Strafrecht

Ausweisung eines “faktischen Inländers”

Aktenzeichen  AN 5 K 18.01556

Datum:
4.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 3944
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 53 Abs. 1, Abs. 2, § 54 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 1b, § 55 Abs. 1 Nr. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 5
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1
GG Art. 6
EMRK Art. 8

 

Leitsatz

1. Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte haben bei spezialpräventiven Ausweisungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zu der Wiederholungsgefahr zu treffen, wobei sie an die Feststellungen und Beurteilungen der Strafgerichte rechtlich nicht gebunden sind.  (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für faktische Inländer besteht kein generelles Ausweisungsverbot; vielmehr sind die im jeweiligen Einzelfall gegebenen Merkmale der Verwurzelung zu prüfen.  (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der streitgegenständliche Bescheid vom 19. Juli 2018 nicht rechtswidrig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§§ 113 Abs. 1, 5 VwGO).
Die in Ziffer I verfügte Ausweisung des Klägers ist ebenso wenig zu beanstanden wie die in Ziffern IV und V verfügten Annexentscheidungen. Ebenso wenig zu beanstanden ist das unter Ziffer III auf die Dauer von 8 Jahren befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot.
Die in Ziffer I des streitgegenständlichen Bescheids vom 19. Juli 2018 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 12; BayVGH, U.v. 8.3.2016 – 10 B 15.180 – juris Rn. 25).
Gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem Verbleib des Ausländers ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dies ist hier der Fall.
Die Beklagte hat die Ausweisung unter anderem auf generalpräventive Gründe gestützt. Dies ist nicht zu beanstanden. Das BVerwG hat zuletzt in den Urteilen vom 12. Juli 2018 und 9. Mai 2019 entschieden, dass sich auch nach dem seit 1. Januar 2016 geltenden Recht mit generalpräventiven Gründen ein Ausweisungsinteresse begründen lässt (BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris Rn. 16; BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 1 C 21.18 – juris Rn. 17). Dem Gedanken der Generalprävention liegt zugrunde, dass – über eine ggf. erfolgte strafrechtliche Sanktion hinaus – ein besonderes Bedürfnis besteht, durch die Ausweisung andere Ausländer von Taten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. Erforderlich ist regelmäßig, dass eine Ausweisungspraxis, die an die Begehung ähnlicher Taten anknüpft, geeignet ist, auf potentielle weitere Täter abschreckend zu wirken. Bei der generalpräventiven Aufenthaltsbeendigung ist besonders sorgfältig das Gewicht der mit ihr verfolgten, im öffentlichen Interesse liegenden Ziele zu ermitteln. Hierzu gehört auch für die Verwaltungsgerichte eine genaue Kenntnisnahme und Würdigung des der Aufenthaltsbeendigung zugrundeliegenden Tatgeschehens und seiner strafgerichtlichen Bewertung (BVerfG, B.v. 21.3.1985 – 2 BvR 1642/83 – juris Rn. 24). Zudem gehört der Kläger nicht zu den durch § 53 Abs. 3, 3a und 3b AufenthG privilegierten Personengruppen, so dass auch insoweit das Abstellen auf generalpräventive Gründe nicht ausgeschlossen ist.
Die generalpräventiven Erwägungen der Beklagten sind im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden. Der Kläger hat sich zuletzt wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und des vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz erlaubnispflichtiger Munition strafbar gemacht. Es ist insoweit nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid ausführt, dass ein gewichtiges öffentliches Interesse der Bundesrepublik Deutschland an der Einhaltung der Rechtsvorschriften besteht und anderen Ausländern deutlich vor Augen geführt werden soll, dass ein Verhalten, wie vom Kläger gezeigt, nicht hingenommen wird und zur unverzüglichen Aufenthaltsbeendigung mit allen rechtlichen Konsequenzen führt. Andere Ausländer sollen durch die Ausweisung des Klägers angehalten werden, die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu beachten. Es soll damit erreicht werden, dass bei anderen Ausländern die Hemmungen verstärkt werden, Straftaten zu begehen.
Die Beklagte hat die Ausweisung zutreffend aber auch auf spezialpräventive Gründe gestützt. Die Kammer geht mit der Beklagten davon aus, dass von dem Kläger eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zu der Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris, Rn. 18). Dabei sind die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte an die Feststellungen und Beurteilungen der Strafgerichte rechtlich nicht gebunden. Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris, Rn. 33). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U.v.4.10.2012 – 1 C 13.11 – Rn. 18; BayVGH, B.v. 8.3.2016 – 10 B 15.180 – juris Rn. 31). Bei Straftaten, die auch auf der Suchterkrankung des Ausländers beruhen, kann von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr zudem nicht ausgegangen werden, solange der Ausländer nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat. Angesichts der erheblichen Rückfallquoten während einer andauernden Drogentherapie und auch noch in der ersten Zeit nach dem erfolgreichen Abschluss einer Drogentherapie kann allein aus der begonnenen Therapie noch nicht auf ein künftiges straffreies Leben geschlossen werden (BayVGH, B.v. 26.11.2015 – 10 ZB 14.1800 – juris Rn. 7; B. v. 13.5.2015 – 10 C 14.2795 – juris Rn. 4; B.v. 21.2.2014 – 10 ZB 13.1861 – juris Rn. 6).
Gemessen an diesen Grundsätzen geht die Kammer mit dem Beklagten davon aus, dass nach dem persönlichen Verhalten des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass von ihm auch künftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Die Gefahrenprognose wird konkret durch das Verhalten des Klägers im Bundesgebiet getragen. Anlass für die Ausweisung ist die Verurteilung des Klägers durch das Landgericht … vom 26. Juli 2017 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und des vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz erlaubnispflichtiger Munition zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten. Der Kläger hatte mit seiner Großtante vereinbart, dass diese für ihn Kokain zum Weiterverkauf bzw. Eigenkonsum liefern sollte. Die Lieferung der von der Großtante beschaffenen Menge von 244,07 Gramm Kokain ist jedoch sichergestellt worden. Der Kläger hatte in seiner Wohnung eine halbautomatische Selbstladepistole sowie diverse Patronen in Besitz. Das Strafgericht sah zu Lasten des Klägers die mehrfachen Vorstrafen, die hohe Rückfallgeschwindigkeit, die Tatsache, dass er erst dreieinhalb Monate vor der Tat zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt worden war, dass es sich bei Kokain um eine gefährliche Droge handelt und dass die Grenze zur nicht geringen Menge um mehr als das 49-fache überschritten war.
Ausgehend davon, dass gerade bei Fallgruppen besonders schwerer und schädlicher Delikte wie Betäubungsmitteldelikten an den Grad der Wiederholungswahrscheinlichkeit regelmäßig nur geringe Anforderungen zu stellen sind, geht die Beklagte in dem streitgegenständlichen Bescheid daher zutreffend von einer Wiederholungsgefahr beim Kläger aus. Insbesondere nach der Höhe der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe handelt es sich bei dem abgeurteilten Betäubungsmitteldelikt um eine schwerwiegende Straftat, die typischerweise mit einem hohen Wiederholungsrisiko verknüpft sind. Dies gilt insbesondere für den illegalen Handel mit Betäubungsmitteln, der regelmäßig mit einer hohen kriminellen Energie verbunden ist und in besonders schwerwiegender Weise Gesundheit und Leben anderer Menschen gefährdet (BVerwG, U.v. 14.5.2013 – 1 C 13/12 – juris Rn. 12).
Zudem wurde in dem Strafurteil die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet, nachdem der im Strafverfahren eingeschaltete Sachverständige … dargelegt hatte, dass beim Kläger zur Tatzeit eine Abhängigkeitserkrankung von multiplen Substanzen vorgelegen hat. Demnach begründet die Kombination aus Abhängigkeitserkrankung und Persönlichkeitsstörung einen Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich nehmen. Laut Gutachter besteht bei Fortbestehen der Suchtmittelproblematik ein Risiko für neuerliche Straftaten aus dem Bereich der Betäubungsmitteldelinquenz. Die beim Kläger offensichtlich vorliegende Drogenabhängigkeit ist bisher auch noch nicht erfolgreich therapiert. Der Kläger befindet sich seit dem 27. August 2018 im BKH … Laut Therapiebericht des BKH … vom 18. Dezember 2019 ist der Kläger im gesamten Behandlungsverlauf rückfallfrei geblieben und befindet sich aktuell in der Lockerungsstufe C (alleiniger Ausgang außerhalb der Klinik). Er habe das Basisbehandlungsprogramm der Suchttherapie durchlaufen, die Aufarbeitung seiner kriminellen Anteile habe jedoch noch nicht begonnen werden können. Auch wenn nach den Angaben der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung die Deliktsaufarbeitung mittlerweile bereits begonnen hat, der Kläger wahrscheinlich im März 2020 in das Probewohnen wechseln können wird und das Therapieende in sechs Monaten vorgesehen ist, so genügt dies noch nicht für ein Entfallen der Wiederholungsgefahr. Um die Wiederholungsgefahr ernsthaft in Zweifel ziehen zu können, wäre jedenfalls erforderlich, dass der Kläger die Therapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftig straffreien Verhaltens auch nach Straf- bzw. Therapieende glaubhaft gemacht hat (BayVGH, B.v. 3.2.2015 – 10 b 14.1613 – juris Rn. 32). Dies ist bislang nicht geschehen. Trotz der Tatsache, dass die Therapie positiv verläuft und der Kläger bisher rückfallfrei geblieben ist, ist die Kammer der Auffassung, dass nach dem persönlichen Verhalten des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass von ihm auch künftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht.
Für die Wiederholungsgefahr spricht vorliegend zudem, dass der Kläger auch in der Vergangenheit mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und trotz offener Bewährung wieder Straftaten begangen hat, weshalb auch die Bewährung widerrufen worden ist. Dem Beschluss des Oberlandesgerichts … vom 1. Februar 2018 ist zu entnehmen, dass sich die Erwartung, die der Strafaussetzung zur Bewährung zugrunde lag, nicht erfüllt hat und dass keine günstige Sozialprognose besteht. Allein die Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB genügt hierfür nicht. Der Erfolg der Behandlung kann – gerade im Hinblick auf die langjährig verfestigte Suchtmittelproblematik des Klägers – nicht als gewiss gelten.
Nach dem Verhalten des Klägers, der Schwere der abgeurteilten Tat, der gefährdeten gewichtigen Rechtsgüter, seiner nicht therapierten Suchtmittelabhängigkeit sowie im Hinblick auf die längerfristig angelegte ausländerrechtliche Gefahrenprognose geht die Kammer daher weiterhin von einer Wiederholungsgefahr aus.
Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 AufenthG unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, auch unter Berücksichtigung des Art. 6 GG, des Art. 8 EMRK und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausweisung überwiegt. Die streitgegenständliche Ausweisung des Klägers ist weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG – allerdings nicht abschließend – aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznormen des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig.
Im Fall des Klägers liegt ein vertyptes besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 1b AufenthG vor, da der Kläger durch das Landgericht … vom 26. Juli 2017 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und des vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz erlaubnispflichtiger Munition zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt worden ist.
Dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht im vorliegenden Fall ein vertyptes besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 AufenthG gegenüber, da der Kläger eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt. Zu Gunsten des Klägers wird hinsichtlich seines weiteren Kindes jedenfalls ein schwerwiegendes Bleibeinteresse gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG angenommen.
Nach der erforderlichen Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (§ 53 Abs. 1 und 2 AufenthG) ist das Ausweisungsinteresse gegenüber dem Bleibeinteresse des Klägers als vorrangig anzusehen. Ob der Kläger – wie die Klägerseite vorträgt – als „faktischer Inländer“ anzusehen ist, kann letztlich dahinstehen, da die Bezeichnung eines Ausländers als „faktischer Inländer“ nicht davon entbindet, die im jeweiligen Einzelfall gegebenen Merkmale der Verwurzelung zu prüfen, und auch für faktische Inländer kein generelles Ausweisungsverbot besteht (vgl. BVerfG, B.v. 19.10.2016 – 2 BvR 1943/16 – juris Rn. 19). Die Beklagte hat im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung zutreffend berücksichtigt, dass der Kläger im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen ist. Sie hat aber auch den langjährigen Suchtmittelkonsum und die mehrfache Straffälligkeit des Klägers gesehen sowie die Tatsache, dass eine wirtschaftliche Integration im Bundesgebiet nicht gelungen ist. Der Beklagte hat auch gewürdigt, dass weder die Geburt des Kindes noch die Beziehung zur damaligen Lebensgefährtin, nun Ehefrau, den Kläger von seinem Drogenkonsum und der Begehung von Straftaten abgehalten hat und dass die zuletzt abgeurteilte Straftat während des laufenden Bewährungszeitraums begangen worden ist. Dem Kläger ist es trotz seines langjährigen Aufenthaltes letztlich nicht gelungen einen rechtschaffenden Lebenswandel zu führen, weshalb nicht von einer erfolgreichen Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse ausgegangen werden kann. Massiv gegen den Kläger spricht auch dessen nicht therapiertes Suchtmittelproblem und die Schwere der gefährdeten Rechtsgüter, wie Leib und Leben, aufgrund des Handels mit Betäubungsmitteln. Die Ausweisung verstößt auch nicht gegen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK und erscheint angesichts der Gesamtumstände nicht unverhältnismäßig. Zu berücksichtigen ist, dass Art. 6 GG und Art. 8 EMRK keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt gewähren, sondern lediglich eine Verpflichtung begründen, die familiären Bindungen entsprechend ihrem Gewicht angemessen in die Abwägung einzustellen (BVerfG, B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – juris Rn. 12). Die Trennung von seiner Familie ist dem Kläger schon insoweit zuzumuten, da sie ausschließlich Konsequenz seines kriminellen Verhaltens ist. Zudem haben ihn weder die Geburt seiner Kinder noch seine Ehefrau von der Begehung von Straftaten abgehalten. Im Übrigen besteht seit der Inhaftierung des Klägers im Jahr 2017 nur ein eingeschränkter Kontakt zu seiner Familie. Auch wenn der Kläger vorträgt, dass er im Bundesgebiet fest verwurzelt ist, keinerlei Bezug zum Heimatland hat und seine Familie hier lebt, so ist die Kammer dennoch der Überzeugung, dass es dem Kläger möglich und zumutbar ist, sich sprachlich und kulturell in Serbien zu integrieren. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger insbesondere durch seine Eltern mit der dortigen Sprache, Kultur und Tradition vertraut ist. Der Kläger wird sich, wenn auch nach anfänglichen Schwierigkeiten, in Serbien zurechtfinden. Die Schwere seiner Straftat und die daraus resultierende Gefahr für höchste Güter der Gesellschaft – hier die Unversehrtheit von Leib und Leben – rechtfertigt vorliegend den Eingriff in sein Privatleben. Dem Kläger ist auch zuzumuten, den Kontakt zu seiner Familie auf andere Weise (Telefon etc.) weiterhin aufrechtzuerhalten. Im Rahmen einer Gesamtabwägung kommt die Kammer damit unter Berücksichtigung des verfassungsmäßigen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und unter Berücksichtigung von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK zu dem Ergebnis, dass vorliegend das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
Ist somit die Ausweisung nicht zu beanstanden, so sind auch die in Ziffern IV und V des streitgegenständlichen Bescheids gemäß §§ 58, 59 AufenthG verfügten ausländerrechtlichen Annexentscheidungen rechtlich nicht zu beanstanden.
Keinen Bedenken begegnet auch das auf die Dauer von acht Jahren ab Ausreise bzw. Abschiebung befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot in Ziffer III des streitgegenständlichen Bescheids.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in der Fassung vom 15. August 2019 ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot hat nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zur Folge, dass der Kläger nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf. Ihm darf selbst im Falle eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 AufenthG von Amts wegen zu befristen, wobei die Frist mit der Ausreise zu laufen beginnt. Über die Länge der Frist, die nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten darf, wird nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden. Die in § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG genannte Höchstfrist von fünf Jahren ist dabei fallbezogen ohne Bedeutung, da der Kläger aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist (vgl. § 11 Abs. 5 Satz 1 AufenthG). Es bedarf der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zu Grunde liegt, das öffentlichen Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2014 – 10 B 13.715 – juris Rn. 56). Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Sperrwirkung muss sich dabei an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2014 – 10 B 13.715 – juris Rn. 56). Gemessen an diesen Vorgaben kann der Kläger auch nicht hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten beanspruchen, über die Befristung der Wirkung der Ausweisung und Abschiebung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Ermessensfehler sind insoweit nicht ersichtlich. Die Beklagte ist aufgrund der persönlichen Verhältnisse des Klägers, den zur Ausweisung führenden Gründen und unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid beanstandungsfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Befristung von acht Jahren angemessen ist. Dass nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gesondert angeordnet werden muss, macht den Bescheid vom 19. Juli 2018 nicht fehlerhaft, denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur früheren Rechtslage war in der behördlichen Befristungsentscheidung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG a.F. regelmäßig auch die Verhängung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots von bestimmter Dauer enthalten (BVerwG, U.v. 25.7.2017 – 1 C 13.17 – juris Rn. 23).
Im Übrigen folgt das Gericht den ausführlichen und zutreffenden Gründen des Bescheides des Beklagten vom 19. Juli 2018 und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Die Klage war somit vollumfänglich abzuweisen.
Die Kostenfolge beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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