Strafrecht

Bescheid, Verwaltungsakt, Gefahrenabwehr, Gerichtsbescheid, Staatsanwaltschaft, Wiederholungsgefahr, Tatverdacht, Anordnung, Einstellung, Behandlung, Erpressung, Kostenentscheidung, Ermittlungsverfahren, Vollstreckung, erkennungsdienstliche Behandlung, informationelle Selbstbestimmung, Einstellung des Verfahrens

Aktenzeichen  RO 4 K 20.995

Datum:
12.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 20868
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht kann nach erfolgter Anhörung der (Haupt-) Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der (entscheidungserhebliche) Sachverhalt geklärt ist, § 84 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid erweist sich als formell (dazu 1) und materiell (dazu 2) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Der angefochtene Bescheid erweist sich als formell rechtmäßig.
Der Kläger war gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids anzuhören. Gründe, die ein Absehen von der Anhörung, Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG, oder ein Unterbleiben der Anhörung, Art. 28 Abs. 3 BayVwVfG, rechtfertigen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Eine ernstliche Gelegenheit zur Äußerung im Sinne von Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG setzt voraus, dass für den Beteiligten hinreichend erkennbar ist, dass, weshalb und wozu er sich äußern kann und mit welcher Entscheidung er zu rechnen hat (Kallerhoff/Mayern in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 28 Rn. 35). Erforderlich ist die Ankündigung, dass in einem konkreten Einzelfall der Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts beabsichtigt sei; die beabsichtigte behördliche Maßnahme ist zu konkretisieren (BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 3 C 16/11 – juris Rn. 12). Ist dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, so ist seine erneute Anhörung dann erforderlich, wenn sich nach der Anhörung die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen wesentlich geändert haben oder gravierende neue Gesichtspunkte zutage getreten sind (BVerwG, U.v. 16.5.2018 – 9 A 4/17 – juris Rn. 19). Auch kann eine Änderung des beabsichtigten Verwaltungsakts in wesentlichen Punkten eine erneute Anhörungspflicht auslösen (vgl. Kallerhoff/Mayen in Stelkens/Bonk/Sachs, VwvfG, 9. Aufl. 2018, § 28 Rn. 35).
Bei Heranziehung dieser Grundsätze erfolgte die Anhörung des Klägers ordnungsgemäß.
Durch das Schreiben vom 20.1.2020 war dem Kläger die Absicht der Behörde, erkennungsdienstliche Maßnahmen (förmlich) anzuordnen, bekannt. Die beabsichtigten Einzelmaßnahmen wurden dem Kläger ebenfalls mitgeteilt. Dass im Schreiben vom 20.1.2020 nur die “Personenbeschreibung”, nicht aber auch die später im Bescheid ebenfalls angeordnete “Feststellung äußerer körperlicher Merkmale” genannt wurde, ist insoweit unschädlich. Eine Personenbeschreibung macht denknotwendig auch die Feststellung äußerer körperlicher Merkmale erforderlich. Eine Änderung des beabsichtigten Verwaltungsakts in wesentlichen Punkten, welche gegebenenfalls zu einer erneuten Anhörungspflicht führt, war damit nicht verbunden. Auch wurde der Kläger explizit auf seine Äußerungsmöglichkeit hingewiesen.
Der Umstand, dass das gegen den Kläger geführte Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung mit Verfügung vom 24.2.2020 eingestellt und die streitgegenständliche Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung dementsprechend nicht – wie im Schreiben vom 20.1.2020 mitgeteilt – auf § 81b 2. Alt. StPO, sondern auf Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 PAG gestützt wurde, führt ebenfalls nicht zu einem Verstoß gegen Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG. Der angekündigte Verwaltungsakt wurde dadurch nicht derart in seinem Wesen verändert, dass es einer erneuten Anhörung bedurft hätte. Auch haben sich die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen dadurch nicht wesentlich geändert, so dass auch unter diesem Aspekt eine erneute Anhörung nicht veranlasst war. § 81b 2. Alt. StPO und Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 PAG ermächtigen jeweils zu präventivpolizeilichen (erkennungsdienstlichen) Maßnahmen (BayVGH, B.v. 17.11.2008 – 10 C 08.2872 – juris Rn. 12; B.v. 6.12.2016 – 10 CS 16.2069 – juris Rn. 8). Anders als Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 PAG setzt § 81b 2. Alt. StPO dabei voraus, dass der Betroffene zum Zeitpunkt der Anordnung noch Beschuldigter in einem gegen ihn geführten Ermittlungs- oder Strafverfahren ist (BayVGH, B.v. 6.12.2016 – 10 CS 16.2069 – juris Rn. 8). Soweit der Anwendungsbereich des § 81b 2. Alt. StPO eröffnet ist, kommt Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 PAG wegen Art. 31, 72, 74 Nr. 1 GG nicht zur Anwendung (Trück in MüKo StPO, 1. Aufl. 2014, § 81b Rn. 4; BayVGH, B.v. 4.12.1992 – 21 B 92.929 – juris Rn. 21; B.v. 6.12.2016 – 10 CS 16.2069 – juris Rn. 8). Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 PAG ergänzt § 81b 2. Alt. StPO daher insbesondere in den Fällen, in denen die Beschuldigteneigenschaft entfallen ist (BayVGH, B.v. 17.11.2008 – 10 C 08.2872 – juris Rn. 12). Abgesehen davon laufen beide Vorschriften – sowohl auf Tatbestands- als auch auf Rechtsfolgenseite – grundsätzlich parallel. Nach beiden Bestimmungen sind erkennungsdienstliche Maßnahmen zulässig, wenn der Betroffene verdächtig oder beschuldigt ist, eine Straftat begangen zu haben, und die erkennungsdienstlichen Maßnahmen zur vorbeugenden Bekämpfung von künftigen Straftaten erforderlich sind (BayVGH, B.v. 5.11.2012 – 10 CS 12.1855 – juris Rn. 8). Auch kann nach beiden Bestimmungen für die Prognose, ob eine Wiederholungsgefahr vorliegt, der in einem Ermittlungsverfahren erhobene Tatverdacht grundsätzlich sogar dann berücksichtigt werden, wenn dieses Ermittlungsverfahren nach den §§ 153 ff. oder § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist (BayVGH, B.v. 7.7.2015 – 10 C 14.726 – juris Rn. 6; B.v. 8.9.2020 – 10 CS 20.1850 – juris Rn. 5). Beide Bestimmungen räumen der handelnden Behörde zudem ein Ermessen ein. Eine für die Entscheidung wesentliche Änderung der Sachlage ging daher mit der Einstellung des Verfahrens nicht einher. Eine wesentlich andere rechtliche oder tatsächliche Bedeutung wurde dem angekündigten Verwaltungsakt dadurch nicht verliehen.
2. Der angefochtene Bescheid erweist sich auch als materiell rechtmäßig.
a) Der Beklagte hat die streitgegenständlichen erkennungsdienstlichen Maßnahmen zutreffend auf Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 PAG als einschlägige Rechtsgrundlage gestützt. Nachdem das laufende Ermittlungsverfahren gegen den Kläger mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Regensburg vom 29.2.2020 eingestellt worden war, der Kläger mithin zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses nicht Beschuldiger in einem laufenden Straf- oder Ermittlungsverfahren war, war – in Abgrenzung zu § 81b 2. Alt. StPO – der Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 PAG eröffnet (vgl. Trück in MüKo StPO, 1. Aufl. 2014, § 81b Rn. 4; BayVGH, B.v. 4.12.1992 – 21 B 92.929 – juris Rn. 21; B.v. 6.12.2016 – 10 CS 16.2069 – juris Rn. 8).
b) Nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 PAG kann die Polizei erkennungsdienstliche Maßnahmen vornehmen, wenn dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist, weil der Betroffene verdächtig ist, eine Tat begangen zu haben, die mit Strafe bedroht ist und wegen der Art und Ausführung der Tat die Gefahr der Wiederholung besteht. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger vor.
aa) Der Kläger ist verdächtig i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 PAG, am 24.11.2019 eine Körperverletzung, mithin eine Tat, die mit Strafe bedroht ist, begangen zu haben. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das diesbezüglich gegen den Kläger geführte Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom 24.2.2020 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Der Tatverdacht im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 PAG wurde dadurch nicht ausgeräumt.
Zwar teilt das Gericht nicht die in der Bescheidsbegründung beklagtenseits dargelegte Ansicht, dass der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung hätte nachgewiesen werden können und eine Einstellung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Regensburg nur erfolgt sei, weil der Geschädigte auf eine Strafanzeige verzichtet habe. Ausweislich der Mitteilung der Staatsanwaltschaft vom 29.2.2020 stellte diese das Verfahren mit Verfügung vom 24.2.2020 aus tatsächlichen Gründen ein, weil sich ein Tatnachweis mit der im Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nicht hatte führen lassen. Jedoch setzt Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 PAG einen solchen Tatnachweis auch nicht voraus. Die Norm fordert explizit nur einen entsprechenden Verdacht. Insofern entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass auch Strafverfahren, die nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurden, Anlass für erkennungsdienstliche Maßnahmen sein bzw. zur Begründung einer bestehenden Wiederholungsgefahr herangezogen werden können (BayVGH, B.v. 7.7.2015 – 10 C 14.726 – juris Rn. 6). Auch wenn das strafrechtliche Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wird, weil wegen des Fehlens eines hinreichenden Tatverdachts kein genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage besteht, können erkennungsdienstliche Maßnahmen wegen des weiter bestehenden Tatverdachts angeordnet werden, wenn die Einstellung nicht wegen gänzlich ausgeräumten Tatverdachts, sondern aus anderen Gründen erfolgt ist (BayVGH a.a.O., Rn. 6). Es bedarf keiner strafrichterlichen Verurteilung, um bestimmte Sachverhalte gleichwohl der Gefahrenprognose zu Grunde legen zu können; vielmehr reicht der Fortbestand eines “Restverdachts” aus (BayVGH, B.v. 6.12.2016 – 10 CS 16.2069 – juris Rn. 12).
Ein solcher Restverdacht ist auch für den Kläger zu bejahen. Insbesondere konnte ein solcher, entgegen der Ansicht des Klägers, nicht durch das im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erholte Sachverständigengutachten vom 5.12.2019 ausgeräumt werden. Zwar kam der Sachverständige darin zu dem Ergebnis, dass nicht nachvollziehbar sei, wie die vorgefundenen Verletzungen des Herrn … durch das von ihm beschriebene Würgen verursacht worden sein sollen. Widerlegt ist dadurch aber nur der konkrete Tathergang in Form des Würgens. Der Verdacht einer durch den Kläger begangenen Körperverletzung an sich ist indes nicht restlos ausgeräumt. Dabei berücksichtigt das Gericht insbesondere, dass der Kläger und Herr … am Abend des an angeblichen Tatgeschehens tatsächlich Kontakt hatten: Der Polizeibericht vom 20.1.2020 (S. 2) hält diesbezüglich fest, dass der Kläger der Streifenbesatzung eine schwarze Jeanshose zeigte, die er nach seinen Angaben in der Wohnung des Herrn … getragen habe. Einen Kontakt zu Herrn … hat der Kläger auch im streitgegenständlichen Verfahren nicht in Abrede gestellt. Ferner berücksichtigt das Gericht den Umstand, dass im Polizeibericht vom 20.1.2020 (S. 3) blutige Finger des Klägers sowie frische Verletzungen, u.a. frische Hautverletzungen an der linken Halsseite des Herrn …, festgehalten wurden. Auch das im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erholte Sachverständigengutachten vom 5.12.2019 beschrieb an der rechten Hand des Klägers auf Blut verdächtige Anhaftungen. Auch wenn nicht nachgewiesen ist, dass es sich dabei um Blut des Herrn … gehandelt hat, kann in der Gesamtschau ein Restverdacht nicht in Gänze entfallen. Das Gericht schließt sich vor diesem Hintergrund der Ansicht der Staatsanwaltschaft in der Einstellungsverfügung vom 24.2.2020 bzw. Mitteilung vom 29.2.2020 an, die ausführte, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Kläger die Verletzungen tatsächlich zugefügt habe und Herr … die Ereignisse aufgrund seiner Alkoholisierung (AAK am 7.12. Uhr 0,86 mg/l) fehlerhaft dargestellt habe.
bb) Auch besteht bei dem Kläger die Gefahr der Wiederholung, Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 PAG.
Eine Wiederholungsgefahr ist anzunehmen, wenn der Sachverhalt, aufgrund dessen der Betroffene verdächtig ist, nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalles Anhaltspunkte für die Annahme bietet, der Betroffene werde auch in Zukunft in den Kreis Verdächtiger von noch aufzuklärenden anderen Straftaten einbezogen werden können (vgl. BayVGH, B.v. 6.12.2011 – 10 ZB 11-365 – juris Rn. 4; B.v. 5.11.2012 – 10 CS 12.1855 – juris Rn. 8). Die für diese Prognoseentscheidung maßgeblichen Umstände des Einzelfalls ergeben sich insbesondere aus Art, Schwere und Begehungsweise der dem Beschuldigten im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, aus seiner Persönlichkeit sowie seinem bisherigen strafrechtlichen Erscheinungsbild (vgl. BayVGH, B.v. 8.9.2020 – 10 CS 20.1850 – juris Rn. 5). Voraussetzung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr ist indes nicht, dass ein besonders hohes Maß an Gemeinschädlichkeit vorliegt (BVerwG, U.v. 27.6.2018 – 6 C 39/16 – juris Rn. 23; Schmidbauer in Schmidbauer/Steiner, PAG, POG, 5. Aufl. 2020, Art. 14 PAG Rn. 19). Je höherwertiger das gefährdete Schutzgut ist, desto geringer sind die Anforderungen, die an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gestellt werden müssen (BayVGH, B.v. 17.11.2008 – 10 C 08.2872 – juris Rn. 12). Voraussetzung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr ist ferner nicht, dass der Betroffene schon vor dem in Rede stehenden Sachverhalt polizeilich in Erscheinung getreten ist (Schmidbauer in Schmidbauer/Steiner, PAG, POG, 5. Aufl. 2020, Art. 14 PAG Rn. 19). Die Einstellung eines Straf- bzw. Ermittlungsverfahrens schließt eine Wiederholungsgefahr nur dann aus, wenn sie wegen erwiesener Unschuld erfolgt ist (vgl. BayVGH, B.v. 7.7.2015 – 10 C 14.726 – juris Rn. 6; Schmidbauer in Schmidbauer/Steiner, PAG, POG, 5. Aufl. 2020, Art. 14 PAG Rn. 19).
Vor diesem Hintergrund ist vorliegend von einer Wiederholungsgefahr auszugehen.
Der Kläger ist verdächtig, eine Körperverletzung, also ein Gewaltdelikt begangen zu haben, das nicht der Bagatellkriminalität zuzuordnen ist. Vielmehr handelt es sich bei der hiervon betroffenen körperlichen Unversehrtheit um ein hochrangiges Rechtsgut. Das Verfahren wurde auch nicht wegen erwiesener Unschuld eingestellt. Ein Restverdacht ist damit gerade nicht entfallen. Damit liegen grundsätzlich Anhaltspunkte vor, die eine Wiederholungsgefahr im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 PAG begründen können.
Das bisherige strafrechtliche Erscheinungsbild des Klägers stützt diese Prognose.
Das Bundeszentralregister (BZR) verzeichnet für den Kläger drei Eintragungen. Danach wurde der Kläger durch das Amtsgericht Cham mit Entscheidung vom 12.12.2013 wegen Missbrauchs von Notrufen in fünf Fällen zu einer Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen, durch das Landgericht Regensburg mit Entscheidung vom 27.8.2015 wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe in Höhe von ebenfalls 50 Tagessätzen und durch das Amtsgericht Cham mit Entscheidung vom 3.7.2018 wegen Beleidigung in zwei Fällen zu einer Geldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen verurteilt. Auch wenn der Kläger jeweils nur zu verhältnismäßig geringfügigen Strafen verurteilt wurde, können die Verurteilungen im Rahmen einer Gesamtschau bei der Prognose zumindest mit herangezogen werden.
Im Übrigen hat der Beklagte- vom Kläger nicht substantiiert widersprochen – dargelegt, dass der Kläger seit 1999 insgesamt 18 Mal polizeilich in Erscheinung getreten sei; wobei mit Tattagen vom 9.4.2000, 1.5.2005, 12.7.2005 und 15.7.2005 wegen Körperverletzung, mit Tattag vom 7.12.2013 wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort und mit Tattag vom 9.8.2017 wegen räuberischen Diebstahls ermittelt worden sei. Ferner hat der Beklagte – vom Kläger ebenfalls nicht substantiiert widersprochen – vorgetragen, dass eine Vielzahl der dem Kläger vorgeworfenen Delikte – so der Missbrauch von Notrufen im Jahr 2013, die Beleidigung im Jahr 2018 und der Vorfall vom 24.11.2019 – in Zusammenhang mit einer Alkoholisierung des Klägers gestanden hätten. Ferner soll der Kläger – von ihm ebenfalls nicht substantiiert widersprochen – am 30.12.2018 in einer Diskothek mehrere Mädchen angefasst und sich anschließend uneinsichtig gegenüber dem Personal gezeigt haben. Auch dabei soll der Kläger unter Alkoholeinfluss gestanden haben. Das Gericht verkennt nicht, dass die geführten Ermittlungsverfahren teilweise bereits lange Zeit zurückliegen; aufgrund der Vielzahl bzw. des Umstandes, dass der Kläger seit 1999 immer wieder und mit gewisser Regelmäßigkeit, auch in jüngster Vergangenheit, strafrechtlich bzw. polizeilich in Erscheinung getreten ist, lässt sich aus ihnen in der Gesamtschau gleichwohl eine gewisse Rückfallwahrscheinlichkeit ableiten. Soweit der Kläger sinngemäß ausführt, dass er zwar polizeilich in Erscheinung getreten sei, es aber in den überwiegenden Fällen zu keinen Verurteilungen gekommen sei, kommt es hierauf nicht an. Eine Gefahrenprognose setzt nicht zwingend Verurteilungen voraus.
cc) Die angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen sind zudem zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 PAG.
Maßgebend ist, ob die erkennungsdienstlichen Unterlagen zur Förderung von (nach der Prognose der Wiederholungsgefahr) künftig zu führenden Ermittlungen geeignet erscheinen (vgl. BayVGH, B.v. 11.3.2004 – 24 CS 03.3324 – juris Rn.27). Typischerweise kommt die erkennungsdienstliche Behandlung bei gewerbs- oder gewohnheitsmäßig handelnden und sonstigen Rückfalltätern in Betracht; im Übrigen kommt es auf die Umstände im Einzelfall an, also Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seine Persönlichkeit sowie den Zeitraum, währenddessen er strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist (BayVGH a.a.O.).
Nach den klägerseits unwidersprochen gebliebenen Ausführungen des Beklagten ist der Kläger in der Vergangenheit bereits mehrfach wegen Körperverletzungsdelikten in Erscheinung getreten. Auch ist dem Polizeibericht vom 20.1.2020 zu entnehmen, dass sich der Kläger teils abwehrend aggressiv gegenüber den Polizeibeamten verhalten habe. Damit sind Anhaltspunkte für die Prognose gegeben, dass der Kläger auch außerhalb seiner persönlichen Beziehungen zu Gewalttätigkeiten neigt (vgl. Schmidbauer in Schmidbauer/Steiner, PAG, POG, 5. Aufl. 2020, Art. 14 PAG Rn. 20). Dass die Identität des Klägers hinsichtlich des Vorfalls am 24.11.2019 bekannt war – hierfür mithin erkennungsdienstliche Maßnahmen nicht förderlich gewesen wären – lässt daher vorliegend nicht den Rückschluss zu, dass eine Förderung auch für künftig zu führende Ermittlungen nicht geeignet wäre.
c) Die Anordnung zur erkennungsdienstlichen Behandlung ist auch ermessensgerecht. Gemäß § 114 VwGO der gerichtlichen Prüfung unterliegende Ermessensfehler sind nicht erkennbar. Namentlich erkannte die Behörde zutreffend, dass ihr vorliegend ein Ermessen zukam. Dass sie einzelne Punkte zu Unrecht in ihre Erwägungen eingestellt oder hieraus ausgeschieden oder aber einzelne Belange fehlgewichtet hätte, ist nicht erkennbar. Insbesondere hat die Behörde das öffentliche Interesse, zum Zwecke der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung auf polizeiliche Erkenntnisse zurückgreifen zu können, mit den Interessen des Klägers, seinem Persönlichkeitsrecht und seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, abgewogen. Dass ihr dabei Ermessensfehler unterlaufen wären, ist nicht erkennbar. Dabei ist auch zu beachten, dass das Entschließungsermessen der Behörde angesichts des bereits bejahten Tatbestandsmerkmals der Erforderlichkeit weitgehend in Richtung auf den Erlass einer Anordnung determiniert war (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.2018 – 6 C 39/16 – juris Rn. 25 zu § 81b Alt. 2 StPO).
Auch hinsichtlich der Auswahl der angeordneten Einzelmaßnahmen (Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken, Aufnahme von Lichtbildern, Feststellung äußerer körperlicher Merkmale, Messung und Personenbeschreibung) begegnet die Ermessensausübung seitens des Beklagten keinen Bedenken, insbesondere erweist sie sich als verhältnismäßig im engeren Sinne. Prinzipiell muss sich jede verfügte Einzelmaßnahme als gesonderter Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung am Übermaßverbot rechtfertigen lassen können (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.2018 – 6 C 39/16 – juris Rn. 26). Der Beklagte hat in den Bescheidsgründen dargelegt, inwieweit die einzelnen Maßnahmen die Aufklärung künftiger Straftaten erleichtern können. Es liegt im Übrigen auf der Hand, dass die Aufklärung einer Tatbeteiligung des Klägers bei Körperverletzungstatbeständen durch die Vorlage entsprechender Lichtbilder, Personenbeschreibungen und ggf. auch durch das Vorhandensein von Fingersowie Handflächenabdrücken gefördert werden kann (vgl. BVerwG a.a.O., Rn. 27). Weniger einschneidende Beweismittel sind nicht ersichtlich. Mit dem Zweck der erleichterten Aufklärung künftiger Straftaten dienen die Maßnahmen einer an rechtsstaatlichen Garantien ausgerichteten Rechtspflege; einem Rechtsgut, dem ein hoher Rang zukommt (vgl. BVerwG a.a.O., Rn. 27).
d) Die Vorladung gemäß Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 PAG ist, soweit es um die Vorladung dem Grunde nach geht, noch Gegenstand der Klage. Sie hat sich auch nicht dadurch erledigt, dass der Kläger die vorgeschlagenen Termine hat verstreichen lassen; eine zeitliche Wirksamkeitsbeschränkung der Vorladung an sich sollte damit erkennbar nicht verbunden sein. Die Vorladung auf die Dienststelle stellt sich als Annex zur Anordnung der Durchführung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen dar und begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Sie ist insbesondere erforderlich, weil der Kläger zu einer freiwilligen Mitwirkung nicht bereit war und technische Mittel zur Vornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen nur dort in vollem Umfang vorhanden sind (Schmidbauer, PAG, POG, 5. Aufl. 2020, Art. 15 PAG Rn. 11). Für den Kläger mit der Vorladung verbundene, unzumutbare Beeinträchtigungen sind nicht ersichtlich und auch von den Beteiligten nicht vorgetragen.
Durchsetzbar wird die Vorladung allerdings erst dann sein, wenn dem Kläger ein neuer Termin und ein neuer Ort bzw. eine neue Polizeidienststelle für die Durchführung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen benannt sein werden (VG Regensburg, U.v. 21.10.2014 – RO 4 K 13.647 – nicht veröffentl.).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).


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