Aktenzeichen SR StVK 241/14
Leitsatz
Verfahrensgang
2 Ws 290/18 2018-06-28 Ent OLGNUERNBERG OLG Nürnberg
Tenor
I. Im Anschluss an die Entscheidung des 2. Strafsenats beim Oberlandesgericht Nürnberg vom 28.06.2018 (Az.: 2 Ws 290/18), durch welche die durch das Urteil des Landgerichts Passau vom 16.04.13 angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ab dem 01.12.2018 zur Bewährung ausgesetzt wurde, wird Führungsaufsicht angeordnet.
II. Es verbleibt bei der Höchstfrist der Führungsaufsicht von 5 Jahren.
III. Der Betroffene untersteht für die Dauer der Führungsaufsicht der Aufsicht und Leitung des für seinen Wohnsitz zuständigen hauptamtlichen Bewährungshelfers.
IV. Dem Betroffenen werden für die Dauer der Führungsaufsicht folgende strafbewehrte Weisungen gemäß § 68 b Abs. 1 StGB erteilt:
1. Er hat sich zu bestimmten Zeiten bei seinem Bewährungshelfer persönlich in dessen Sprechstunde zu melden, und zwar nach näherer Bestimmung durch den Bewährungshelfer mindestens einmal monatlich, erstmals binnen 3 Tagen nach Entlassung (§ 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 7 StGB).
2. Er hat sich im Falle der Erwerbslosigkeit unverzüglich beim zuständigen Arbeitsamt oder bei einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden und dies dem Bewährungshelfer nachzuweisen (§ 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 9 StGB).
3. Er hat jeden Wechsel des Wohnortes oder des Arbeitsplatzes binnen einer Woche der Führungsaufsichtsstelle mitzuteilen (§ 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 8 StGB).
4. Er hat sich in Abständen von 2 Wochen nach näherer Weisung der dortigen Therapeuten bei einer forensischen-psychiatrischen Ambulanz vorzustellen, (§ 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 11 StGB).
V. Dem Verurteilten werden für die Dauer der Führungsaufsicht folgende nicht strafbewehrte Weisungen gemäß § 68 b Abs. 2 StGB erteilt:
1. Er hat unmittelbar im Anschluss an die Entlassung aus dem BKH einen festen Wohnsitz unter der Adresse … zu nehmen.
2. Er hat sich im Benehmen mit dem zuständigen Arbeitsamt oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle um eine Arbeit zu bemühen und dies dem Bewährungshelfer nachzuweisen.
3. Er hat seinen Wohnsitz und einen eventuellen Arbeitsplatz binnen einer Woche der zuständigen Führungsaufsichtsstelle und dem Bewährungshelfer bekanntzugeben.
4. Er hat jeden Wechsel des Wohnortes oder eines Arbeitsplatzes auch dem Bewährungshelfer sowie dem Bezugsteam der Forensisch-Psychiatrischen Ambulanz mitzuteilen.
5. Er hat die Anordnungen des Bewährungshelfers gewissenhaft zu befolgen.
6. Er hat sich in ambulante Nachbehandlung bei der forensischen-psychiatrischen Ambulanz zu begeben, den Anordnungen des therapeutischen Personals Folge zu leisten und Hausbesuche in seiner Wohnung zu dulden.
Die Belehrung über die Bedeutung der Führungsaufsicht und der erteilten Weisungen wird dem Bezirkskrankenhaus übertragen, in welchem sich der Verurteilte zum Zeitpunkt der Entlassung befinden wird.
Gründe
I.
Mit dem im Tenor genannten Urteil des Landgerichts Passau vom 16.04.13 wurde beim Betroffenen die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Er verwirklichte im Zustand der Schuldunfähigkeit in objektiver Hinsicht die Straftatbestände der vorsätzlichen Körperverletzung, der versuchten Nötigung, der Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie gesondert den Straftatbestand des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. Dem Urteil des Landgerichts Passau ist zu entnehmen, dass die Einsichtsfähigkeit des Untergebrachten aufgrund der bei ihm vorliegenden schizophrenen Psychose zu den einzelnen Tatzeitpunkten aufgehoben war. Bezüglich der näheren Einzelheiten der Sachverhalte, der Persönlichkeit und des Vorlebens des Verurteilten wird auf die bei den Akten befindliche Ausfertigung des Urteils des Landgerichts Passau verwiesen und Bezug genommen.
Der Untergebrachte befand sich ab 06.08.13 im Maßregelvollzug. Zuletzt mit Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit Sitz in Straubing vom 10.04.18 war die Fortdauer des Maßregelvollzugs angeordnet und die weitere Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden. Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten mit Schreiben seiner Verteidigerin vom 23.04.18 hin war sodann der Beschluss der Kammer vom 10.04.18 durch Beschluss des 2. Strafsenats des OLG Nürnberg vom 28.06.18 dahingehend aufgehoben, dass die weitere Vollstreckung der angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ab dem 01.12.18 zur Bewährung ausgesetzt wird. Im Übrigen wurde die sofortige Beschwerde als unbegründet verworfen. Die im Zusammenhang mit der Bewährungsaussetzung anfallenden Entscheidungen zur Führungsaufsicht wurden der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit Sitz in Straubing übertragen. Bezüglich der näheren Einzelheiten der Fortdauerentscheidung der Kammer sowie der aufhebenden Entscheidung des Senats und der diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte sowie insoweit des Verfahrensgangs wird umfassend auf die Entscheidungen der Kammer vom 10.04.18 und diejenige des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 28.06.18 verwiesen und Bezug genommen.
Die Staatsanwaltschaft Passau hat mit Verfügung vom 05.09.18 beantragt, dem Betroffenen Weisungen nach §§ 68 b Abs. 1 und Abs. 2 StGB aufzuerlegen.
Das BKH Straubing wurde mit Verfügungen vom 16.07.18, 27.08.18 und 14.09.18 gebeten, zur Frage der zu erteilenden Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht Stellung zu nehmen. Eine diesbezügliche Stellungnahme gab das BKH nach erneuter telefonischer Rückfrage mit Schreiben vom 30.10.18 (08.11.18) ab.
Der Verurteilte teilte mit Schreiben seiner Verteidigerin mit, er wolle diesbezüglich keine Stellungnahme abgeben.
Telefonisch teilte die zuständige Bewährungshelferin auf Eigeninitiative mit, dass auf die Bedürfnisse des Betroffenen dahingehend einzugehen sei, dass das Stresslevel möglichst niedrig gehalten werde, da eine ausgeprägte Mitwirkung nicht zu erwarten sei. Die Kontakthaltung zur Bewährungshilfe sollte daher eher klassisch einmal monatlich ausgestaltet werden.
Bereits vor der Entscheidung der Kammer vom 10.04.18 hatte die Sachverständige Dr. B. ein prognostisches Gutachten zur Person und der weiteren Gefährlichkeit des Untergebrachten abgegeben, das Gutachten wurde am 03.03.2018 erstattet.
Auf die bezeichneten Entscheidungen und Schriftstücke wird im Übrigen ergänzend vollumfänglich verwiesen und Bezug genommen.
II.
Der Verurteilte untersteht nach der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bereits kraft Gesetzes gem. § 67 d Abs. 2 S. 3 StGB der Führungsaufsicht. Die in Ziffer l. getroffene Anordnung der Führungsaufsicht erfolgte daher nur rein deklaratorisch.
Die dem Verurteilten nunmehr erteilten Weisungen beruhen auf § 68 b StGB. Angesichts des strafrechtlichen Vorlebens des Verurteilten erscheinen die erteilten Weisungen erforderlich, um die soziale Integration zu fördern, weitere Straftaten zu verhindern und eine effektive Überwachung zu ermöglichen, damit etwaigen gefährlichen Entwicklungen nach Möglichkeit rechtzeitig gegengesteuert werden kann.
Das Gericht orientiert sich bezüglich der ausgesprochenen Weisungen unter anderem an den Ausführungen der Sachverständigen in ihrem Prognosegutachten sowie am Antrag der Staatsanwaltschaft Passau und den Ausführungen des BKH Straubing und der telefonischen Information durch die Bewährungshelferin.
Was insbesondere die Weisung, dass der Verurteilte sich beim Bewährungshelfer melden muss, jeden Wechsel der Wohnung und des Arbeitsplatzes der Führungsaufsichtsstelle mitzuteilen sowie sich bei Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden hat, so hält das Gericht diese Weisungen in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft für angezeigt und für erforderlich. Durch den Kontakt zum Bewährungshelfer soll dem Verurteilten ein Ansprechpartner für jegliche Fragen und in schwierigen Situationen zur Seite gestellt werden. Durch die Weisung, sich arbeitslos zu melden, soll er zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit sowie zu einem strukturierten Tagesablauf angehalten bzw. in der Findung einer Tagesstruktur unterstützt werden, soweit ihm die Ausübung eines Berufes aufgrund seiner persönlichen Konstitution und der Gesamtumstände künftig möglich sein sollte. Die Meldeweisungen sollen ferner die Überwachung des Betroffenen erleichtern und helfen, kritischen Entwicklungen bei ihm frühzeitig vorzubeugen bzw. diese zu erkennen (vgl. SCH/SCH, Kommentar zum StGB, 29. Auflage 2014, § 68 b Rnr. 12). Dies gilt gerade und insbesondere auch für die nicht strafbewehrte Weisung, jeden Wechsel des Wohnortes und des Arbeitsplatzes auch dem Bewährungshelfer und dem Bezugsteam der Psychiatrischen Ambulanz zu melden, soweit veränderte Umstände während des Laufes der Führungsaufsicht ergeben sollten, dass ein solcher Wechsel überhaupt angezeigt erscheint oder zuzulassen ist. Der Bewährungshelfer stellt im Rahmen der Führungsaufsicht einen der ersten Ansprechpartner und Bezugspersonen für den Betroffenen dar. Gerade für diesen ist es daher unerlässlich, hinsichtlich der aktuellen Entwicklung stets auf dem aktuellen Stand gehalten zu werden, nicht zuletzt auch für den Fall, dass die regelmäßig einzuhaltende Meldung bei dem Bewährungshelfer im Einzelfall unterbleiben sollte und der Bewährungshelfer seinerseits zu einer aktiven Kontaktaufnahme bzw. Nachforschung angehalten ist.
Was die nicht strafbewehrte Weisung bzgl. der Wohnsitznahme betrifft, so orientiert sich die Kammer hier an den Ausführungen der Staatsanwaltschaft und der Mutter des Betroffenen, wonach der Untergebrachte zunächst im familiären Umfeld Wohnsitz nehmen sollte. Das Haus gehört der Großmutter des Untergebrachten und eine Tante wohnt in unmittelbarer Nachbarschaft.
Der Untergebrachte wird, jedenfalls unmittelbar nach Entlassung und auch in naher Zukunft, nicht vollends in der Lage sein, sein Leben vollständig alleine zu bewältigen und mit den sich üblicherweise bietenden Stressoren und Belastungen des Alltags zurechtzukommen. So hatte bereits die Sachverständige zum sozialen Empfangsraum ausgeführt, dass eine reizarme, strukturierte Umgebung zumindest für eine gewisse Übergangszeit notwendig sei. Inwieweit eine Rückkehr in die Obhut der Mutter als zielführend erachtet werden kann, könne nicht beantwortet werden und werde als kritisch angesehen. Allerdings ist eine Alternative zum familiären Wohnsitz derzeit nicht gegeben, sodass dies jedenfalls als Mindestvoraussetzung für eine reizarme Umgebung angesehen wird. Soweit der Verlauf der Führungsaufsicht zeigen sollte, dass der Untergebrachte entsprechender Unterstützung ggf. nicht mehr bedarf, bleibt die Möglichkeit einer Abänderung dieser Weisung vorbehalten.
Die von der Staatsanwaltschaft angeregte Weisung nach § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB, wonach der Untergebrachte den Wohn- oder Aufenthaltsort nicht ohne Erlaubnis der Führungsaufsichtsstelle verlassen dürfe, wurde seitens der Kammer als nicht zielführend erachtet. Von einer Auferlegung wurde daher abgesehen. Mit Blick auf die Gesamtumstände, insbesondere den bisherigen Maßregelvollzugsverlauf und die begangenen Anlasstaten ist nicht ersichtlich, inwiefern eine derartige Weisung – dies vor allem vor dem Hintergrund der auferlegten Meldeweisungen – eine vom Betroffenen ausgehende Gefahr der Begehung weiterer gleichgelagerter Straftaten zusätzlich reduzieren könnte. Auch im Rahmen der Unterbringung ist es im Bezirkskrankenhaus Mainkofen zu fremdaggressiven Verhaltensweisen gegenüber dem Pflegepersonal gekommen, also auch in einer reizarmen Umgebung, sodass nicht erkennbar ist, wie diese Weisung sinnvoll die drohende Gefahr absenken könnte.
Die vom BKH angeregte Weisung nach § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB, wonach er sich des Konsums von Alkohol und illegalen Betäubungsmitteln nach dem Betäubungsmittelgesetz sowie von ärztlich nicht verordneten, als Ersatzdrogen geeigneten Medikamenten mit Rauschwirkung (vor allem Schmerz-, Schlaf- oder Beruhigungsmittel, insbesondere Sedativa, Hypnotika, euphorisierende Analgetika und andere stimmungsverändernde Medikamente) strikt zu enthalten hat, hält das Gericht nicht für zulässig. Nach § 68 b StGB zu erteilende Weisungen müssen grundsätzlich die sich aus dem spezialpräventiven Zweck der Führungsaufsicht ergebenden Zielsetzungen zu verwirklichen helfen und einen inneren Bezug zu den jeweils zugrundeliegenden Straftaten haben. Insofern unterliegen die Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht immanenten Schranken, deren Überschreiten einen Weisungsfehlgebrauch darstellt und zur Gesetzeswidrigkeit der entsprechenden Weisungen führt (vgl. hierzu bspw. OLG Karlsruhe in StV 2010, 643; ferner NStZ 2010, 153). Vorliegend stehen die Anlasstaten mit einem eventuellen Alkohol- und Suchtmittelkonzum nicht in Zusammenhang. Auch ist nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. B. kein Substanzmissbrauch bekannt oder erkennbar, vgl. Bl. 646 des Gutachtens, sodass es bereits an einem inneren Bezug zu den zugrundeliegenden Straftaten mangelt.
Eine unangemessene Einschränkung der Lebensführung des Verurteilten tritt durch die erteilten Weisungen nach Auffassung des Gerichts nicht ein. Der Betroffene hatte im Übrigen nach Übersendung der von der Staatsanwaltschaft vorgeschlagenen Weisungen nach Absprache mit seiner Verteidigerin keine konkrete Stellungnahme abgegeben und damit zumindest keine konkreten Einwände vorgebracht.
Soweit nicht konkret etwas anderes bestimmt ist, gelten die erteilten Weisungen für die gesamte Dauer der Führungsaufsicht. Die Weisungen können jedoch jederzeit insgesamt oder einzeln abgeändert, ergänzt oder auch aufgehoben werden, wenn sich im Verlauf der Führungsaufsicht aufgrund der Entwicklung des Untergebrachten oder aufgrund seines Verhaltens die zugrunde liegenden Verhältnisse entsprechend ändern und wenn deswegen eine Abänderung der Weisung erforderlich wird. Der Betroffene wird darauf hingewiesen, dass schuldhafte Verstöße gegen Weisungen, die gemäß § 68 b Abs. 1 S. 1 StGB erteilt wurden, gemäß § 145 a StGB auf Antrag der Führungsaufsichtsstelle strafrechtlich verfolgt und mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden können.
Die Übertragung der Belehrung auf das Bezirkskrankenhaus ergibt sich aus §§ 454 Abs. 4 S. 2, 463 Abs. 3 StPO.