Strafrecht

Fahreignung bei ärztlich verordnetem Cannabiskonsum

Aktenzeichen  Au 7 S 19.812

Datum:
23.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19488
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 75, § 80 Abs. 5
StVG § 3 Abs. 1
FeV § 11 Abs. 8 S. 1, § 46 Abs. 1 S. 3, Abs. 3

 

Leitsatz

1. Die Untätigkeitsklage im Falle eines nicht beschiedenen Anfechtungswiderspruchs kann ausnahmsweise auf Erlass eines Widerspruchsbescheides gerichtet sein, wenn die Widerspruchsbehörde eine Ermessensentscheidung zu treffen hat. (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dass ein Hausarztbereits vor einer Fahrt unter Cannabiseinfluss in einem Befundbericht die Verschreibung von Medizinalcannabis befürwortet hatte, hat auf die Rechtmäßigkeit einer Gutachtensanordnung keinen Einfluss  (Rn. 72); bei  einer ärztlich verordneten Therapie mit Cannabis ist aber eine einzelfallorientierte Beurteilung der Fahreignung unter Würdigung der individuellen Aspekte erforderlich, die sowohl aus verkehrsmedizinischer Sicht die Erkrankung, ihre Symptome, die medikamentenspezifischen Auswirkungen und die ärztliche Überwachung der Medikamenteneinnahme erfasst, als auch aus verkehrspsychologischer Sicht die individuelle Leistungsfähigkeit, die Fähigkeit zur Kompensation von ggf. festgestellten Leistungseinschränkungen, die Compliance des Patienten gegenüber der Therapie, die Fähigkeit zur Risikoeinschätzung und auch die Gefahr der missbräuchlichen Einnahme überprüft. (Rn. 74) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der 1992 geborene Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, AM, A1, A2, B, BE und L.
1. Am 25. Juli 2018 gegen 18.55 Uhr führte die Polizei (Polizeiinspektion, …) eine Verkehrskontrolle durch und stellte beim Antragsteller drogentypische Ausfallerscheinungen fest. Eine freiwillige Blutentnahme um 19.51 Uhr ergab laut dem rechtsmedizinischen Gutachten vom 6. August 2018 (Bl. 5/6 der Behördenakte) folgende Werte:
3,6 ng/ml THC,
33,6 ng/ml THC-COOH,
1,2 ng/ml 11-OH-THC.
Aufgrund dieser Fahrt unter Cannabiseinfluss wurde gegen den Antragsteller mit Urteil des Amtsgerichts … (…) vom 31. Januar 2019 (Az.: …), rechtskräftig seit 16. April 2019, wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Wirkung berauschender Mittel (§ 24 Abs. 2, 3 StVG) ein Bußgeld in Höhe von 500,00 EUR und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt.
Das Landratsamt … (im Folgenden: Landratsamt) hörte ihn wegen der Fahrt unter Cannabiseinfluss mit Schreiben vom 12. September 2018 zur beabsichtigten Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an. In einem Aktenvermerk (Bl. 50 der Behördenakte) ist festgehalten, dass der Antragsteller im Rahmen eines Gesprächs am 17. September 2018 Unterlagen zu seiner Erkrankung (Bandscheibenvorfall) und ein ärztliches Attest vorlegte, wonach er die üblichen Medikamente nicht vertrage und Medizinalcannabis als Schmerzmedikament wünsche. Die Krankenkasse (…) habe die Übernahme der Kosten aber abgelehnt. Ein Rezept und/oder eine ärztliche Verordnung mit Therapieplan gebe es nicht.
Mit Schreiben vom 18. September 2018 (Bl. 10 bis 13 der Behördenakte) ordnete das Landratsamt an, dass der Antragsteller bis zum 2. Dezember 2018 gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV ein medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten vorzulegen habe. Zur Begründung wurde auf die Fahrt unter Cannabiseinfluss vom 25. Juli 2018 hingewiesen und dargelegt, dass beim Antragsteller, insbesondere aufgrund seiner Angaben im Gespräch vom 17. September 2018, zumindest von einem gelegentlichen Cannabiskonsum auszugehen sei und eine bestimmungsgemäße Einnahme nach Verschreibung der Substanz nicht vorliege. Bei der Ermessensentscheidung sei berücksichtigt worden, dass von Betäubungsmittelkonsumenten erhebliche Gefahren für den Straßenverkehr ausgingen. Cannabiskonsum im Speziellen beeinträchtige Fähigkeiten, die zum Führen eines Kraftfahrzeuges notwendig seien. Der Antragsteller habe die Verkehrssicherheit auch bereits konkret gefährdet, da er nachweislich einmal unter Betäubungsmitteleinfluss am Straßenverkehr teilgenommen habe.
Die Fragestellung werde wie folgt lauten:
„§ 14 Abs. 1 Satz 3 FeV i.V.m. Anlage 4 Nr. 9.2.2: gelegentliche Einnahme von Cannabis und weitere Tatsachen, die Zweifel an der Eignung begründen.
Ist zu erwarten, dass Herr … zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Cannabis oder deren Nachwirkungen führen wird (Fähigkeit zum Trennen von Konsum und Verkehrsteilnahme)?“
Der Antragsteller wurde darauf hingewiesen, dass das Landratsamt, falls er das geforderte Gutachten nicht oder nicht fristgemäß vorlege, auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen dürfe, mit der Folge, dass ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen sei.
Mit Schriftsatz vom 18. September 2019 zeigte der (damalige) Bevollmächtigte des Antragstellers dessen Vertretung an und legte dem Landratsamt den an die … adressierten ärztlichen Befundbericht des Herrn Dr. med. … (Facharzt für Allgemeinmedizin) vom 17. April 2018 zur gewünschten Kostenübernahme für Cannabis-Präparate (Bl. 18/19 der Behördenakte) sowie das Ablehnungsschreiben der … vom 21. Juni 2018 (Bl. 17 der Behördenakte) vor. Mit weiterem Schreiben vom 8. November 2018 reichte der (damalige) Bevollmächtigte des Antragstellers den vom selben Arzt erstellten ärztlichen Befundbericht vom 5. November 2018 (Bl. 32/33 der Behördenakte) ein, der inhaltlich dem bereits vorgelegten Befundbericht vom 17. April 2018 entspricht.
Nachdem das geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht fristgemäß vorgelegt wurde, räumte das Landratsamt dem Antragsteller mit Anhörungsschreiben vom 5. Dezember 2018 die Gelegenheit ein, sich bis zum 19. Dezember 2018 zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis zu äußern.
Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2018, per Fax eingegangen beim Landratsamt am 17. Dezember 2018, zeigte der (nunmehrige) Bevollmächtigte des Antragstellers dessen Vertretung an, beantragte Akteneinsicht und legte gegen die „Bescheide vom 18.9.2018 und vom 5.12.2018 – rein vorsorglich – Widerspruch“ ein. Die mit diesem Fax-Schreiben übermittelte Vollmacht war in wesentlichen Teilen nicht lesbar (Bl. 38, 42 der Behördenakte). Zur Begründung des Widerspruchs wurde ausgeführt, dass eine MPU für nicht angebracht gehalten werde und auch an der Fragestellung erhebliche Zweifel bestünden. Der Antragsteller könne seine drogenfreie Lebensführung nachweisen (freiwilliges Drogenscreening); Belege hierzu würden nachgereicht. Der Antragsteller nehme Cannabis nachweislich lediglich aus medizinischen Gründen und ärztlich verordnet, nicht aber wegen eines Drogenproblems zu sich. Die Einnahme cannabishaltiger Medikamente rechtfertige im Ausnahmefall eine Sonderbehandlung. Für den Antragsteller sei die Fahrerlaubnis beruflich von existentieller Bedeutung.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2018 wies das Landratsamt den Bevollmächtigten des Antragstellers auf die Unzulässigkeit seiner Widersprüche hin, teilte mit, dass eine Fristverlängerung zur Stellungnahme nicht gewährt werde und dass auf die Nichteignung des Antragstellers geschlossen werde, da das zur Ausräumung der bestehenden Fahreignungszweifel notwendige Fahreignungsgutachten nicht vorgelegt worden sei.
2. Mit Bescheid vom 17. Januar 2019 entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis (Nr. 1) und verpflichtete ihn, den Führerschein mit der Führerscheinnummer … spätestens innerhalb von drei Tagen nach Zustellung des Bescheids abzuliefern (Nr. 2). Für den Fall der Nichtbefolgung der Nr. 2 dieses Bescheids wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 200,00 EUR angedroht (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Nummer 1 und 2 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 4). Die Kosten des Verfahrens wurden dem Antragsteller auferlegt (Nr. 5). Für den Bescheid wurde eine Gebühr von 150,00 EUR festgesetzt (Nr. 6).
Aufgrund der erstmaligen Teilnahme am Straßenverkehr unter Wirkung berauschender Mittel (THC) sei nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV i.V.m. Anlage 4 Nr. 9.2.2 zur FeV ein medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten verlangt worden, um zu klären, ob der Antragsteller auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Wirkung von THC führen wird. Auch wenn der Antragsteller Cannabis nur zur Schmerzbehandlung seines Bandscheibenvorfalls konsumieren sollte, so fehle es für eine Anwendung der Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV (Dauerbehandlung mit Arzneimitteln) an einer entsprechenden ärztlichen Verordnung mit Therapieplan und einem Rezept für Medizinalcannabis. Nach eigenen Angaben konsumiere der Antragsteller Cannabis, welches er sich auf illegalem Wege beschaffe, nach eigenem Ermessen. Im Übrigen könne dahinstehen, ob Cannabis aus der Apotheke oder anderweitig beschafftes Cannabis konsumiert werde, denn die von einem unter THC stehenden Fahrzeugführer ausgehenden Gefahren insbesondere für andere Verkehrsteilnehmer seien immer die gleichen. Aus der Nichtvorlage des geforderten Gutachtens ziehe das Landratsamt den Schluss, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen beim Antragsteller nicht mehr gegeben sei.
Dieser Bescheid, adressiert an den Bevollmächtigten des Antragstellers, wurde am 21. Januar 2019 zur Post aufgegeben.
Mit Schreiben vom 28. Januar 2019, das per Telefax am gleichen Tag beim Landratsamt einging, teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit, dass er, wie sich aus der Vollmacht ergebe, nicht zustellungsbevollmächtigt sei, so dass die Zustellung an die Kanzlei derzeit als nicht wirksam anzusehen sei. Rein vorsorglich werde gegen den Bescheid vom 17. Januar 2019 Widerspruch eingelegt.
Zur Begründung des Widerspruchs wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller zu Unrecht als gelegentlicher BTM-Konsument eingeordnet worden sei. Eine MPU-Anordnung sei nicht angemessen gewesen und es bestünden erhebliche Zweifel an der Fragestellung. Der Antragsteller nehme Cannabis nachweislich lediglich aus medizinischen Gründen und ärztlich verordnet, nicht aber wegen eines Drogenproblems zu sich. Dies ergebe sich aus dem ärztlichen Befundbericht vom 17. April 2018. Die Einnahme cannabishaltiger Medikamente rechtfertige im Ausnahmefall eine Sonderbehandlung.
Der Antragsteller sei weder gelegentlicher noch regelmäßiger Konsument. Er könne eine drogenfreie Lebensführung nachweisen und werde freiwillige und unauffällige Drogenscreenings beibringen.
Erhebliche Zweifel bestünden auch daran, dass vor der angeordneten Blutentnahme eine wirksame Einwilligung vorgelegen habe, die eine richterliche Einwilligung entbehrlich gemacht habe. Die Entnahme der Blutprobe verstoße damit gegen den Richtervorbehalt des § 81 Abs. 2 StPO und unterliege einem Beweisverwertungsverbot.
Gleichzeitig wurde beantragt, die Vollziehung des Bescheides vom 29. Januar 2019 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens und eines eventuell nachfolgenden Klageverfahrens auszusetzen. Der Antragsteller sei aus beruflichen Gründen existentiell auf den Besitz seiner Fahrerlaubnis angewiesen. Keinesfalls bestehe in der Person des Antragstellers eine Gefahr für den öffentlichen Verkehrsraum.
Unter dem 29. Januar 2019 erließ das Landratsamt einen nunmehr an den Antragsteller adressierten inhaltsgleichen Entziehungsbescheid, der dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde am 1. Februar 2019 zugestellt wurde.
Mit Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 4. Februar 2019, der per Telefax am 5. Februar 2019 beim Landratsamt einging, wurde auch gegen den Bescheid vom 29. Januar 2019 „rein vorsorglich“ Widerspruch eingelegt.
Am 6. Februar 2019 ging der Führerschein des Antragstellers beim Landratsamt ein.
Mit Vorlageschreiben des Landratsamtes vom 19. Februar 2019 wurde der Widerspruch der Regierung von … vorgelegt. Mit Schreiben gleichen Datums teilte das Landratsamt dem Bevollmächtigten des Antragstellers mit, dass dem Widerspruch nicht abgeholfen werde und dem Antrag auf Aussetzung des Vollzugs nicht entsprochen werden könne.
Mit Schreiben vom 6. März 2019 übersandte das Landratsamt der Regierung von … das ihr vom Antragsteller per E-Mail übermittelte Urteil des Amtsgerichts … (…) vom 31. Januar 2019.
4. Mit Schriftsatz vom 10. April 2019, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg per Fax am 27. Mai 2019, wurde Klage erhoben und beantragt,
1. Der Beklagte wird verpflichtet, unter Aufhebung des Bescheids vom 17. Januar 2019 den Widerspruch des Klägers zu bescheiden und die Anordnung der Entziehung der Fahrerlaubnis gegenüber dem Kläger zurückzunehmen und ihm seinen Kartenführerschein wieder auszuhändigen.
2. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
3. Die Festsetzung der Verwaltungskosten in Höhe von 150,00 EUR im Sinne des Entziehungsbescheids des Beklagten vom 17. Januar 2019 wird aufgehoben.
Die Klage, über die noch nicht entschieden wurde, wird unter dem Aktenzeichen Au 7 K 19.811 geführt.
Gleichzeitig wurde ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt und beantragt,
1. die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 28. Januar 2019 gegen den Bescheid vom 17. Januar 2019 wiederherzustellen und den Antragsgegner zu verpflichten, den abgelieferten Führerschein vorläufig wieder an den Antragsteller zurückzugeben.
2. die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Zwangsgeldfestsetzung in Höhe von 200,00 EUR im Sinne von Ziffer 3 des Entziehungsbescheides des Antragsgegners vom 17. Januar 2019 anzuordnen.
Zur Begründung der Klage und des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Entzug der Fahrerlaubnis rechtswidrig sei. Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV sei eine Fahreignung nicht gegeben, wenn gelegentlich Cannabis konsumiert werde und der Konsum nicht von der Teilnahme am Straßenverkehr getrennt werden könne. Jedoch sei bereits die Annahme fehlerhaft, dass der Antragsteller als gelegentlicher Konsument einzuordnen sei. Er werde in Kürze ausreichende Screenings nachweisen, die seine drogenfreie Lebensführung belegen können. Weitere Einzelbelege nach CTU-Kriterien würden noch nachgereicht.
Eine Entziehung der Fahrerlaubnis sei angesichts der geringen Werte auch nicht opportun gewesen. Aus den niedrigen Werten lasse sich auch nicht ohne weiteres auf ein Konsumverhalten mit gelegentlichem oder gar regelmäßigem Charakter schließen. Auf die aktuelle Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 11.4.2019, Az.: 3 C 13.17, 3 C 14.17), wonach allein der erstmalige Verstoß gegen die gebotene Trennung von Konsum und Fahren in der Regel nicht die Annahme rechtfertige, dass der Betroffene sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe, werde hingewiesen.
Im Übrigen rechtfertige die Einnahme cannabishaltiger Medikamente im Ausnahmefall eine Sonderbehandlung. Der Antragsteller sei ausweislich des ärztlichen Gutachtens vom 17. April 2018 (Anlage K1) aufgrund seiner Intoleranz gegenüber Schmerzmitteln auf die Einnahme von medizinischem Cannabis angewiesen. Dabei habe außer Betracht zu bleiben, ob eine entsprechende Bewilligung der Krankenkasse vorliege. In diesem Zusammenhang werde auf das sog. Medikamentenprivileg hingewiesen (hierzu wurde in den Schriftsatz ein Auszug aus einem Artikel im Deutschen Ärzteblatt 2017, 114/115 eingescannt).
Bereits im außergerichtlichen Anhörungsverfahren habe der Antragsteller auf die rechtswidrigen Umstände der Blutentnahme hingewiesen. Die Entnahme der Blutprobe habe gegen den Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO verstoßen und unterliege einem Beweisverwertungsverbot.
Das Landratsamt beantragte mit Schreiben vom 11. Juni 2019,
den Antrag abzulehnen.
Bei dem in der Vergangenheit nachgewiesenen Cannabiskonsum habe es sich nicht um eine bestimmungsgemäße Einnahme von Medizinalcannabis gehandelt. Der Antragsteller habe in einem Gespräch am 17. September 2018 gegenüber dem Landratsamt angegeben, dass er Cannabis als Schmerzmittel gegen seine Rückenschmerzen konsumiere und sich das Marihuana illegal beschafft habe.
Die Regierung von … legte mit Schreiben vom 12. Juni 2019 die Behördenakten vor.
Mit Schriftsatz vom 8. Juli 2019 teilte die Antragstellerseite mit, dass das Verfahren gegen die Krankenkasse vor dem Sozialgericht … auf Bewilligung der Kostenübernahme und Anerkennung der medizinischen Notwendigkeit zu Gunsten des Antragstellers entschieden worden sei. Dem Antragsteller sei der legale Cannabiskonsum aus medizinischer Notwendigkeit bewilligt worden. Hierzu wurde in Kopie ein unter dem 4. Juli 2019 ausgestelltes (Krankenkassen-) Rezept (Bl. 63 der Gerichtsakte) seines behandelnden Arztes (Herrn Dr. med. …) vorgelegt, mit dem „getrocknete Cannabisblüten Bakerstreet 20,0“ verschrieben werden und das den Vermerk „nur einmalige Verordnung !!“ enthält sowie zur Einnahme des Medizinalcannabis ausführt: „Abends 1x 100 mg verdampfen und inhalieren“. Außerdem wurde ein Privatrezept (Kopie) des behandelnden Arztes (Herrn Dr. med. …) vom 4. Juli 2019 für einen Vaporizer für Cannabisblüten beigefügt.
Auf richterliche Anfrage vom 16. Juli 2019 teilte das Amtsgericht … (…) mit, dass sein Urteil vom 31. Januar 2019 (Az.: …) am 16. April 2019 rechtskräftig geworden ist.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist nur teilweise zulässig.
a) Soweit mit dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Zwangsgeldfestsetzung (gemeint wohl: Zwangsgeldandrohung) in Nummer 3 des angefochtenen Bescheids vom 17. Januar 2019 begehrt wird (Antrag 2.), muss er von vornherein erfolglos bleiben. Da sich die Zwangsgeldandrohung mit der Abgabe des Führerscheins am 6. Februar 2019 erledigt hat und der Antragsgegner nicht zu erkennen gegeben hat, dass er das Zwangsgeld gleichwohl beizutreiben beabsichtigt, fehlt dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO insoweit bereits das Rechtsschutzbedürfnis (stRspr vgl. BayVGH, B.v. 28.3.2019 – 11 CS 18.2127 – juris Rn. 16 m.w.N.).
b) Im Übrigen wird der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 28. Januar 2019 gegen den Bescheid vom 17. Januar 2019 wiederherzustellen (Antrag 1.) dahingehend ausgelegt (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO), dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Nummern 1 und 2 des Bescheids, die der Antragsgegner für sofort vollziehbar erklärt hat (Nr. 3 des Bescheids), wiederhergestellt werden soll (§ 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alternative). In dieser Auslegung ist der Antrag zulässig.
Ergänzend wird an dieser Stelle noch auf Folgendes hingewiesen:
Mit dem streitgegenständlichen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wurde hier gleichzeitig eine Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO erhoben, die entsprechend dem Klageantrag ausdrücklich darauf abzielt, den Antragsgegner (Beklagten) zum Erlass eines dem Widerspruch stattgebenden Widerspruchsbescheids zu verpflichten („den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 17.1.2019 den Widerspruch des Klägers zu bescheiden…“.). Die Untätigkeitsklage im Falle eines nicht beschiedenen Anfechtungswiderspruchs (wie hier) muss zwar im Regelfall auf die Aufhebung des Bescheids durch die Ausgangsbehörde gerichtet sein und nicht auf den Erlass eines Widerspruchsbescheids durch die Widerspruchsbehörde (vgl. Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 75 Rn. 4). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Widerspruchsbehörde nur (noch) eine gebundene Rechtsentscheidung zu treffen hat, der ein Ermessens-, Beurteilungs- oder Bewertungsspielraum nicht innewohnt; in diesen Fällen ist ein im Weg der Untätigkeitsklage gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Erlass eines Widerspruchsbescheids zu verneinen und eine gleichwohl ausschließlich hierauf gerichtete Klage muss deshalb regelmäßig schon mangels Rechtsschutzbedürfnisses ohne Erfolg bleiben (vgl. BVerwG, B.v. 28.4.1997 – 6 B 6/97 – juris; BayVGH, B.v. 1.7.2013 – 7 ZB 13.305 – juris; OVG LSA, B.v. 28.4.2017 – juris Rn. 6; HessVGH, B.v. 15.10.2013 – 6 A 1492/13.Z – juris).
Nach diesen Grundsätzen kann die auf Erlass eines Widerspruchsbescheids abzielende Untätigkeitsklage als zulässig angesehen werden, da die Widerspruchsbehörde im vorliegenden Fall keine bloße gebundene Rechtsentscheidung zu treffen hat:
§ 11 Abs. 8 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV), wonach die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung des Betroffenen schließen darf, wenn er das geforderte Gutachten nicht (fristgerecht) beibringt – mit der zwingenden Folge der Entziehung der Fahrerlaubnis – stellt zwar keine Ermessensvorschrift, sondern zwingendes Recht dar (BayVGH, B.v. 3.5.2017 – 11 CS 17.312 – juris Rn. 25; B.v. 27.2.2017 – 11 CS 16.2316 – juris Rn. 28). Eine auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis setzt aber voraus, dass die Gutachtensanordnung formell und materiell rechtmäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – NJW 2017, 1765 Rn. 19 m.w.N.) und für die Nichtbeibringung des angeforderten Gutachtens kein ausreichender Grund bestand (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.1985 – 7 C 26.83 – BVerwGE 71, 93/96 = juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 10.9.2008 – 11 CS 08.2010 – juris Rn. 20 m.w.N.). Im vorliegenden Fall kann daher die Widerspruchsbehörde die Ermessensausübung des Landratsamtes (auch auf seine Zweckmäßigkeit) überprüfen, da es sich bei der auf § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV gestützten Gutachtensanordnung vom 18. September 2018 um eine Ermessensentscheidung handelt.
Die auf Erlass eines Widerspruchsbescheids abzielende (Untätigkeits-) Klage ist daher, ebenso wie der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Nummern 1 und 2 des Bescheids vom 17. Januar 2019 wiederherzustellen (Antrag 1), zulässig.
2. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat aber in der Sache keinen Erfolg.
a) Die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs (unter II. 3. der Gründe des Bescheids vom 17.1.2019) entspricht den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2012 – 11 CS 12.201 – juris Rn. 22). Dabei sind allerdings an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019 § 80 Rn. 44). Insbesondere bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, ist das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch (Eyermann, a.a.O. § 80 Rn. 46). Ein solcher Fall lag hier aus Sicht des Antragsgegners vor. Er hat vor diesem Hintergrund unter II. 3. des Bescheids vom 17. Januar 2019 das besondere Interesse am sofortigen Vollzug unter Bezug auf den Einzelfall hinreichend begründet. Im gerichtlichen Verfahren erfolgt keine materielle Überprüfung der Begründung der Behörde nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern es wird eine eigenständige Interessenabwägung durchgeführt (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 16.12.2015 – 11 CS 15.2377 – juris Rn. 10; B.v. 24.8.2010 – 11 CS 10.1139 – juris Rn. 29; B.v. 10.3.2008 – 11 CS 07.3453 – juris Rn. 16).
Hinsichtlich der bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Zwangsgeldandrohung (Art. 21a VwZVG) ist eine Begründung nicht erforderlich.
b) Bei der Entscheidung über den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 28. Januar 2019 wiederherzustellen, hat das Gericht – wie bereits oben ausgeführt – eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Im Rahmen dieser Entscheidung ist das Interesse des Antragstellers, zumindest vorläufig weiter von seiner Fahrerlaubnis Gebrauch machen zu können, gegen das Interesse der Allgemeinheit daran, dass dies unverzüglich unterbunden wird, abzuwägen. Ausschlaggebend im Rahmen dieser Abwägungsentscheidung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, dessen aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden soll, hier also des Widerspruchs vom 28. Januar 2019. Lässt sich schon bei summarischer Prüfung eindeutig feststellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, so dass der Widerspruch mit Sicherheit Erfolg haben wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung dieses Verwaltungsakts bestehen. Andererseits ist für eine Interessenabwägung, die zugunsten des Antragstellers ausgeht, im Regelfall kein Raum, wenn keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen. Erscheint der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, hat eine reine Interessenabwägung stattzufinden (vgl. zum Ganzen: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Rn. 152 ff. zu § 80).
Letzteres ist hier der Fall. Die Erfolgsaussichten des Widerspruchs gegen den Bescheid des Landratsamtes vom 17. Januar 2019 sind als offen anzusehen.
c) Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3/13 – DAR 2014, 711, juris). Damit ist hier, da ein Widerspruchsbescheid noch nicht ergangen ist, auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt dieser Entscheidung abzustellen.
Eine summarische Prüfung der Hauptsache, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, ergibt, dass die Erfolgsaussichten des Widerspruchs im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung als offen anzusehen sind:
Zur Überzeugung des Gerichts war zwar die Gutachtensanordnung vom 18. September 2018 sowohl zum Anordnungszeitpunkt, als auch noch zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 17. Januar 2019 rechtmäßig (nachfolgend aa)).
Aufgrund der während des noch laufenden Widerspruchsverfahrens (und während dieses Eilverfahrens) mit Kassenrezept vom 4. Juli 2019 erfolgten ärztlichen Verordnung von Cannabispräparaten („getrocknete Cannabisblüten Bakerstreet 20,0“) kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller im Zeitpunkt des noch zu erlassenden Widerspruchsbescheides (wieder) fahrgeeignet ist. Denn es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die durch vorherigen gelegentlichen Cannabiskonsum und durch die Fahrt unter Cannabiseinfluss am 25 Juli 2018 nach 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV entstandenen Fahreignungszweifel durch diese ärztliche Verordnung von medizinischem Cannabis ausgeräumt werden können oder die ggf. entfallene Fahreignung dadurch wiederhergestellt ist (nachfolgend bb)).
aa) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV ist die Fahrerlaubnis insbesondere zu entziehen, wenn Mängel nach der Anlage 4 zur FeV vorliegen. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechende Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war und für die Nichtbeibringung des angeforderten Gutachtens kein ausreichender Grund bestand (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – NJW 2017, 1765 Rn. 19 m.w.N.).
Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV liegt Fahreignung bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis nur dann vor, wenn der Konsum und das Fahren getrennt werden, kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, keine Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust vorliegen. Liegt eine gelegentliche Einnahme von Cannabis vor und begründen weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung, kann die Fahrerlaubnisbehörde nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen.
Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV waren zum Zeitpunkt der Gutachtensanordnung (18.9.2018) und auch noch zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses (17.1.2019) erfüllt.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Gutachtensanordnung (18.9.2018) gelegentlich Cannabis konsumierte. Gelegentlicher Konsum von Cannabis liegt nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BVerwG, a.a.O. Rn. 20 f.; BayVGH, U.v. 25.4.2017 – 11 BV 17.33 – DAR 2017, 417 = juris Rn. 17) vor, wenn der Betroffene in zwei oder mehr selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen. Zum einen steht ein Cannabiskonsum des Antragstellers bereits durch seine Fahrt unter Cannabiseinfluss am 25. Juli 2018 fest, denn laut dem rechtsmedizinischen Gutachten vom 6. August 2018 (Bl. 5/6 der Behördenakte) wies die an diesem Tag entnommene Blutprobe des Antragstellers einen Wert von 3,6 ng/ml THC auf. Die ausführlichen Darstellungen der Antragstellerseite (S. 7 bis 10 der Klage- und Antragsschrift vom 10.4.2019), dass dieses Gutachten wegen eines Verstoßes gegen den Richtervorbehalt (§ 81a Abs. 2 StPO) nicht verwertbar sei, gehen ins Leere, da die Fahrt unter Cannabiseinfluss, ausgehend von den Feststellungen im rechtsmedizinischen Gutachten vom 6. August 2018, mit einem Bußgeld und einem einmonatigen Fahrverbot rechtskräftig geahndet wurde (Urteil des Amtsgerichts … (…) vom 31.1.2019, Az.:, rechtskräftig seit 16.4.2019). Zum anderen hat der Antragsteller selbst nicht geltend gemacht, dass der Drogenfahrt vom 25. Juli 2018 ein erst- oder einmaliger Cannabiskonsum zugrunde lag. Vielmehr hat er im Rahmen seiner Anhörung zum Erlass einer Gutachtensanordnung gegenüber dem Landratsamt am 17. September 2018 selbst angegeben, dass er sich mit Cannabis zur Schmerzbehandlung seines Rückenleidens selbst therapiere, da die Krankenkasse den Antrag seines Hausarztes zur Verschreibung von Medizinalcannabis abgelehnt habe (vgl. Bl. 50 der Behördenakte). Hierzu hat der Antragsteller bzw. sein (vormaliger) Bevollmächtigter dem Landratsamt den ärztlichen Befundbericht vom 17. April 2018 (Bl. 18 der Behördenakte) und das daraufhin ergangene Ablehnungsschreiben der Krankenkasse vom 21. Juni 2018 (Bl. 17 der Behördenakte) vorgelegt. Auch im Widerspruchsschreiben des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 28. Januar 2019 (Bl. 65 bis 67 der Behördenakte) wird darauf abgestellt, dass der Antragsteller „Cannabis nachweislich lediglich aus medizinischen Gründen und ärztlich verordnet, nicht aber wegen eines Drogenproblems zu sich nimmt“. Die weiteren Ausführungen des Bevollmächtigten, dass der Antragsteller eine drogenfreie Lebensführung nachweisen könne und freiwillige, unauffällige Drogenscreenings beibringen werde, stehen zu seinen vorherigen Ausführungen in einem unauflöslichen Widerspruch, zumal bis zum Zeitpunkt dieser Entscheidung kein einziges Drogenscreening vorgelegt wurde. Ein (zumindest) gelegentlicher Cannabiskonsum des Antragstellers steht daher nach den vorstehenden Ausführungen zur Überzeugung des Gerichts fest.
Bei der (rechtskräftig geahndeten) erstmaligen Teilnahme am Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss am 25. Juli 2018 handelt es sich um eine weitere Tatsache, die Zweifel an der Fahreignung begründet (BayVGH, U.v. 25.4.2017 – 11 BV 17.33 – Blutalkohol 54, 268, juris bestätigt durch BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 3.17 – Presseerklärung auf www.bverwg.de). Das Landratsamt hat auch erkannt, dass die Anordnung nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV in seinem Ermessen steht. Die in der Gutachtensanordnung vom 18. September 2018 dargestellten Ermessenerwägungen, u.a., dass Cannabiskonsum Fähigkeiten beeinträchtige, die zum Führen eines Kraftfahrzeugs notwendig seien und der Antragsteller bereits mit einer festgestellten THC-Konzentration von 3,6 ng/ml am Straßenverkehr teilgenommen habe, sind nicht zu beanstanden. Auch die Fragestellung zur Abklärung seines Trennvermögens begegnet keinen rechtlichen Zweifeln.
Keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung hatte der Umstand, dass der Hausarzt des Antragstellers bereits vor der Fahrt unter Cannabiseinfluss (25.7.2018) in seinem Befundbericht vom 17. April 2018 die Verschreibung von Medizinalcannabis befürwortet hatte. Denn eine im Zeitraum April 2018 bis 4. Juli 2019 (Datierung des Kassenrezepts) ausgestellte, z.B. private ärztliche Verordnung von Medizinalcannabis (mit entsprechendem Therapieplan) wurde vom Antragsteller nie vorgelegt. Vielmehr steht aufgrund seiner eigenen Angaben fest, dass er sich Cannabis (wegen der abgelehnten Kostenübernahme seiner Krankenkasse) damals illegal beschafft hatte. Zudem ergibt sich aus den Ausführungen im (rechtskräftigen) Urteil des Amtsgerichts … vom 31. Januar 2019, dass der Antragsteller das illegal beschaffte Cannabis durch Rauchen eines Joints konsumierte, also gerade nicht entsprechend ärztlicher Verschreibung. Denn dem vorgelegten Rezept vom 4. Juli 2019 (Bl. 63 der Gerichtsakte) ist zu entnehmen, dass das Medizinal-Cannabis mittels Vaporisation und Inhalation einzunehmen ist. Eine Möglichkeit der Einnahme mittels Verbrennung und Inhalation (Rauchen eines Joints) ist in dem Rezept nicht vorgesehen. Damit kam dem Antragsteller weder im Zeitpunkt der Gutachtensanordnung noch im Zeitpunkt des Bescheiderlasses das „Medikamentenprivileg“ zugute und das Landratsamt hat, ausgehend von einem (damals illegalen) gelegentlichen Cannabiskonsum und einer erstmaligen, als Ordnungswidrigkeit geahndeten Fahrt mit einem Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis, eine medizinisch-psychologische Untersuchung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV zu Recht angeordnet.
bb) Aufgrund der während des noch laufenden Widerspruchsverfahrens (und während dieses Eilverfahrens) mit Kassenrezept vom 4. Juli 2019 erfolgten ärztlichen Verordnung von Cannabispräparaten („getrocknete Cannabisblüten Bakerstreet 20,0“) kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller im Zeitpunkt des noch zu erlassenden Widerspruchsbescheides (wieder) fahrgeeignet ist. Denn es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die durch vorherigen Cannabiskonsum bzw. durch die Fahrt unter Cannabiseinfluss am 25 Juli 2018 nach 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV entstandenen Fahreignungszweifel durch die ärztliche Verordnung von medizinischem Cannabis ausgeräumt werden können oder die ggf. entfallene Fahreignung dadurch wiederhergestellt ist. Diese Frage ist von der Fahrerlaubnisbehörde auch regelmäßig im Entziehungsverfahren zu prüfen (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2019 – 11 B 18.2482 – juris Rn. 34; OVG Saarl, B.v. 3.9.2018 – 1 B 221/18 – Blutalkohol 55, 448, juris). Insoweit entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 21.1.2019 – 11 ZB 18.2066 – juris Rn. 24; B.v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – juris Rn. 20), dass im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren auch dem Betroffenen günstige Umstände zu berücksichtigen sind und daher die Wiedergewinnung der Fahreignung einer Entziehung der Fahrerlaubnis entgegensteht. Bei hinreichenden Anhaltspunkten für eine mögliche Wiedergewinnung der Fahreignung sind von der Fahrerlaubnisbehörde auch entsprechende Aufklärungsmaßnahmen einzuleiten. Insoweit hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auch ausgeführt, dass zwar für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Gutachtensbeibringungsanordnung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Anordnung maßgeblich sei, was allerdings nicht bedeute, dass eine Beibringungsanordnung trotz Vorliegens neuer Erkenntnisse, die die ursprünglichen Zweifel (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV: „Tatsachen, die Bedenken begründen“) an der Fahrgeeignetheit des Betroffenen ausräumen, aufrechtzuerhalten sei (BayVGH, B.v. 24.3.2016 – 11 CS 16.260 – juris Rn. 13).
Die am 4. Juli 2019 (nach erfolgreichem Ausgang des Verfahrens vor dem Sozialgericht, siehe Schriftsatz des Antragstellerbevollmächtigten vom 8.7.2019) begonnene Cannabismedikation gibt daher Anlass, die Fahreignung des Antragstellers während des noch laufenden Widerspruchsverfahrens anhand der für eine Dauerbehandlung mit betäubungsmittelhaltigen Arzneimitteln geltenden Spezialregelung in Nummer 9.6, 9.6.2 der Anlage 4 der FeV zu überprüfen (vgl. VGH BW, B.v. 31.1.2017 – 10 S 1503/16 – juris Rn. 6). Insoweit ist bei einer ärztlich verordneten Therapie mit Cannabis eine einzelfallorientierte Beurteilung der Fahreignung unter Würdigung der individuellen Aspekte erforderlich, die sowohl aus verkehrsmedizinischer Sicht die Erkrankung, ihre Symptome, die medikamentenspezifischen Auswirkungen und die ärztliche Überwachung der Medikamenteneinnahme erfasst, als auch aus verkehrspsychologischer Sicht die individuelle Leistungsfähigkeit, die Fähigkeit zur Kompensation von ggf. festgestellten Leistungseinschränkungen, die Compliance des Patienten gegenüber der Therapie, die Fähigkeit zur Risikoeinschätzung und auch die Gefahr der missbräuchlichen Einnahme überprüft (vgl. Schubert/Huetten/Reimann/ Graw, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Auflage, Anhang „Fahreignungsbegutachtung bei Cannabismedikation“, S. 440/443 unter Hinweis auf VGH BW, B.v. 31.1.2017 – 10 S 1503/16 – juris Rn. 8 m.w.N.). Dabei stellen neben der seit 4. Juli 2019 begonnenen Cannabismedikation der (zumindest) gelegentliche Cannabiskonsum des Antragstellers vor der ärztlichen Verschreibung (Cannabis-Eigentherapie) sowie die (rechtskräftig) geahndete Fahrt unter der Wirkung von Cannabis am 27. Juli 2018 (ebenfalls vor der ärztlichen Verschreibung) zum einen den Anlass auch für die weitere Begutachtung dar und bedingen zum anderen die Entscheidung für ein medizinisch-psychologisches (und nicht nur ärztliches) Gutachten, da insoweit Zweifel an der Adhärenz und der Fähigkeit oder Bereitschaft zum verantwortlichen Umgang mit negativen Auswirkungen der Medikation und/oder der Grundsymptomatik zu klären sind (vgl. Schubert/Huetten/Reimann/ Graw, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, Kommentar, 3. Auflage, Anhang „Fahreignungsbegutachtung bei Cannabismedikation“, Ärztliches Gutachten oder MPU, S. 444).
cc) Auch wenn der Ausgang des Widerspruchsverfahrens daher offen ist und von der Vorlage bzw. dem Ergebnis einer noch einzuholenden medizinisch-psychologischen Untersuchung abhängt, ergibt die Interessenabwägung im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO, dass dem öffentlichen Interesse daran, die Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr weiterhin zu unterbinden, ein größeres Gewicht einzuräumen ist, als dem Interesse des Antragstellers daran, einstweilen weiter am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen. Solange die gegebenen Zweifel an seiner Fahreignung – wie hier – nicht ausgeräumt sind, kann die Interessenabwägung nicht zugunsten des Antragstellers ausfallen. Das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbare Auftrag zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben gebieten es, hohe Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu stellen. Ein Fahrerlaubnisinhaber muss den Entzug der Berechtigung dann hinnehmen, wenn hinreichender Anlass zu der Annahme besteht, dass aus seiner aktiven Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr eine Gefahr für dessen ordnungsgemäßen Ablauf resultiert, und dieses Risiko deutlich über demjenigen liegt, das allgemein mit der Zulassung von Personen zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr verbunden ist (vgl. BayVGH, B.v. 28.3.2019 – 11 CS 18.2127 – juris Rn. 20 m.w.N.). Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen gegen den für sofort vollziehbar erklärten Entzug einer Fahrerlaubnis wird deshalb in der Regel nur dann in Betracht kommen, wenn hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass das von dem Betroffenen ausgehende Gefahrenpotential nicht nennenswert über dem des Durchschnitts aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liegt (BayVGH, B.v. 21.11.2012 – 11 CS 12.2171 – juris Rn. 15). Dies ist beim Antragsteller nicht der Fall. Denn der Antragsteller ist bereits im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln (Cannabis) im Straßenverkehr (am 27.7.2018) auffällig geworden, wobei er, wie im rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts … vom 31. Januar 2019 (unter III.) ausgeführt wird, ausweislich des ärztlichen Untersuchungsberichts aufgrund seiner Körperreaktionen/äußerlichen Verfassung den Anschein erweckt hatte, unter Drogen zu stehen. Auch hat er laut diesem Urteil nur ca. eine Stunde nach dem Rauchen eines Joints wieder ein Kraftfahrzeug geführt.
Angesichts dieser zum Nachteil des Antragstellers ausgehenden Interessenabwägung ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Nummern 1 und 2 des Bescheids vom 17. Januar 2019 nicht wiederherzustellen, so dass auch eine vorläufige Aushändigung des Führerscheins nicht in Betracht kommt.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG sowie den Empfehlungen in Nrn. 1.5, 46.1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, a.a.O., Anhang zu § 164, Rn. 14). Danach ist sowohl für die Fahrerlaubnis der Klasse A als auch für die Fahrerlaubnis der Klasse B (die weiteren Klassen sind darin enthalten, § 6 Abs. 3 Nr. 1 und 4 FeV) jeweils ein Streitwert in Höhe von 5.000,00 EUR anzusetzen (insgesamt also 10.000,00 EUR), der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren ist.


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