Strafrecht

Entfernung eines Polizeibeamten aus dem Beamtenverhältnis, Unerlaubte Einfuhr von Marihuana zum Eigenbedarf, Strafrechtl. minder schwerer Fall, Vorzeigen des Dienstausweises bei polizeil. Kontrolle, Beschaffungsfahrt, Drogentherapie

Aktenzeichen  M 13L DK 19.806

Datum:
9.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11674
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 11
BeamtStG § 47
BeamtStG §§ 33 ff.
BtMG § 30

 

Leitsatz

Tenor

I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Auf die Disziplinarklage des Klägers hin wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt. Der Beklagte hat – wenngleich zum Eigengebrauch – durch eine strafrechtlich mit acht Monaten Freiheitsstrafe abgeurteilte – unerlaubte Einfuhr von 155 g Marihuana im Rahmen einer Beschaffungsfahrt bis nach Amsterdam ein derart schweres außerdienstliches Dienstvergehen begangen, dass unter Berücksichtigung des Vorzeigens des Dienstausweises bei der polizeilichen Kontrolle trotz erfolgreicher Suchtbehandlung ein vollständiger Vertrauensverlust und damit die Höchstmaßnahme ausgenommen wird.
I. Formelle Mängel des Disziplinarverfahrens sind weder i.S.v. Art. 53 Abs. 1 BayDG innerhalb der gesetzlichen Frist geltend gemacht noch von Amts wegen ersichtlich. Insbesondere ist dem Beklagten jeweils Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt worden.
II. 1. Dem disziplinarischen Vorwurf gegenüber dem Beklagten liegen folgende tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigten Urteil des Amtsgerichts Krefeld vom 2. Februar 2018 – Az. 24 Ls-2 JS … – zugrunde:
„Am 07.03.2017 reiste der Beklagte gegen 12:55 Uhr als Führer des Pkw Daimler mit dem amtlichen Kennzeichen … … aus den Niederlanden kommend über die BAB … im Bereich der Gemeinde N. in die Bundesrepublik Deutschland ein. Im Kofferraum des von ihm geführten Fahrzeugs führte er dabei bewusst 155,10 g Marihuana mit sich, das er am selben Tag in einem Coffeeshop in Amsterdam zum Eigenkonsum für 1.800 Euro erworben hatte. Wie der Beklagte für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, hatte das Marihuana einen Wirkstoffgehalt von 21,0 g Tetrahydrocannabinol. Unmittelbar hinter dem Grenzübergang wurde er zur Durchführung einer Rauschgifteinfuhrkontrolle in die Ausfahrt K. gelotst und das Fahrzeug dort polizeilich überprüft, wobei die mitgeführten Betäubungsmittel aufgefunden und durch ihre Sicherstellung aus dem Verkehr gezogen wurden.“
Dieser Sachverhalt steht aufgrund Bindungswirkung gemäß Art. 25 Abs. 1 BayDG für das Disziplinarverfahren fest und wurde zudem vom Beklagten eingeräumt.
2. Im Übrigen ergibt sich aus der Strafakte, insbesondere dem Vermerk vom 7. März 2017 – Az. 500000- … (Bl. 2 d. Strafakte), dass der Beklagte „sofort nach dem Anhalten unaufgefordert“ mit seinen Dienstausweis der Bayerischen Polizei „aus dem Fenster der Fahrertür winkte“, nachdem die Polizeibeamten des Polizeipräsidiums Düsseldorf den Beklagten am .. März 2017 angehalten hatten.
Soweit der Beklagte hierzu im Strafverfahren und in der mündlichen Verhandlung am .. Mai 2022 angab, er habe gedacht, einen Beamten zu kennen und habe durch das Vorzeigen des Dienstausweises seine kollegiale Ansprache der Polizeibeamten rechtfertigen wollen, kann dies zu Gunsten des Beklagten als wahr unterstellt werden.
III. Der Beklagte hat durch das ihm zur Last gelegte Verhalten ein außerdienstliches Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG begangen.
Eine disziplinarrechtliche Relevanz des außerdienstlichen Verhaltens ergibt sich dabei bereits aus dem Strafrahmen bis zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren (vgl. std. Rspr.; BVerwG, B.v. 18.6.2014 – 2 B 55/13 – juris Rn. 11 m.w.N.).
Der Beklagte hat durch die unerlaubte Einfuhr von 155 g Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 21,0 g Tetrahydrocannabinol (THC) gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, 30 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, 33, Anl. I bis III zu § 1 Abs. 1 BtMG verstoßen. Damit handelte er auch der Pflicht nach § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG zu ansehens- und vertrauenswürdigem Verhalten zuwider.
Durch das Vorzeigen seines Dienstausweises verstieß der Beklagte zudem gegen die Gehorsamspflicht nach § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG. Nach Zif. 4.7 der Vorschrift über Polizeidienst-, Beschäftigungs- und Dienstausweise, Kriminaldienstmarken (PRdS-P2-6350.1.1/13) sind Ausweise und Kriminaldienstmarken nur für dienstliche Zwecke zu verwenden und dürfen nicht benutzt werden, um private Vorteile zu erlangen. Dadurch handelte er auch eigennützig im Wegen eines Verstoßes gegen § 34 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, da er durch sein Verhalten zumindest den Eindruck erweckte, sich durch den Dienstausweis einen privaten Vorteil verschaffen zu wollen. Dass der Beklagte hierauf seinen – als wahr unterstellten – Angaben in der mündlichen Verhandlung nach nicht abzielte, lässt den Vorwurf nicht entfallen. Dem Beklagten ging es zweifelsfrei darum, als Kollege der Polizei erkannt zu werden, und nahm dabei billigend in Kauf, bei den ihn kontrollierenden Polizeibeamten könnte der Anschein entstehen, durch das Vorzeigen des Dienstausweises eine Relevanz in Bezug auf die Fahrzeugkontrolle bewirken zu wollen.
Der Beamte handelte schuldhaft und ohne Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgründe. Insbesondere sind trotz des Suchtverhaltens des Beklagten zum Tatzeitpunkt – entgegen den Ausführungen der Strafverteidigerin in der Strafverhandlung – keine hinreichenden Anhaltspunkte ersichtlich und finden sich im Urteil des Amtsgerichts Krefeld insoweit auch keine weiteren Ausführungen, dass die Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB beim Beklagten vorliegen könnten.
IV. Das Dienstvergehen wiegt derart schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG, dass ein endgültiger und vollständiger Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit in den Beklagten eingetreten ist. Unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten des Beklagten als Gesichtspunkte der Maßnahmebemessung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG kommt keine andere Maßnahme als die Höchstmaßnahme mehr in Betracht.
Der Maßnahmebemessung liegen dabei die in Art. 14 BayDG genannten und in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. BayVGH, U.v. 28.7.2021 – 16a D 19.989 – beck-online Rn. 83 f.) bezugnehmend auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 13 BDG (U.v. 29.5.2008 – 2 C 59.07 – juris; U.v. 11.5.2016 – 16a D 13.1540 – juris Rn. 61; U.v. 18.1.2017 – 16a D 14.1992 – juris Rn. 34) entwickelten Kriterien zugrunde.
1. Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung ist die Schwere des Dienstvergehens, wobei von der schwersten Dienstpflichtverletzung auszugehen ist, vorliegend somit der strafbaren unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln.
a) Angesichts des Strafrahmens, der nach std. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei außerdienstlichen Dienstpflichtverletzungen durch die gesetzgeberische Wertung zum Unwert des Verhaltens einen Orientierungsrahmen entfaltet (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50/13 – juris Rn. 15 ff.), ist mit einer Strafandrohung auch im minder schweren Fall des § 30 Abs. 2 BtMG mit drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe ein Orientierungsrahmen bis zur Höchstmaßnahme eröffnet (vgl. VG Berlin, U.v. 4.10.2011 – 80 K 6/11 – juris). Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (BVerwG, a.a.O., Rn. 12). Bei Polizeivollzugsbeamten gilt dies in besondere Weise aufgrund ihrer Kernaufgabe der präventiven Verhütung sowie repressiven Verfolgung von Straftaten. Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz sind dabei besonders geeignet, die Vertrauenswürdigkeit in außerordentlicher Weise zu beeinträchtigen (so auch VG Wiesbaden, U.v. 29.7.2015 – 28 K 148/13.WiD – juris Rn. 24). Für die disziplinare Bewertung des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ist das Anliegen des Gesetzgebers von erheblicher Bedeutung, mit diesem Gesetz den schädlichen Auswirkungen des zunehmenden Rauschgiftkonsums vorzubeugen und so Gefahren von Einzelnen und der Allgemeinheit abzuwehren. Ein Beamter, der außerhalb des Dienstes gegen Strafvorschriften verstößt, die solch wichtige Gemeinschaftsbelange schützen und damit einem bedeutsamen staatlichen Anliegen dienen sollen, missachtet insoweit wichtige Vorschriften zum Schutz der Bevölkerung und offenbart eine grob sozialschädliche Haltung. Ein Verstoß gegen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes ist deshalb in besonderem Maße geeignet, die dem Beamten zukommende Achtung und seine dienstliche Vertrauenswürdigkeit in außerordentlicher Weise zu beeinträchtigen. Im Fall eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz geht die Rechtsprechung bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme davon aus, dass der Beamte, der den staatlichen Zielen, den Auswirkungen des zunehmenden Rauschgiftkonsums vorzubeugen und so unabsehbare Gefahren für den Einzelnen und die Allgemeinheit abzuwehren, zuwider handelt, eine grob rücksichtslose Haltung gegenüber der Allgemeinheit offenbart (VGH Baden-Württemberg, U.v. 25.2.2010 – DL 16 S 2597/09 – juris Rn. 34).
b) Die Ausschöpfung des maßgeblich in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn dies auch dem Schweregehalt des vom Beamten konkret begangenen Dienstvergehens entspricht (BVerwG, a.a.O. Rn. 17). Dabei verbietet sich ein wie auch immer gearteter Schematismus (BVerwG, a.a.O. m.w.N.). Angesichts der Variationsbreite möglicher Verwirklichungsformen pflichtwidrigen Verhaltens im Bereich des Betäubungsmittelrecht ist das disziplinare Gewicht des Dienstvergehens daher von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig (VGH Baden-Württemberg, a.a.O.; BVerwG, U.v. 7.5.1996 – 1 D 82/95 – in Bezug auf den Erwerb geringer Mengen von Cannabisprodukten).
(1) Indiziell kann zur Bestimmung der Schwere des im Einzelfall begangenen Dienstvergehens im Falle einer außerdienstlich begangenen Straftat auf die von Strafgerichten ausgesprochene Sanktion zurückgegriffen werden, bei der schließlich der jeweilige Einzelfall bereits tatrichterlich aus strafrechtlicher Sicht gewürdigt wurde. (BVerwG, a.a.O. Rn. 18).
Die vorliegende Verurteilung zu acht Monaten Freiheitsstrafe legt dabei nahe, von einer derart schweren Dienstpflichtverletzung auszugehen, dass die Höchstmaßnahme in Betracht kommt, ist eine solche Freiheitsstrafe bei einem Ersttäter doch gerade nicht mehr am unteren Rande strafrechtlicher Ahndung anzusiedeln.
Dabei verkennt das Gericht nicht, dass strafrechtlich ein minder schwerer Fall nach § 30 Abs. 2 BtMG bejaht wurde. Im Strafurteil stellt das Gericht insoweit heraus, das gesamte Tatbild weiche hinsichtlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle ab. Damit wird (jedoch) begründet, dass der Ausnahmestrafrahmen von drei Monaten bis fünf Jahren als eröffnet gesehen wird und nicht der grundsätzliche Strafrahmen einer Freiheitsstrafe von nicht unter zwei Jahren. In ihrer Gesamtheit würden die mildernden Faktoren so beträchtlich überwiegen, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens eine unverhältnismäßige Härte darstellen würden, so im Strafurteil dargelegt. Bei der Übertragung auf die disziplinarrechtlichen Maßstäbe ist aber zu beachten, dass bei Anwendung des Regelstrafrahmens der Beamte bereits kraft Gesetzes nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG seinen Beamtenstatus verloren hätte. Die strafrechtliche Einwertung eines minder schweren Falls der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln führt somit nicht ohne weiteres zur Annahme, dass auch ein nur minder schweres Dienstvergehen vorliegt. Vielmehr indiziert die achtmonatige Freiheitsstrafe bei dem strafrechtlich nicht vorbelasteten Beklagten die erhebliche Schwere der Dienstpflichtverletzung.
Soweit in den Gründen des Strafurteils ausgeführt – und vom Bevollmächtigten des Beklagten darauf hingewiesen – wird, die einführte Wirkstoffmenge unterschreite noch das Dreifache des nach ständiger Rechtsprechung mit 7,5 g Tetrahydrocannabinol (THC) bemessenen Grenzwerts für die nicht geringe Menge im Sinne der verletzten Strafnorm, ist vorliegend das Tatbestandsmerkmal der „nicht geringen Menge“ bei mindestens 7,5 g THC erfüllt (vgl. BGH, B.v.20.12.1995 – 3 StR 245/95) und dieser Aspekt bei der Maßnahmebemessung für das Disziplinargericht darüber hinaus nicht von Belang.
(2) Bei der darüber hinaus gebotenen Betrachtung der Umstände des Einzelfalls verkennt das Gericht nicht, dass dem Beklagten (nur) ein einmaliges strafrechtlich relevantes Verhalten bei der Drogenbeschaffung zur Last gelegt wird und der Beklagte sog. „weiche“ Drogen zum Zweck des Eigenbedarfs eingeführt hat.
Dabei fällt der Aspekt der Beschaffung zum Eigenbedarf zur Selbstmedikation wegen Migräneattacken mildernd, jedoch nicht durchgreifend ins Gewicht. Dem Beklagten ist es, wie jedem anderen gesetzesunterworfenen Bürger, versagt, Selbstheilung oder Schmerzlinderung dadurch zu erreichen, dass er Betäubungsmittel unter Verstoß gegen bestehende Straftatbestände des Betäubungsmittelgesetzes erwirbt. Es darf und muss vielmehr von ihm erwartet werden, dass er sich im Rahmen der bestehenden Krankenversorgung der angebotenen – gesetzlich erlaubten – Medikamente bzw. ärztlichen Hilfsleistungen bedient (VG Wiesbaden, U.v. 29.7.2015 – 28 K 148/13.WiD – juris Rn. 33). Zudem hatte sich – den unbestrittenen Ausführungen im Strafurteil nach – die anfängliche Selbstmedikation zur Behandlung von Migräneattacken beim Beklagte zu einer beständigen Konsumneigung mit bis zu fünf Joints an freien Tagen gefestigt. Diese eingetretene Entwicklung von anfänglicher Selbstmedikation bis zur deutlichen beständigen Konsumneigung von bis zu fünf Joints an einem freien Tag mit der Folge eines Therapiebedarfs lässt hinreichend die Risiken beim Konsum von Marihuana erkennen.
Von erschwerender Bedeutung ist bei der Betrachtung der Einzelfallumstände vorliegend jedoch der Aspekt der langen und gezielten Beschaffungsfahrt. Der Beklagte ist gezielt von München durch Deutschland bis nach Amsterdam gefahren, um sich dort die Drogen zu kaufen, seinen Angaben nach motiviert davon, eine legale Beschaffungsmethode zu wählen. Er handelte somit nicht bei einer Gelegenheit, sondern mit erheblicher Energie und Dauer durch die Beschaffungsfahrt. Dabei hat er bezüglich einer leicht einsehbaren Kernpflicht versagt.
Erschwerend ist zur Überzeugung der Kammer zudem zu werten, dass der Beklagte bei der Polizeikontrolle seinen Dienstausweis vorzeigte. Auch wenn er sich – seinen als wahr unterstellten – Angaben nach keinen Vorteil verschaffen wollte, hat er dennoch einen entsprechenden Anschein gesetzt und bewusst seinen dienstlichen Status in das außerdienstliche Verhalten einfließen lassen. Wird damit die Dienstpflichtverletzung auch noch nicht zur innerdienstlichen i.S.v. § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, stellt dies jedoch einen erschwerenden Gesichtspunkt dar. Ein Polizist, der bei einem außerdienstlichen Dienstvergehen seine beamtenrechtliche Stellung absichtlich offenbart, schädigt das Ansehen noch nachhaltiger. Nicht mehr ins Gewicht fällt insoweit die damit verbundene eigenständige Dienstpflichtverletzung beim Vorzeigen des Dienstausweises durch den Verstoß gegen die Vorschriften über die Verwendung des Dienstausweises.
Somit hat der Beklagte ein schweres Dienstvergehen begangen und ist Ausgangspunkt der weiteren Maßnahmebemessung die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
3. Dem stehen keine derart gewichtigen Milderungsgründe gegenüber, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme und die Annahme eines noch verbleibenden Vertrauens in den Beamten mit sich brächten.
Über die bislang in der Rechtsprechung anerkannten typisierten Milderungsgründe hinaus bedarf es auch hier einer Würdigung der jeweiligen be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls und würde eine allein typisierende Betrachtungsweise zu kurz greifen. Vielmehr dürfen entlastende Gesichtspunkte nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil sie für das Vorliegen eines „anerkannten“ Milderungsgrundes ohne Bedeutung sind oder nicht ausreichen, um dessen Voraussetzungen – im Zusammenwirken mit anderen Umständen – zu erfüllen (BVerwG, B.v. 20.12.2013 – 2 B 35.13 – beck-online Ls.1 sowie Rn. 21). Das Bundesverwaltungsgericht führt insoweit aus, die Verwaltungsgerichte müssten bei der Gesamtwürdigung dafür offen sein, dass mildernden Umständen im Einzelfall auch dann ein beachtliches Gewicht für die Maßnahmebemessung zukommen kann, wenn sie zur Erfüllung eines so genannten anerkannten („klassischen“) Milderungsgrundes nicht ausreichen. Auch solche Umstände dürfen nicht als nebensächlich oder geringfügig zurückgestellt werden, ohne dass sie in Bezug zur Schwere des Dienstvergehens gesetzt werden. Sie dürfen nicht in einer nicht nachvollziehbaren Weise „abgetan“ werden.
Nach der Rechtsprechung des 2. Wehrdienstsenats des Bundesverwaltungsgerichts müssen die Milderungsgründe jedoch umso gewichtiger sein, je schwerer ein Dienstvergehen wiegt, umso gewichtiger (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2018 – 2 WD 10.18 – beck-online Rn. 44 m.w.N.).
a) Zwar ist der Beklagte weder strafrechtlich noch disziplinarisch vorbelastet. Auch das Persönlichkeitsbild, das den Beklagten als loyalen und stets um gute Arbeitsleistung bemühten Polizeibeamten beschreibt, ist positiv zu werten. Diese Umstände stellen aber ein normales Verhalten zur Erfüllung der Dienstpflichten dar. Sie sind nicht geeignet, die Schwere des Dienstvergehens so abzumildern, dass von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abgesehen werden könnte. Die langjährige pflichtgemäße Dienstausübung ist – selbst bei überdurchschnittlichen Leistungen – für sich genommen regelmäßig nicht geeignet, derartige Pflichtverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 09. 3029 – juris Rn. 96).
b) Sein Geständnis und die Reue im Strafverfahren und Disziplinarverfahren kommen dem Beklagten ebenfalls zugute, aber vor dem Hintergrund der Schwere des Dienstvergehens nicht derart, von der Höchstmaßnahme abzusehen.
Schließlich hat der Beklagte mit erheblicher Beschaffungsenergie durch sein strafbares Verhalten im Bereich des Betäubungsmittelrechts – wenngleich außerdienstlich – im Rahmen seiner Pflichten versagt und dabei von sich aus durch das Zeigen des Dienstausweises einen Bezug zum Statusamt als Polizist herbeigeführt. Eine Verknüpfung von strafbarem Verhalten im Betäubungsmittelrecht mit dem Amt eines Polizisten führt jedoch zu erheblicher Ansehensschädigung.
Die gefestigte Konsumneigung des Beklagten kann dabei – entgegen der Ausführungen des Beklagtenbevollmächtigten – nicht mildernd berücksichtigt werden, der Beklagte habe unter Suchteinfluss gehandelt. Der erhebliche Beschaffungsaufwand steht der Annahme eines suchtbeeinflussten Handelns bei Gelegenheit und einer Art Augenblicksversagen entgegen.
Auch die erfolgreiche Drogentherapie mit dem aktuellen Negativnachweis ist nicht hinreichend, gegenüber der erheblichen Ansehensschädigung und dem Vertrauensverlust derart mildernde Wirkung zu entfalten, von der Höchstmaßnahme abzusehen. Je schwerwiegender eine Dienstpflichtverletzung ist, umso gewichtiger muss der Milderungsgrund sein. Dem genügt die Therapie nicht.
Letztlich ist auch die Dauer des Disziplinarverfahrens nicht geeignet, sich durchgreifend mildernd auszuwirken. Der Verbleib im Beamtenverhältnis allein aufgrund einer zu langen Verfahrensdauer ist nicht mit dem Zweck des Disziplinarrechts vereinbaren, nämlich dem Schutz der Integrität des Berufsbeamtentums und der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, wenn die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände ergibt, dass wegen eines schwerwiegenden Dienstvergehens die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist. Diese Schutzgüter und der Grundsatz der Gleichbehandlung schließen es aus, dass ein Beamter, der durch gravierendes Fehlverhalten im öffentlichen Dienst untragbar geworden ist, gleichwohl weiterhin Dienst leisten und als Repräsentant des Dienstherrn hoheitliche Befugnisse ausüben kann, weil das gegen ihn geführte Disziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat (BVerwG, B.v. 12.7.2018 – 2 B 1.18 – juris Rn. 9).
V. Die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis wird auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerecht, sie ist zweckmäßig, geeignet, erforderlich und auch angemessen. Die unerlaubte Einfuhr von Drogen in die Bundesrepublik Deutschland durch einen Polizisten, der sich bei der Kontrolle auch noch als solcher zu erkennen gibt, schadet dem Ansehen des Berufsbeamtentums in derart elementarer Weise, dass auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis der Wiederherstellung dieses Ansehens dient. Dabei hat der Beklagte durch die Beschaffungsfahrt ein hohes Maß an dienstpflichtwidriger Energie aufgebracht und in seiner Pflichterfüllung versagt, dass das Nachtatverhalten durch eine erfolgreiche Drogentherapie die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht unverhältnismäßig werden lässt.
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.


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