Strafrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Nichtbeibringung eines Fahreignungsgutachtens

Aktenzeichen  M 26 S 19.1809

Datum:
17.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 14421
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 1 S. 2, Abs. 8 S. 1, § 14 Abs. 2 Nr. 2, § 46 Abs. 1 S. 1, Abs. 3
FeV  Anlage 4 Nr. 9.1, Nr. 9.5

 

Leitsatz

1. Kann die Fahrelaubnisbehörde wegen der Behauptung einer mindestens einjährigen Drogenabstinenz nicht mehr ohne Weiteres von einer Fahrungeeignetheit ausgehen, ist sie berechtigt und gehalten, den Fahrerlaubnisinhaber im Hinblick auf eine etwaige Wiedererlangung der Fahreignung (vgl. Anlage 4 zur FeV Nr. 9.5 ) zunächst zu einem engmaschigen, behördlich überwachten Drogenscreening mit anschließender medizinisch-psychologischer Untersuchung aufzufordern (vgl. BayVGH BeckRS 2009, 32624 Rn. 16 ff. mwN). (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Einem Fahrerlaubnisinhaber obliegt es, an der Aufklärung bestehender Zweifel an seiner Fahreignung mitzuwirken, ein zu Recht gefordertes Gutachten beizubringen und alles zu unterlassen, was die Aufklärung behindert, wozu entsprechend den ausdrücklichen schriftlichen Hinweisen der Fahrerlaubnisbehörde auch der Konsum mohnhaltiger Lebensmittel zählt, der das Untersuchungsergebnis verfälschen kann. Es ist Sache des Betroffenen, diese Hinweise im eigenen Interesse sorgfältig zur Kenntnis zu nehmen und zu beachten, so dass es zu seinen Lasten geht, wenn eine Unaufklärbarkeit dazu führt, dass die Begutachtungsstelle das Drogenkontrollprogramm vereinbarungsgemäß abbricht und er somit nicht mehr in der Lage ist, das Gutachten fristgemäß beizubringen (vgl. BayVGH BeckRS 2015, 43094 Rn. 20 f.). (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 3.750,- festgesetzt.

Gründe

I.
Der 1985 geborene Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Entzugs seiner Fahrerlaubnis der Klassen Ab, A1, B, L, M und S wegen Nichtbeibringung eines Fahreignungsgutachtens.
Der Antragsteller wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts München vom … Januar 2012, rechtskräftig seit … März 2012, wegen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln verurteilt. Er hatte am … April 2011 in seiner Wohnung 18,2 g Amphetamin aufbewahrt. Der Antragsteller gab laut Protokoll der Hauptverhandlung an, Ecstasy, Speed, Marihuana und Kokain konsumiert zu haben. Mit Betäubungsmittel habe er im Alter von 12,13 Jahren angefangen.
Am … März 2015 nahm der Antragsteller nach vorhergehender Einnahme von Betäubungsmitteln am Straßenverkehr teil. Die toxikologische Untersuchung der Blutprobe durch das Institut A … vom … Mai 2015 ergab den Nachweis des vorhergehenden Konsums von Cannabis. Laut ärztlichem Untersuchungsbericht gab der Antragsteller an, unter ADHS und Schizophrenie zu leiden.
Auf das Anhörungsschreiben der Antragsgegnerin vom 10. November 2015 antwortete der Bevollmächtigte des Antragstellers, dass dieser über eine Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG verfüge. Die Erlaubnis vom … Juni 2015 sowie ein ärztliches Attest der Praxis Dr. A … …, wonach der Antragsteller im Rahmen der ärztlichen Behandlung eine Selbsttherapie mit Cannabisprodukten mache, wurden vorgelegt.
Im Rahmen der nachfolgenden Gutachtensanordnung durch die Antragsgegnerin legte der Antragsteller ein fachärztliches Gutachten des …klinikums B … vom … Juli 2018 vor. Das Gutachten hält als Ergebnis fest, dass beim Antragsteller eine ärztlich begleitete Selbsttherapie mit Cannabis durchgeführt werde. Es sei bei Annahme einer Anwendung von Cannabis als Medikament nicht von missbräuchlicher Einnahme, sondern von einer Dauermedikation auszugehen. Das vom Antragsteller aus den Blüten gewonnene Öl wird werde von ihm täglich mehrfach mittels E-Zigarette aufgenommen. Anamnestisch sei der Antragsteller in der Jugend drogenabhängig gewesen und ambulant therapiert worden. Im Jahr 2012 sei die Diagnose einer Polytoxikomanie gestellt worden. Ein Konsum anderer Substanzen als Cannabis sei im Rahmen des absolvierten Abstinenzprogramms nicht nachweisbar gewesen. Hinweise auf einen Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch hätten sich nicht ergeben. Da im vorliegenden Fall Cannabis als Medikament eingesetzt werde, sei von einem täglichen Konsum, nicht aber von einem täglichen Missbrauch auszugehen. Die Anamnese (S. 3, Ziffer 1, letzter Absatz a. E.) hält fest, dass der Antragsteller seit 2015 die THC-Genehmigung habe und seither keine anderen illegalen oder legalen Drogen mehr konsumiere. Mit Ergänzung des Gutachtens vom … Dezember 2016 wurde festgestellt, dass bezüglich der paranoiden Schizophrenie keine Hinweise darauf vorlägen, dass der Antragsteller nicht in der Lage sei, ein Fahrzeug sicher zu führen.
Daraufhin forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Schreiben vom 6. März 2018 auf, innerhalb von 13 Monaten ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung vorzulegen. Dieses habe die Frage zu beantworten, ob der Antragsteller trotz der früheren Betäubungsmitteleinnahme ein Kraftfahrzeug der Gruppe 1 sicher führen könne und ob insbesondere nicht (mehr) zu erwarten sei, dass der Antragsteller zukünftig Betäubungsmittel nach dem Betäubungsmittelgesetz (außer Cannabis) einnehme, so dass dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen sei. Es sei aufgrund des Drogenkonsums des Antragstellers, der bis in das Jahr 2015 bestanden habe, nach § 14 Abs. 2 Nummer 2 FeV durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu klären, ob der Antragsteller noch abhängig sei oder – ohne abhängig zu sein – weiterhin Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes einnehme.
Die Fahrerlaubnisbehörde könne unmittelbar auf die Nichteignung schließen und die Fahrerlaubnis entziehen, wenn gegen die Vertragsbedingungen der Begutachtungsstelle verstoßen werde, insbesondere bei aktuellem Konsum von Medikamenten, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen, dem Konsum von ethanolhaltigen Lebensmitteln oder Mundhygienemitteln, Hanf- und Mohnprodukten sowie bei Passivkonsum oder Kontakt mit Betäubungsmittel sowie bei Manipulation an den Haaren. Dies seien Beweisvereitelung und Verletzungen der Mitwirkungspflicht an der Aufklärung der Fahreignungszweifel. Dieser Hinweis im Anordnungsschreiben ist fett gedruckt (S. 4).
Im Hinblick auf die Selbsttherapie mit Cannabis wurde gefragt, ob der Antragsteller trotz der Dauerbehandlung mit Arzneimitteln ein Kraftfahrzeug der Gruppe 1 und 2 sicher führen könne.
Der Antragsteller meldete sich darauf am … März 2018 zur Teilnahme am Abstinenzkontrollprogramm für sechs Urinabgaben innerhalb von 12 Monaten beim … … Centrum ( ) A … an. Am … Juni 2018 ging ein Bericht des A … vom … Juni 2018 bei der Antragsgegnerin ein, der einen positiven Befund über die zweite Urinkontrolle enthielt. Ihm war zu entnehmen, dass die Urinprobe vom … Juni 2018 positiv auf Morphin getestet worden war. Es seien 43,6 ng/ml Morphin festgestellt worden. Der Nachweis von Morphin im Urin sei nur durch die Aufnahme von Morphin selbst oder von Heroin zu erklären. Die Beurteilungskriterien sähen vor, das Programm bei einem positiven Befund wie im vorliegenden Fall abzubrechen, da die Abstinenz nicht mehr lückenlos belegt werden könne.
Der Antragsteller nahm hierzu mit Schreiben vom … Juli 2018 Stellung und gab an, er habe noch nie Morphin oder Heroin oder sonstige Opiate eingenommen. Er habe seit mehreren Jahren keinen Kontakt zu Betäubungsmitteln außer Cannabis. Er habe zeitnah vor der Urinkontrolle am … Juni 2018 Leberkäse in der Mohnsemmel, dies häufig und mehrfach wöchentlich, und gefüllte Germknödel mit Vanillesauce und einem „großen Haufen“ Mohnzucker gegessen. Er bitte daher um die Einräumung der Möglichkeit, an einem neuen Abstinenzprogramm teilzunehmen, und auf den Führerscheinentzug zu verzichten.
Der Antragsteller meldete sich am … November 2018 zu einem neuen Abstinenzkontrollprogramm an, was der Antragsgegnerin mit Schreiben des Bevollmächtigten vom 21. Februar 2019 mitgeteilt wurde.
Nach entsprechender Anhörung, in der die Antragsgegnerin am Entzug der Fahrerlaubnis fest hielt, entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 21. März 2019 die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (Nr. 1), verpflichtete ihn unter Androhung eines Zwangsgeldes zur Abgabe des Führerscheins (Nrn. 2 und 3) und ordnete hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins die sofortige Vollziehung an (Nr. 4). Die Antragsgegnerin sei berechtigt, aufgrund des positiven Nachweises von Morphin auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu schließen. Der Antragsteller sei darauf bei der Aufforderung zur Begutachtung hingewiesen worden.
Der Antragsteller gab seinen Führerschein bei der Polizeiinspektion … in A … ab.
Gegen den am 23. März 2019 zugestellten Bescheid legte der Bevollmächtigte des Antragstellers am 25. März 2019 Widerspruch ein.
Mit Schriftsatz vom 3. April 2019, eingegangen bei Gericht am 16. April 2019, ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO erheben mit dem Antrag,
die aufschiebende Wirkung des am 25.03.2019 eingelegten Widerspruchs gegen die Entziehungsverfügung des Antragsgegners vom 21.03.2019 wird wiederhergestellt.
Zur Begründung wird ausgeführt, dem Entziehungsbescheid sei nicht zu entnehmen, ob und inwiefern der Antragsteller gegen seine Mitwirkungspflichten verstoßen habe. Eine Angabe der Wirkstoffkonzentration von Morphin, die beim Antragsteller gefunden worden sei, fehle. Der Antragsteller habe substantiiert einen wissentlichen und willentlichen Verstoß gegen seine Mitwirkungspflichten aus dem Abstinenzkontrollprogramm bestritten. Unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Antragstellers zu den Vorwürfen habe der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geboten, ihm die Fortführung des Abstinenzkontrollprogramms zu erlauben, zumal zum Zeitpunkt der Entziehungsverfügung der Sachverhalt der Antragsgegnerin bereits mehrere Monate bekannt gewesen sei. Die Zeitspanne zwischen dem Bekanntwerden des vermeintlichen Verstoßes gegen die Mitwirkungspflichten des Antragstellers und der Fahrerlaubnisentziehung sei zumindest im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen.
Die Antragstellerin beantragt mit Schriftsatz vom 7. Mai 2019,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, der Antragsteller sei bereits aufgrund des Nachweises von Morphin in der Urinanalyse vom … Juni 2018 ungeeignet. Dem Antragsteller sei das Ergebnis der zweiten Urinprobe mit Schreiben vom … 2018 mitgeteilt worden. Die Unaufklärbarkeit der Frage, ob der Morphinnachweis auf den Verzehr mohnhaltiger Nahrungsmittel oder auf den Konsum von Betäubungsmitteln durch den Antragsteller zurückzuführen sei, gehe aufgrund des vorherigen ausdrücklichen Hinweises auf die Folgen eines solchen Befundes zulasten des Antragstellers. Die Begutachtungsstelle habe nach der positiven Probe das Drogenkontrollprogramm vereinbarungsgemäß abgebrochen, der Antragsteller sei somit nicht mehr in der Lage, das Gutachten fristgemäß beizubringen. Im Übrigen habe die Antragsgegnerin nach § 11 Abs. 8 FeV kein Ermessen gehabt, sondern habe zwingend auf die Nichteignung des Antragstellers schließen und die Fahrerlaubnis entziehen müssen.
Mit Beschluss vom heutigen Tage wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten und zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg. Er ist zwar zulässig, aber unbegründet.
1. Die Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 4 des Bescheids vom 21. März 2019 entspricht den formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat. An den Inhalt der Begründung sind dabei allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen.
Die Antragsgegnerin hat im Bescheid vom 21. März 2019 (dort S. 6 und 7 unter Nr. 5.) dargelegt, warum sie davon ausgeht, dass der Antragsteller ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr ist. In der Teilnahme solcher Kraftfahrer sieht sie eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer, die es durch Anordnung der sofortigen Vollziehung zu unterbinden gelte. Vorliegend habe der Antragsteller durch den früheren Drogenkonsum seine Fahreignung verloren und die Zweifel daran, dass er noch immer ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei, nicht durch eine einjährige Abstinenz ausgeräumt. Eine weitere Teilnahme am Straßenverkehr als Führer von Kraftfahrzeugen würde erhebliche Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum der übrigen Verkehrsteilnehmer mit sich bringen. Diese Begründung entspricht insgesamt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, weil sie unter Bezug auf den konkreten Fall nachvollziehbar darlegt, warum die Antragsgegnerin ein erhöhtes Risiko darin sieht, wenn der Antragsteller jedenfalls bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtsbehelfe in Besitz seines Führerscheins verbleiben würde. Im Übrigen folgt im Bereich des Sicherheitsrechts allgemein und so auch im vorliegenden Fall das Interesse an der sofortigen Vollziehung regelmäßig bereits aus den Gründen der zu Grunde liegenden Anordnung selbst.
2. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Klage ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Es trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Grundlage dieser Entscheidung ist eine Abwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers und dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin, wobei insbesondere die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen sind (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 72 ff.). Der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebliche Zeitpunkt ist vorliegend der Tag der Beschlussfassung des Gerichts, da der Antragsteller Widerspruch erhoben hat und das Verwaltungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist.
Hier überwiegt das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin, da der Widerspruch des Antragstellers nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Der Bescheid vom 21. März 2019 erweist sich nach der gegenwärtigen Sach- und Rechtslage als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (s. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2.1 Wer Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) einnimmt, ist im Regelfall zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet (§ 11 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Anlage 4 Nr. 9.1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV). Erweist sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen (§ 46 Abs. 1 Satz 1 FeV). Mit der Entziehung erlischt die Fahrerlaubnis (§ 46 Abs. 6 Satz 1 FeV).
Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV). Nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 FeV ist die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn zu klären ist, ob der Betroffene noch betäubungsmittelabhängig ist oder – ohne abhängig zu sein – weiterhin Betäubungsmittel einnimmt. Die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens unterbleibt allerdings, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht (§ 11 Abs. 7 FeV).
2.2 Die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen mit der zwingenden Folge der Fahrerlaubnisentziehung (§ 3 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG, § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) hat die Antragsgegnerin zu Recht damit begründet, dass der Befund über die zweite Urinkontrolle des Antragstellers im Rahmen von ihm geforderten Abstinenzkontrollprogramms mit anschließender medizinisch-psychologischer Untersuchung positiv war.
2.2.1 Der Anordnung der Antragsgegnerin zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens hat sich der Antragsteller nicht widersetzt. Wegen der seit dem regelmäßigen Betäubungsmittelkonsum des Antragstellers bis 2015 verstrichenen Zeit und der vom Antragsteller behaupteten Abstinenz seither konnte die Antragsgegnerin im Jahr 2018 nicht mehr ohne Weiteres von seiner Fahrungeeignetheit ausgehen, sondern war berechtigt und gehalten, den Antragsteller im Hinblick auf eine etwaige Wiedererlangung der Fahreignung (vgl. Anlage 4 Nr. 9.5 zur FeV) zunächst zu einem engmaschigen, behördlich überwachten Drogenscreening mit anschließender medizinisch-psychologischer Untersuchung aufzufordern (vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2005 – 11 CS 04.2526 – BayVBl 2006, 18 ff.; B.v. 4.2.2009 – 11 CS 08.2591 – juris Rn. 16 ff.; B.v. 17.6.2010 – 11 CS 10.991 – juris Rn. 21 ff.; OVG LSA, B.v. 1.10.2014 – 3 M 406.14 – juris Rn. 15 f.). Die entsprechende Fragestellung und die Beibringungsaufforderung im Übrigen begegnen keinen Bedenken, insbesondere ist sie anlassbezogen und verhältnismäßig und genügt den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 FeV.
2.2.2 Weigert sich der Betreffende, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr zu Recht geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf diese bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betreffenden schließen, wenn sie ihn hierauf in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens hingewiesen hat (§ 11 Abs. 8 FeV).
Der Antragsteller hat zwar die von der Begutachtungsstelle für Fahreignung angesetzten Untersuchungstermine wahrgenommen und sich dem Drogen-Urinscreening jeweils unterzogen. Er hat auch seinen Wunsch erklärt, das Drogenkontrollprogramm fortzusetzen und sich eigeninitiativ erneut zu einem Abstinenzkontrollprogramm angemeldet. Eine den Schluss auf seine Nichteignung rechtfertigende Weigerung, sich untersuchen zu lassen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 Alt. 1 FeV), kann ihm daher nicht vorgehalten werden.
Der Antragsteller ist jedoch vorwerfbar nicht mehr in der Lage, das von ihm geforderte Fahreignungsgutachten fristgerecht beizubringen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 FeV). Die Antragsgegnerin hat ihn in der Aufforderung zur Gutachtensbeibringung vom … März 2018 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie von seiner Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehe und ihm die Fahrerlaubnis entziehe, sofern er gegen die Vertragsbedingungen der Begutachtungsstelle verstoße, insbesondere bei aktuellem Konsum von Medikamenten, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen, dem Konsum von ethanolhaltigen Lebensmitteln oder Mundhygienemitteln, Hanf- und Mohnprodukten sowie bei Passivkonsum oder Kontakt mit Betäubungsmittel sowie bei Manipulation an den Haaren. Es ist davon auszugehen, dass auch das von der Begutachtungsstelle dem Antragsteller vor Beginn des Screeningprogramms ausgehändigte Merkblatt, das nicht aktenkundig ist, entsprechende eindeutige Hinweise enthält.
Beim zweiten Urinscreening am … Juni 2018 ergab sich für Opiate ein Wert von 43,6 ng/ml Morphin. Damit ist der nach Angaben der Begutachtungsstelle bei 25 ng/ml liegende Grenzwert deutlich überschritten. Es ist zwar durchaus möglich, dass diese Überschreitung auf den Verzehr mohnhaltiger Nahrungsmittel und nicht auf den Konsum von Betäubungsmitteln zurückzuführen ist (wie sich aus der Aussage der Begutachtungsstelle in der Fallgestaltung, die dem Verfahren BayVGH, B.v. 27.2.2015, 11 CS 15.145 zugrunde lag, ergibt). Aufgrund des vorherigen ausdrücklichen Hinweises auf die Folgen eines solchen Befundes geht die Unaufklärbarkeit aber zu Lasten des Antragstellers. Unabhängig davon, ob, wann und in welcher Menge er vor der Untersuchung mohnhaltige Nahrungsmittel verzehrt hatte, hat der Befund dazu geführt, dass die Begutachtungsstelle das Drogenkontrollprogramm vereinbarungsgemäß abgebrochen hat und der Antragsteller somit nicht mehr in der Lage war, das Gutachten fristgemäß beizubringen. Hierbei kann er sich auch nicht darauf berufen, dass er fälschlicherweise davon ausgegangen war, dass die von ihm angeblich konsumierten Lebensmittel aufgrund ihres niedrigen Mohngehaltes keine tatsächlichen Auswirkungen auf die Untersuchungsergebnisse des Abstinenzkontrollprogramms haben könnten. Aufgrund der bestehenden Zweifel an seiner Fahreignung oblag es ihm, an der Aufklärung mitzuwirken, das Gutachten beizubringen und alles zu unterlassen, was die Aufklärung behindert. Hierzu zählt entsprechend den ausdrücklichen schriftlichen Hinweisen der Antragsgegnerin in ihrem Anordnungsschreiben auch der Konsum mohnhaltiger Lebensmittel, der das Untersuchungsergebnis verfälschen kann. Es war Sache des Antragstellers, diese Hinweise im eigenen Interesse sorgfältig zur Kenntnis zu nehmen und zu beachten (vgl. auch BayVGH, B.v. 27.02.2015, a.a.O., RdNrn 20 ff. -juris-). Dieses Ergebnis hält das erkennende Gericht im Sinne der Verfahrenssicherheit und – transparenz der Abstinenzkontrollprogramme für zwingend.
Die auf die Nichtbeibringung eines positiven Fahreignungsgutachtens gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis ist daher nicht zu beanstanden. Sie lag nicht im Ermessen der Antragsgegnerin, sondern war zwingend anzuordnen, so dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller nicht erneut die Möglichkeit einräumen durfte, ein Abstinenzkontrollprogramm zu beginnen.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers trifft es auch nicht zu, dass der Antragsteller nicht über Inhalt und Ausmaß seiner Mitwirkungsobliegenheitsverletzung informiert war. Ihm lag das Schreiben des A … vom … Juni 2018 im Original vor, sodass sich für den Antragsteller schon aus dem Anhörungsschreiben, welches auf das A …- Schreiben Bezug nahm, ergab, aufgrund welcher Tatsachen die Antragsgegnerin auf seine Ungeeignetheit schließen wollte.
Ebenso wenig hat die Antragsgegnerin ihr Recht, die Fahrerlaubnis des Antragsgegners zu entziehen, aufgrund der Zeitspanne zwischen Bekanntwerden der den Entzug rechtfertigenden Tatsachen und der Entziehung selbst verwirkt. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller keinen Anlass gegeben, in schutzwürdiger Weise darauf zu vertrauen, sie würde nicht mehr gegen ihn einschreiten. Allein der Zeitablauf von wenigen Monaten ist – auch angesichts des hohen Fallaufkommens bei der Antragsgegnerin – jedenfalls von vornherein nicht geeignet, eine Verwirkung der fahrerlaubnisrechtlichen Befugnisse der Antragsgegnerin anzunehmen.
Weil nach alledem die Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, überwiegt das öffentliche Interesse am Vollzug des verfahrensgegenständlichen Bescheids. Gründe, die ausnahmsweise trotz der mangelnden Erfolgsaussichten der Hauptsache für eine Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sprechen würden, sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i.V.m. den Empfehlungen in den Nrn. 1.5, 46.2 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand November 2013).


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