Strafrecht

Erfolgloser Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, Entzug der Fahrerlaubnis, Führen eines Kfz unter kumulativer Wirkung von Cannabis und Alkohol, Mischkonsum, Entfallen der Fahreignung, ohne dass es auf das weitere selbständige Merkmal des fehlenden Trennungsvermögen ankommt, Keine weitere Aufklärungsmaßnahme wie Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachten erforderlich, Abweichende obergerichtliche Rechtsprechung (OVG NRW v. 14.11.2019), Hilfsweise allgemeine Interessenabwägung, die zu Lasten des Antragstellers ausfällt

Aktenzeichen  RO 8 S 21.1171

Datum:
23.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30892
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG i.V.m. § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 46 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 7
FeV Nr. 9.2.2 der Anlage 4

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
Der am … 1985 geborene Antragsteller war zuletzt Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen B, M und L. Der entsprechende Führerschein wurde dem Antragsteller am 13. April 2004 ausgestellt.
Mit Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle Viechtach vom 9. Juli 2019, rechtskräftig am 26. Juli 2019, wurde gegen den Antragsteller wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a Straßenverkehrsgesetz (StVG) eine Geldbuße in Höhe von 500,00 EUR sowie ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats verhängt. Dem Bußgeldbescheid lag zugrunde, dass der Antragsteller am 10. Juni 2019 unter Alkoholeinfluss ein Kraftfahrzeug geführt hatte. Ein Atemalkoholtest hatte eine Atemalkoholkonzentration von 0,33 mg/l ergeben.
Mit Schreiben der Polizeiinspektion R… vom 4. Mai 2021 wurde der Fahrerlaubnisbehörde am Landratsamt C. mitgeteilt, dass der Antragsteller am 18. April 2021 gegen 21:10 Uhr einen Personenkraftwagen unter Alkoholeinwirkung geführt habe. Es seien auch drogentypische Auffälligkeiten festgestellt worden. Eine Blutentnahme sei vorgenommen worden. Nach zwei ärztlichen Befundberichten der MVZ L. K. GbR vom 20. April 2021 über die Ergebnisse der Blutuntersuchung wurden beim Antragsteller eine Blutalkoholkonzentration von 0,59 0/00 festgestellt. Außerdem wurden im Blut Cannabis (7,3 ng/ml Tetrahydrocannabinol-THC) und THC-Abbauprodukte festgestellt (4,5 ng/ml 11-Hydroxid-THC; 61 ng/ml THC-Carbonsäure). Nach den ärztlichen Befundberichten sei der Nachweis von THC und seinen Metaboliten beweisend für einen kürzlich erfolgten Cannabis-Abusus. Der Proband sei somit nachweislich unter dem Einfluss von Cannabis-Produkten gestanden. Aufgrund der vorliegenden Befundkonstellation könne davon ausgegangen werden, dass der Proband zum Zeitpunkt der Blutentnahme und folglich auch zum Vorfallszeitpunkt unter dem Einfluss der nachgewiesenen berauschenden Mittel gestanden habe. Somit sei für den Tatzeitpunkt eine Fahrt unter dem Einfluss von Alkohol und Cannabis (THC) im Sinne des § 24a StVG anzunehmen.
Mit Schreiben vom 6. Mai 2021 teilte das Landratsamt unter Bezugnahme auf die angesprochenen Erkenntnisse mit, dass nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis, wenn keine Trennung von Konsum und Fahren und ein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol belegt sei, die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bestehe. Die Fahrerlaubnis sei deshalb zu entziehen. Vor Erlass eines rechtsmittelfähigen Entzugsbescheids erhalte der Antragsteller Gelegenheit, sich bis spätestens 18. Mai 2021 zu äußern.
Mit am 17. Mai 2021 (19:15 Uhr) eingegangenem Fax seines Bevollmächtigten wurde Akteneinsicht und Verlängerung der Anhörungsfrist um wenigstens zwei Wochen nach erfolgter Akteneinsicht beantragt. Eine entsprechende Vollmacht war beigefügt.
Mit Schreiben vom 18. Mai 2021 übersandte das Landratsamt dem Bevollmächtigten die Fahrerlaubnisakte des Antragstellers und lehnte eine Verlängerung der Anhörungsfrist um zwei Wochen aus Gründen der Verkehrssicherheit ab.
Mit Bescheid des Landratsamts ebenfalls vom 18. Mai 2021 wurde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis aller Klassen entzogen (Nr. 1). Der Führerschein der Klassen B, M und L sei innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung des Bescheids beim Landratsamt abzuliefern (Nr. 2). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 wurde angeordnet (Nr. 3). Für den Fall, dass die unter Nr. 2 ausgesprochene Verpflichtung nicht fristgerecht erfüllt werde, werde eine Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR zur Zahlung fällig (Nr. 4). Zur Begründung wird u. a. ausgeführt, wer gelegentlich Cannabis und dabei auch Alkohol konsumiere sei nicht geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen (Nr. 9.2.2 der Anlage 4 FeV). Dies gelte unabhängig von einer Teilnahme am Straßenverkehr. Auf die weitere Bescheidsbegründung wird Bezug genommen.
Am 26. Mai 2021 hat der Antragsteller seinen Führerschein beim Landratsamt abgegeben.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 4. Juni 2021 hat der Antragsteller gegen den am 19. Mai 2021 zugestellten Bescheid Widerspruch erheben lassen.
Mit am 16. Juni 2021 eingegangenem Schreiben seines Bevollmächtigten ließ er zudem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zum Verwaltungsgericht Regensburg stellen. Zur Begründung wird vorgebracht, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entsprechenden Weise erfolgt. Die Begründung sei vielmehr formelhaft, ohne auf die besondere Situation des Antragstellers als Arbeitssuchenden einzugehen. Der Bescheid sei formell rechtswidrig, da die vor Erlass eines belastenden Verwaltungsakts notwendige Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 Bayer. Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Der Bescheid sei bereits vor Ablauf der gesetzten Anhörungsfrist erlassen worden. Die Behörde sei aber verpflichtet, mit dem Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes bis zum Anhörungsfristablauf zuzüglich der Postlaufzeiten zu warten. Eine Heilung des Verfahrensverstoßes nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG liege nicht vor, sie sei auch nicht mehr möglich. Eine solche Heilung setze voraus, dass die mit dem Fehler verbundenen Nachteile noch vollständig beseitigt werden könnten, das sei aber nicht mehr der Fall, wenn das Verfahrensergebnis bereits vollzogen sei. Der Bescheid sei auch materiell rechtswidrig. Die Fahrerlaubnisbehörde müsse nach § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV bei gelegentlichem Cannabis-Konsum nach pflichtgemäßem Ermessen über die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung der durch eine Fahrt unter Einfluss von Cannabis begründeten Zweifel an der Fahreignung entscheiden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gelte dies beim erstmaligen Verstoß gegen das Trennungsprinzip nach dem Konsum von Cannabis. Nach der zutreffenden oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (OVG Münster, B. v. 14.11.2009 – 16 B 638/19) zudem auch bei einem vorliegenden Mischkonsum von Alkohol und Cannabis. Eine unmittelbare Anwendung des § 11 Abs. 7 FeV – wie im streitgegenständlichen Bescheid geschehen – scheide in diesen Fällen grundsätzlich aus. Beim Antragsteller liege lediglich ein erstmaliger Verstoß gegen das Trennungsprinzip vor. Aus dem im Bescheid dargelegten Sachverhalt könne lediglich ein gelegentlicher Konsum von Cannabis durch den Antragsteller abgeleitet werden. Es hätte hier vor der Entziehung der Fahrerlaubnis zunächst ein medizinisch-psychologisches Gutachten eingeholt werden müssen. Weder habe ein wiederholter Verstoß gegen das Trennungsprinzip vorgelegen noch ergebe sich ein besonders verantwortungsloser Cannabis-Konsum, der eine Wiederholung eines Verstoßes gegen das Trennungsprinzip nahelege. Vielmehr habe der Rest-THC-Gehalt im Blut beim Antragsteller im unteren Bereich gelegen. Darüber hinaus habe das Landratsamt C… auch nicht ermittelt, ob überhaupt im konkreten Fall ein Mischkonsum von Cannabis und Alkohol vorgelegen habe. Dabei komme es vorliegend aber gerade maßgeblich auf den Zeitpunkt des Cannabis-Konsums an, da das Trennungsprinzip nur dann verletzt sei, wenn ein Mischkonsum in zeitlicher und mengenmäßiger Hinsicht überhaupt zu einer kombinierten Rauschwirkung führen könne. Die bloße Ermittlung eines Rest-THC-Gehalts reiche hierbei nicht aus, da gerade bei niedrigen THC-Werten eine Wirkungskumulation in der Regel ausgeschlossen sei und niedrige Werte zudem noch lange Zeit nach dem erfolgten Konsum vorliegen könnten. Selbst bei Annahme von offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache würde hier das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung überwiegen. Der Antragsteller sei maßgeblich auf seine Fahrerlaubnis angewiesen, da er aktuell arbeitsuchend sei.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Wiederspruchs gegen den Bescheid des Landratsamtes C… vom 18. Mai 2021 hinsichtlich dessen Nrn. 1 und 2 wiederherzustellen.
Das Landratsamt beantragt für den Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen.
Es wird ausgeführt, die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzuges genüge den formellen Erfordernissen. Es liege in der Regel auf der Hand, dass die Teilnahme eines für ungeeignet erachteten Kraftfahrers am Straßenverkehr zu erheblichen Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer führe und dass ein solcher Kraftfahrer zur Vermeidung der von ihm ausgehenden akuten Gefahr durch die Anordnung des Sofortvollzuges schnellstmöglich von der weiteren Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr auszuschließen sei. Die Anhörung sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Eine entsprechende Äußerung bis zum Ende der Äußerungsfrist am 18. Mai 2021 sei nicht erfolgt. Eine beantragte Fristverlängerung sei aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht zu gewähren gewesen. Im Übrigen könne gemäß Art. 46 BayVwVfG die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden, weil offensichtlich sei, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe. Dies sei hier der Fall, da der Behörde kein Ermessensspum eröffnet gewesen sei. Der Antragsteller sei ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, ohne dass eine weitergehende Klärung seiner Fahreignung durch ein medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten aktuell angezeigt erscheine. Die Fahreignung des Antragsteller sei entfallen, da er Alkohol und Cannabis in einem Zusammenhang konsumiere, der eine kumulierte Rauschwirkung ermögliche. Der beim Antragsteller festgestellte THC-Wert von 7,3 ng/ml sei auch als erheblich zu bezeichnen und belege einen zeitnah zur Fahrt stattgefundenen Cannabis-Konsum. Der Antragsteller habe Cannabis gleichzeitig mit Alkohol konsumiert und in diesem berauschten Zustand ein Kraftfahrzeug geführt. Es bestünden wiederholte Eintragungen im Fahreignungsregister von Verstößen gegen § 24a StVG. Im Fall eines Mischkonsums dürfe auch ohne ein vorhergehendes medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachten die Fahrerlaubnis entzogen werden. Wegen der schwerwiegenden Gefahren, die vom Antragsteller als ungeeignetem Kraftfahrer ausgingen, müssten dessen private Belange gegenüber dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug zurücktreten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Parteien sowie auf die beigezogene Behördenakte des Landratsamtes Bezug genommen.
II.
Der nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässige Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widerspruch gegen die für sofort vollziehbar erklärten Anordnungen in den Nrn. 1 und 2 des Bescheid des Landratsamtes vom 18. Mai 2021 ist nicht begründet.
Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prüft das Gericht, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen kann gemäß § 80 Abs. 5 VwGO das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen, wobei es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien trifft. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581; BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 92 ff.). Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht ausreichend absehbar, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen
1. Die Anordnung des Sofortvollzugs genügt vorliegend den formellen Anforderungen. Das Landratsamt hat die Anordnung insbesondere in ausreichender Weise begründet. Die Vorschrift des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verlangt eine Darlegung der Gründe, die zu erkennen gibt, dass die Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für ausnahmsweise geboten erachtet (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 55). Die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs im Bescheid vom 18. Mai 2021 erfüllt diese formell-rechtlichen Anforderungen. Sie zeigt, dass sich das Landratsamt des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst war und enthält die Erwägungen, die er für die Anordnung des Sofortvollzugs als maßgeblich angesehen hat. Es ist dabei insbesondere auch auf die Auswirkungen der Anordnung des Sofortvollzugs auf den Antragsteller, z.B. auf die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel in R… eingegangen, hat aber dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer den Vorrang eingeräumt. Dass in einer Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle betreffend die Ungeeignetheit von Kraftfahrern das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch ist und die fahrerlaubnisrechtliche Anordnung der sofortigen Vollziehung ähnlich begründet wird, ändert an deren Einzelfallbezogenheit nichts (vgl. etwa BayVGH, B.v. 16.11.2016 – 11 CS 16.1957 – juris; B.v. 15.6.2016 – 11 CS 16.879 – juris).
2. Eine summarische Prüfung der Hauptsache, wie sie im Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, ergibt vorliegend, dass der Widerspruch des Antragstellers voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Es spricht einiges dafür, dass die im streitgegenständlichen Bescheid getroffenen Regelungen formell und materiell rechtmäßig sind und der Antragsteller dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Hinblick darauf fällt die Interessenabwägung in Anbetracht der von ungeeigneten Fahrern ausgehenden Gefahren für den Straßenverkehr zu Lasten des Antragstellers aus.
a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis ist nach Nummer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nur dann gegeben, wenn Konsum und Fahren getrennt werden und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen vorliegt. Steht nach Maßgabe der gesetzlichen Voraussetzungen die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, entzieht die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis unmittelbar; die Entscheidung ist ohne Ermessensspielraum zwingend, soweit – wie hier – nicht ersichtlich ist, dass Auflagen bzw. Beschränkungen ausreichend wären, um die anzunehmenden Gefahren für den Straßenverkehr auszuschließen. Einer Gutachtenseinholung bedarf es dann nicht (§ 11 Abs. 7 FeV).
Im Hinblick darauf, dass das Landratsamt zu Recht (s. dazu nachfolgend) wegen feststehender Nichteignung des Antragstellers die Fahrerlaubnis entzogen hat und insoweit kein Ermessen bestand, kann dahingestellt bleiben, ob das Landratsamt gehalten war, die eingeräumte Anhörungsfrist nach Bestellung des Bevollmächtigten des Antragstellers auf dessen Antrag hin zu verlängern. Denn ein eventueller Fehler wäre in diesem Fall nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich. Außerdem kommt eine Heilung nach Art. 45 BayVwVfG ohne Weiteres in Betracht.
Da der Antragsteller gelegentlicher Cannabiskonsument ist und am 18. April 2021 unter nachgewiesenem Einfluss eines fahreignungsrelevanten Mischkonsums von THC und Alkohol ein Kraftfahrzeug geführt hat, durfte das Landratsamt ohne weitere Aufklärungsmaßnahme von einer feststehenden Fahrungeeignetheit ausgehen, § 11 Abs. 7 FeV i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 FeV sowie Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV.
Von einem gelegentlichen Konsum des Antragstellers von Cannabis durfte das Landratsamt ausgehen. Gelegentlicher Konsum von Cannabis liegt vor, wenn der Betroffene in zwei oder mehr selbständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (stRspr, BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 14.17 – NJW 2019, 3395 Rn. 14). Bei der Wertung, dass der Antragsteller mehr als einmal und damit gelegentlich Cannabis konsumiert hat, handelt es sich um einen Akt der Beweiswürdigung. Zwar ist die Gelegentlichkeit des Cannabiskonsums ein Tatbestandsmerkmal, für das die Fahrerlaubnisbehörde die materielle Beweislast trägt, mit der Folge, dass eine etwaige Nichterweislichkeit zu ihren Lasten geht. Allerdings liegt ein einmaliger Konsum nur dann vor, wenn der Betreffende entweder erstmals im Rahmen eines Probierkonsums Cannabis zu sich genommen hat oder frühere Konsumakte derart weit zurückliegen, dass daran nicht mehr angeknüpft werden kann und er aus besonderen Umständen heraus einmalig Cannabis eingenommen hat. Dies plausibel darzulegen, obliegt dem Betroffenen (BayVGH, B.v. 25.6.2020 – 11 CS 20.791). Vor dem Hintergrund des äußerst seltenen Falles, dass ein mit den Wirkungen der Droge noch völlig unerfahrener Erstkonsument bereits wenige Stunden nach dem Konsum ein Kraftfahrzeug führt und dann auch noch von der Polizei kontrolliert wird, ist im Rahmen der Beweiswürdigung die Annahme gerechtfertigt, dass ohne substantiierte und plausible Darlegung des Gegenteils nicht von einem einmaligen Konsum ausgegangen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 6.11.2018 – 11 CS 18.821 – juris Rn. 16 m.w.N.; OVG NW, U.v. 15.3.2017 – 16 A 432/17 – Blutalkohol 54, 328 = juris Rn. 47 ff. m.w.N.). Hier wurde vom Antragsteller ein gelegentlicher Cannabiskonsum schon gar nicht bestritten. Das Landratsamt hat deshalb zu Recht die Beurteilung der Fahreignung des Antragstellers am Maßstab der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV vorgenommen.
Ausweislich der ärztlichen Befundberichte der MVZ L. K. GbR vom 20. April 2021 stand der Antragsteller bei der Fahrt am 18. April 2021 nicht nur unter Einfluss von Cannabis (7,3 ng/ml THC), sondern auch unter der Wirkung von Alkohol (BAK-Mittelwert 0,59 0/00). Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Blutentnahme und Vorfallszeitpunkt hat das Gericht keine Zweifel an der Einschätzung in den ärztlichen Befundberichten, dass für den Tatzeitpunkt eine Fahrt unter Einfluss Alkohol und Cannabis (THC) im Sinne des § 24a StVG anzunehmen ist. Auszugehen ist davon, dass für die Annahme eines sog. Mischkonsums beide Substanzen unter zeitlichem und mengenmäßigem Blickwinkel in einer Weise eingenommen worden sein müssen, die zu einer kombinierten Rauschwirkung führen kann (grundlegend: BVerwG, U.v. 14.11.2013 – 3 C 32/12 – BVerwGE 148, 230/242). Entscheidend ist eine wirkungsbezogene Betrachtungsweise; nötig ist keine gleichzeitige Einnahme der Substanzen, sondern unter zeitlichem Blickwinkel eine Einnahme, die eine kombinierte Rauschwirkung zur Folge haben kann. Mengenmäßig liegen die Schwellenwerte für eine fahrerlaubnisrelevante cannabisbedingte Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit bei einer THC-Konzentration von 1 ng/ml und für eine alkoholbedingte verminderte Fahrtüchtigkeit bei einer BAK von 0,3 bis 0,4 Promille (BVerwG, a.a.O., juris Rn. 28). Beide genannten Elemente einer möglichen kombinierten Rauschwirkung sind im vorliegenden Fall erfüllt.
Bereits der Umstand, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Trunkenheitsfahrt infolge eines Mischkonsums unter der kumulierten Wirkung dieser Stoffe stand, begründet nach Auffassung der Kammer bei summarischer Prüfung im Rahmen des Eilverfahrens gem. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV seine feststehende Nichteignung, so dass ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen war. Der Anordnung einer Aufklärungsmaßnahme gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV – wie sie etwa bei erstmaliger Verletzung gegen das Gebot der Trennung von Cannabiskonsum und Fahren durch Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gefordert wird (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 13/17 – juris sowie vorgehend BayVGH München, U.v. 25.4.2017 – 11 BV 17.33 – juris) – bedarf es bei einer festgestellten Wirkungskumulation infolge eines Mischkonsums von Cannabis und psychoaktiver Substanzen entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers nicht. Denn maßgebend für die vom Verordnungsgeber in der hier einschlägigen Variante der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV vorgezeichneten Gefahreneinschätzung ist nicht nur die Gefahr einer fehlenden Trennung von Konsum und Fahren, sondern vielmehr auch die signifikante Erhöhung des Unfallrisikos infolge des kombinierten Konsums von Cannabis und Alkohol bei einem etwaigen Verstoß gegen das Trennungsgebot (vgl. zum Mischkonsum von Alkohol und Cannabis BVerwG, U.v. 14.11.2013 – 3 C 32/12 – NJW 2014, 1318 Rn. 16, 21). Deshalb darf die Fahrerlaubnisbehörde bei gelegentlichen Cannabiskonsumenten bereits im Falle eines festgestellten Mischkonsums von Cannabis sowie Alkohol bzw. psychoaktiven Substanzen gem. § 11 Abs. 7 FeV von einer feststehenden Nichteignung des Betroffenen ausgehen (so auch VG Münster, B.v. 30.4.2019 – 10 L 278/19 – juris Rn. 10; VG Karlsruhe, B.v. 16.12.2019 – 2 K 4144/19 – juris Rn. 34 ff. unter Bezugnahme auf VGH Mannheim, B.v. 19.8.2013 – 10 S 206/13; – juris 11; VG Würzburg, B.v. 27.3.2020 – W 6 S 20.411 – juris Rn. 35; VG Berlin, B.v. 28.9.2020 – 4 L 271/20 – juris Rn. 16 ff.; VG München, B.v. 10.3.2021 – M 6 S 20.3576 – juris Rn. 33; VG Oldenburg, B.v. 1.6.2021 – 7 B 2100/21 – juris Rn. 26 ff., offen gelassen bei BayVGH, B.v. 29.4.2019 – 11 B 18.2482 – juris Rn. 21; B.v. 16.4.2020 – 11 CS 20.550 – juris Rn. 18; B.v. 2.9.2020 – 11 CS 20.814 – juris, a.A. OVG Münster, B.v. 14.11.2019 – 16 B 638/19 – juris Rn. 11 ff.).
Die unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten auch bei einem Mischkonsum geforderte hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Teilnahme am Straßenverkehr unter kumulierter Wirkung mehrerer Rauschmittel (siehe BVerwG, U.v. 14.11.2013 – 3 C 32/12 – NJW 2014, 1318 Rn. 16) zeigt vorliegend ohne weiteres die Tatsache, dass der Antragsteller am 18. April 2021 ein Fahrzeug im Straßenverkehr führte, obwohl er unter Einfluss von THC sowie gleichzeitig von Alkohol stand.
Umstände, die auf eine Ausnahme vom Regelfall der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV hinweisen könnten (vgl. Vorbemerkung Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV), hat der Antragsteller schließlich weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren vorgetragen.
Es waren nach der Blutentnahme am 18. April 2021 bis zur Entziehung der Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 18. Mai 2021 auch keine ausreichenden Anhaltspunkte erkennbar, wonach der Antragsteller seine Fahreignung möglicherweise wiedererlangt haben könnte, sodass anstatt des unmittelbaren Fahrerlaubnisentzuges keine weitere behördliche Aufklärung veranlasst war.
b) Der Verpflichtung des Antragsteller zur Abgabe seines Führerscheins bei der Fahrerlaubnisbehörde ist in der Folge ebenfalls nicht zu beanstanden, vgl. § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 FeV.
Der Widerspruch des Antragstellers wird deshalb voraussichtlich keinen Erfolg haben.
3. Selbst wenn man aber im Hinblick auf die vom Antragsteller angeführte Entscheidung des OVG Münster vom 14.11.2019 (16 B 638/19 – juris) die Erfolgsaussichten in der Hauptsache bei der vorliegenden Fallkonstellation, bei der ein Betroffener nach Mischkonsum von Cannabis und Alkohol ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führt, nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht vom 11. April 2010 (3 C 13/17) als offen – da höchtstrichterlich noch nicht geklärt – ansieht, fällt die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen gegen den für sofort vollziehbar erklärten Entzug einer Fahrerlaubnis kommt in der Regel nur in Betracht, wenn hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass das von dem Betroffenen ausgehende Gefahrenpotential nicht nennenswert über dem des Durchschnitts aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liegt (BayVGH, B.v. 21.11.2012 – 11 CS 12.2171 – juris Rn. 15). Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass dem Antragsteller nicht nur ein Mischkonsum vorzuwerfen ist, sondern dieser mit einer deutlich über dem Grenzwert von 1,0 ng/ml liegenden THC-Wert von 7,3 ng/ml im Blutserum ein Fahrzeug führte. Abstinenznachweise nach dem streitgegenständlichen Vorfall wurden nicht vorgelegt. Bei dieser Sachlage muss das Gericht davon ausgehen, dass das vom Antragsteller ausgehende Gefahrenpotential deutlich erhöht ist. Die damit für den Antragsteller möglicherweise verbundenen Nachteile in Bezug auf seine Arbeitsplatzsuche und seine private Lebensführung müssen von ihm im Hinblick auf den hohen Rang der durch die Verkehrsteilnahme eines ungeeigneten Kraftfahrers gefährdeten Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit sowie im Hinblick auf das überwiegende Interesse der Verkehrssicherheit hingenommen werden. Eventuelle persönliche oder berufliche Auswirkungen sind typisch und waren dem Gesetzgeber bei der Schaffung der Vorschriften bekannt (vgl. SächsOVG, B.v. 19.5.2016 – 3 B 37/16 – juris). Zum Schutz der Verkehrsteilnehmer ist es sachgerecht, den Antragsteller bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache als Führer eines Kraftfahrzeuges am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen.
Nach alledem war der Antrag abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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