Strafrecht

Anforderungen an den Klageerzwingungsantrag

Aktenzeichen  4 Ws 56/20 KL

Datum:
27.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 34142
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StPO § 172

 

Leitsatz

Die Auseinandersetzung mit der Beweiswürdigung der Staatsanwaltschaft ist das Kernstück des Klageerzwingungsantrags. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Generalstaatsanwalts in München vom 18.02.2020 wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.
Der Generalstaatsanwalt in München hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 18.02.2020 der Beschwerde der Antragstellerin gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft München I vom 13.11.2019 keine Folge gegeben. Der Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft vom 13.11.2019 erfolgte nach Durchführung weiterer Ermittlungen, die nach der Beschwerde der Antragstellerin gegen den Einstellungsbescheid vom 02.01.2019 veranlasst worden sind. Der Bescheid des Generalstaatsanwalts wurde am 28.02.2020 an den Antragstellervertreter Rechtsanwalt … versandt und ging bei der Kanzlei am 05.03.2020 ein. Mit Schriftsatz vom 03.04.2020, eingegangen bei Gericht am Montag, den 06.04.2020, wurde hiergegen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung erweist sich als unzulässig, weil er den Anforderungen des Gesetzes nicht genügt.
Nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO muss der Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, sowie die erforderlichen Beweismittel angeben. Dies bedeutet, dass von der Antragstellerin im Klageerzwingungsverfahren eine in sich geschlossene und aus sich heraus verständliche, konkrete und substantiierte Sachdarstellung gefordert wird, die es dem Senat ermöglicht, das mit dem Antrag verfolgte Begehren ohne Beiziehung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten und anderer Schriftstücke zu überprüfen. Neben der Schilderung des objektiven Tatgeschehens bedarf es auch einer nachvollziehbaren Darstellung der inneren Tatbestandsmerkmale, so dass bei einer Unterstellung der Richtigkeit des Vortrags die Erhebung der öffentlichen Anklage in formeller und materieller Hinsicht gerechtfertigt erscheint (Moldenhauer in Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 172 Rn. 34, § 174 Rn. 1). Die Schlüssigkeitsprüfung ist nicht allein auf Grund der Darstellung der Beweislage aus der Sicht der Anzeigeerstatterin möglich; vielmehr ist insoweit auch die Würdigung der Beweise durch die Staatsanwaltschaft von großer Bedeutung. Die Auseinandersetzung mit der Beweiswürdigung der Staatsanwaltschaft ist das Kernstück des Klageerzwingungsantrags (OLG Stuttgart, Beschluss vom 12.02.2007 – 4 Ws 330/06 in BeckRS 2007, 2854). Gleiches gilt für die Angabe der Beweismittel, aus denen sich ein hinreichender Tatverdacht ergeben und mit welchen jeder einzelne Umstand des gesetzlichen Tatbestandes bewiesen werden soll (Moldenhauer in Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 172 Rn. 38).
Die Staatsanwaltschaft München I geht davon aus, dass trotz umfangreicher Ermittlungen kein Tatnachweis zu führen ist. So konnte bereits der genaue Tatzeitpunkt nicht ermittelt werden. Bei der Antragstellerin liegen im fraglichen Zeitraum von 2.00 Uhr bis 4.30 Uhr des Tattages am 19.04.2013 Erinnerungslücken vor. Nach dem in Auftrag gegebenen Gutachten war die Antragstellerin zum Vorfallszeitraum hochgradig alkoholisiert mit BAK-Werten zwischen 1,85 und 2,15 Promille. Die Verabreichung von k.o.-Tropfen konnte aufgrund des zum Untersuchungszeitpunkt länger zurückliegenden Zeitraums nicht mehr nachgewiesen werden. Wo und mit wem die Antragstellerin die erheblichen Alkoholmengen zu sich genommen hat, konnte nicht mehr geklärt werden, ebenso wenig ob und in welchem alkoholisierten Zustand sich der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Tat befunden hat und ob er die hochgradige Alkoholisierung der Geschädigten und die von ihr behauptete Widerstandsunfähigkeit erkennen konnte. Eine Gegenwehr fand nach Angaben der Geschädigten bei Vollziehung des Geschlechtsverkehrs nicht statt. Der Sachverständige konnte aufgrund fehlender Anknüpfungspunkte nicht klären, ob die Geschädigte zum Tatzeitpunkt widerstandsunfähig war und dies für einen Außenstehenden erkennbar war. Erinnerungslücken führen nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht zwingend zur Widerstandsunfähigkeit im Tatzeitraum, ebenso wenig wie eine hochgradige Alkoholisierung.
Die Bewertung der Staatsanwaltschaft, der sich der Generalstaatsanwalt anschließt, ist daher auch aufgrund der Stellungnahme des Sachverständigen nicht zu beanstanden, zumal das von der Antragstellerin vermisste Handy weder beim Beschuldigten geortet noch gefunden werden konnte. Dagegen versucht die Antragstellerin die eigene, vermeintlich bessere Tatsachenbewertung für vorzugswürdig, die gegenteilige Auffassung der Ermittlungsbehörden für verfehlt und die Ermittlungen für unvollständig zu halten (OLG Stuttgart, Beschluss vom 12.02.2007 – 4 Ws 330/06 [BeckRS 2007, 2854]). Dies ist im Verfahren nach § 172 Abs. 2 StPO nicht zielführend und nicht ausreichend, um einen fehlenden, wesentlichen Bestandteil des Klageerzwingungsverfahrens (BVerfG NJW 2000, 1027) zu ersetzen oder entbehrlich zu machen. Ein Vorsatz des Beschuldigten, die Widerstandsunfähigkeit der Antragstellerin auszunutzen, kann bei dieser Sachlage schon nach dem Antragsvorbringen nicht mit der für eine Anklageerhebung notwendigen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Eine weitere Sachaufklärung kann bei der Sachlage ausgeschlossen werden, zumal die behauptete Tat inzwischen 7 Jahre zurückliegt.
Eine Heilung dieser Mängel ist wegen zwischenzeitlichen Ablaufes der Antragsfrist des § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht mehr möglich.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da bei der Verwerfung unzulässiger Klageerzwingungsanträge Gerichtskosten nicht anfallen und Auslagen der Antragstellerin nicht erstattet werden.


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