Strafrecht

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Aktenzeichen  2 KLs 48 Js 34780/21

Datum:
28.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 53469
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Angeklagte C. M2., geboren am … 1991, ist schuldig des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tateinheitlichen Fällen, in einem Fall in Mittäterschaft, in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln.
II. Der Angeklagte wird deswegen zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren 6 Monaten verurteilt.
III. Im Übrigen wird der Angeklagte freigesprochen.
IV. Gegen den Angeklagten wird die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 9.000 Euro angeordnet.
V. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens, soweit er verurteilt wurde. Soweit er freigesprochen wurde, trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten.
Angewandte Vorschriften:
§§ 1 Abs. 1 i.V.m. Anlagen I und III zum BtMG, 3 Abs. 1 Nr. 1, 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BtMG, 25 Abs. 2, 52, 73, 73c StGB

Gründe

A. Persönliche Verhältnisse
I. Werdegang und wirtschaftliche Verhältnisse
1. Der Angeklagte C. M2. ist am … 1991 als älterer von zwei Söhnen seiner verheirateten Eltern geboren. Die Mutter des Angeklagten ist gelernte Frisörin und als Hausfrau tätig. Der Vater des Angeklagten ist gelernter Maschinenbauingenieur und in leitender Position bei einem großen deutschen Automobilhersteller in den USA tätig.
Der Angeklagte wuchs bis zu seinem 18. Lebensjahr in H. im Dachauer Hinterland auf. Anschließend zog er mit der Familie nach A.. Bis zu seinem 26. Lebensjahr lebte er dort mit seiner Familie. Nach dem Umzug der Eltern in die USA zog er nach H2. in eine eigene Wohnung.
Ab dem 5. Lebensjahr besuchte der Angeklagte den Kindergarten in J. im Landkreis P.. Ab dem 6. Lebensjahr besuchte er die Grundschule in P.. Die fünfte und sechste Klasse besuchte er in der Hauptschule J.. Ab der 7. Klasse besuchte er die Hauptschule R.. Aufgrund von Mobbing durch Mitschüler erfolgte zur 9. Klasse ein Schulwechsel an das Internat M2. Sowohl der Schulwechsel als auch das Wiederholen der 9. Klasse änderten jedoch wenig an dieser angespannten Situation. Im Alter von 16 Jahren schloss der Angeklagte 2007 die Schule mit dem qualifizierten Hauptschulabschluss ab.
Im Anschluss an seine Schulzeit zog der Angeklagte wieder ganz bei seiner Familie in H. ein und begann eine Ausbildung zum Elektriker in Allershausen. Nach einem Ausbilderwechsel konnte er diese Ausbildung nach zwei Lehrjahren erfolgreich abschließen. Im Anschluss arbeitete der Angeklagte in der Nähe von Aichach als Elektriker bei einem kleinen Familienbetrieb, der ihm jedoch schließlich aufgrund finanzieller Probleme kündigen musste. Ab 2012 arbeitete der Angeklagte bei … Technik in H2. für vier Jahre, wo er nach einer starken Personalreduktion bei nahezu gleichbleibender Arbeitslast einen Burnout erlitt. Nach seiner Kündigung bei … Technik war der Angeklagte sechs Wochen krankgeschrieben und begann dann im März 2019 eine Anstellung bei BMW in M. Nach einer ursprünglich befristeten Anstellung erhielt der Angeklagte dort nach mehreren internen Weiterbildungen einen unbefristeten Arbeitsvertrag und war zuletzt im Prototypenbau in der Hochvolttechnik eingesetzt. Der Angeklagte ist derzeit aufgrund des gegenständlichen Verfahrens und der vollzogenen Untersuchungshaft beurlaubt.
Im Alter von 17 Jahren erwarb der Angeklagte einen Führerschein für Leichtkrafträder und im Alter von 18 Jahren den Führerschein Klasse B. 2015 verlor der Angeklagte den Führerschein aufgrund von Cannabiskonsums, erlangte ihn jedoch nach einer erfolgreichen Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) wieder.
2. Wesentliches eigenes Vermögen oder Schulden hat der Angeklagte nicht. Der Angeklagte verdiente bei BMW zuletzt monatlich 2.680 Euro netto zzgl. Gewinnbeteiligung, Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
II. Betäubungsmittelkonsum, Gesundheitszustand und Vorstrafen
1. Der Angeklagte raucht seit dem 17. Lebensjahr Zigaretten, zuletzt etwa 15 pro Tag, vor der Haft etwa eine Schachtel.
Der Angeklagte konsumiert Alkohol zwar regelmäßig, jedoch in Maßen. Der Erstkonsum fand erst relativ spät mit 24 oder 25 Jahren während der Zeit bei … Technik („Feierabendbier“) statt. Der Konsum des Angeklagten beschränkt sich auch beim Ausgehen mit Freunden meist auf nur ein Bier.
Im Alter von 17 Jahren fand ein erster Probierkonsum hinsichtlich Cannabis statt. Im Alter von 22 bis 23 Jahren steigerte sich dieser extrem auf bis zu 6 Gramm an einem Wochenende. Im Folgenden gab es längere Abstinenzzeiten, unter anderem durch die erforderliche MPU im 23. Lebensjahr zur Wiedererlangung des Führerscheins. Ein weiterer quantitativer Höhepunkt des Cannabiskonsums des Angeklagten fand nach dem Umzug der Eltern in die USA statt. So konsumierte der Angeklagte vor seiner Verhaftung zuletzt nahezu täglich nach der Arbeit Cannabis und bis zu 15 Gramm in einer Woche. Der letzte Konsum fand am Tag der Festnahme im gegenständlichen Verfahren am 13.08.2020 statt.
Ein Erstkonsum von Kokain fand 2019 statt. Nach den Angaben des Angeklagten habe er zuletzt, immer wenn Geld da gewesen sei, sich ein Gramm Kokain geholt und alles sofort aufgebraucht. Der Konsum fand schwerpunktmäßig am Wochenende und im Urlaub statt. Ebenso wie bei Cannabis erfolgte der letzte Konsum auch hinsichtlich Kokain am Tag der Festnahme.
In den Jahren 2014 bis 2016 kam es zu einem sporadischen Konsum von Amphetamin (Speed), welcher Ende des Jahres 2016 und im Jahr 2017 in einen regelmäßigen Konsum an den Wochenenden überging. Den Konsum von Amphetamin hat der Angeklagte jedoch spätestens 2019 ganz eingestellt.
Ein bewusster Konsum anderer Substanzen wie Heroin, Spice oder Kräutermischungen ist nicht bekannt.
Hinweise auf Verhaltenssüchte haben sich nicht ergeben.
2. Der Angeklagte hatte und hat keine schweren Krankheiten oder Unfälle, bei denen es zu schweren Kopfverletzungen kam. Abgesehen von einem diagnostizierten Burnout aufgrund übermäßiger Arbeitsbelastung im Jahr 2017 sind keine potenziell relevanten Vorerkrankungen bekannt.
3. Der Angeklagte ist strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten. Im Auszug aus dem Bundeszentralregister finden sich keine strafrechtlichen Eintragungen.
III. Haftdaten
Der Angeklagte wurde am 13.08.2020 vorläufig festgenommen und befand sich seit 14.08.2020 aufgrund Untersuchungshaftbefehls des Amtsgerichts München vom 14.08.2020, Geschäftszeichen: ER VIII Gs 2107/20, und seit 30.04.2021 aufgrund Haftbefehls des Landgerichts München II vom 30.04.2021, hiesiges Aktenzeichen, in Untersuchungshaft in der JVA M. bis zur Außervollzugsetzung des letztgenannten Haftbefehls am 6. Tag der Hauptverhandlung am 23.09.2021.
B. Strafbares Verhalten
I. Sachverhalt
Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt am Abend des 25.07.2020 unternahm der Angeklagte eine Fahrt von H2. nach Frankfurt am Main zum Erwerb von Kokain, auf der ihn seine Lebensgefährtin, die anderweitig Verfolgte Daniela-Christina P4., begleitete. Dem gemeinsam mit dem anderweitig Verfolgten Pero J2. gefassten Tatplan des Angeklagten entsprechend war das zu erwerbende Kokain sowohl für eine gewinnbringende Weitergabe als auch für den Eigenkonsum des Angeklagten bestimmt. Der Angeklagte und der anderweitig Verfolgte J2. beabsichtigten, durch einen gemein-schaftlichen Verkauf des weit überwiegenden Teils der Betäubungsmittel Gewinn zu erzielen. Für die Fahrt nutzte der Angeklagte den PKW BMW 5er, amtliches Kennz … welcher auf ihn zugelassen war.
Ziel der Fahrt war ein Treffen mit einer namentlich nicht bekannten, dem anderweitig Verfolgten Pero J2. jedoch bekannten Person, von der der Angeklagte eine Telefonnummer von dem anderweitig Verfolgten J2. bekommen hatte. Die Übernahme des Kokains durch den Angeklagten war zuvor zwischen dem anderweitig Verfolgten J2. und dem namentlich unbekannten Frankfurter Lieferanten vereinbart worden.
Bei Ankunft des Angeklagten in Frankfurt am Main kam es zu Komplikationen, weshalb der Angeklagte mit seiner Lebensgefährtin zunächst mehrere Stunden warten musste und dann unter anderem nach telefonischer Vermittlung durch den anderweitig Verfolgten J2. schließlich an einem anderen Ort als ursprünglich vereinbart das Kokain übernehmen konnte. Aufgrund eines zuvor gemeinsam mit dem anderweitig Verfolgten J2. gefassten Tatplans übernahm der Angeklagte an einem nicht näher bekannten Ort in Frankfurt am Main schließlich 70 Gramm Kokain-Gemisch zum Preis von insgesamt 5.000 Euro. Der Angeklagte verbrachte dieses sodann mit seinem Pkw nach Hallbergmoos.
Wie bereits zuvor vereinbart und teils durch den anderweitig Verfolgten J2. vermittelt, übergab der Angeklagte an die anderweitig Verfolgten Devran K4. und Mantas D4. bei sich zuhause vor dem Anwesen B2. Straße 44 in H2. 20 Gramm Kokain und an den anderweitig Verfolgten Alessandro R4. 40 Gramm Kokain. Die verbleibenden 10 Gramm Kokain verblieben bei dem Angeklagten für dessen Eigenkonsum.
Die Betäubungsmittel hatten mindestens einen Wirkstoffgehalt von 30% Kokainhydrochlorid. Die nicht geringe Menge war damit hinsichtlich des zur Weitergabe bestimmten Teils von 60 Kramm Kokaingemisch um das 2,6-fache überschritten. Den Wirkstoffgehalt nahm der Angeklagte jedenfalls billigend in Kauf.
In H2. kam es nach der Rückkehr des Angeklagten aus Frankfurt am Main insbesondere mit dem anderweitig Verfolgten K4. zu Unstimmigkeiten, da dieser behauptete, an den anderweitig Verfolgten J2. bereits Geld für das Kokain bezahlt zu haben.
Im weiteren Verlauf kam es zu noch größeren Unstimmigkeiten mit dem Verkäufer der Betäubungsmittel in Frankfurt am Main, da dieser behauptete, von dem anderweitig Verfolgten J2., welcher das Geschäft eingefädelt habe, entgegen der Vereinbarung keine Zahlung erhalten zu haben, und sich deshalb im Folgenden damit an den Übernehmer des Kokains, den Angeklagten, hielt. Dieser war jedoch nicht in der Lage, die verlangten noch offenen 5.000 Euro Kaufpreis für das Kokain in bar bereitzustellen, da er von dem anderweitig Verfolgten K4. kein Geld erhielt, da dieser angab, bereits an J2. bezahlt zu haben, der anderweitig Verfolgte D4. gegenwärtig nicht in der Lage war, für das über-nommene Kokain zu bezahlen und der anderweitig Verfolgte Alessandro R4. aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Landshut vom 04.08.2020 (Gz. Gs 3048/20) verhaftet wurde, noch bevor er für das Kokain bezahlen konnte, und der Angeklagte selbst auch nicht über die erforderlichen Barmittel verfügte.
Nach längeren fernmündlich und -schriftlich ausgetragenen Diskussionen zwischen dem Angeklagten, dem anderweitig Verfolgten J2. und dem namentlich nicht bekannten Frankfurter Lieferanten des Kokains kam es schließlich am Abend des 05.08.2020 auf einem nicht mehr genau bestimmbaren Parkplatz in H2. zu einem Treffen zwischen dem Angeklagten und zwei unbekannten Personen aus Frankfurt am Main aus dem Umkreis des Lieferanten der Betäubungsmittel, bei welchem dem Angeklagten im Auftrag des Frankfurter Lieferanten ein Kilo Marihuana übergeben wurden, für welches ihm nochmals 2.000 Euro Kaufpreis berechnet wurden. Von den Verkaufserlösen für das Marihuana sollten im Folgenden die Schulden für das Kokain und der Kaufpreis für das Marihuana bezahlt werden. Der Angeklagte übernahm das Marihuana, um es gewinnbringend weiterzuverkaufen.
Nachdem es dem Angeklagten in der Kürze der Zeit nicht gelang, hinreichende Mengen an Marihuana zu angestrebten Preisen zu verkaufen, kam es am Abend des 11.08.2020 zu einem weiteren Treffen zwischen dem Angeklagten und dem anderweitig Verfolgten D4. auf der einen und zwei Personen aus dem Umkreis des Frankfurter Verkäufers der Betäubungsmittel auf der anderen Seite an einen nicht genauer bekannten Ort in Ka. in der Nähe des dortigen Café Le. Nachdem der Angeklagte immer noch nicht über ausreichende Barmittel verfügte, um die Schulden von nun insgesamt 7.000 Euro zu begleichen, lies er den anderweitig Verfolgten D4. quasi als „Pfand“ bei den Besuchern aus Frankfurt und lieh sich auf Druck der Gesprächspartner kurzfristig Geld von verschiedenen Bekannten, unter anderem von dem Zeugen A1. R1., dem Zeugen B3. G1. und dem Bruder des anderweitig Verfolgten Pero J2., dem Josip J2., und konnte so am 11.08.2020 bzw. 12.08.2020 die Schulden aus dem Betäubungsmittelgeschäft in bar begleichen, woraufhin die Besucher mit dem Geld wieder nach Frankfurt zurück fuhren.
Über 400 Gramm des Marihuanas verkaufte der Angeklagte im Zeitraum ab der Übergabe an ihn am 05.08.2020 bis zum 13.08.2020, dem Tag seiner Festnahme, gewinnbringend an nicht näher bekannte Abnehmer im Raum Hallbergmoos.
Den übrigen Teil der Betäubungsmittel, nämlich 547,35 Gramm Marihuana, bewahrte der Angeklagte am 13.08.2020 gegen 16:00 Uhr wissentlich und willentlich in der Wohnung der anderweitig Verfolgten Daniela-Christina P4. im Anwesen K2.weg 25 in H2. und im Kofferraum seines Pkw BMW 5er, amtliches Kennz … auf. Dabei plante der Angeklagte, durch einen späteren Verkauf der Betäubungsmittel Gewinn zu erzielen.
Von dem Marihuana wiesen 271,82 Gramm (Kofferraum Pkw) einen Mindestwirkstoffgehalt von 17,4% auf und enthielten somit mindestens 47,3 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC). Die übrigen 275,53 Gramm (Wohnung P4.) hatten einen Mindestwirkstoffgehalt von 18,9% und enthielten somit mindestens 52 Gramm THC.
Die nicht geringe Menge an THC war damit – bezogen auf das eine Kilogramm Marihuana ausgehend von dem niedrigeren Wirkstoffgehalt von 17,4% – insgesamt um das 22,2-fache überschritten. Die Wirkstoffgehalte nahm der Angeklagte zumindest billigend in Kauf.
Wie der Angeklagte wusste, besaßen weder er noch die anderweitig Verfolgten J2. oder P4. die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis.
II. Schuld
Der Angeklagte war zu allen Tatzeitpunkten voll schuldfähig i.S.d. §§ 20, 21 StGB. Eine relevante Beeinträchtigung oder Aufhebung der Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit, etwa aufgrund etwaigen vorangegangenen Betäubungsmittel- und/oder Alkoholkonsums, lag jeweils nicht vor.
C. Beweiswürdigung
I. Persönliche Verhältnisse
1. Die Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf dessen glaubhaften Angaben in der Hauptverhandlung hierzu, den Ausführungen der psychiatrischen Sachverständigen Dr. P1. hierzu, die die Angaben des Angeklagten anhand der in den Treffen mit dem Angeklagten im Rahmen ihrer Exploration gewonnenen Erkenntnisse bestätigen konnte, sowie dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 07.05.2021, welcher keine strafrechtlichen Eintragungen enthielt. Die Hauptverhandlung hat aus Sicht der Kammer keinerlei Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben des Angeklagten begründet sein könnten.
2. Hinsichtlich des Betäubungsmittelkonsums des Angeklagten beruhen die Feststellungen auch auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen schriftlichen Gutachten des Forensisch Toxikologischen Centrums M. (…) über die Untersuchung von Haaren auf Drogen und ausgewählte Medikamentenwirkstoffe vom 09.10.2020, wonach in den Haaren des Angeklagten, welche diesem am 13.08.2020 entnommen worden waren, Kokain, Benzoylecgonin, Norkokain und Cocaethylen festgestellt wurden. Ausweislich des Gutachtens liegen die Konzentrationen dabei jeweils im oberen 25%-Bereich. Dies sei typisch für eine häufigere, unter Umständen auch regelmäßige Aufnahme von Kokain. Hinsichtlich Tetrahydrocannabinol (THC) wurden in der Haarprobe Konzentrationen im mittleren Bereich festgestellt. Die entnommene Haarprobe mit einer Länge von 3,5 cm deckt einen Zeitraum von etwa 3 bis 4 Monaten vor der Entnahme ab.
Außerdem beruhen diese Feststellungen auf einem Ergänzungsgutachten vom 17.01.2021, ebenfalls vom …, welches ebenfalls verlesen wurde, in welchem die Haare des Angeklagten noch auf THC-COOH untersucht wurden. Die hierbei ermittelten Konzentrationen von THC-COOH lagen ebenfalls im mittleren Bereich und sind ausweislich des Gutachtens mit einem häufigeren, unter Umständen auch regelmäßigen Konsum von Haschisch und/oder Marihuana zu vereinbaren.
Eine Blutalkoholbestimmung durch das … in Zusammenarbeit mit dem Institut für Rechtsmedizin der …-Universität M. der bei dem Angeklagten am 13.08.2020 entnommenen Blutprobe ergab einen Mittelwert von 0,01 ‰.
Ausweislich eines weiteren Gutachtens des … M. vom 11.09.2020 über die (weitere) Untersuchung der Urin- und Blutprobe des Angeklagten auf berauschende Mittel ergab die Untersuchung der am 13.08.2020 entnommenen Blutprobe positive Ergebnisse hinsichtlich THC, HO-THC und THC-COOH sowie Benzoylecgonin, Econylmethylester und Cocaethylen. Die am gleichen Tag abgegebene Urinprobe wurde positiv auf Cannabinoide und Kokainmetabolite getestet. Ausweislich der Beurteilung dieser Ergebnisse in diesem Gutachten ist damit nachgewiesen, dass ein Konsum von Kokain- und Cannabisprodukten stattgefunden hat. In der Blutprobe wurden dabei Stoffwechselprodukte von Kokain sowie THC und Hydroxy-THC in Konzentrationen aufgefunden, die dafür sprächen, dass zum Zeitpunkt der Blutentnahme jeweils von einer akuten Wirkung auszugehen sei. Hinsichtlich des Kokainbefundes könne es sich aber auch um eine abklingende Rauschphase gehandelt haben. Die Konzentration an THC-Carbonsäure weise auf einen häufigen Konsum hin.
Die Kammer schließt sich aufgrund eigener Überzeugungsbildung den sachkundigen Ausführungen der Sachverständigen vom … und vom Institut für Rechtsmedizin an. Die jeweils mit den Gutachtenserstattungen betrauten Sachverständigen sind der Kammer seit vielen Jahren als zuverlässige und äußerst sachkundige Sachverständige bekannt. Alle Gutachten eint, dass sie in sich schlüssig und widerspruchsfrei erstellt wurden und von zutreffend ermittelten Anknüpfungstatsachen ausgehen.
Die Ergebnisse dieser Gutachten decken sich mit den Angaben des Angeklagten hinsichtlich des Umfangs seines Eigenkonsums und bestätigen auch die Einlassung des Angeklagten, dass sowohl hinsichtlich Kokain als auch Cannabis ein letztmaliger Konsum noch am Tag der Festnahme erfolgte.
II. Feststellungen zum Sachverhalt
Die Feststellungen zu dem unter B. I. abgehandelten Sachverhalt beruhen insbesondere auf den geständigen Angaben des Angeklagten im Rahmen der Hauptverhandlung, welche durch die Ergebnisse der durchgeführten Beweisaufnahme bestätigt wurden.
1. Der Angeklagte hat die Vorwürfe aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vom 18.01.2021 in den Ziffern 2 und 3 des Anklagesatzes wie unter B. I. dargestellt eingeräumt. Der Angeklagte ging dabei auch auf die Details der Erwerbshandlungen, wie unter B. I. dargestellt, ein.
So sei es richtig, dass er am 25.07.2021 eine Fahrt zum Erwerb von Kokain nach Frankfurt unternommen habe. Die Fahrt sei zu einer dem anderweitig Verfolgten Pero J2. bekannten Person gegangen, von der er auch die Telefonnummer von dem anderweitig Verfolgten J2. bekommen habe. Die Kokainübernahme durch den Angeklagten sei zwischen dem anderweitig Verfolgten J2. und dem Frankfurter Lieferanten vereinbart gewesen. Bei Ankunft des Angeklagten in Frankfurt habe es jedoch Komplikationen gegeben, weshalb der Angeklagte habe warten müssen. Schließlich seien von ihm in Frankfurt an einem anderen Ort als ursprünglich geplant 70 Gramm Kokain übernommen worden, welche er von dort nach H2. verbracht habe. Dort sei es sodann insbesondere mit dem anderweitig Verfolgten K4. zu Unstimmigkeiten gekommen, da dieser behauptet habe, dem anderweitig Verfolgten J2. bereits Geld für das Kokain übergeben zu haben. Der anderweitig Verfolgte J2. habe hingegen gewollt, dass das gesamte Kokain dem anderweitig Verfolgten R4. übergeben werden solle. Letztendlich habe der Angeklagte dann an K4., der gemeinsam mit dem anderweitig Verfolgten Mantas D4. zum Angeklagten gekommen sei, 20 Gramm Kokain übergeben. 40 Gramm Kokain habe er an den anderweitig Verfolgten R4. übergeben. Den Rest des Kokains habe er selbst verkonsumiert.
Nachdem der anderweitig Verfolgte R4. in der Folge verhaftet worden sei und dieser deshalb das erhaltene Kokain nicht mehr habe bezahlen können und der Angeklagte auch von den anderweitig Verfolgten K4. und D4. kein Geld für das übergebene Kokain erhalten habe, nachdem K4. behauptet habe, für das Kokain schon an J2. bezahlt zu haben, sei er, der Angeklagte, selbst auch nicht in der Lage gewesen, das in Frankfurt übernommene Kokain zu bezahlen. Die Verkäufer des Kokains seien deshalb nach München gekommen und hätten 5.000 Euro für das Kokain von dem Angeklagten verlangt. Es habe dann lange Diskussionen zwischen dem Angeklagten, dem anderweitig Verfolgten J2. und dem Frankfurter Lieferanten gegeben, mit dem Ergebnis, dass der Angeklagte von dem Frankfurter Lieferanten noch ein Kilo Marihuana erhalten sollte, um dieses zu verkaufen. Von dem Verkaufserlös hätten die Schulden für das Kokain und der Kaufpreis für das Kilogramm Marihuana bezahlt werden sollen. Nachdem der Verkauf des Marihuanas jedoch nicht wie vorgesehen in kurzer Zeit zu entsprechenden Preisen gelungen sei, seien die Frankfurter Betäubungsmittellieferanten jedoch wieder bei dem Angeklagten vorstellig geworden und hätten das Geld von ihm verlangt. Daraufhin habe sich der Angeklagte insgesamt einen Geldbetrag von 7.000 Euro, unter anderem von den Zeugen A1. R1. und Benjamin G4. und Josip J2., geliehen. Die 7.000 Euro hätten sich aus dem Kaufpreis für das Kokain in Höhe von 5.000 Euro und dem Kaufpreis für das Marihuana in Höhe von 2.000 Euro zusammengesetzt. Das Marihuana, welches bei dem Angeklagten bei dessen Festnahme aufgefunden wurde, sei die Restmenge aus dem Kilogramm Marihuana gewesen, für welches die Frankfurter Lieferanten die 2.000 Euro hätten haben wollen.
2. Die Einlassung des Angeklagten zu dem unter B. I. abgehandelten Sachverhalt wurde in der Hauptverhandlung bestätigt durch die Angaben der Zeugen KHM Ö., KOK Sch., POM H4., Daniela-Christina P4., Andreas R5. und Mantas D4., die im PKW des Angeklagten sichergestellten 271,82 Gramm Marihuana, die in der Wohnung der anderweitig Verfolgten P4. sichergestellten 275,53 Gramm Marihuana, das in der Wohnung der anderweitig verfolgten P4. sichergestellte Verpackungsmaterial hinsichtlich weiterer Betäubungsmittel, sowie die Ergebnisse der durchgeführten Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden und die Ergebnisse der Mobiltelefonauswertungen. Darüber hinaus konnte sich die Kammer durch Inaugenscheinnahme der in der Akte befindlichen Lichtbilder von den Durchsuchungen und den aufgefundenen Betäubungsmitteln ein mit der übrigen Beweisaufnahme übereinstimmendes Bild machen.
a) Fahrt am 25.07.2020 nach Frankfurt
Der unter B. I. festgestellte Sachverhalt hinsichtlich der Fahrt am 25.07.2020 nach Frankfurt, um dort Kokain zu übernehmen, wurde durch die anderweitig Verfolgte Daniela-Christina P4. bestätigt. Diese gab bei ihrer Zeugenaussage in der Hauptverhandlung an, nur das eine Mal am 25.07.2020 in Frankfurt am Main dabei gewesen zu sein; sie seien nur dieses eine Mal zu zweit gefahren. Ihrer Meinung nach sei der Angeklagte eigentlich kein „richtiger Drogendealer“, er habe nur Geld verdienen wollen, welches er für die defekte Klimaanlage in seinem PKW dringend benötigt habe. Der Angeklagte sei da reingerutscht, da er ihrer Ansicht nach „gut und nett“ war. Der Angeklagte habe den anderweitig Verfolgten J2. auch sonst öfters gefahren, da dieser keine Fahrerlaubnis mehr besessen habe. Der Angeklagte habe das für einen „Freund“ eben gemacht. Der Zeuge KHM Ö. konnte als polizeilicher Vernehmungsbeamter der anderweitig Verfolgten P4. dazu bestätigen, dass diese schon in ihrer polizeilichen Vernehmung am 19.08.2020 ebenfalls angegeben habe, dass der anderweitig Verfolgte J2. immer wieder den Angeklagten als Fahrer gebraucht habe, sie aber nicht genau wüsste, wohin diese Fahrten jeweils gegangen seien; sie wüsste nur, dass der Angeklagte dafür Geld von dem anderweitig Verfolgten J2. bekommen habe. Hinsichtlich des Ablaufs der Fahrt am 25.07.2020 habe die anderweitig Verfolgte P4. bei dieser Vernehmung berichtet, dass sie und der Angeklagte, nachdem sie in Frankfurt am Main angekommen seien, bei einer BMW-Werkstatt geparkt hätten und dann den anderweitig Verfolgten J2. über die Freisprecheinrichtung des Pkw angerufen hätten, dass sie nun da seien. Der anderweitig Verfolgte J2. habe dann gesagt, dass er seinen Mann nun anrufen werde. Sie hätten daraufhin kurz gewartet. Dann habe jedoch der anderweitig Verfolgte J2. sich wieder gemeldet und gesagt, dass sie noch wo anders hinfahren müssten. Sie seien dann weisungsgemäß zu einem Parkplatz gefahren, auf dem viele Opel- und SkodaFahrzeuge geparkt gewesen seien. Es sei dann ein Mann zu ihnen ans Fahrzeug gekommen und habe gesagt, dass sie etwa vier Stunden warten müssten. Der Angeklagte habe sich daraufhin furchtbar aufgeregt. Schließlich sei dann ein anderer Mann mit einem Geländewagen gekommen und habe dem Angeklagten eine Tüte übergeben. Die Tüte habe, ihrer Meinung nach, nach „Gras“ gerochen. Geld sei keines übergeben worden. Dies sei ihr nicht komisch vorgekommen, da das Ganze mit dem anderweitig Verfolgten J2. ja ausgemacht gewesen sei.
Der anderweitig Verfolgte J2. bestreitet, an der Beschaffungsfahrt am 25.07.2020 nach Frankfurt oder an ihrer Organisation beteiligt gewesen zu sein. Diese Einlassung des anderweitig Verfolgten J2. erscheint unglaubwürdig angesichts der klaren Einlassung des Angeklagten, der konkreten Angaben der Zeugin P2. hierzu sowie der Ergebnisse der Auswertung der Telekommunikationsüberwachung, soweit diese diesen Tatkomplex betreffen:
Ausweislich der Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung, fand am 24.07.2020 ab 18:24 Uhr ein Telefongespräch zwischen dem Angeklagten und dem anderweitig Verfolgten J2. statt, in welchem der anderweitig Verfolgte J2. zunächst äußerte, dass er wolle, dass der Angeklagte ihm Geld schicke. Der Angeklagte entgegnet daraufhin, dass er eigentlich heute noch losfahren wolle. Der anderweitig Verfolgte J2. sagt daraufhin zum Angeklagten, dass er heute noch „hochfahren“ solle. Der Angeklagte bestätigt und sagt, er wäre dann gegen Mitternacht da. In einem weiteren Gespräch, ebenfalls am 24.07.2020, ab 15:36 Uhr zwischen dem Angeklagten und der anderweitig Verfolgten P4., fragt Letztgenannte, ob der Angeklagte noch „hochfahren“ möchte. Der Angeklagte antwortet daraufhin „wir müssen“. „Er“ – aus Sicht des Angeklagten also ein Dritter – habe bereits am Tag zuvor schon die ganze Zeit gewollt, er selbst habe „ihn“ jedoch auf heute vertröstet. „Der“ hätte bis 11:00 Uhr nachts offen. Diese Gespräche bestätigen zur Überzeugung der Kammer die Vorbereitung einer Beschaffungsfahrt nach Frankfurt am Main durch den Angeklagten und den anderweitig Verfolgten J2. unter Einbindung der anderweitig Verfolgten P4..
Aus der Telekommunikationsüberwachung sind auch mehrere Gespräche zwischen dem anderweitig Verfolgten K4. und dem Angeklagten am 25.07.2020 zu einzelnen Details bekannt, welche mit den Angaben der Beteiligten hierzu in Einklang stehen, ohne inhaltlich konkrete weitere Inhalte zu haben.
Aus der Telekommunikationsüberwachung ergeben sich auch insgesamt vier Gespräche am 25.07.2020 zwischen 16:29 Uhr und 16:53 Uhr zwischen dem Angeklagten und einem unbekannten Gesprächspartner, mutmaßlich dem Frankfurter Geschäftspartner. In diesen vier Gesprächen wurde der genaue erste Treffpunkt in Frankfurt zeitlich und örtlich konkret fixiert. In zeitlicher Hinsicht lässt sich daher die Ankunft in Frankfurt auch auf gegen 17:00 Uhr eingrenzen.
Der Sachverhalt hinsichtlich der Fahrt nach Frankfurt am 25.07.2020 wird auch bestätigt durch ein im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung des Angeklagten abgehörtes Telefonat zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen R2. A2. um 18:47 Uhr, zu einem Zeitpunkt, als der Angeklagte und die anderweitig Verfolgte P4. gerade auf die Betäubungsmittel in Frankfurt warten mussten. Der Angeklagte erzählt dem Zeugen A2. dabei, dass er in Frankfurt sei und jemandem einen Gefallen tue. Der Zeuge A2. fragt daraufhin, ob „chillig“ oder „zerfetzig“, wobei der Angeklagte letzteres bejaht. Der Zeuge A2. fragt daraufhin „gutes zerfetzig?“, woraufhin der Angeklagte abermals bestätigt. Der Angeklagte gibt im weiteren Verlauf an, dass er in Frankfurt noch ein paar Minuten warten müsse, und dann zurückfahren wolle. Am Ende äußert der Zeuge A2. noch „Gefallen, ganz eigennützig“, woraufhin der Angeklagte antwortet, dass er selbst schon auch ein bisschen was davon habe. Auch der Inhalt dieses Gesprächs lässt sich unproblematisch mit dem festgestellten Sachverhalt und den Schilderungen des Angeklagten in Einklang bringen.
Ebenfalls mit dem festgestellten Sachverhalt in Einklang steht ein WhatsApp-Chat zwischen dem Angeklagten und dem anderweitig Verfolgten Devran K4., welcher bei der Auswertung des Mobiltelefons des Angeklagten festgestellt werden konnte, wonach die beiden am Abend des 25.07.2020 in laufendem Kontakt standen und beispielsweise der Angeklagte um 18:07 Uhr schrieb „Digga, ich bin noch da oben“, und im weiteren Verlauf der anderweitig Verfolgte K4. sich bei dem Angeklagten darüber beschwert, dass er den anderweitig Verfolgten J2., welchen er unter seiner Alias „Mafiaboss“ bezeichnet, nicht erreichen könne. Im weiteren Chatverlauf, welcher offensichtlich nicht die alleinige Kommunikation zwischen den beiden vollständig widerspiegelt, schreibt der anderweitig Verfolgte K4. um 20:24 Uhr „bin um 23:00 Uhr da“. Dies bestätigt auch, dass sich die beiden noch am selben Abend bei dem Angeklagten zuhause trafen.
Auch der anderweitig Verfolgte Mantas D4. bestätigte die Einlassung des Angeklagten und gab dazu an, Geld gegeben zu haben, um günstiger an Kokain zu kommen. Seiner Erinnerung nach habe er um die 1.000 Euro gegeben, wofür er etwa 20 Gramm Kokain von dem Angeklagten erhalten habe. Seiner Erinnerung nach sei es auf jeden Fall ein guter Preis gewesen. Das Geschäft sei so zustande gekommen, dass ein paar Tage vor dem 25.07.2020 der Angeklagte ihm erzählt habe, dass er nach Frankfurt fahre, um Kokain zu kaufen, woraufhin er ihn gebeten habe, ihm auch Kokain mitzubringen. Die Übergabe sei dergestalt erfolgt, dass er auf dem Parkplatz gewartet habe, und der Angeklagte ihm dann sein Kokain aus der Wohnung des Angeklagten herausgebracht habe.
Insgesamt hat die Beweisaufnahme hinsichtlich der Fahrt am 25.07.2020 ein in sich geschlossenes, rundes Bild ergeben, welches sich mit den Angaben des Angeklagten deckt. Dem entgegen steht lediglich die Einlassung des anderweitig Verfolgten J2., der seine eigene Beteiligung bestreitet, dessen Version jedoch wenig substantiiert vorgetragen – mithin nur pauschal bestritten – wurde und in den Augen der Kammer diesbezüglich wenig glaubwürdig erscheint. Einer Beteiligung des anderweitig Verfolgten J2. in der von dem Angeklagten und der anderweitig Verfolgten P4. beschrieben Form steht auch nicht entgegen, dass weder Telekommunikationsüberwachung noch Mobiltelefonauswertungen die vollständige behauptete Kommunikation zwischen dem Angeklagten und der anderweitig Verfolgten P4. auf der einen und dem anderweitig Verfolgten J2. auf der anderen Seite enthielten. Nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten fand die Kommunikation, wenn überhaupt, nur auszugsweise über die analoge Telefonie, welche Gegenstand der TKÜ-Maßnahmen war, und WhatsApp-Chats, die soweit nicht gelöscht auf dem Handy des Angeklagten ausgewertet wurden, statt, sondern vielmehr regelmäßig und im Schwerpunkt über WhatsApp-Telefonie und andere Chat-Programme, explizit Snapchat, in welchem die Inhalte der Nachrichten regelmäßig von selbst gelöscht werden. Die Auswertung des Mobiltelefons des anderweitig Verfolgten J2. ergab insofern praktisch keine Erkenntnisse, da alle Kommunikationsinhalte gelöscht worden waren.
Die vorhandene Telekommunikation aus Telekommunikationsüberwachung und Handyauswertungen sowie die Einlassung des Angeklagten und die Angaben der unmittelbaren Zeugen P2. und D4. bestätigen jedoch jeweils und insgesamt den Sachverhalt, wie unter B. I. festgehalten.
b) 1. Treffen mit Frankfurtern am 05.08.2020 in H2.
Das Treffen zwischen dem Angeklagten und den Frankfurter Geschäftspartnern am 05.08.2020 in Hallbergmoos, bei welchem ein Kilo Marihuana an den Angeklagten übergeben wurde, wurde von dem Angeklagten wie unter B. I. dargestellt geschildert. Ausweislich der Angaben des Zeugen KHM Ö., als Vernehmungsbeamten der anderweitig Verfolgten P4. bei deren polizeilichen Vernehmung, gab diese ebenfalls gegenüber den Ermittlungsbehörden bereits an, dass der Angeklagte nach der Fahrt am 25.07.2020 Ärger gehabt habe, da die in Frankfurt abgeholte Ware angeblich nicht vollständig bezahlt gewesen sei. Auch sie habe von dem Treffen am 05.08.2020 in H2. – allerdings nur vom Hörensagen von den Angeklagten „zu berichten gewusst“. Um welchen Betrag es dabei genau gegangen sei, habe sie jedoch nicht sagen können. Die anderweitig Verfolgte P4. machte in der Hauptverhandlung für die Geschehnisse vom 05.08.2020 bis zum 13.08.2020 von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 55 StPO Gebrauch.
Die Einlassung des Angeklagten wird weiter durch die Auswertung der Telekommunikation und ihre Überwachung gestützt. Aus einem Telefonat vom 09.08.2020 ab 18:26 Uhr zwischen dem Angeklagten und dem anderweitig Verfolgten J2. ergibt sich, dass der Angeklagte versucht, Geld aufzutreiben, um Schulden aus der Beschaffungsfahrt aus Frankfurt zu bezahlen. Ausweislich eines weiteren Telefonats vom 11.08.2020 zwischen den beiden Genannten ab 18:05 Uhr konnte der anderweitig Verfolgte J2. dem Angeklagten einen Abnehmer besorgen. In einem weiteren Telefonat zwischen den beiden vom gleichen Tag ab 19:46 Uhr teilt der Angeklagte dem anderweitig Verfolgten J2. mit, dass er nun alle gefragt habe, ob sie von ihm Betäubungsmittel abnehmen würden, da er dringend das Geld benötige. Alle würden sich diesbezüglich „umhören“. Der Inhalt dieser Gespräche steht im Einklang mit der Annahme, dass der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt über eine nicht unerhebliche Menge an Betäubungsmitteln verfügte, für welche er Abnehmer suchte; dies wiederum entspricht den Angaben der Einlassung des Angeklagten hierzu, wonach er am 05.08.2020 das Marihuana aus Frankfurt übernommen habe.
c) 2. Treffen mit Frankfurtern am 11./12.08.2020 in Ka.
Das Treffen zwischen dem Angeklagten und dem anderweitig Verfolgten Mantas D4. am Abend des 11.08.2020 in Ka. mit den Betäubungsmittelverkäufern aus Frankfurt, bzw. Personen aus dem direkten Umfeld von diesen, entspricht in den Feststellungen ebenfalls den Angaben des Angeklagten hierzu. Ergänzend lies sich der Angeklagte hierzu noch dahingehend ein, dass er, wenn nicht Angst, so doch jedenfalls gehörigen Respekt vor „diesen Leuten“ gehabt habe, und sich deshalb der Begleitung durch den anderweitig Verfolgten D4. versichert habe.
Der anderweitig Verfolgte Mantas D4. bestätigte das Treffen. Er sei an dem Tag jedoch „neben der Spur“ gewesen, da er zuvor bereits „konsumiert“ gehabt habe. Er habe an diesem Tag schon ziemlich viel Alkohol und Kokain konsumiert gehabt. Es sei so gewesen, dass der Angeklagte ihn angerufen habe und mitgeteilt habe, dass er Hilfe brauche, weil Leute aus Frankfurt kommen würden und er ein Problem habe, da sie Geld von ihm wollten. Er könne sich in diesem Zusammenhang jedoch noch insbesondere an zwei Bilder erinnern, welche er im Kopf präsent habe: Einmal mit dem Beteiligten in der Nähe des Café Le. in Ka. und später in München in einer Bar. Er habe jedoch in der Situation schon Angst gehabt, insbesondere, nachdem er quasi als „Geisel“ bei den Frankfurtern bleiben sollte, bis der Angeklagte das Geld organisieren konnte. In der Zeit, in der der Angeklagte das Geld auftrieb, habe er bei den beiden „Typen aus Frankfurt“ bleiben müssen, quasi als Pfand. Dass es bei dem Treffen um insgesamt 7.000 Euro gegangen sei, welche an die Frankfurter übergeben werden sollten, habe er nach seiner Einlassung „irgendwie erst im Nachhinein“ so wirklich mitbekommen. Auch habe er nicht genau gewusst, woher die Schulden stammten.
Die Angaben der beiden werden bestätigt durch das Ergebnis der Telekommunikationsüberwachung. Danach wurde am 11.08.2020 ab 21:57 Uhr ein Telefonat zwischen dem Angeklagten und einem unbekannten Gesprächspartner, dessen verwendete Handynummer im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen mit Betäubungsmittelhandel im Raum Frankfurt am Main in Verbindung gebracht werden konnte, geführt, in welchem beide Gesprächspartner sich zunächst ihren jeweiligen aktuellen Standort – „hinter Aichach“ bzw. „München“ – mitteilen und sodann als gemeinsamen Treffpunkt „Ka. bei diese Le.“ für in etwa einer halben Stunde vereinbaren. Im direkten Anschluss ab 21:58 Uhr führt der Angeklagte ein Telefonat mit dem anderweitig Verfolgten J2., indem er diesem mitteilt, dass er sich jetzt „mit denen“ treffen werde. Außerdem teilt er dem anderweitig Verfolgten J2. mit, dass er „schon bisschen Angst“ habe. Der anderweitig Verfolgte J2. versuchte den Angeklagten am Telefon sodann zu beruhigen.
Ebenfalls am 11.08.2020, ab 23:14 Uhr, führte der Angeklagte ein Telefonat mit den Zeugen A1. R1., indem er diesem mitteilt, dass er ein „riesen Problem“ habe, und ihn fragt, ob er ihm nicht 6.000 Euro geben könne. Der Zeuge A1. R1. hat ausweislich des Telefonats jedoch nur 500 Euro zur Verfügung. Sodann teilt ihm der Angeklagte mit: „Ich steh grad am Parkplatz bei irgendwelchen Leuten und ja, die bleiben jetzt bei mir, bis sie ihr Geld kriegen. Ich hab 11 Stunden Zeit.“ In einem weiteren Telefonat vier Minuten später ab 23:18 Uhr ruft der Angeklagte den Zeugen R1. nochmals an und teilt ihm mit, dass er doch jedenfalls die 500 Euro von ihm nehmen würde. Die beiden verabredeten eine Übergabe für den nächsten Morgen. Der Zeuge R1. bestätigte in seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung, dass er dem Angeklagten in diesem Zusammenhang 500 Euro übergab, welche er kurz zuvor von seinem Chef bekommen habe. Sodann telefonierte der Angeklagte ebenfalls am 11.08.2020 ab 23:20 Uhr mit dem Zeugen B3. G1.. Auch diesem teilt er mit, dass er 11 Stunden Zeit habe, um 7.000 Euro „aufzutreiben“. Der Zeuge G1. erklärt sich in dem Telefonat schließlich bereit, dem Angeklagten zu helfen, und teilt mit, dass er ihm etwa 5.000 Euro leihen könne. Der Angeklagte erklärt sodann, dass er in sieben Minuten da sei. Ab 23:23 Uhr ruft der Angeklagte erneut den anderweitig Verfolgten Pero J2. an. In diesem Telefonat äußert der Angeklagte unter anderem: „Diese Hurensöhne. Die warten jetzt hier, bis ich das zusammen hab. Ich muss mir jetzt von alle möglichen was leihen. Von wem kann ich mir noch was leihen?“ Der anderweitig Verfolgte J2. versucht sodann, den Angeklagten nochmals zu beruhigen.
In einem Telefonat vom nächsten Tag am 12.08.2020 ab 11:55 Uhr teilt der Angeklagte seiner damaligen Lebensgefährtin, der anderweitig Verfolgten Daniela-Christina P4. mit, dass er sich „mit denen getroffen“ habe. Und weiter: „Ja ich habe denen dann das Geld gegeben.“ Außerdem berichtet der Angeklagte von dem Treffen: „Ja der Mantas war dann mehr oder weniger die Geisel“, woraufhin die anderweitig Verfolgte P4. sich sehr aufregte. In einem Telefonat um 12:09 Uhr teilt der Angeklagte dem Zeugen A1. R1. mit, dass er sich von einem „Spezl“ 5.500 Euro geliehen habe; der kleine Bruder eines „Kollegen“ habe ihm auch nochmal 1.000 Euro geliehen. In zwei weiteren Telefonaten am 12.08.2020 ab 17:16 Uhr mit dem Angeklagten und ab 18:11 Uhr mit Josip J2. und Maria J2. echauffiert sich der anderweitig Verfolgte Pero J2. darüber, dass der Angeklagte sich für die Schulden aus dem Betäubungsmittelgeschäften Geld von seinem Bruder Josip J2. geliehen habe.
Insgesamt steht zur Überzeugung der Kammer deshalb fest, dass auch das zweite Treffen, so wie von dem Angeklagten geschildert, tatsächlich stattgefunden hat.
d) Festnahmen und Durchsuchungen am 13.08.2020
Die genauen Umstände und der Ablauf der polizeilichen Maßnahmen bei Festnahme und Durchsuchungen wurden durch den Zeugen KHM Ö., welcher als Sachbearbeiter den Polizeieinsatz aus der Kriminalpolizeiinspektion in F5. heraus leitete, sowie POM H4., einem der Erstzugriffsbeamten bei der Festnahme des Angeklagten am 13.08.2020, und KOK Sch., welcher bei der Durchsuchung der Wohnung der anderweitig Verfolgten P4. beteiligt war, geschildert, wobei der Angeklagte die Angaben der Polizeibeamten bestätigte. POM H4. schilderte, wo das Fahrzeug des Angeklagten mit ihm und der anderweitig Verfolgten P4. darin angehalten wurde. Dies habe eine Straße weiter zu der Wohnadresse der anderweitig Verfolgten P4. in einer reinen Wohngegend stattgefunden und auch sogleich reges Interesse der gesamten Nachbarschaft hervorgerufen. Der Angeklagte habe sich dabei jedoch ruhig und kooperativ gezeigt, wobei er, der Zeuge, den Eindruck gehabt habe, dass der Angeklagte die Konsequenzen des Betäubungsmittelfunds bei ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht in ihrer ganzen Tragweite überblickt habe. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte unter konkretem Betäubungsmittel- oder Alkoholeinfluss gestanden habe, hätte sich jedoch nicht ergeben. KOK Sch. schilderte, wie die Wohnungsdurchsuchung ablief und wo dabei die Betäubungsmittel und leere Betäubungsmittelverpackungen gefunden wurden. Eine Nachbarin sei dabei als Durchsuchungszeugin hinzugezogen wurden. Da man nicht gewusst habe, dass die weiteren an der Adresse gemeldeten Personen – der Bruder und die Mutter der anderweitig Verfolgten P4. – sich im Urlaub befanden, sei zu befürchten gewesen, dass diese – wie der Rest der Nachbarschaft – von dem Polizeieinsatz der Festnahme des Angeklagten und der anderweitig Verfolgten P4. Kenntnis erlangten und gegebenenfalls in der Wohnung vorhandene Beweismittel vernichten könnten; es sei dann jedoch keiner der Bewohner in der Wohnung gewesen.
Ergänzend dazu hat die Kammer die von den Durchsuchungen und den gefundenen Betäubungsmitteln angefertigten Lichtbilder hierzu in Augenschein genommen, welche mit den Angaben der Zeugen hierzu korrespondierten. Selbst die interessierte Nachbarschaft ist deutlich zu erkennen.
Die Angaben des Angeklagten zu den ihm verbliebenen Restmengen an Marihuana und seiner Festnahme am 13.08.2020 wurden auch von der Zeugin P2. dem Grunde nach dahingehend bestätigt, dass sie angab, froh gewesen zu sein, dass an diesem Tag ihre Mutter und ihr Bruder, die normalerweise mit ihr in ihrer Wohnung lebten, im Urlaub gewesen seien.
Ausweislich der Kenntnisse aus der Kommunikationsüberwachung fand am 13.08.2020 ab 14:01 Uhr ein Telefonat zwischen dem Angeklagten und der anderweitig Verfolgten Daniela-Christina P4. statt, in welchem letztgenannte sagte „genau 619g“, und dass sie alles getan habe. Weiter erklärt die anderweitig Verfolgte in diesem Telefonat, dass sie „schon alles eingepackt, in Hunderter“ habe. In einem weiteren Telefonat vom selben Tag ab 14:50 Uhr fragte die anderweitig Verfolgte, ob sie von dem „Zeug“ etwas mitnehmen solle. Dies bejaht der Angeklagte, woraufhin die anderweitig Verfolgte fragt „soll ich 300?“, was wiederum von dem Angeklagten bejaht wird. Dies deckt sich in der Größenordnung mit den Mengen an Marihuana, welche im Kofferraum des PKW des Angeklagten, nachdem er die anderweitig Verfolgte kurz zuvor bei ihrer Wohnung abgeholt hatte, und in der Wohnung der anderweitig Verfolgten gefunden wurden. In einem weiteren Telefonat ab 15:40 Uhr zwischen den beiden hatten diese vereinbart, dass der Angeklagte die anderweitig Verfolgte für eine Fahrt nach A. – wo sich das Elternhaus des Angeklagten befindet – zusammen mit dem anderweitig Verfolgten Orkan K5. mit zwei Fahrzeugen abholen werde. In einem weiteren Telefonat ab 16:01 Uhr teilt der Angeklagte der anderweitig Verfolgten P4. sodann mit, dass er in einer Minute da sei. Wenige Minuten danach erfolgte ausweislich der Beweisaufnahme dann der polizeiliche Zugriff.
Auch hier verbleiben nach Durchführung der Beweisaufnahme auf Seiten der Kammer keinerlei Zweifel, dass sich die Sachverhalte so, wie unter B. I. festgehalten, ereignet haben.
3. Hinsichtlich der Wirkstoffgehalte der Betäubungsmittel bezüglich des Marihuanas beruhen die Feststellungen auf dem Gutachten des Bayerischen Landeskriminalamtes hierzu, welchen sich die Kammer aufgrund deren schlüssiger und nachvollziehbarer Angaben anschloss. Das Sachgebiet Chemie des Bayerischen Landeskriminalamtes ist seit vielen Jahren ein anerkanntes Labor für die Bestimmung und Analyse von Betäubungsmitteln.
Ausweislich des Gutachtens vom 21.09.2020 handelte es sich bei dem im Kofferraum des PKW des Angeklagten gefundenen Betäubungsmittel um drei Plastikdruckverschlussbeutel mit jeweils grünem, getrocknetem Pflanzenmaterial, wobei die Nettogewichte 81,94 Gramm, 90,16 Gramm und 99,72 Gramm (Gesamtnettogewicht: 271,82 Gramm) betrugen. Als Ergebnis der Untersuchung ist ausweislich des Gutachtens festgehalten, dass es sich jeweils um ein Cannabisprodukt vom Marihuanatyp handelte, dessen beim Rauchen verfügbarer Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) bei einer repräsentativen Querschnittsprobe 19,0% und damit abzüglich der Toleranzen einen Mindestgehalt von 17,4% THC und einer Mindestmenge von 47,3 Gramm THC entspräche.
Hinsichtlich der in der Wohnung der anderweitig verfolgten P4. gefundenen Betäubungsmitteln handelte es sich ebenfalls um drei Plastikdruckverschlussbeutel mit jeweils grünem, getrocknetem Pflanzenmaterial, deren Nettogewichte 97,44 Gramm, 96,71 Gramm und 81,38 Gramm (Gesamtnettogewicht 275,53 Gramm) betrugen. Auch hier wurde bei einer Untersuchung wesensgleicher Inhalt festgestellt, wobei bei einer repräsentativen Querschnittsprobe 20,6% Wirkstoffgehalt festgestellt wurde, was abzüglich erforderlicher Sicherheiten einen Mindestgehalt von 18,9% THC und eine Mindestmenge von 52,0 Gramm THC ergab.
4. Soweit hinsichtlich des Kokains die Betäubungsmittel nicht sichergestellt werden konnten, beruhen die Feststellungen zum Wirkstoffgehalt auf einer Schätzung durch die Kammer. Die festgestellte Wirkstoffkonzentration von 30 Prozent entspricht dabei nach den Erfahrungen der vorwiegend mit Betäubungsmittelstrafsachen befassten Kammer einer Mindestwirkstoffkonzentration einer unterdurchschnittlichen Qualität, die in der Vielzahl der gewöhnlich vorkommenden Fälle mindestens zu erwarten ist.
5. Die Feststellungen zum subjektiven Tatbestand beruhen jeweils auch auf den geständigen Angaben des Angeklagten im Rahmen der Hauptverhandlung sowie dem Grundsatz, wonach der Täter hinsichtlich der Menge und des Wirkstoffgehalts regelmäßig mit jeder nach den Umständen des Falls in Betracht kommenden Möglichkeit einverstanden ist (BGH, NStZ-RR 1979, 121). Die Beweisaufnahme hat keine Anhaltspunkte für Umstände ergeben, aufgrund derer der Angeklagte von anderen als den festgestellten Wirkstoffgehalten ausgehen konnte oder tatsächlich ausgegangen ist.
6. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Kammer auch in Zusammenschau aller vorgenannter Umstände keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte die Tat, wie unter B. I. festgestellt, begangen hat.
III. Schuldfähigkeit
Die Feststellungen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten beruhen zum einen auf den Feststellungen zum Betäubungsmittelkonsum des Angeklagten, zum anderen auf dem in der Hauptverhandlung erstatteten psychiatrischen Gutachten der Sachverständigen Dr. P1., wonach bei dem Angeklagten zu den Tatzeitpunkten das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB abgelehnt werden müsse, und dem Eindruck von dem Angeklagten, welchen die Kammer sich im Rahmen der Hauptverhandlung direkt machen konnte. Die Hauptverhandlung hat aus Sicht der Kammer keine Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aus welchen Gründen auch immer beeinträchtigt war. Die Kammer macht sich insoweit aber insbesondere auch die Ausführungen der Sachverständigen Dr. P1. in der Hauptverhandlung hierzu aufgrund eigener Überzeugung zu Eigen.
D. Rechtliche Würdigung
Aufgrund des unter B. I. festgestellten Sachverhalts hat sich der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tateinheitlichen Fällen, in einem Fall in Mittäterschaft, in Tateinheit mit unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln gemäß §§ 1 Abs. 1 i.V.m. Anlagen I und III zum BtMG, 3 Abs. 1 Nr. 1, 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, §§ 25 Abs. 2, 52 StGB strafbar gemacht.
I. Handeltreiben
Nach ständiger Rechtsprechung ist unter Handeltreiben jede eigennützige, auf die Förderung des Umsatzes von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit zu verstehen (BGH 20.8.1991 – 1 StR 321/91, NJW 1992). Dabei ist der Begriff des Handeltreibens nach ganz herrschender Meinung weit auszulegen (BGH 24.3.1999 – 1 StR 84/99, BeckRS 1999). Ein Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ist vorliegend hinsichtlich sämtlicher Teilmenge gegeben, welche nicht für den Eigenkonsum bestimmt waren, mithin hinsichtlich 60 Gramm des Kokains, welche an die anderweitig Verfolgten K4., D4. und R4. abgegeben wurden, sowie des einen Kilos Marihuana, welches zum Teil bereits auch weiterverkauft worden war und zu dem Teil, der am 13.08.2020 sichergestellt werden konnte, für einen Weiterverkauf bestimmt war. Die subjektive Zweckbestimmung der Betäubungsmittel zum Handeltreiben ist gegeben und auch objektiv durch die anhand der Telekommunikationsüberwachung dokumentierten Verkaufsbemühungen des Angeklagten manifestiert.
II. Nicht geringe Menge
Hinsichtlich der Grenzwerte für die nicht geringe Menge geht die Kammer vorliegend von den vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung angewandten Grenzwerten von 7,5 Gramm THC hinsichtlich Marihuana (BGHSt 42, 1) und 5 Gramm Kokainhydrochlorid hinsichtlich Kokain (BGH, NJW 1985, 2773) aus. Diese Grenzwerte wurde sowohl hinsichtlich des Handeltreibens mit Kokain um das 2,6-fache der nicht geringen Menge und hinsichtlich des Handeltreibens mit Marihuana um das 22,2-fache der nicht geringen Menge überschritten.
III. Mittäterschaft
Als Täter wird bestraft, wer die Tat selbst oder durch einen anderen begeht, § 25 Abs. 1 StGB. Die Rechtsprechung nimmt die Abgrenzung der Beteiligungsformen anhand einer wertenden Gesamtbetrachtung des jeweiligen Einzelfalls vor. Sie bezieht dabei sowohl objektive als auch subjektive Kriterien in die Gesamtschau mit ein. Zudem in die Abgrenzung einfließenden objektiven Kriterien gehören insbesondere die Tatherrschaft und Umfang der Beteiligung an der Tatbestandsverwirklichung. In subjektiver Hinsicht sind das Tatinteresse und der Wille zur Tatherrschaft bzw. der Täterwille von besonderer Bedeutung.
Hinsichtlich der 60 Gramm Kokain, welche für ein Handeltreiben bestimmt waren, handelte der Angeklagte in Mittäterschaft, § 25 Abs. 2 StGB. Der Angeklagte ging dabei mit dem anderweitig Verfolgten Pero J2. arbeitsteilig und zielgerichtet hinsichtlich des darauf bezogenen Betäubungsmittelumsatzes vor. Grundsätzlich unbeachtlich ist dabei, ob bei einem der Beteiligten auch eine Gewinnerzielungsabsicht tatsächlich gegeben war. Entscheidend ist vielmehr, dass beide Beteiligte die Tat jeweils auch als die ihre wollten. Beide lieferten jeweils Tatbeiträge, ohne die der jeweils andere die Tat hätte nicht vollenden können: Während der anderweitig Verfolgte J2. den Kontakt zu den Anbietern des Kokains hatte, besaß der Angeklagte die Möglichkeit, dieses in Frankfurt abzuholen, was wiederum dem anderweitig Verfolgten J2. nicht möglich gewesen wäre. Angesichts der sich insbesondere im Hinblick auf die aufgetretenen Komplikationen und der deshalb erforderlichen intensiven Kommunikation zwischen den Beteiligten nahm der anderweitig Verfolgte J2. dabei eine derart intensive Rolle ein, dass es zur Überzeugung der Kammer fern liegend ist, ihm lediglich die Rolle eines einfachen Maklers oder Vermittlers des Kontaktes zuzuschreiben. Es handelt sich hier bei dem Angeklagten und dem anderweitig Verfolgten J2. um zwei Akteure jeweils im Status des Mittäters, der jeweils umfangreich und in seinem Tätigkeitsbereich freie Entscheidungen treffend tätig wird.
Sowohl der Angeklagte als auch der anderweitig verfolgte J2. hatten jeweils umfassende Tatherrschaft inne. Sie wollten jeweils die Tat auch als Eigene.
IV. Unerlaubter Erwerb
Hinsichtlich der „Normalmenge“ von 10 Gramm Kokaingemisch, welches für den Eigenverbrauch des Angeklagten vorsehen war und verwendet wurde, hat dieser mit der Übernahme der Betäubungsmittel in Frankfurt am Main den Tatbestand des unerlaubten Erwerbs gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG verwirklicht, da er, wie er wusste, nicht die für den Erwerb der Betäubungsmittel erforderliche Erlaubnis besaß.
V. Tateinheit
Die von dem Angeklagten dabei verwirklichten Tatbestände des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln – hinsichtlich der Mengen an Kokain für den Eigenkonsum – stehen dabei zueinander jeweils in Tateinheit, § 52 StGB. Nach ständiger Rechtsprechung können an sich selbstständige Taten konkurrenzrechtlich zur Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 Alternative 2 StGB verknüpft werden, wenn beide Taten sich in ihren Ausführungshandlungen teilweise überschneiden (BGH, Beschluss vom 13.02.2020 – 1 StR 9/12, BGH, Beschluss vom 05.12.2017 – 4 StR 562/17, BGH, Beschluss vom 21.08.2018 – 3 StR 615/17). Auch mehrere Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln können zueinander in Tateinheit stehen, wenn ihre tatbestandlichen Ausführungshandlungen sich – teilweise – überschneiden (BGH, NStZ 2020, 227). So verhält es sich hier. Bei der Übergabe von einem Kilo Marihuana am 05.08.2020 war das Betäubungsmittelgeschäft hinsichtlich der 70 Gramm Kokain noch nicht abgeschlossen, insbesondere war noch keine Zahlungsabwicklung erfolgt. Darüber hinaus ist das Betäubungsmittelgeschäft hinsichtlich des einen Kilos Marihuanas vielmehr Ausfluss des ursprünglichen Betäubungsmittelgeschäfts vom 25.07.2020 über das Kokain. Der Angeklagte sollte nach der Intension der Lieferanten aus Frankfurt durch die gewinnbringende Weiterveräußerung des Marihuanas in die Lage versetzt werden, genug Gewinn zu erwirtschaften, um auch die Kokainlieferung bezahlen zu können. Genau darauf ließ sich der Angeklagte auch ein, in dem er das Marihuana annahm und Verkaufsbemühungen hinsichtlich des Marihuanas entfaltete. Es besteht somit nicht nur ein nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlicher zeitlicher Zusammenhang, sondern darüber hinaus eine inhaltliche Verquickung der beiden Handelsgeschäfte dergestalt, dass das eine das andere geradezu bedingt, wodurch im Ergebnis nur eine tateinheitliche Bewertung erfolgen kann. Die rechtliche Einordnung nach § 52 StGB lässt sich nach Ansicht der Kammer zwanglos mit dem objektiven Erscheinungsbild der vorgeworfenen Handlungen in Einklang bringen und genügt den Anforderungen an den erforderlichen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang einer Tat. Das es zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten zur Übergabe der Betäubungsmittel kam, ist vor diesem Hintergrund nicht mehr ausschlag-gebend.
Eine Bewertung des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln als tateinheitlich hierzu ergibt sich danach von selbst, da diese als Teil der 70 Gramm Kokaingemisch zusammen mit den 60 Gramm, welche zur Weitergabe bestimmt waren, übernommen wurden.
E. Strafzumessung
I. Strafrahmen
Für die verfahrensgegenständliche Straftat des Angeklagten legt die Kammer den Strafrahmen des § 29a Abs. 2 BtMG von Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu Grunde.
1. Gemäß § 52 StGB ist die Strafe nach dem Gesetz zu bestimmen, das die schwerste Strafe androht, wenn mehrere Strafgesetze verletzt sind. Nachdem sämtliche verwirklichte Tatbestände in Tateinheit verwirklicht wurden, ist daher grundsätzlich der schwerste Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG i.V.m. § 38 Abs. 2 StGB von Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis 15 Jahren hier anzusetzen.
2. Die Kammer geht vorliegend hinsichtlich beider verwirklichter Fälle des Tatbestandes des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG jeweils vom Vorliegen eines minderschweren Falls gemäß § 29a Abs. 2 BtMG aus.
a) Zu Gunsten des Angeklagten ist dabei sein Geständnis zu berücksichtigen, welches auch aufklärende Aspekte in sich trug, in dem er insbesondere den Mittäter J2. und die Empfänger der Kokainlieferung ausdrücklich benannte. Zu berücksichtigen ist weiter hinsichtlich des Marihuanas, dass ein großer Teil des Marihuanas sichergestellt werden konnte und somit nicht mehr in den Verkehr gelangen und sein Gefährdungspotential entfalten konnte. Weiter ist zu berücksichtigen, dass das eine Kilo Marihuana von dem Angeklagten nicht angefordert, sondern diesem jedenfalls nicht widerleglich mehr oder weniger aufgedrängt wurde, da der anderweitig Verfolgte Pero J2. die Bezahlung des Kokains nicht vollumfänglich hatte organisatorisch lösen können. Zu berücksichtigen ist auch die Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten, aufgrund derer es der Angeklagten gerne „allen recht machen“ will. Zu Gunsten des Angeklagten spricht hinsichtlich des Marihuanas ebenfalls, dass es sich bei dem Marihuana um eine sogenannte „weiche“ Droge handelt. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung sein Einverständnis mit der formlosen Einziehung der sichergestellten Betäubungsmittel und weiteren Gegenstände, soweit sie ihn betrafen, erklärt. Der Angeklagte ist sich seiner Betäubungsmittel- und Suchtproblematik bewusst und sucht proaktiv nach Lösungen für ein betäubungsmittelfreies Leben, wozu er auch bereits intensiven Kontakt mit der Drogenberatung in der JVA aufgenommen hat. In dem Bewusstsein, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Untersuchungshaft und deren Dauer grundsätzlich weder für noch gegen den Angeklagten zu berücksichtigen ist, nimmt hier die Kammer jedoch auf, dass diese Untersuchungshaft von insgesamt über 13 Monaten vollumfänglich unter starken Covid-19-pandemiebedingten Einschränkungen stattgefunden hat, was den als erstmalig in einer JVA befindlichen besonders haftempflindlichen Angeklagten überdurchschnittlich beeindruckt hat. Der Angeklagte ist strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten.
b) Zu Lasten des Angeklagten ist hinsichtlich des Kokains zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Kokain um eine „harte“ Droge handelt. Weiter handelt es sich bei den verfahrensgegenständlichen Mengen von Kokain und Marihuana jeweils um ein Vielfaches der nicht geringen Menge, wobei es sich bei dem zum Handeltreiben bestimmten Kokains nur um das 3,6-fache der nicht geringen Menge handelte. Hinsichtlich des Marihuanas wurde die nicht geringe Menge um das 22,2-fache überschritten.
c) Unter Berücksichtigung aller genannter für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände kam die Kammer zu dem Ergebnis, dass das gesamte Tatbild, einschließlich aller subjektiven Merkmale, unter Berücksichtigung der Täterpersönlichkeit und des Umfangs der Betäubungsmittel und deren Wirkstoffmengen jeweils in einem Maß zu Gunsten des Angeklagten von einem durch-schnittlichen Fall abweicht, dass die Anwendung des geminderten Strafrahmens des § 29a Abs. 2 BtMG geboten erscheint und ein minderschwerer Fall jeweils angenommen werden kann. Der anzuwendende Strafrahmen ist daher zur Überzeugung der Kammer zu mildern.
d) Der Anwendung des gemilderten Strafrahmes des § 29a Abs. 2 BtMG von drei Monaten bis zu fünf Jahren steht auch nicht die tateinheitlich mitverwirkliche Tat des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG entgegen, deren Strafrahmen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe nicht über dem gemilderten Strafrahmen des § 29a BtMG liegt.
II. Strafzumessung i.e.S.
Die unter E. I. 2. a) und E. I. 2. b) angeführten Strafzumessungsgesichtspunkte waren auch maßgeblich für die Zumessung der Strafe im engeren Sinne. Zu Lasten des Angeklagten war dabei ergänzend zu berücksichtigen, dass er tateinheitlich drei Straftatbestände erfüllt hat. Unter Abwägung der danach jeweils für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte erachtet die Kammer unter Anwendung des maßgeblichen Strafrahmens des § 29a Abs. 2 BtMG unter besonderer Berücksichtigung von Art und Menge der Betäubungsmittel, eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren 6 Monaten als tat- und schuldangemessen. Die Kammer hat dabei auch besonders berücksichtigt, dass es sich bei allen drei verwirklichten Tatbeständen um solche aus dem Betäubungsmittelstrafrecht und damit um prinzipiell wesensgleiche Delikte handelt.
F. Maßregel gemäß § 64 StGB
Eine Unterbringung des Angeklagten M2. in einer Entziehungsanstalt gem. § 64 StGB war nicht anzuordnen. Es besteht derzeit keine Gefahr, dass der Angeklagte aufgrund seines Hangs erneut erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
I. Hang und symptomatischer Zusammenhang
Sachverständig beraten durch die psychiatrische Sachverständige Dr. P1., welche der Kammer aus einer Vielzahl von Verfahren als äußerst erfahren und sachkundig bekannt ist, kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass aufgrund der Feststellungen zum Betäubungsmittelkonsum des Angeklagten und zu dem unter B. I. festgestellten verfahrens-gegenständlichen Sachverhalt davon auszugehen ist, dass bei dem Angeklagten ein Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, vorliegt, sowie dass ein symptomatischer Zusammenhang zwischen diesem Hang und den verfahrens-gegenständlichen Taten (B. I.) besteht.
1. Von einem Hang ist auszugehen, wenn eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung besteht, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung (noch) nicht den Grad physischer Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein Konsum „im Übermaß“ liegt zum einen vor, wenn der Täter berauschende Mittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass seine Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt wird (BGH, NStZ 2007, 697). Ausreichend ist aber bereits, wenn der Betroffene aufgrund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint, was insbesondere bei sogenannter Beschaffungskriminalität zu bejahen ist (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2016 – 1 StR 480/16 -, juris, Rn. 5).
Die Sachverständige Dr. P1. führte dazu aus, dass bei dem Angeklagten das Kriterium des Hangs aus psychiatrischer Sicht vorläge. So scheine ein Hang ausweislich der Erkenntnisse aus Suchtanamnese und biographischer Entwicklung des Angeklagten die treibende Neigung zu sein, Cannabis und Kokain im Übermaß zu konsumieren, wenn man davon ausgehe, dass der Hang durch das Vorliegen einer schweren Substanzgebrauchsstörung ausreichend definiert sei. Diagnostisch hätten im verfahrensgegen-ständlichen Zeitraum bei dem Angeklagten ein schädlicher Gebrauch von Kokain (ICD-10: F14.1) sowie eine psychische und Verhaltensstörung durch Cannabinoide (ICD-10: F 12.2) bestanden. Komorbide Störungen seien nicht festgestellt worden. Auch eine Persönlichkeitsveränderung durch Drogenkonsum im Sinne einer Depravation habe bei dem Angeklagten nicht vorgelegen. Hinsichtlich des Konsums von Cannabis (ICD-10: F 12.2) würden bei dem Angeklagten vier von insgesamt sechs Diagnosekriterien nach ICD-10 vorliegen, nämlich ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren, eine verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich Beginn, Beendigung und Menge des Konsums, eine fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Substanzgebrauchs mit einem erhöhten Zeitaufwand, um die Substanz zu beschaffen, zu konsumieren und sich von den Folgen zu erholen, und anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweis eindeutig schädlicher Folgen auf psychischer und körperlicher Ebene. Auch nach den Kategorien des DSM-5 erfülle der Angeklagte die Kriterien einer schweren Substanzmittelstörung, da acht von elf möglichen Kriterien erfüllt seien.
Unter Berücksichtigung der Ausführungen der Sachverständigen Dr. P1. kam die Kammer aufgrund eigener Überzeugungsbildung und insbesondere im Hinblick darauf, dass die verfahrensgegenständlichen Taten auch der Beschaffungskriminalität zuordnen sind zu dem Ergebnis, dass bei dem Angeklagten ein Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, vorliegt.
2. Es besteht auch ein symptomatischer Zusammenhang zwischen Hang und der verfahrensgegenständlichen Tat. Eine Tat hat dann Symptomcharakter, wenn sie in dem Hang ihre Wurzel findet, also Symptomwert für den Hang des Täters zum Missbrauch von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln hat (BGH, NStZ-RR 2014, 75), also – zumindest mitursächlich – auf den Hang zurückgeht (BGH, NStZ-RR 2016, 113, 114). Aus dem Umstand, dass der verfahrensgegenständliche Handel mit Betäubungsmitteln zumindest auch der Beschaffung von Betäubungsmitteln für den Eigenkonsum und der Finanzierung des eigenen Rauschmittelbedarfs dienen sollte, ergibt sich zugleich, dass zwischen der abzuurteilenden Straftat und dem Hang des Angeklagten zum übermäßigen Konsum von Betäubungsmitteln ein zumindest mitursächlicher symptomatischer Zusammenhang besteht, da nicht erkennbar ist, dass der Angeklagte die verfahrensgegenständlichen Taten auch für den Fall begangen hätte, dass er selbst im Tatzeitraum keinen eigenen Betäubungsmittelbedarf gehabt hätte.
II. Fehlende Wiederholungsgefahr
Eine Unterbringung kommt gemäß § 64 Satz 1 StGB allerdings nur in Betracht, wenn die Gefahr besteht, dass der Täter in Folge seines Hangs erhebliche rechtswidrige Taten auch in Zukunft begehen wird. Eine solche Gefahr weiterer Taten ist anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Hauptverhandlung die begründete Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass der Täter in Folge seines Hanges erneut straffällig werden wird. Eine bloße Wiederholungsmöglichkeit genügt nicht, vielmehr muss bei der hierzu anzustellenden Gefährlichkeitsprognose ein Übergewicht der negativen Faktoren festgestellt werden. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kommt die Kammer nach Würdigung sämtlicher danach relevanter Umstände zu dem Ergebnis, dass im Fall des Angeklagten derzeit keine Gründe für eine Prognose vorliegen, wonach er mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit erneut straffällig werden würde.
Ausweislich der Ausführungen der Sachverständigen Dr. P1. im Rahmen ihrer Gutachtenserstattung in der Hauptverhandlung stellt ein intakter sozialer Empfangsraum (Arbeit, Familie, Wohnung) eine Voraussetzung für einen psychisch stabilen Angeklagten dar, was wiederum Voraussetzung für einen Therapieerfolg ist. Vor diesem Hintergrund besteht aus therapeutischer Sicht hinsichtlich einer stationären Therapie die Gefahr, jedenfalls den Faktor Arbeit von den momentan insgesamt vorhandenen positiven Faktoren wegbrechen zu lassen. Bei dem Therapiebedarf des Angeklagten handle es sich nicht nur um ein reines Suchtproblem, sondern es fehle auch an einer Emotionsregulation bei dem Angeklagten, woran gearbeitet werden müsse in einer individuellen Therapie. Unabhängig davon habe der Angeklagte viele Ressourcen, welche er auch in der Lage sei, einzusetzen. Vor diesem Hintergrund sieht die Sachverständige ausnahmsweise keinen Mehrgewinn für den Angeklagten durch eine stationäre Therapie gegenüber einer ambulanten Maßnahme, da sie die Effektivität der ambulanten Maßnahme aufgrund der Eigendynamik und Motivation des Angeklagten bei Fortbestehen des Arbeitsplatzes als höher einschätzt, als die Summe der Vorteile der stationären Therapie. Stattdessen wäre aus Sicht der Sachverständigen aus psychiatrischer Sicht eine hochfrequente ambulante Betreuung des Angeklagten wünschens-wert, etwa durch zweimalige ambulante Verhaltenstherapie pro Woche, flankiert durch eine Gruppensitzung pro Woche und nach Möglichkeit auch eine Selbsterfahrungsgruppe; nach voraussichtlich etwa drei Monaten könne die Einzeltherapie auch auf einmal pro Woche reduziert werden. Dabei stünde im Vordergrund der Aspekt einer kognitiven Verhaltenstherapie, weniger einer Suchttherapie. Der ideale Therapiebedarf des Angeklagten sei sehr individuell, jedoch auch auf Evidenz basierten Studienergebnissen begründbar. Eine etwaige ambulante Therapie des Angeklagten könne aus Sicht der Sachverständigen sinnvollerweise von Haarprobenkontrollen hinsichtlich des Betäubungsmittelkonsums des Angeklagten begleitet werden. Dadurch würde die ohnehin geringe Wahrscheinlichkeit für einen Rückfall nochmals erheblich vermindert.
Hierbei hat die Kammer auch berücksichtigt, dass der Angeklagte bislang nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Die Anlasstaten sind einer eher kurzen, nunmehr abgeschlossenen Lebensperiode zuzuordnen, die durch eine soziale Nähe zum anderweitig Verfolgten Pero J2. geprägt ist. Der Angeklagte hat bereits während der Untersuchungshaft konkrete Anstrengungen unternommen zur Vorbereitung der therapeutischen Aufarbeitung seines Suchtproblems. Ein sozialer Empfangsraum in Form von Wohnung, Familie und Arbeit ist zum momentanen Zeitpunkt gegeben.
Im Anschluss an die Einschätzung der Sachverständigen Dr. P1. sieht die Kammer aufgrund eigener Überzeugungsbildung auch aus juristischer Sicht eine hinreichende Wiederholungsgefahr als Voraussetzung für eine Unterbringung nach § 64 StGB hier als nicht gegeben an, auch wenn gleichwohl auch die Kammer den Therapiebedarf des Angeklagten hier sieht.
G. Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG
Wie unter F. dargestellt, hat der Angeklagte die Tat in einem symptomatischen Zusammenhang mit seinem Hang, welcher ausweislich der Ausführungen der Sachverständigen Dr. P1. diagnostisch aus einem schädlichen Gebrauch von Kokain (ICD-10:F14.1) sowie einer Abhängigkeit von Cannabinoiden (ICD-10:F12.2) besteht, begangen.
Insgesamt hat eine aktuell fehlende Wiederholungsgefahr – auch nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. P1. – keinen Einfluss auf den vorhandenen Therapiebedarf des Angeklagten. Ein solcher Therapiebedarf ergibt sich auch aus den Angaben der Zeugin G2. G3., welche die Drogenberatungen in der JVA M. bei dem Angeklagten regelmäßig durchführte. Nach ihrer Ansicht bräuchte der Angeklagte nicht nur allgemeine, sondern auch therapeutische Unterstützung, um seine vielen Fähigkeiten aktiv entfalten zu können.
Grundsätzlich benötigt der Angeklagte zur Bekämpfung seiner Drogensucht spezifische Therapiemaßnahmen.
H. Einziehung
Über eine Einziehung der sichergestellten Gegenstände war nicht zu entscheiden, soweit sich der Angeklagte mit der formlosen Einziehung einverstanden erklärt hat.
Gegen den Angeklagten war jedoch gem. §§ 73 Abs. 1, 73c Abs. 1 StGB die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 9.000 Euro anzuordnen. Der Angeklagte hat durch die festgestellten Betäubungsmittelgeschäfte Geld jedenfalls in dieser Höhe vereinnahmt. Es handelt sich dabei jeweils um Mindestsummen, die auch aus den Einkaufspreisen errechnet wurden, da insoweit die genauen Beträge nicht feststellbar waren. Hinsichtlich des Kokains werden dazu 5.000 Euro in Ansatz gebracht, die auf dem Einkaufspreis basieren, hinsichtlich des nicht sichergestellten Teils des Marihuanas 4.000 Euro, wobei von einer verkauften Menge von 400 Gramm zu jeweils 10 Euro pro Gramm auszugehen ist.
Da dieses Geld aufgrund der zwischenzeitlich stattgefundenen Vermengung nicht mehr individualisierbar ist, war die Anordnung der Einziehung eines bestimmten Gegenstandes gemäß § 73 Abs. 1 StGB nicht mehr möglich, sodass die Einziehung des Wertersatzes gem. § 73c Abs. 1 StGB in entsprechender Höhe anzuordnen war. Ein Abzug der vom Angeklagten entrichteten Einkaufspreise kommt gem. § 73b Abs. 1 S. 1 StGB nicht in Betracht.
I. Sachverhalt der zugelassenen Anklage, soweit ein Freispruch erfolgte
Dem Angeklagten wurde neben dem unter B. I. festgestellten Sachverhalt von der Staatsanwaltschaft unter Ziffer 1 der zugelassenen Anklage vom 18.01.2021 folgender Sachverhalt zur Last gelegt:
Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt am 01.05.2020 zwischen 17:11 Uhr bis 18:44 Uhr kauften und übernahmen der Angeklagte und der anderweitig Verfolgte Pero J2. aufgrund eines zuvor gemeinsam gefassten Tatplans in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken von einer namentlich nicht näher bekannten Person an einem nicht näher bekannten Ort in Bielefeld, vermutlich im Bereich der Straße Lohbreite oder der Straße Stapelbrede, mindestens 36,4065 Kilogramm Marihuana und 54,12 Gramm Kokaingemisch.
Für die Beschaffungsfahrt nutzten der Angeklagte und der anderweitig Verfolgte Pero J2. den im Eigentum der BMW AG stehenden und über die S. GmbH & Co. Autovermietung KG gemieteten Pkw BMW 530d xDrive (Fahrzeug-Identifizierungsnummer WBA…8). Entsprechend ihrem Tatplan verwahrten der Angeklagte und der anderweitig Verfolgte Pero J2. die Betäubungsmittel zunächst in oder in der Nähe der Wohnung des Angeklagte in der B2. Straße 44 in H2. auf und versteckten es zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen 12.05.2020 und 09.06.2020 in der Garage auf dem Grundstück O. straße 13 in Ka.
Dabei planten der Angeklagte und der anderweitig Verfolgte Pero J2., durch einen späteren gemeinschaftlichen Verkauf des weit überwiegenden Teils der Betäubungsmittel Gewinn zu erzielen. Der geringere Teil der Betäubungsmittel war zum Eigenkonsum bestimmt.
Von dem Marihuana wiesen 9.483,4 Gramm einen Wirkstoffgehalt von mindestens 18,1% auf, enthielten somit mindestens 1.716,4 Gramm Tetrahydrocannabinol. Weitere 3.366 Gramm hatten einen Wirkstoffgehalt von mindestens 13,4% und damit mindestens 451 Gramm Tetrahydrocannabinol. Eine Teilmenge von 6.689 Gramm wies einen Wirkstoffgehalt von mindestens 18,2% auf, enthielt somit mindestens 1.217,4 Gramm Tetrahydrocannabinol. Weitere 5.969,1 Gramm hatten einen Wirkstoffgehalt von mindestens 13,4% und enthielten damit mindestens 811,8 Gramm Tetrahydrocannabinol. Eine Teilmenge von 7.925,8 Gramm wies einen Wirkstoffgehalt von mindestens 18,1% auf, enthielt somit mindestens 1.434,5 Gramm Tetrahydrocannabinol. Die letzten 2.973,2 Gramm Marihuana hatten einen Wirkstoffgehalt von mindestens 16,5% und enthielten damit mindestens 490,7 Gramm Tetrahydrocannabinol. In der Summe enthielt das Marihuana mindestens 6.121,8 Gramm Tetrahydrocannabinol.
Das Kokain wies einen Wirkstoffgehalt von mindestens 63,2% auf, enthielt somit mindestens 34,2 Gramm Kokainhydrochlorid.
Insgesamt war die nicht geringe Menge hinsichtlich des Gehalts an Tetrahydrocannabinol und Kokainhydrochlorid mindestens um das über 823,08-fache überschritten. Diese Wirkstoffgehalte nahmen der Angeklagte und der anderweitig Verfolgte Pero J2. zumindest billigend in Kauf.
Dem Angeklagten wurde deshalb vorgeworfen, sich durch eine weitere selbständige Handlung des gemeinschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit gemeinschaftlichem vorsätzlichem unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln strafbar gemacht zu haben.
J. Festgestellter Sachverhalt zu I.
Demgegenüber hat das Gericht eine wie auch immer geartete Beteiligung des Angeklagten an einem Sachverhalt bezüglich der am 09.06.2020 in der Garage des Anwesens O. straße 13 in Ka. gefundenen Betäubungsmittel (36,4065 Kilogramm Marihuana und 54,12 Gramm Kokaingemisch) nicht feststellen können.
Fest steht, dass es eine Fahrt des Angeklagten und des anderweitig Verfolgten Pero J2. wie in der Anklage beschrieben am 01.05.2020 mit einem Mietwagen nach Bielefeld gab und dass diese Fahrt in Bezug zu einem Betäubungsmittelgeschäft stand. Eine Verbindung von dieser Fahrt zu den in der Garage aufgefundenen Betäubungsmitteln konnte jedoch nicht festgestellt werden. Etwaige Betäubungsmitteldelikte bezüglich weiterer Mengen an Betäubungsmitteln sind von der Anklage nicht umfasst und daher nicht Gegenstand des Verfahrens.
K. Beweiswürdigung zu J.
I. Die Beteiligung des Angeklagten an einer Fahrt am 01.05.2020 mit einem von ihm gemietetem Mietfahrzeug der Firma Sixt nach Bielefeld steht fest aufgrund der insoweit geständigen Einlassung des Angeklagten hierzu, welches insbesondere durch die Ergebnisse der Auswertung der Fahrzeugtelematik des gemieteten Fahrzeugs und das Ergebnis eines molekulargenetischen Gutachtens, wonach an einer im Kofferraum des Mietwagens aufgefundenen Augustinerbierflasche die DNA des Angeklagten festgestellt werden konnte, insoweit bestätigt.
II. Nicht bestätigt werden konnte in der Hauptverhandlung eine Verbindung zwischen dieser Fahrt und den am 09.06.2020 in Ka. aufgefundenen Betäubungsmitteln.
1. Sowohl der Angeklagte als auch der anderweitig Verfolgte Pero J2. bestritten, dass der Angeklagte irgendetwas mit den in der Garage gefundenen Betäubungsmitteln zu tun habe.
2. Eine Verbindung zwischen der Fahrt am 01.05.2020 und den am 09.06.22020 aufgefundenen Betäubungsmitteln wäre nach der Erfahrung der Kammer, welche sich schwerpunktmäßig mit Betäubungsmittelstraftaten befasst, zunächst einmal auch jedenfalls ungewöhnlich, da ein verhältnismäßig sehr langer Zeitraum zwischen den beiden Zeitpunkten liegt, und Betäubungsmittel in diesem Umfang üblicherweise mit sehr viel kürzeren Kontaktzeiten zu den Tätern behandelt werden.
3. Darüber hinaus hätten der Angeklagte und der anderweitig Verfolgte J2., wie ihnen auch in der Anklageschrift vorgeworfen wird, erst ab dem 12.05.2020 Zugriff auf das Grundstück O. straße 13 in Ka. und damit auch auf das Versteck in der Garage gehabt. Am 12.05.2020 fand die Schlüsselübergabe für das Grundstück an die Käufer des Grundstücks, die Schwester und die Eltern des anderweitig Verfolgten Pero J2., statt. Zuvor war die Garage nach übereinstimmenden Auskünften stets ab- und verschlossen gewesen. Dies schilderten in der Hauptverhandlung die Zeugen T. L., der Vorbesitzer des Grundstücks, und Alfred Fr., der Nachbar, der das direkt gegenüber der Garageneinfahrt liegende Grundstück bewohnt, übereinstimmend. Es bliebe demnach ungeklärt, wie die Herausforderung, eine derart große Menge an Betäubungsmitteln zwischen dem 01.05.2020 und dem 12.05.2020 sicher und versteckt aufzubewahren, gemeistert werden konnte. Hierzu konnten keinerlei Feststellungen getroffen werden.
4. Die in der Garage, in welcher sich auch das Betäubungsmittelversteck befand, unter anderem aufgefundene Mietwagenquittung für die Fahrt am 01.05.2020 reicht nicht aus, um einen zwingenden Konnex zwischen dem Angeklagten und der Fahrt am 01.05.2020 nach Bielefeld und den in der Garage aufgefundenen Betäubungsmitteln herzustellen. Es ist nach Durchführung der Beweisaufnahme unklar, wo sich diese Mietwagenquittung genau befunden hat. So konnten die Beamten des Erstzugriffs, namentlich der in der Hauptverhandlung vernommene PHK Hö., und der mit der Spurensicherung betraute KHK Pe., keine Angaben dazu machen, ob der Zettel in der Grube bei den Betäubungsmitteln lag; er sei erst aufgefallen, als er unter den Tüten mit den Betäubungsmitteln auf dem Garagenboden gefunden wurde, nachdem diese aus dem Versteck in der Montagegrube geborgen worden waren. Auch von den Arbeitern, die in ihrer Mittagspause die Betäubungsmittel gefunden hatten, namentlich den Zeugen R3. K3. und F3. H3., konnten keinerlei Beobachtungen zu der Mietwagenquittung berichtet werden. Es bleibt somit unklar, wie dieser Zettel in die Garage gekommen ist, und ob er sich überhaupt in unmittelbarer Nähe zu den Betäubungsmitteln vor deren Bergung aus dem Grubenversteck befand. Selbst wenn er in unmittelbarer Nähe zu den Betäubungsmitteln schon vor deren Entdeckung gelegen hätte, so wäre offen, wie und wann er dorthin gelangte. An dem Mietwagenbeleg konnte ausweislich des in der Hauptverhandlung verlesenen daktyloskopischen Gutachtens des LKA dazu nur eine Fingerspur des anderweitig Verfolgten J2. festgestellt werden, aber keine Spuren des Angeklagten. Ein Tatnachweis gegen den Angeklagten ist anhand oder mit der Mietwagenquittung nicht zu führen.
5. Ausweislich der in der Hauptverhandlung von dem Sachverständigen Dr. D. erstatteten molekulargenetischen Gutachten sowie der in der Hauptverhandlung verlesenen daktyloskopischen Gutachten des LKA gab es in der Garage unter anderem zwei DNA-Treffer hinsichtlich des Angeklagten an einer Feinwaage sowie an einer Stofftasche. Beide Treffer befinden sich jedoch nicht im räumlichen Zusammenhang mit den Betäubungsmitteln in der Montagegrube, sondern befanden sich in einem Schrank, bzw. auf einem Regal an der Innenseite der Außenwand der Garage. Die DNA-Treffer können, wie viele weitere DNA-Spuren in der Garage, zwanglos damit erklärt werden, dass nach übereinstimmenden Angaben daran Beteiligter – namentlich insbesondere des Angeklagten und der anderweitig Verfolgten Pero J2., Daniela-Christina P4. und Mantas D4. – in der Zeit zwischen dem 12.05.2020 – dem Datum der Schlüsselübergabe – und dem 09.06.2020 – dem Tag, an dem von den Arbeitern die Betäubungsmitteln in ihrer Mittagspause zufällig aufgefunden wurden – regelmäßig Zusammenkünfte kleinerer Personengruppen (auf so genannte „After-Work-Partys“) auf Betreiben des anderweitig Verfolgten Pero J2. auf dem unbewohnten Grundstück stattfanden, bei welchem in dem Haus und auf dem gesamten Grundstück Alkohol und Zigaretten sowie auch Betäubungsmittel konsumiert wurden. An jedenfalls zwei dieser Treffen nahm auch der Angeklagte teil. Diese Treffen lassen sich auch zwanglos mit den im Frühjahr 2020 geltenden pandemiebedingten Ausgangsbeschränkungen in Einklang bringen; mangels Alternativen erscheint das zum damaligen Zeitpunkt als solches klassifizierte Abbruchhaus als Treffpunkt für Privatpartys prädestiniert.
6. Auch der Umstand, dass der Angeklagte möglicherweise schon vor dem 09.06.2020 von der Existenz der Betäubungsmittel wusste – auf welchem Weg auch immer er davon erfahren hatte – ist nicht ausreichend, um eine Beteiligung an einer Tat hinsichtlich der in der Grube gefundenen Betäubungsmittel nachzuweisen.
L. Kosten
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 464 Abs. 1, Abs. 2, 465 Abs. 1, 467 Abs. 1 StPO.


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