Strafrecht

Anspruch auf Löschung einer Eintragung im Kriminalaktennachweis

Aktenzeichen  Au 8 K 19.519

Datum:
19.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 15405
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
PAG Art. 38 Abs. 2 S. 2, Art. 54 Abs. 2 S. 1 u. 2, Art. 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
StPO § 170 Abs. 2, § 203

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Über die Klage konnte ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten darauf verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
II.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 10. Januar 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger kann keinen Anspruch auf die begehrte Löschung des Verdachts des Betrugs (Tattag – 8. März 2014) aus dem Kriminalaktennachweis geltend machen (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
1. Ein Löschungsanspruch des Klägers ergibt sich nicht aus Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG.
Art. 54 Abs. 2 Satz 1 PAG erlaubt es der Polizei insbesondere personenbezogene Daten, die sie im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren oder von Personen gewonnen hat, die verdächtig sind, eine Straftat begangen zu haben, zu speichern und anderweitig zu verarbeiten, soweit dies zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist. Entfällt der der Speicherung zugrundeliegende Verdacht, sind die Daten unverzüglich zu löschen (Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG).
1.1 Der Anspruch auf Löschung der in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (zu repressiven Zwecken) gewonnenen und für präventive Zwecke genutzten Daten nach Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG entsteht – der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur insoweit nahezu inhaltsgleichen Regelung des Art. 38 Abs. 2 Satz 2 PAG a.F. folgend – wenn der dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Tatverdacht (restlos) entfallen ist (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 21.1.2009 – 10 B 07.1382 – juris Rn. 35, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 17 m.w.N.). Der für die weitere Aufbewahrung von Polizeiunterlagen erforderliche Tatverdacht im Sinne des Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG bzw. Art. 38 Abs. 2 Satz 2 PAG a.F. entfällt dabei nicht schon mit der Einstellung der Ermittlungen, sondern erst, wenn der Verdacht einer Straftat oder Tatbeteiligung des Betroffenen restlos ausgeräumt ist. Daher kann die Aufbewahrung der polizeilichen Unterlagen selbst im Falle eines rechtskräftigen Freispruchs zulässig bleiben, wenn ein Restverdacht fortbesteht (vgl. BayVGH, B.v. 2.9.2008 – 10 C 08.2087 – juris Rn. 5 unter Hinweis auf BVerfG, B.v. 16.5.2002 – 1 BvR 2257/01 – NJW 2002, 3231; VG München, U.v. 18.2.2020 – M 7 K 18.4570 – juris Rn. 20), etwa, wenn der Freispruch aus Mangel an Beweisen erfolgt ist (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 18). Im Falle eines Freispruchs oder wie vorliegend einer Verfahrenseinstellung bedarf es daher der Überprüfung, ob noch Verdachtsmomente gegen den Betroffenen bestehen, die eine Fortdauer der Speicherung der im Verfahren gewonnenen Daten zur polizeilichen Verbrechensbekämpfung rechtfertigen. Von einem fortbestehenden (Rest-)Tatverdacht kann insbesondere dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht festgestellt wurde, dass der Verdacht danach vollständig entfallen ist (vgl. BayVGH, B.v. 19.1.2015 – 10 CE 14.1798 – juris Rn. 21; B.v. 10.6.2013 – 10 C 13.62 – juris Rn. 4). Bei Einstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO kann der Tatverdacht aber fortbestehen, wenn die Einstellung nicht wegen gänzlich ausgeräumten Tatverdachts, sondern aus anderen Gründen erfolgt ist (BayVGH, B.v. 31.10.2007 – 24 C 07.1078 – juris Rn. 5). Nach § 170 Abs. 2 StPO stellt die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren ein, wenn gegenüber dem Beschuldigten kein hinreichender Tatverdacht besteht. Denn bei einer Vielzahl von Ermittlungsverfahren macht der Staatsanwalt von seiner Befugnis zur Einstellung deswegen Gebrauch, weil ein Tatnachweis vor Gericht nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit geführt werden kann. Die Beendigung eines Strafverfahrens durch Einstellung, sowohl nach §§ 153 ff. StPO als auch nach § 170 Abs. 2 StPO, räumt den Straftatverdacht daher auch nicht notwendig aus und schließt deshalb auch die weitere Datenspeicherung zu Zwecken präventiver Gefahrenabwehr nicht aus (st.Rspr., vgl. etwa BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 18; Schmidbauer, in Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, 5. Aufl. 2020, Art. 54 Rn. 37). Vielmehr bedarf es, wie dargelegt, der Überprüfung, ob noch Verdachtsmomente gegen den Betroffenen bestehen, die eine Fortdauer der Speicherung der im Verfahren gewonnen Daten zur polizeilichen Verbrechensbekämpfung rechtfertigen (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 19). Für den Fortbestand der Speicherung der personenbezogenen Daten wird dabei nicht ein für die Anklageerhebung hinreichender Tatverdacht i.S.v. § 203 StPO vorausgesetzt, sondern es genügt ein weiterhin bestehender Anfangsverdacht (vgl. BayVGH, B.v. 19.1.2015 – 10 CE 14.1798 – juris Rn. 21; B.v. 20.2.2013 – 10 ZB 12.2455 – juris Rn. 5; VG München, U.v. 18.2.2020 – M 7 K 18.4570 – juris Rn. 21).
Ausgehend von diesen in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist der Tatverdacht nicht restlos ausgeräumt.
Das geführte Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 1. Juni 2017 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Für das gänzliche Entfallen des Tatverdachts ergeben sich weder aus den Einstellungsgründen, noch aus den Ermittlungsakten oder dem Klägervorbringen hinreichende Anhaltspunkte. Die Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO erfolgte aus tatsächlichen Gründen, da der Tatnachweis nicht mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit geführt werden konnte, nicht jedoch wegen erwiesener Unschuld. Ausweislich der Begründung zur Einstellungsverfügung ergab die Auswertung der bei der Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Klägers sichergestellten Beweismittel keinen Nachweis für entsprechende Tachomanipulationen des Klägers. Die Fahrgestellnummern der Pkws, die der anderweitig Verfolgte mit verändertem Tachostand weiterveräußert hat, wurden nicht in den Datenträgern des Klägers gefunden. Auch wurden beim Beschuldigten keine Blankoservicehefte oder Stempel gefunden. Es stand somit letztlich nur die Aussage des anderweitig Verfolgten gegen die Aussage des Klägers. Für die Aussage des anderweitig Verfolgten spricht nach Ansicht der Staatsanwaltschaft in der Begründung der Einstellungsverfügung, dass der Kläger tatsächlich Geräte hatte, die geeignet sind, den Kilometerstand eines Fahrzeugs entsprechend zu verändern. Weiter sprach danach für die Aussage des anderweitig Verfolgten, dass die örtlichen Gegebenheiten so waren, wie von ihm geschildert. Gegen dessen Aussage spricht, dass keinerlei Hinweise auf die konkreten manipulierten Pkws gefunden werden konnten. Der Kläger ist darüber hinaus bisher in keinster Weise strafrechtlich in Erscheinung getreten und auch die Pkws, die beim Kläger gesichtet worden sind, haben keinerlei Tachoveränderungen aufgewiesen. Bei einer Gesamtbetrachtung kommt die Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis, dass letztlich nicht mit der für eine Anklage erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die Aussage des anderweitig Verfolgten glaubhafter sei als die Aussage des Klägers, so dass letztlich der Tatnachweis nicht mit der erforderlichen Sicherheit geführt werden kann.
Der Verdacht einer Straftat des Klägers ist damit nach den Ausführungen der Staatsanwaltschaft v.a. wegen der Zeugenaussage also gerade nicht restlos ausgeräumt. Der Zeuge konnte die örtlichen Gegebenheiten detailliert skizzieren und detailreich die Vorgänge in der klägerischen Werkstatt schildern. Die Staatsanwaltschaft hat die Aussage auch nicht als per se unglaubhaft eingeordnet. Den Akten und dem Klägervorbringen lassen sich auch keine Hinweise entnehmen, aus denen zu schließen wäre, dass die Aussage zielgerichtet gegen den Kläger getätigt wurde. Der Kläger besitzt zudem entsprechende Gerätschaften und die nötigen Kenntnisse zur Vornahme entsprechender Anpassungen des Kilometerstands. Auch ist der klägerische Hinweis auf die „eindeutige und ausführliche Dokumentation“, aus der sich keine Manipulationen ergeben hätten, nicht geeignet, den Tatverdacht restlos auszuräumen. Der Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Einlassungen des Klägers sowie die Tatsache, dass sich der Kläger weder um eine Bestätigung über den Austausch zu erneuernder Tachogeräte seitens des anderweitig Verfolgten noch um die Ausfertigung einer eigenen Bestätigung über die Vornahme von derartigen Datenveränderungen gekümmert hat, aus polizeilicher Sicht die Möglichkeit der durchgeführten Maßnahmen zum Nachteil eines (zukünftigen) Kunden zulasse. Dies wird dadurch untermauert, dass im Laufe der Geschäftsbeziehung auf die Erstellung einer Rechnung verzichtet worden sei. Insofern ist der Beweiswert einer (dann lückenhaften) Dokumentation eingeschränkt. Damit besteht in der Zusammenschau nach der Einstellungsverfügung auch weiterhin ein Restverdacht, der den Fortbestand der Speicherung rechtfertigt. Diesen Resttatverdacht hat der Beklagte auch unter hinreichender und einzelfallbezogener Begründung, wie dargestellt, rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt (vgl. Schmidbauer, in Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 54 Rn. 35; sowie noch zur alten Fassung: Berner/Köhler/Käß, Polizeiaufgabengesetz, 20. Auflage 2010, Art. 38 Rn. 12).
1.2 Bei einem wie hier fortbestehenden Restverdacht steht auch die im Rechtsstaatsprinzip verankerte Unschuldsvermutung der weiteren Aufbewahrung polizeilicher Unterlagen nicht entgegen (BVerfG, B.v. 16.5.2002 – 1 BvR 2257/01 – NJW 2002, 3231 = juris Rn. 11). Denn die Berücksichtigung von Verdachtsgründen stellt keine Schuldfeststellung oder -zuweisung dar, wenn und soweit sie bei Wiederholungsgefahr anderen Zwecken, insbesondere der vorbeugenden Straftatenbekämpfung, dient (BVerwG, U. v. 9.6.2010 – 6 C 5/09 – juris Rn. 26). Die Vermutung der Unschuld gilt nämlich bis zu einem etwaigen richterlichen Schuldspruch. Kommt es nicht dazu, gilt sie fort. Bei der Verfahrensbeendigung durch Einstellung oder bei einem Freispruch, der ausweislich der Gründe aus Mangel an Beweisen erfolgt, ist aber der Straftatverdacht wie dargestellt nicht notwendig ausgeräumt. Darf er Grundlage für Maßnahmen der weiteren Datenspeicherung sein, so steht die Unschuldsvermutung als solche dem nicht entgegen (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 16.5.2002 – 1 BvR 2257/01 – NJW 2002, 3231 = juris Rn. 11).
1.3 Dass im Rahmen der Einstellungsverfügung darauf hingewiesen worden ist, dass der Kläger grundsätzlich wegen des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens und der damit verbundenen Strafverfolgungsmaßnahmen einen Schadenersatzanspruch geltend machen könne, ist gesetzliche Folge der Einstellung (§ 9 Abs. 1 Satz 5 Strafverfolgungsentschädigungsgesetz) und für die hier streitgegenständliche Frage einer möglichen Löschungsverpflichtung aus dem Kriminalaktennachweis genauso wenig von Belang wie die Aushändigung der im Rahmen der Ermittlungen sichergestellten Gerätschaften an den Kläger.
1.4 Die (Fortführung der) Speicherung erweist sich auch als verhältnismäßig, was sich aus einer Abwägung des öffentlichen Interesses an der Gefahrenabwehr und vorbeugenden Straftatbekämpfung mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des Klägers ergibt. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich um einen Datenspeicher handelt, der lediglich der Polizei zur Verfügung steht und die Speicherung im Kriminalaktennachweis grundsätzlich zeitlich befristet ist (Art. 54 Abs. 2 Satz 3 PAG). Auch ist kein erheblicher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dadurch zu sehen, dass seine Person bei entsprechenden Verdachtsmomenten bei künftigen Ermittlungsverfahren überprüft werden könnte. Die mit einer weit höheren Eingriffsintensität in die Grundrechte des Klägers verbundenen Daten der erkennungsdienstlichen Behandlung wurden von dem Beklagten gelöscht. Zudem ist zu sehen, dass nach der detailreichen Aussage des anderweitig Verfolgten die Aktivitäten zur Tachojustierung über mehrere Jahre hinweg stattgefunden haben sollen und der Kläger auch tatsächlich über Gerätschaften und die Kenntnisse zur Tachojustierung verfügt, so dass in der Zusammenschau eine Fortführung der Speicherung im Kriminalaktennachweis nicht unverhältnismäßig erscheint, zumal auch unter Berücksichtigung der detaillierten Aussage des anderweitig Verfolgten eine Wiederholungsgefahr nicht von der Hand zu weisen ist. Diese für das Bestehen einer Wiederholungsgefahr sprechenden Umstände begründen auch die Erforderlichkeit einer weiteren Datenaufbewahrung im Kriminalaktennachweis. Im Verhältnis dazu erleidet der Kläger durch die Speicherung bzw. Aufbewahrung seiner Daten bis zum Ende der Aufbewahrungsfrist keine derart schwerwiegende Beeinträchtigung in seinen Rechten, dass sie ihm gegenüber unangemessen erschiene. Bei der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Recht des einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung kommt dem vorbeugenden Schutz der Bürger vor Straftaten nämlich ein hoher Rang zu (BayVerfGH, E.v. 19.10.1994 – Vf. 12-VII-92, Vf. 13-VIII-92 – juris Rn. 252; BayVGH, U.v. 4.3.1996 – 24 B 94.2020 – juris Rn. 34).
2. Nichts anderes ergibt sich aus Art. 62 Abs. 2 Satz 1 PAG – soweit man diese Rechtsgrundlage vorliegend überhaupt neben Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG für anwendbar hält, da es sich vorliegend bei den zur Löschung beantragten Daten ausschließlich um aus einem laufenden Ermittlungsverfahren gewonnene handelt (vgl. dazu BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 23 ff.).
Art. 62 Abs. 2 Satz 1 PAG gewährt einen alle Daten in polizeilichen Sammlungen betreffenden allgemeinen Löschungsanspruch, wenn ihre Erhebung oder weitere Verarbeitung unzulässig war (Nr. 1), sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung gelöscht werden müssen (Nr. 2) oder bei der zu bestimmten Fristen oder Terminen vorzunehmenden Überprüfung oder aus Anlass einer Einzelfallbearbeitung festgestellt wird, dass ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich ist (Nr. 3).
Vorliegend ist jedenfalls weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Daten in unzulässiger Weise erhoben oder verarbeitet wurden (Art. 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PAG) oder sonst eine rechtliche Verpflichtung zur Löschung besteht (Art. 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAG). Dass vorliegend die Aufbewahrungsfrist (Art. 54 Abs. 2 Satz 3 oder 4 i.V.m. Art. 53 Abs. 5 PAG) bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits abgelaufen wäre, ist weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich, so dass auch Art. 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PAG nicht einschlägig ist. Ebenso wenig ist die Erforderlichkeit im Rahmen des Art. 62 Abs. 2 Nr. 3 PAG entfallen. Die Erforderlichkeit der Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen bemisst sich danach, ob der Betroffene künftig mit guten Gründen in den Kreis potentieller Beteiligter einer noch aufzuklärenden Straftat einbezogen werden und ob die gespeicherten Daten die dann zu führenden Ermittlungen – den Betroffenen überführend oder entlastend – fördern können (BayVGH, B.v. 2.9.2008 – 10 C 08.2087 – juris Rn. 6). Bei fortbestehendem Tatverdacht wie hier ist regelmäßig nicht auszuschließen, dass die gewonnenen Erkenntnisse für die Bekämpfung von Straftaten von Nutzen sein können (Berner/Köhler/Käß, Polizeiaufgabengesetz, Art. 38 Rn. 9), es sei denn, es kann ausgeschlossen werden, dass die Daten die Arbeit der Polizei noch fördern können, wie etwa, wenn nichts dafürspricht, dass der Betroffene erneut strafrechtlich oder gefahrverursachend in Erscheinung treten wird (Berner/Köhler/Käß, a.a.O.). Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, wenn der sachgerechte Einsatz der Polizei bei der Bekämpfung von Straftaten erleichtert werden kann (BVerwG, B.v.12.11.1992 – 1 B 164/92 – juris Rn. 3). Das ist vorliegend der Fall.
3. Schließlich folgt auch aus dem Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) kein weitergehender Löschungsanspruch (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 22 m.w.N.; VG München, U.v. 18.2.2020 – M 7 K 18.4570 – juris Rn. 30). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches vor der unbegrenzten Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe persönlicher Daten schützt, ist nicht schrankenlos gewährleistet und findet in den Regelungen der jeweiligen Landespolizeigesetze für den Bereich der Polizeidaten und Kriminaldaten in Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG und Art. 62 Abs. 2 Satz 1 PAG eine verfassungsmäßige Grenze (vgl. BayVGH, B.v. 1.8.2012 – 10 ZB 11.2438 – juris Rn. 7). Aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung ergibt sich ein Anspruch auf Löschung der über den Betroffenen gespeicherten polizeilichen Daten daher nur, soweit deren Aufbewahrung und Speicherung nicht durch diese gesetzlichen Grundlagen gerechtfertigt ist (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 22). Dies ist hier jedoch, wie dargestellt, nicht der Fall.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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