Strafrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Drogenkonsums – einstweiliger Rechtsschutz

Aktenzeichen  11 CS 20.2000

Datum:
3.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36095
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 96
StVG § 2 Abs. 12, § 3 Abs. 1
FeV § 11 Abs. 7, § 46 Abs. 1, Anl. 4 Nr. 9.1
BtMG § 1 Abs. 1
BayVwVfG Art. 24, Art. 26 Abs. 1 S. 2  Nr. 1, Nr. 3

 

Leitsatz

1. Ein wenigstens einmaliger Konsum eines nicht verkehrsfähigen Betäubungsmittels im Sinne von § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage I rechtfertigt ungeachtet der genaueren Umstände die Entziehung der Fahrerlaubnis. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die behördliche Sachverhaltsermittlungspflicht endet dort, wo das Vorbringen eines Beteiligten keinen Anlass zu weiterer Sachaufklärung bietet, was vor allem für solche Tatsachen gilt, die für den Betroffenen günstig sind und die die Behörde nicht ohne weiteres selbst feststellen kann. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Heranziehung eines vom Antragsteller unbestritten eigenhändig ausgefüllten Formulars und die Übernahme polizeilicher Ermittlungsergebnisse genügt den Anforderungen des Verwaltungsverfahrensrechts, sofern keine Anhaltspunkte gegen die Richtigkeit dieser Erkenntnisse sprechen. Die Behörde kann im Wege der Amtshilfe auf die Feststellungen, Ermittlungsergebnisse und Beweismittel anderer Behörden zugreifen. Der prozessuale Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme gilt im Verwaltungsverfahren nicht. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 6 S 20.719 2020-08-07 Ent VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung der ihm am 14. November 2018 nach Vorlage eines Fahreignungsgutachtens wiedererteilten Fahrerlaubnis der Klassen A (79.03, 79.04), A1 (79.03, 79.04) AM, B und L.
Ende September 2019 ging bei der Antragsgegnerin ein polizeilicher Schlussbericht vom 15. September 2019 ein, wonach dem Antragsteller der Erwerb von Dimethyltriptamin (DMT) und der Besitz von DMT und Cannabis zur Last gelegt wurde. Er solle im Frühjahr 2019 an einem sog. „Raise-your-light-Seminar“ teilgenommen haben. Im Rahmen des Seminars sei allen Teilnehmern insgesamt viermal das Getränk „Ayahuasca“ mit dem Wirkstoff DMT für eine „Reise-zu-sich-selbst“ verabreicht worden. Für das Seminar hätten die Teilnehmer jeweils 200,- EUR gezahlt. Nach Aushändigung des Durchsuchungsbeschlusses und Belehrung als Beschuldigter habe der Antragsteller bei einer Wohnungsdurchsuchung am 12. September 2019 die Seminarteilnahme eingeräumt. Die Wohnungsdurchsuchung sei negativ verlaufen. Der Polizei lag ein Teilnahmeformular vom 21. oder 22. März 2019 vor, auf dem der Antragsteller gegen Unterschrift bestätigte, Cannabis und DMT konsumiert sowie an drei Retreats teilgenommen zu haben.
Nach Anhörung entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 21. Januar 2020 gestützt auf § 11 Abs. 7 FeV, Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV die Fahrerlaubnis und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgelds auf, seinen Führerschein unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche abzugeben. Ferner ordnete sie die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an.
Am 19. Februar 2020 ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte Widerspruch einlegen und beim Verwaltungsgericht München die Wiederherstellung von dessen aufschiebender Wirkung beantragen. Beigefügt war eine Versicherung an Eides statt, wonach der Antragsteller lediglich am 22. März 2019 das Seminar, welches mögli-cherweise „raise your light“ geheißen habe, besucht habe. Ihm sei das Getränk Ayahuasca nicht verabreicht worden. Es sei für diese Form der Meditation auch nicht zwingend erforderlich, sondern optional. In dem Anmeldeformular habe er die dreimalige Teilnahme an einem Retreat auf Anraten einer Mitarbeiterin eingeräumt. Sie habe ihm gesagt, man müsse ihn dann nicht besonders überwachen, was er nicht gewollt habe. Er sei spirituell veranlagt und habe das Seminar, eine schamanistische Meditationsform, aus Interesse besucht. Die Teilnehmer müssten Ayahuasca nicht zwingend zu sich nehmen. Da er von chemischer Bewusstseinserweiterung nichts halte, habe er davon auch Abstand genommen. Bei der Hausdurchsuchung durch die Polizei sei nichts aufgefunden worden.
Mit Bescheid vom 15. April 2020 wies die Regierung von O. den Widerspruch als unbegründet zurück.
Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 7. August 2020 mit der Begründung ab, der Antrag sei bereits unzulässig, weil nach Erlass des Widerspruchsbescheids für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs kein Raum mehr sei. Der anwaltlich vertretene Antragsteller habe Klage erhoben, ohne im Zuge dessen seinen Antrag entsprechend umzustellen. Die Gewährung effektiven Rechtsschutzes gebiete es jedoch, auch zur Begründetheit des Antrags Ausführungen zu machen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei aus den in dem angefochtenen Bescheid und der Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 7. Mai 2020 dargelegten Gründen gerechtfertigt. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller „Ayahuasca“ mit dem Wirkstoff DMT konsumiert habe. Dabei könne dahinstehen, ob er die Droge im Rahmen des Seminars eingenommen habe. Er habe nämlich nicht schlüssig erklären können, weshalb er in dem Teilnahmeformular angegeben habe, vor diesem Seminar bereits dreimal diese Droge konsumiert zu haben. Für die Richtigkeit der Angaben sprächen nicht nur die Unterschrift des Antragstellers, sondern auch die Angabe von drei Konsumakten und die näheren Angaben zu seinen Erfahrungen mit der Droge. Die Wirkstoffangabe spreche für eine profunde Kenntnis der Droge Ayahuasca und ihres psychoaktiven Wirkstoffs. Zur Überzeugung des Gerichts habe an jedem Seminarabend die Einnahme der Droge und die dabei gesammelten Erfahrungen im Mittelpunkt des Geschehens gestanden, nicht etwa das Miterleben der Einnahme durch einen Schamanen. Gegenüber seinen früheren Angaben im medizinisch-psychologischen Gutachten vom Juli 2018 habe der Antragsteller offensichtlich weiter Cannabis konsumiert, seinen Bierkonsum von ein bis zwei Bier pro Monat auf fünf bis sieben Bier in der Woche gesteigert und zu rauchen begonnen. Er habe auf dem Teilnahmeformular auch nicht erklärt, irgendwann in der Vergangenheit Cannabis konsumiert zu haben. Die Frage ziele ersichtlich und eindeutig auf den gegenwärtigen Konsum ab und sei vom Antragsteller auch so verstanden und beantwortet worden. Erkennbar sei es den Veranstaltern darauf angekommen zu wissen, ob die Teilnehmer einschlägige Drogenerfahrung gehabt hätten, wohl u.a. um den Grad ihrer Verantwortung und bestehende Risiken besser einschätzen zu können. An der Richtigkeit der eidesstattlichen Versicherung vom 16. Februar 2020 bestünden erhebliche Zweifel, die im Rahmen des summarischen Verfahrens nicht weiter aufgeklärt werden könnten und müssten. Da die sog. „verfahrensrechtliche Jahresfrist“ seit dem anlassgebenden Vorfall im März 2019 bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids noch nicht abgelaufen gewesen sei, habe die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entziehen müssen. Selbst wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache als offen anzusehen wären, fiele die Interessenabwägung zulasten des Antragstellers aus. Die Fahrerlaubnis habe ihm bereits einmal wegen Drogenkonsums (Cannabis) entzogen werden müssen. Seine Angaben gegenüber dem Fahreignungsgutachter, welche letztlich Grundlage für das positive Gutachtensergebnis und die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis gewesen seien, habe er in mehreren Punkten revidiert. Seine Erklärung, den mehrfachen Konsum von Ayahuasca deshalb angegeben zu haben, um einer besonderen Überwachung zu entgehen, sei nicht schlüssig, wenn er angeblich ohnehin nie vorgehabt habe, die Droge während des Seminars zu konsumieren. Anlässlich der Hausdurchsuchung habe er gegenüber der Polizei eingeräumt, ein Teil der Seminargebühr sei auch für die Droge bestimmt gewesen. Auch der Vorwurf, er sei nicht angehört worden, greife nicht durch. Das Anhörungsschreiben zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis sei ihm mittels Postzustellungsurkunde zugestellt worden, was er nicht erschüttert habe. Die Antragsgegnerin sei berechtigt, ohne weitere eigene Ermittlungen ihr Handeln auf das Ergebnis polizeilicher oder anderer behördlicher Ermittlungen zu stützen. Es könne offenbleiben, ob die verfahrensrechtliche Einjahresfrist im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids noch nicht abgelaufen gewesen sei. Denn der Antragsteller habe keine den Fristablauf in Gang setzende substantiierte Abstinenzbehauptung aufgestellt, sondern im Gegenteil mit großer Wahrscheinlichkeit unzutreffende Angaben zu seinem Drogenkonsum gemacht.
Mit seiner Beschwerde, der die Antragsgegnerin entgegentritt, macht der Antragsteller geltend, das Gericht gehe in seinem Beschluss nicht auf zentrale Mängel des Verwaltungsverfahrens, nämlich die Verletzung von Art. 28 und 24 BayVwVfG, ein. Der Antragsteller sei kein einziges Mal als Beschuldigter bzw. Betroffene persönlich angehört worden, was einen groben Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG darstelle. Das Gericht habe allein die vermuteten Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage als Begründung herangezogen, nicht aber das öffentliche Interesse für den Sofortvollzug des Ausgangsverwaltungsakts wegen einer besonderen Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs beurteilt. Schon deshalb sei der Beschluss aufzuheben. Höchst vorsorglich sei noch auf folgendes einzugehen: es bleibe unerfindlich, weshalb das Gericht der Anmeldebescheinigung, die im krassen Widerspruch zur eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers stehe, einen höheren Wahrheitsgehalt beimesse, zumal letztere begründet worden sei. Weiter bringe das Gericht vollkommen sinnwidrig einen gesteigerten Bier- und Zigarettenkonsum ins Spiel, der noch nicht einmal der „Hauptsacheakte“ zu entnehmen sei und mit dem Verfahrensgegenstand nichts zu tun habe.
Ferner gehe das Gericht zu Unrecht davon aus, dass der Antragsteller ein Seminar besucht habe, bei dem die Droge allen Seminarteilnehmern verabreicht worden sei. Der Veranstalter des Seminars habe vor dem Amtsgericht Freising ausgesagt, der Konsum der Droge sei keineswegs Voraussetzung für die Seminarteilnahme gewesen. Die Aussage des Antragstellers, er habe nur an einem Tag an diesem Seminar teilgenommen, werde völlig vernachlässigt. Das Gericht stütze seine Gefahrenprognose hinsichtlich der Gebotenheit eines Sofortvollzugs auf „Wahrscheinlichkeiten“, ohne zu berücksichtigen, dass eine solche Entscheidung nur bei einer präsenten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gerechtfertigt und zwischen Antragstellung und Entscheidung mehr als ein halbes Jahr vergangen sei. Weitere Anhaltspunkte, die Eignungszweifel begründen könnten, gebe es weder im Betäubungsmittel- und Alkoholbereich noch im Bereich allgemeinen Fehlverhaltens im Straßenverkehr. Der Antragsteller sei von der Strafverfolgungsbehörde nie als Beschuldigter einvernommen und belehrt worden. Er könne sich noch grob an seine Aussagen anlässlich der 20minütigen Hausdurchsuchung erinnern, aber diese seien „zum einen gegebenenfalls richtig, jedenfalls aber trivial“. Er habe gesagt, nicht gewusst zu haben, dass die ihm hier unterstellte Droge illegal sei, und dass von dem Seminarpreis „wohl“ auch eventuell diese Droge mitgezahlt worden sei. Das sei keine verwertbare Aussage, sondern eine informatorische Anhörung, die nur durch Aussage eines Beamten in das Verfahren eingeführt werden könne. Es sei unrealistisch zu glauben, der Antragsteller sei innerhalb von 20 Minuten auch noch über ein gegen ihn eingeleitetes Strafverfahren belehrt worden. Auf ihr Schreiben vom 3. Dezember 2019 könne sich die Antragsgegnerin nicht berufen, denn kein Laie könne erkennen, dass er hier zu Tatsachen Stellung nehmen solle, wenn er sich durch zwei Seiten Ausführungen zu der Rechtsprechung verschiedener Verwaltungsgerichte gequält habe. Der Antragsteller habe davon ausgehen dürfen, dass das Schreiben eine bereits erledigte Sache betroffen habe. Die Anforderungen an einen anwaltlich nicht vertretenen Menschen dürften nicht überspannt werden. Eine Anhörung habe also zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Nach Art. 24 BayVwVfG habe die Behörde den Sachverhalt selbst zu erforschen, was hier nicht geschehen sei. Die Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft München II und der Kriminalpolizei hätten nichts ergeben, was in fahrerlaubnis- und strafrechtlicher Hinsicht zu verwerten gewesen wäre. Somit habe die Antragsgegnerin eigentlich gar nichts ermittelt. Zu Unrecht gehe das Gericht davon aus, der Antragsteller hätte irgendeine Maßnahme treffen können, um die Zweifel der Verwaltungsbehörde zu widerlegen. Es wäre aber deren Sache gewesen, dem Antragsteller eine Haaranalyse o.ä. aufzuerlegen. Das Interesse des Antragstellers am Besitz seiner Fahrerlaubnis überwiege. Er sei als selbstständiger Musiker auf die Benutzung seines Kraftfahrzeugs für Termine in ganz Süddeutschland angewiesen. Dasselbe gelte für seine Tätigkeit als nicht selbstständiger Mitarbeiter eines Tonstudios, zwischen dessen Filialen er oft ungeplant pendeln müsse. Die Fahrtziele seien mit öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig schlecht zu erreichen. Dagegen gebe es keine Anhaltspunkte oder auch nur einen Verdacht für eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs. Dass der Antragsteller wegen des angefochtenen Gerichtsbeschlusses mittlerweile die Besorgnis der Befangenheit habe, bedürfe momentan keiner weiteren Begründung. Es bestehe der Verdacht, dass sachfremde Erwägungen in diese Entscheidung eingeflossen seien.
Auf die weitere Stellungnahme vom 2. Dezember 2020 wird Bezug genommen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet.
Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben wäre.
Der Antragsteller greift mit seiner Beschwerdebegründung nicht die entscheidungstragende Erwägung des Verwaltungsgerichts an, dass sein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bereits unzulässig sei, weil er ihn nach Klageerhebung nicht in einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage umgestellt habe. Seine Beschwerde wendet sich vielmehr ausschließlich gegen die nicht entscheidungstragenden ergänzenden Hinweise des Gerichts zur Begründetheit des Antrags gemäß § 80 Abs. 5 VwGO. Die – wie hier – einer Zurückweisung aus prozessualen Gründen beigegebene Sachbeurteilung ist jedoch bei der Bestimmung des maßgeblichen Beschlussinhalts grundsätzlich als nicht geschrieben zu behandeln (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2000 – 7 C 3.00 – BVerwGE 111, 306 = juris Rn. 17; B.v. 9.10.2006 – 6 BN 1.06 – juris Rn. 6; B.v. 24.10. 2006 – 6 B 47.06 – juris Rn. 18; Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Januar 2020, § 121 Rn. 52, 91; Lindner in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.1.2020, § 121 Rn. 37). Es kann dahinstehen, ob die Annahme des Verwaltungsgerichts, der von einem anwaltlich vertretenen Antragsteller gestellte Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs sei nach Erlass des Widerspruchsbescheids einer sachgerechten Auslegung gemäß § 122 Abs. 1, § 88 VwGO im Sinne eines Antrags auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht zugänglich (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2019 – 11 CS 18.2605 – juris Rn. 10; B.v. 13.8.2009 – 11 CS 09.1379 – juris Rn. 11; B.v. 8.5.2008 – 20 CS 08.711 – juris Rn. 8; VGH NW, B.v. 25.6.2011 – 8 B 558/11 – juris Rn. 7), offensichtlich unzutreffend ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019 § 146 Rn. 27). Denn die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründe sind auch nicht geeignet, die gerichtlichen Ausführungen zur Begründetheit des Antrags in Frage zu stellen.
Ein Anhörungsmangel im Verwaltungsverfahren liegt nicht vor. Das dem Antragsteller am 5. Dezember 2019 förmlich zugestellte Schreiben vom 3. Dezember 2019, dessen Erhalt der Antragsteller nicht bestreitet, genügt den Anforderungen des Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG, wonach für den Beteiligten hinreichend erkennbar sein muss, dass, weshalb und wozu er sich äußern kann und mit welcher Entscheidung er zu rechnen hat. Ihm muss der Sachverhalt und das Verfahren, in dem dieser verwertet werden soll, zur Kenntnis gebracht und deutlich gemacht werden, dass eine Anhörung im Sinne des Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG erfolgt und Gelegenheit zur Äußerung gegeben wird (vgl. Kallerhoff/Mayen in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 28 Rn. 35). Dies lässt sich dem dreiseitigen Schreiben entnehmen, welches auch für einen Laien verständlich ist, selbst wenn diesem die rechtliche Zitierweise und die in Klammerzusätzen angegebene einschlägige Rechtsprechung nicht vertraut oder unverständlich sein sollte. Ausgehend von dem der Fahrerlaubnisbehörde bekannt gewordenen Sachverhalt erläutert die Antragsgegnerin, wann eine Entziehung der Fahrerlaubnis rechtlich notwendig und wann davon auszugehen ist, dass der Betreffende die Fahreignung wiedererlangt hat. Zuletzt teilt sie mit, dass sie die Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers beabsichtige, es sich um eine Anhörung im Sinne von Art. 28 BayVwVfG handele und aus Kostengründen auch der Verzicht auf die Fahrerlaubnis möglich sei. Es ist dem Empfänger eines amtlichen Schreibens zuzumuten, dieses bis zum Schluss aufmerksam durchzulesen, auch wenn es mehrere Seiten umfasst. Nachdem die Antragsgegnerin die für die beabsichtigte Entscheidung bestimmenden tatsächlichen und rechtlichen Aspekte des Einzelfalls hinreichend herausgestellt hat (vgl. Kallerhoff/Mayen, a.a.O.), kann offenbleiben, ob ein Anhörungsschreiben entsprechend dem Vorschlag des Antragstellers ggf. auch einfacher gestaltet werden könnte. Im Übrigen war nicht die Teilnahme an einem Ayahuasca-Seminar, sondern die Einnahme dieser Substanz für die Entscheidung maßgeblich. Die Behauptung des Antragstellers, er sei wegen der Einstellung des Strafverfahrens von einer erledigten Sache ausgegangen, ist in Anbetracht von Inhalt und Urheber des Anhörungsschreibens und der förmlichen Zustellung nicht glaubhaft; zumal ihm die Verfahrensweise der Antragsgegnerin aus einem vorherigen Entziehungsverfahren bekannt war. Im Jahr 2017 hatte er auf ein vergleichbares Schreiben hin – offenbar ohne Verständnisschwierigkeiten – eine Verzichtserklärung abgegeben. Abgesehen davon muss es sich der Antragsteller selbst zurechnen, wenn er ein förmlich zugestelltes amtliches Schreiben ggf. nicht (aufmerksam) gelesen und sich bei etwaigen Verständnisschwierigkeiten nicht um Aufklärung bemüht haben sollte.
Auch mit den Einwänden, die gegen die Verwertung seiner eigenhändigen Angaben auf dem Teilnahmeformular vom 21. oder 22. März 2019 gerichtet sind, kann der Antragsteller nicht durchdringen. Anders als er meint, geht aus dem angefochtenen Beschluss durchaus hervor, weshalb das Gericht seinen Angaben in der eidesstattlichen Versicherung keinen Glauben geschenkt hat. Es hat sich die Erwägungen der Antragsgegnerin und der Widerspruchsbehörde zu eigen gemacht und aus dem Fehlen einer schlüssigen Erklärung für die angeblichen Falschangaben in dem Teilnahmeformular geschlossen, dass die Formularangaben mit überwiegender Wahrscheinlichkeit richtig und die Angaben in der eidesstattlichen Versicherung interessegeleitet bzw. falsch sind. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar und damit nicht glaubhaft, dass der Antragsteller durch angeblich unrichtige Angaben zu seinen Drogenvorerfahrungen einer besonderen Überwachung durch die Veranstalter des Seminars entgehen wollte, wenn er gar nicht vorhatte, bei dem Seminar Drogen zu konsumieren. Zudem zeigt seine Antwort in dem Formular (Teilnahme an drei Retreats) auf die Frage nach der Einnahme von Ayahuasca, dass er eine Seminarteilnahme – entgegen seiner Darstellung in der Beschwerde – mit einer Drogeneinnahme gleichsetzt hat. Wie das Verwaltungsgericht betont hat, kann dahinstehen, ob er Ayahuasca während des Seminars eingenommen hat. Denn jedenfalls hat er einen wenigstens einmaligen Konsum dieses nicht verkehrsfähigen Betäubungsmittels im Sinne von § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage I eingeräumt. Dies ist nicht zweifelhaft und rechtfertigt ungeachtet der genaueren Umstände die Entziehung der Fahrerlaubnis. Die Frage, ob er eine Erfahrung mit Ayahuasca gemacht habe, die er nicht habe „integrieren“ können, hat der Antragsteller bejaht und außerdem angegeben, DMT zu konsumieren. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass diese Angabe – im Gegensatz zur Antwort auf die nachfolgende Frage nach dem Konsum von Ayahuasca – zum gegenwärtigen Konsum („Konsumierst du irgendeine Form von Drogen oder Substanzen?“) erfolgt ist. Auf den genauen Wortlaut des Gesprächs des Antragstellers mit den Beamten, die die Hausdurchsuchung bei ihm durchgeführt haben, kommt es danach nicht mehr an. Selbst wenn die Darstellung in seiner Beschwerdebegründung zutreffen sollte, er habe lediglich gesagt, nicht gewusst zu haben, dass die ihm „unterstellte“ Droge illegal sei, hat er – was entscheidend gewesen wäre – bei der Wohnungsdurchsuchung nicht gesagt, an dem Seminar ohne Einnahme von Ayahuasca teilgenommen und in dem Teilnahmeformular falsche Angaben gemacht zu haben. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Antragsteller gegenüber der Polizei Angaben unterlässt, die den Verdacht des illegalen Konsums eines Betäubungsmittels hätten entkräften können, wenn sich das Geschehen tatsächlich so abgespielt hätte. Dabei ist – worauf die Antragsgegnerin zutreffend hingewiesen hat – für das Verwaltungsverfahren nicht maßgeblich, ob die Polizei, wie sie in dem Durchsuchungsbericht und einem gesonderten Aktenvermerk festgehalten hat (Bl. 148, 152 d.A.) und was durch das pauschale Bestreiten auch nicht ernstlich in Zweifel gezogen wird, den Antragsteller als Beschuldigten belehrt hat (vgl. OVG NW, B.v. 9.10.2014 – 16 B 709/14 – juris Rn. 9 ff.; VGH BW, B.v. 16.5.2007 – 10 S 608/07 – NJW 2007, 2571 = juris Rn. 3 ff.). Die Richtigstellung eines von der Behörde unzutreffend aufgefassten Sachverhalts hätte dem Antragsteller auch im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht bzw. -last gemäß Art. 26 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG oblegen. Dazu hätte im Rahmen der Anhörung Gelegenheit bestanden. Einer mündlichen Anhörung des Betroffenen bedarf es grundsätzlich nicht (vgl. Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 26 Rn. 43; Kallerhoff/Mayen, a.a.O. § 28 Rn. 44). Auch kann die Anhörung eines Beteiligten gemäß Art. 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayVwVfG mit der (schriftlichen) Anhörung gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG zusammenfallen (Kallerhoff/Fellenberg a.a.O. § 26 Rn. 43). Die behördliche Sachverhaltsermittlungspflicht endet dort, wo das Vorbringen eines Beteiligten keinen Anlass zu weiterer Sachaufklärung bietet, was vor allem für solche Tatsachen gilt, die für den Betroffenen günstig sind und die die Behörde nicht ohne weiteres selbst feststellen kann (Kallerhoff/Fellenberg, a.a.O., § 24 Rn. 28, § 26 Rn. 44 ff.). Soweit der Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren im Zusammenhang mit der Seminardauer „zahlreiche fehlerhafte Tatsachenfeststellungen“ in der Ermittlungsakte bemängelt, kommt es auch hierauf nicht an. Ebenso ist unerheblich, ob die handschriftliche Datumsangabe des Antragstellers auf dem Teilnahmeformular als der 21. oder 22. März 2019 zu lesen ist.
Es hatte auch einen „Sinn“, dass das Gericht dem Antragsteller seine Formularangaben zu seinem Zigaretten- und Bierkonsum vorgehalten hat, die er weniger als ein Jahr nach seinen davon weit abweichenden Angaben zum Drogenkonsum gegenüber dem Fahreignungsgutachter vom 4. Juli 2018 gemacht hat. Geht man wie das Gericht davon aus, dass die aus freien Stücken gegenüber einem privaten Dritten gemachten Angaben der Wahrheit entsprechen, dann lässt sich aus dem Aussageverhalten des Antragstellers schließen, dass er in einem behördlichen Verfahren, in dem er eine bestimmte Entscheidung erreichen oder verhindern möchte, nicht die Wahrheit gesagt hat bzw. sagt. Das Gericht hat damit seine erheblichen Zweifel an der Wahrhaftigkeit der eidesstattlichen Versicherung untermauert.
Weiter ergibt sich aus der Beschwerde nicht nachvollziehbar, weshalb die Heranziehung eines vom Antragsteller unbestritten eigenhändig ausgefüllten Formulars und die Übernahme polizeilicher Ermittlungsergebnisse nicht den Anforderungen des Verwaltungsverfahrensrechts genügen soll, sofern wie hier keine Anhaltspunkte gegen die Richtigkeit dieser Erkenntnisse sprechen. Das Vorgehen ist durch § 2 Abs. 12 StVG und Art. 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 BayVwVfG vorgezeichnet. Es ist anerkannt, dass die Behörde z.B. im Wege der Amtshilfe auf die Feststellungen, Ermittlungsergebnisse und Beweismittel anderer Behörden zugreifen kann (Kallerhoff/Fellenberg, a.a.O., § 26 Rn. 12). Dass sie sich hier ein eigenes Bild von der Aussagekraft der beigezogenen Erkenntnisse gemacht hat (vgl. Kallerhoff/Fellenberg, a.a.O., § 26 Rn. 12), ergibt sich aus der Stellungnahme der Antragsgegnerin im gerichtlichen Verfahren und dem Widerspruchsbescheid der Regierung von O.. Polizeiliche Vernehmungen und Befragungen muss die Behörde nicht ohne besonderen Anlass wiederholen. Der prozessuale Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 VwGO) gilt im Verwaltungsverfahren nicht (vgl. Kallerhoff/Fellenberg, a.a.O. § 26 Rn. 12). Nachdem der Antragsteller im Rahmen der Anhörung gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG auch die Gelegenheit gehabt hätte, zu seinen Formularangaben Stellung zu nehmen, war auch diesbezüglich, wie er offenbar meint, keine weitere persönliche Anhörung erforderlich.
Ferner ist nicht zu beanstanden, dass sich das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs orientiert und im Falle eines rechtmäßigen Verwaltungsakts ohne weiteres ein überwiegendes Vollzugsinteresse angenommen hat (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, § 80 Rn. 85 ff., 91). Ist die Entziehung der Fahrerlaubnis aller Voraussicht nach rechtmäßig, ist auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung regelmäßig gerechtfertigt. Nach der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung ist bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2019 – 11 CS 19.1041 – juris Rn. 16; B.v. 14.9.2016 – 11 CS 16.1467 – juris Rn. 13 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 10.12.2014 – 3 B 148/14 – juris Rn. 6; OVG NW, B.v. 14.11.2014 – 16 B 1195/14 – juris Rn. 3; VGH BW, B.v. 20.9.2011 – 10 S 625/11 – juris Rn. 4; Hoppe in Eyermann, VwGO, § 80 Rn. 55, 46). Die Annahme, dass einem nicht fahrgeeigneten Kraftfahrer im Hinblick auf die damit für die Allgemeinheit verbundenen erheblichen Gefahren die Fahrerlaubnis ungeachtet des Gewichts seines persönlichen Interesses an der Teilnahme am individuellen Straßenverkehr nicht bis zum Eintritt der Bestandskraft des Entziehungsbescheids belassen werden kann, begegnet keinen Bedenken (stRspr des Senats, vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2019 a.a.O. m.w.N.; OVG NW, B.v. 22.1.2001 – 19 B 1757/00 u.a. – juris Rn. 17). Dabei spielt es keine Rolle, ob der Antragsteller bis zum Erlass des Entziehungsbescheids unbeanstandet am Straßenverkehr teilgenommen hat. Maßgeblich ist, dass die Gefahren für die Allgemeinheit unvermindert bestehen, solange die Fahreignung fehlt. Im Übrigen hat das Gericht hilfsweise auch eine Interessenabwägung bei offenen Erfolgsaussichten vorgenommen, ist dabei aber zu demselben Ergebnis gelangt, weil es aufgrund der großen Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Antragstellers auch dann noch die Gefahr einer Verkehrsteilnahme unter Drogeneinfluss gesehen hat.
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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