die Beschilderung am und im Haus weise ausschließlich auf die Parfümerie hin und die Ausstattung der Räume vor dem angekündigten Besichtigungstermin nach anwaltlichem Rat mache eine dauerhafte Wohnnutzung weiterhin nicht glaubhaft. Die Höhe des weiter angedrohten Zwangsgeldes sei im Hinblick auf die wirtschaftlichen Vorteile einer fortdauernden zweckfremden Nutzung verhältnismäßig und angemessen. Die Frist sei ausreichend.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 27. November 2018 erhob der Bevollmächtigte der Antragstellerin Klage (M 9 K 18.5842) und beantragte gemäß § 80 Abs. 5 VwGO:
Die Vollziehung des Bescheides der Beklagten vom 6. November 2018 wird ausgesetzt.
Die Antragstellerin habe die mit Bescheid vom 30. März 2017 unter Ziff. 1 und 2 aufgegebenen Verpflichtungen eingehalten und erfüllt. Damals wie heute werde unstrittig „Zimmer 3“ gewerblich genutzt. Bei den übrigen 3 Zimmern handele es hinsichtlich der Einrichtung und der Ausstattung um eine typische Wohnnutzung, sodass hier zweifelsfrei eine Nutzung von weniger als 50% der Wohnfläche zur gewerblichen Nutzung verwendet werde (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 Satzung der Landeshauptstadt M. über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum – ZeS). Der Antragstellerin seien Pflichten zur Veränderung der Nutzung der Wohnung aufgegeben worden, die sie ausweislich der beigefügten Lichtbilddokumentation und ihrer Einlassung durch die Möblierung auch erfüllt habe. Die Vollziehung des Bescheides sei auszusetzen, da keine Zweckentfremdung mehr vorliege. Der Vollzug bedeute für die Antragstellerin eine unbillige Härte und eine erhebliche wirtschaftliche Belastung.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom 19. Dezember 2018:
Antragsablehnung.
Die Antragstellerin habe selber angegeben, dass sie die Möblierung in Absprache mit ihrem Anwalt angepasst und bei früheren Terminen den Zutritt zu den Räumen nicht ermöglicht habe. Die Beschriftung des Briefkastens oder einer Klingel sei ein Indiz für die überwiegend gewerbliche Nutzung der Wohnung, wie im Urteil des Verwaltungsgerichts ausgeführt wurde. Entscheidend sei nicht die Möblierung, sondern die tatsächliche Nutzung. Deshalb sei unerheblich, dass nach Erlass des Urteils vom 11. April 2018 ein Fax-Gerät entfernt, Bettbezüge und ein paar Kleidungsstücke sowie zwei Liegestühle und persönliche Utensilien im Bad platziert worden seien. Die existenzgefährdende Höhe des Zwangsgeldes habe die Antragstellerin nicht weiter belegt.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem und im Verfahren M 9 K 18.5842 sowie in den Verfahren nach § 123 VwGO und auf die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf Aussetzung des Vollzugs des angefochtenen Bescheides war als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 27. November 2018 (M 9 K 18.5842) gegen die Androhung eines Zwangsgeldes zu verstehen. Gegen Ziff. 1 und 2 des Bescheides vom 6. November 2018 bestehen nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes gebotenen Prüfung keine rechtlichen Bedenken.
Im vorliegenden Fall bestehen in der Hauptsache nach summarischer Prüfung keinerlei Erfolgsaussichten. Die Klage ist mit hinreichender Sicherheit unbegründet, da die erneute Zwangsgeldandrohung rechtmäßig ist und die Antragstellerin daher nicht in ihren Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (Art. 18 ff. Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – VwZVG) liegen vor. Die Grundverfügung im Bescheid vom 30. März 2017 ist in Ziff. 1 auf eine Nutzungsuntersagung und damit auf ein Unterlassen und in Ziff. 2 auf ein sonstiges Handeln, der Wiederzuführung in den Wohnungsmarkt, gerichtet (Art. 18 Abs. 1 VwZVG). Die sofortige Vollziehbarkeit ergibt sich aus Art. 3 Abs. 3 Zweckentfremdungsgesetz (ZwEWG). Der Grundbescheid ist bestandskräftig, da die dagegen erhobene Klage mit Urteil vom 11. April 2018 (M 9 K 17.1966) rechtskräftig abgewiesen wurde.
Die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen (Art. 31, 36 VwZVG) liegen ebenfalls vor. Das Zwangsgeld wurde jeweils in bestimmter Höhe angedroht (Art. 36 Abs. 5 VwZVG) und der jeweilige Betrag hält den Rahmen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG ein. Mit der erneuten Androhung wurde zugewartet, bis feststand, dass die vorausgegangene Androhung erfolglos geblieben war (Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG). „Erfolglos“ bedeutet, dass die Behörde abzuwarten hat, bis das zunächst angedrohte Zwangsgeld fällig geworden und die frühere Androhung ohne Erfolg geblieben ist (BayVGH, B.v. 7.6.2016 – 12 ZB 16.874). Das ist immer dann der Fall, wenn der Grundverfügung – hier der Nutzungsuntersagung und Wiederbelegungsanordnung – nicht fristgerecht nachgekommen wurde. Keinesfalls ist erforderlich, dass das zunächst angedrohte Zwangsgeld beigetrieben wurde.
Soweit der Bevollmächtigte der Antragstellerin vorträgt, diese habe ihre Verpflichtungen aus dem Bescheid vom 30. März 2017 erfüllt, trifft dies nicht zu. Die vorgenommene Möblierung und Dekorierung der Wohnung ist bereits nach den im Klage- und Antragsverfahren vorgelegten Fotografien des Bevollmächtigten der Antragstellerin nicht als glaubhafter Nachweis für eine Wohnnutzung geeignet. Nach den vorgelegten Fotografien wirkt die Wohnung im Wesentlichen dekoriert und unbewohnt. Bereits im Urteil der Kammer vom 11. April 2018 (M 9 K 17.1966) wurde ausführlich dargelegt, dass die Antragstellerin die Wohnung als ergänzende Räumlichkeiten zu ihrem sehr kleinen Ladengeschäft nutzt, da die von ihr angebotenen Tätigkeiten dort bereits aus Platzgründen nicht möglich sind. Die mittlerweile vorgelegten Fotografien zeigen, dass die Wohnräume weiterhin nicht bewohnt werden, da jeglicher Anhaltspunkt dafür fehlt, dass dort eine Wohnnutzung auf Dauer im Sinne eines Lebensmittelpunktes stattfindet. Es ist nach wie vor nicht glaubhaft, dass der Ehemann der Antragstellerin und sie selber ein privates Arbeitszimmer (Zimmer 1) benötigen und den Raum als solchen nutzen. Weiterhin nicht glaubhaft ist, dass die Antragstellerin und ihr Ehemann ein Esszimmer (Zimmer 2) haben, zumal es sich bereits melderechtlich nicht um den Hauptwohnsitz handelt. Völlig unglaubhaft ist das Schlafzimmer (Zimmer 4), das mit einer Doppelbettcouch und einem relativ kleinen Schrank möbliert ist. Die gesamte Dekoration des Raumes mit vielen Kerzen, Blumen und Kissen ändert nichts daran, dass das Zimmer den unbewohnten Eindruck eines dekorierten Aufenthaltsraumes macht. Ähnliches gilt auch für die Ausstattung von Bad und Küche. Insgesamt hat sich nach Aktenlage im Grunde nichts zu dem Zustand verändert, der zu dem Urteil vom 11. April 2018 geführt hat. Nach wie vor ist nicht von einer überwiegenden Wohnnutzung auszugehen, sondern von einer gewerblichen Nutzung im Zusammenhang mit der Parfümerie und den Kosmetikangeboten, möglicherweise verbunden mit einem zweckentfremdungsrechtlich ebenfalls unzulässigen Leerstand von Wohnraum. Die Erwägungen im Bescheid, dass eine Dekorierung als Wohnraum vor dem Hintergrund einer angekündigten Ortsermittlung und vor dem Hintergrund des Gewerbebetriebes der Antragstellerin kein Nachweis für die Beendigung der zweckentfremdungsrechtlich unzulässigen Nutzung ist, wird durch die vorgelegten Fotografien des Bevollmächtigten der Antragstellerin bestätigt.
Nach alledem ist – sowohl nach dem Vortrag der Beteiligten als auch nach Aktenlage – die Antragstellerin der Grundanordnung nicht fristgerecht nachgekommen. Damit blieb die Androhung im Grundbescheid erfolglos und ein erneutes Zwangsgeld durfte angedroht werden.
Die Höhe des Zwangsgeldes entspricht dem wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin (Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG). Soweit die Antragstellerin vortragen lässt, ihre wirtschaftliche Existenz sei durch die Zwangsgelder gefährdet, hat sie dies nicht weiter belegt.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Streitwert: §§ 52 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 GKG i.V.m. Streitwertkatalog.


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