Strafrecht

Ausschluss selbständiger Einziehung nach Schuldspruch in Bußgeldsachen unter Absehen von Geldbußenfestsetzung

Aktenzeichen  201 ObOWi 1631/20

Datum:
12.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 14747
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
OWiG § 17 Abs. 4, § 19, § 29a Abs. 1
GüKG § 3, § 19 Abs. 1 Nr. 1b
StPO § 358 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Liegt eine einheitliche prozessuale Tat i.S.v. § 264 StPO vor, die der umfassenden richterlichen Kognition unterliegt, so kann der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nur dann nachträglich auf eine von mehreren Geldbußen beschränkt werden, wenn jeweils materiell-rechtlich selbständige Taten zugrunde liegen (Anschluss an BGH, Beschluss vom 26.02.2013 – KRB 20/12 = BGHSt 58, 158 = NJW 2013, 1972 = wistra 2013, 391). (Rn. 3)
2. Bereits aus der Formulierung von § 19 Abs. 1 Nr. 1b GüKG, wonach ordnungswidrig handelt, wer ohne Erlaubnis gewerblichen Güterverkehr betreibt, ergibt sich, dass Verstöße gegen die Erlaubnispflicht nach § 3 Abs. 1 GüKG eine auf Wiederholung angelegte Tätigkeit voraussetzen. Mehrere Tathandlungen sind daher zu einer Bewertungseinheit verbunden, wenn sie auf den einheitlichen Willen des Fuhrunternehmers zurückzuführen sind (Anschluss an KG, Beschluss vom 17.10.2001 – 2 Ss 11/01 = VRS 101 [2001], 461 = VerkMitt 2002, Nr 57). (Rn. 7)
3. Die Vorschriften des StGB über das Absehen von Strafe sind im Bußgeldverfahren auch nicht entsprechend anwendbar. Ergeht daher ein Schuldspruch gegen den Betroffenen, so darf das Amtsgericht nicht von der Festsetzung einer Geldbuße absehen und stattdessen die selbständige Einziehung eines Geldbetrages nach § 29a OWiG anordnen (Anschluss an BayObLG, Beschluss vom 18.05.1998 – 3 ObOWi 53/98 = NJW 1998, 3287 = RdL 1998, 216 = NuR 1998, 613). (Rn. 13)
4. Der Entfall der selbständigen Einziehung nach § 29a Abs. 1 OWiG steht der Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils durch Verhängung einer Geldbuße nach § 17 Abs. 4 OWiG, welche den Einziehungsbetrag nicht übersteigt, durch das Rechtsbeschwerdegericht gemäß § 79 Abs. 6 OWiG nicht entgegen. (Rn. 14)

Tenor

I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und nach Anhörung des Betroffenen gemäß § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt, soweit dem Betroffenen im Bußgeldbescheid vom 24.09.2019 Beförderungen im gewerblichen Güterkraftverkehr ohne die erforderliche Erlaubnis für die Fa. Z zur Last liegen; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens.
II. Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 02.09.2020 mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Urteilsformel in Ziffern 1. – 3. abgeändert wird wie folgt:
1. Der Betroffene ist schuldig einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit des Betreibens von gewerblichem Güterkraftverkehr ohne Erlaubnis gemäß § 3 GüKG.
2. Gegen den Betroffenen wird eine Geldbuße in Höhe von 80.000 Euro festgesetzt. Ihm wird gestattet, die Geldbuße beginnend ab 10.03.2021 in monatlichen Raten in Höhe von 500 Euro, jeweils fällig zum 10. eines jeden Monats, zu bezahlen; die Vergünstigung, die Geldbuße in Raten zu zahlen, entfällt, wenn der Betroffene einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt.
III. Der Betroffene hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.
Das Landratsamt hat gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 24.09.2019 wegen der vorsätzlichen unerlaubten Durchführung von Beförderungen im gewerblichen Güterkraftverkehr Geldbußen von zweimal 20.000 Euro (420 Beförderungen für die Fa. … sowie 283 Beförderungen für die Fa. Y) und einmal 6.100 Euro (37 Beförderungen für die Fa. Z) verhängt. Nach form- und fristgerechter Einlegung des Einspruchs hat der Betroffene im Termin zur Hauptverhandlung vom 02.09.2020 seinen Einspruch durch Erklärung seines Verteidigers zurückgenommen, soweit gegen ihn wegen der Beförderungen für die Fa. Z eine Geldbuße von 6.100 Euro verhängt worden war. Das Amtsgericht hat den Betroffenen aufgrund der Hauptverhandlung vom 02.09.2020 schuldig gesprochen der vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit des Betreibens von gewerblichem Güterkraftverkehr ohne Erlaubnis gemäß § 3 GüKG in 453 tatmehrheitlichen Fällen und die Einziehung eines Geldbetrags in Höhe von 80.000 Euro angeordnet. Von der Verhängung einer Geldbuße hat es ausdrücklich abgesehen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt und sich darauf beruft, dass durch die teilweise Einspruchsrücknahme ein Verfahrenshindernis entstanden sei. Die Generalstaatsanwaltschaft hat unter dem 26.11.2020 beantragt, auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen das Urteil des Amtsgerichts vom 02.09.2020 mit den zugrunde liegenden Feststellungen – ausgenommen diejenigen zur Güterbeförderung einschließlich des bezogenen Transportlohns – aufzuheben, die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen und die weitergehende Rechtsbeschwerde des Betroffenen als unbegründet zu verwerfen. Die Verteidigung hat unter dem 08.12.2020 mitgeteilt, eine weitere Stellungnahme sei nicht erforderlich.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg und erweist sich im Übrigen als unbegründet.
1. Die in der Hauptverhandlung vom 02.09.2020 erklärte teilweise Rücknahme des Einspruchs erweist sich als unwirksam und steht der Aburteilung nicht entgegen, soweit der Betroffene Fahrten für die Firmen … bzw. Y durchgeführt hat. Gegenstand der Aburteilung ist vorliegend eine Tat im materiellrechtlichen und im prozessrechtlichen Sinn (vgl. hierzu nachfolgend Ziffer 2b). Eine einheitliche prozessuale Tat unterliegt der umfassenden richterlichen Kognition. Solange die Entscheidung über eine einheitliche Tat nicht hinsichtlich aller Teilakte bestandskräftig geworden ist, ist die Rücknahme des Einspruchs gegen einzelne Bußgeldfestsetzungen unwirksam, denn eine Rechtsmittelbeschränkung ist nur zulässig, soweit der abgetrennte Teil noch selbständig überprüfbar bleibt (BGH, Beschluss vom 26.02.2013 – KRB 20/12 = BGHSt 58, 158 = NJW 2013, 1972 = wistra 2013, 391).
Soweit dem Betroffenen im Bußgeldbescheid vom 24.09.2019 Beförderungen im gewerblichen Güterkraftverkehr ohne die erforderliche Erlaubnis für die Fa. Z zur Last liegen, stellt der Senat das Verfahren mit Zustimmung der Generalstaatsanwaltschaft jedoch aus prozessökonomischen Gründen ein, weil wegen der unwirksamen Teilrücknahme des Einspruchs das Tatgericht zwar insoweit keine Entscheidung getroffen und damit seiner Kognitionspflicht nicht genügt hat, dieser Teil der Tat jedoch im Hinblick auf den verbleibenden Tatvorwurf jedenfalls nicht beträchtlich ins Gewicht fällt.
2. Soweit sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Schuldspruch richtet, war dieser aufgrund der erhobenen Sachrüge in konkurrenzrechtlicher Hinsicht dahingehend zu berichtigen, dass lediglich von einer Tat im Sinne von § 19 OWiG auszugehen ist. Im Übrigen lässt der Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen.
a) Nach den Feststellungen und Wertungen des Amtsgerichts hat der Betroffene zwischen dem 06.02.2017 und dem 04.10.2018 mit zwölf verschiedenen Lastkraftwagen (mit jeweils einem zulässigen Gesamtgewicht von mindestens 3,5 t) Beförderungen ohne die erforderliche Erlaubnis nach § 3 GüKG durchgeführt bzw. durchführen lassen, und zwar für die Fa. … 255 Beförderungen und für die Fa. Y 212 Beförderungen. Sämtliche an einem Tag durchgeführten Beförderungen für einen Auftraggeber wurden dabei zu einer Tat zusammengefasst. Die Beauftragung der Beförderung erfolgte jeweils am Tag zuvor telefonisch, und zwar nur tageweise, weshalb bei jeder neuen Beauftragung nach Auffassung des Amtsgerichts von einem neuen Tatentschluss auszugehen war. Der Betroffene, dem eine Erlaubnis nach § 3 GüKG nicht erteilt wurde und aufgrund gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit auch nicht erteilt worden wäre, erlangte für die vorgenannten Beförderungen einen Gesamtbetrag in Höhe von 386.094,64 Euro. Von diesem Betrag hat das Amtsgericht bei der Berechnung des Erlangten im Sinne von § 29a Abs. 1 OWiG pauschal zur Berücksichtigung der nicht beziffert vorgetragenen Einkommensteuerzahlungen 50% abgezogen. Es hat ferner berücksichtigt, dass der vereinnahmte Betrag bei dem Betroffenen nicht mehr vorhanden sei, dieser zwei Lkw im Eigentum habe und für mindestens zwei Lkw dauerhaft Leasingkosten sowie für die weiteren zeitweise genutzten Lkw Mietkosten und für die eigenen Fahrzeuge Unterhaltskosten zu tragen habe. Um unbillige Härten zu vermeiden, hat das Amtsgericht letztendlich einen Betrag in Höhe von 80.000 Euro eingezogen.
b) Entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts liegt lediglich eine Tat im Sinne von § 19 OWiG vor. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1b GüKG handelt ordnungswidrig, wer ohne Erlaubnis gewerblichen Güterverkehr betreibt. Bereits aus dieser Formulierung ergibt sich, dass Verstöße gegen die Erlaubnispflicht nach § 3 Abs. 1 GüKG eine auf Wiederholung angelegte Tätigkeit voraussetzen, sodass die mehreren Handlungen schon deshalb zu einer Bewertungseinheit verbunden sind. Auch ist das zu ahndende Verhalten auf den einheitlichen Willen des Betroffenen zum Betrieb des Fuhrunternehmens zurückzuführen, weshalb insbesondere der Umstand, dass der Betroffene von zwei verschiedenen Firmen beauftragt wurde, nicht von entscheidender Bedeutung ist, zumal sich die Beauftragungen auch zeitlich überschnitten und die Urteilsfeststellungen auch im Übrigen keinen Anhaltspunkt für einen jeweils gesonderten Tatentschluss ergeben (KG, Beschluss vom 17.10.2001 – 2 Ss 11/01 = VRS 101 [2001], 461 = VerkMitt 2002, Nr 57; vgl. auch KK/Mitsch OWiG 5. Aufl. § 19 Rn. 17 sowie BeckOK/Sackreuther OWiG 28. Ed. [Stand: 01.10.2020 ] § 19 Rn. 16 ff.).
3. Die Rechtsfolgenentscheidung unterliegt insoweit der Abänderung, als der Senat nach Aufhebung der Einziehungsanordnung gemäß § 29a Abs. 1 OWiG aufgrund der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts selbstständig eine Geldbuße in Höhe von 80.000 Euro festsetzen und darüber hinaus Ratenzahlung gewähren kann, § 79 Abs. 6 OWiG.
a) Die auf den angefochtenen Rechtsfolgenausspruch bezogenen Verfahrensrügen genügen schon nicht den Anforderungen nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG und erweisen sich deshalb als unzulässig.
aa) Soweit der Betroffene geltend macht, das Tatgericht habe seine wirtschaftlichen Verhältnisse unzureichend ermittelt, ist eine zulässige Aufklärungsrüge nicht erhoben. Diese setzt wenigstens voraus, dass bestimmte konkrete Tatsachen, Zustände oder Vorgänge als aufklärungsbedürftig benannt sowie ein bestimmtes Beweismittel, das erwartete Beweisergebnis und die daraus zu folgernde Besserstellung des Betroffenen mitgeteilt werden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt StPO 63. Aufl. § 244 Rn. 102; KK/Krehl StPO 8. Aufl. § 244 Rn. 216 m.w.N.). Dem wird das Vorbringen in der Rechtfertigungsschrift nicht gerecht, da weder ein bestimmtes Beweismittel noch das erwartete Beweisergebnis benannt werden.
bb) Auch die Rüge, das Gericht habe entgegen § 265 Abs. 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG nicht darauf hingewiesen, dass es ein selbstständiges Einziehungsverfahren durchführen wolle, ist nicht in zulässiger Weise erhoben. Zwar teilt der Betroffene mit, dass der von ihm vermisste Hinweis nicht im Rahmen der Hauptverhandlung erteilt worden sei. Zur ordnungsgemäßen Ausführung einer auf die Verletzung des § 265 StPO gestützten Rüge gehört jedoch die Darlegung, dass der Betroffene auf die Möglichkeit der Einziehung auch nicht außerhalb der Hauptverhandlung, etwa im Rahmen der Ladungsverfügung, hingewiesen worden ist (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 02.05.2012 – 2 SsBs 114/11 bei juris = BeckRS 2012, 22942).
b) Die Vorgehensweise des Amtsgerichts, den Betroffenen schuldig zu sprechen und zugleich von der Verhängung einer Geldbuße abzusehen sowie stattdessen die Einziehung eines Geldbetrages gemäß § 29a Abs. 1 OWiG anzuordnen, erweist sich als rechtsfehlerhaft und führt bereits auf die Sachrüge hin zur Aufhebung der Einziehungsanordnung.
Die selbständige Einziehung nach dieser Vorschrift kommt dann in Betracht, wenn der Betroffene den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit verwirklicht hat und gegen ihn wegen der Handlung eine Geldbuße nicht festgesetzt wird. Auch wenn grundsätzlich ohne Bedeutung ist, aus welchem Grund die Festsetzung der Geldbuße unterblieben ist, kommt die selbständige Einziehung aber jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn ein Schuldspruch gegen den Betroffenen ergeht. In diesem Fall ist es nicht möglich, von der Festsetzung einer Geldbuße im Hinblick auf die erfolgte Einziehung abzusehen. Eine derartige Verfahrensweise sieht das OWiG nicht vor. Die Vorschriften des StGB über das Absehen von Strafe sind im Bußgeldverfahren auch nicht entsprechend anwendbar (so schon BayObLG, Beschluss vom 18.05.1998 – 3 ObOWi 53/98 = NJW 1998, 3287 mit Hinweis auf OLG Hamm MDR 1971, 859; vgl. auch KK/Mitsch a.a.O. § 29a Rn. 23). Da sich die Tatrichterin vorliegend für den Schuldspruch entschieden hat, durfte sie von der Festsetzung einer Geldbuße nicht absehen. Folglich unterliegt Ziffer 2 der Urteilsformel der Aufhebung.
c) Der Entfall der Einziehung steht vorliegend einer Ahndung der Tat durch Verhängung einer Geldbuße, welche den Einziehungsbetrag nicht übersteigt, nicht entgegen. Der Senat hält eine Geldbuße in Höhe von 80.000 Euro bereits im Hinblick auf den erzielten wirtschaftlichen Vorteil gemäß § 17 Abs. 4 OWiG für angemessen, § 79 Abs. 6 OWiG.
aa) § 19 Abs. 1 Nr. 1b, Abs. 7 GüKG sieht für die vorliegende Ordnungswidrigkeit einen Bußgeldrahmen bis zu 20.000 Euro vor. Allerdings soll die Geldbuße gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 OWiG den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen. Der wirtschaftliche Vorteil ist damit in der Regel die Untergrenze für die zu verhängende Geldbuße, ohne dass die Begrenzung auf den vorgesehenen Bußgeldrahmen besteht, § 17 Abs. 4 Satz 2 OWiG (KK/Mitsch a.a.O. § 17 Rn. 112 m.w.N.; Rn. 140 unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 24.04.1991 – KRB 5/90 bei juris). Abschöpfender und ahndender Teil der Geldbuße gemäß § 17 Abs. 3 und Abs. 4 OWiG stehen zwar nicht isoliert nebeneinander, sondern greifen ineinander mit der Folge, dass weitere ebenso wichtige Zumessungsgründe nach § 17 Abs. 3 OWiG durch die Bemessungsregel des § 17 Abs. 4 OWiG nicht zurückgedrängt werden (BayObLGSt 1995, 76; OLG Karlsruhe NJW 1975, 793). Da aber der erzielte wirtschaftliche Vorteil aus der Zuwiderhandlung grundsätzlich die untere Grenze der Geldbuße bestimmt, braucht der Senat hier schon wegen des Verschlechterungsverbotes gemäß § 358 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG nicht zu entscheiden, ob unter zusätzlicher Berücksichtigung der Kriterien gemäß § 17 Abs. 3 OWiG eine höhere Geldbuße angemessen wäre (vgl. hierzu OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.06.2010 – 2 Ss-OWi 277/10 bei BeckRS 2013, 22825).
bb) Ausweislich der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts war dem Betroffenen eine Erlaubnis nach § 3 GüKG nicht erteilt worden und wäre ihm aufgrund gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit auch nicht erteilt worden (UA S. 25, 26). Der wirtschaftliche Vorteil kann sich daher nicht in dem Betrag erschöpfen, der in den für das Genehmigungsverfahren ersparten Aufwendungen liegt (so BGH, Urt. v. 19. 1. 2012 − 3 StR 343/11 = NJW 2012, 1159 zu § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB a. F. für den Fall der fehlenden Genehmigung nach dem AWG; anders wohl BGH, Urt. v. 08.02.2018 – 3 StR 560/17 Rn. 10 bei juris zu § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB n.F.).
cc) Vielmehr beträgt der wirtschaftliche Vorteil, den der Betroffene vorliegend erzielt hat, (wenigstens) 80.000 Euro, wovon auch das Amtsgericht ausgeht. Bei der Berechnung des wirtschaftlichen Vorteils gemäß § 17 Abs. 4 OWiG ist nach ganz h.M. das sog. Nettoprinzip zugrunde zu legen, sodass die von dem Betroffenen erbrachten Aufwendungen vom erzielten Erlös abzuziehen sind (vgl. KK/Mitsch a.a.O. Rn. 119, 120 m.w.N. auch auf Mindermeinungen im Schrifttum). Diese Grundsätze hat im Übrigen auch die Tatrichterin beachtet. Da der Betroffene die von ihm erbrachten Aufwendungen nur pauschal über seinen Verteidiger ins Feld geführt hat, ohne diese genau zu beziffern, dürfen die Aufwendungen geschätzt werden (vgl. nur BayObLG, Beschluss vom 11.02.2020 – 201 ObOWi 2771/20 = wistra 2020, 303; KK/Mitsch a.a.O. Rn. 124). Die insoweit von der Tatrichterin vorgenommenen (pauschalen) Abzüge sind so hoch, dass der Betroffene hierdurch unter keinen Umständen benachteiligt ist. Auch ist dem Umstand Rechnung getragen, dass der erlangte wirtschaftliche Vorteil in Wegfall geraten ist. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip steht der Festsetzung einer Geldbuße in dieser Höhe nicht entgegen. Die Verhängung eines Bußgeldes, das niedriger als der gezogene wirtschaftliche Vorteil ist, kommt lediglich ausnahmsweise bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles in Betracht, etwa wenn die Bedeutung der Tat und der Vorwurf, der den Täter trifft, gering sind, bei anderweitiger Abschöpfung des erlangten Vorteils (OLG Frankfurt a.a.O.) oder aber mit Blick auf die wirtschaftliche Gesamtsituation des Täters (vgl. BeckOK/Sackreuther OWiG 29. Ed. [Stand: 01.01.2021] § 17 Rn. 129 – 132; Rebmann/Roth OWiG 3. Aufl. § 17 Rn. 55). Derartige Umstände lassen die rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen nicht erkennen.
d) Die Festsetzung einer Geldbuße – in Höhe des vom Amtsgericht angeordneten Betrages der Einziehung – verstößt nicht gegen das Verschlechterungsverbot gemäß § 358 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, auch wenn diese auf einer anderen Rechtsgrundlage beruht. Die Verhängung einer Geldbuße stellt auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise gegenüber der Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 29a Abs. 1 OWiG nicht die grundsätzlich härtere Unrechtsfolge dar (vgl. BayObLG, Beschluss vom 18.05.1998 a.a.O.). Die Abschöpfung des aus der verwirklichten Ordnungswidrigkeit gezogenen Gewinns bleibt auch bei einem Austausch der Maßnahmen – Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils durch Verhängung einer Geldbuße nach § 17 Abs. 4 OWiG anstatt durch Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 29a OWiG – in ihrer Auswirkung auf den Betroffenen trotz veränderter Rechtsgrundlage gleich; der Wertungsfehler bei der Rechtsanwendung hat jedenfalls im Ergebnis keinen Einfluss auf die Höhe des abgeschöpften Betrages (vgl. etwa BeckOK/Wiedner a.a.O. § 358 Rn. 36, 36.1. zum Austausch von Einziehung und Verfall nach altem Recht, aber auch OLG Hamm, Beschluss vom 27.08.2018 – 1 RVs 48/18, BeckRS 2018, 42719).
e) § 265 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG steht der Festsetzung einer Geldbuße durch den Senat nicht entgegen, weil nicht ersichtlich ist, dass sich der Betroffene anders als geschehen hätte verteidigen können.
f) Ausweislich der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen ist es diesem nicht möglich, die verhängte Geldbuße auf einmal zu bezahlen. Ihm war daher gemäß § 18 Satz 1 OWiG von Amts wegen eine Zahlungserleichterung in der Form einzuräumen, dass die Geldbuße in monatlichen Raten von 500 Euro zu bezahlen ist. Die Entscheidung über den Wegfall der Vergünstigung bei Ausbleiben der Ratenzahlung folgt aus § 18 Satz 2 OWiG.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1, Abs. 4, 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG. Hinsichtlich der Teileinstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 OWiG erscheint es sachgerecht, davon abzusehen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen. Insoweit hatte der Betroffene selbst den Einspruch zurücknehmen wollen und dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er den Tatvorwurf für berechtigt ansieht. Im Übrigen aber erscheint es angesichts des geringen Erfolgs des Rechtsmittels nicht unbillig, dem Betroffenen die verbleibenden Kosten in voller Höhe aufzuerlegen.
IV.
Gemäß § 80a Abs. 2 Satz 1 OWiG entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Richtern.


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