Strafrecht

Fahrerlaubnis, Fahreignung, Kraftfahreignung, Arbeitgeber, Ermessensentscheidung, Bescheid, Fahrerlaubnisentziehung, Gutachten, Gutachtensanordnung, Anordnung, Antragsteller, Straftat, Verkehrssicherheit, Ermessen, aufschiebende Wirkung, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, aufschiebenden Wirkung

Aktenzeichen  Au 7 S 21.1407

Datum:
23.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 33595
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 6.250,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der am … 1970 geborene Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
Dem Antragsteller wurde die Fahrerlaubnis der Klasse 3 am 7. Januar 1997 erstmalig erteilt. Der aktuelle Ersatzführerschein wurde dem Antragsteller am 25. März 2020 durch den Antragsgegner ausgehändigt (Bl. 97 der Behördenakte, nachfolgend: BA).
Der Antragsteller wurde mit dem seit 2. August 2016 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 24. Juni 2016 (Az.: …) wegen Beleidigung nach §§ 185, 194 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe (in Höhe von 30 Tagessätzen) verurteilt (Bl. 24 BA). Die Tat wurde am 12. März 2016 begangen. Hinsichtlich des damit einhergehenden Vorwurfs der Nötigung und Körperverletzung wurde von der Verfolgung gemäß § 154a StPO abgesehen.
Dem Strafbefehl lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 12. März 2016 gegen 14:45 Uhr sei der Antragsteller nach einem Fußballspiel seines Sohnes auf dem Sportplatz dem Schiedsrichter auf dessen Weg zur Kabine hinterhergelaufen und habe diesen als „Fettsack, Vollidiot und Drecksack“ bezeichnet, um seine Missachtung auszudrücken. Vor der Kabine habe er gegenüber dem Schiedsrichter geäußert, was die „Scheiße“ solle und habe den Schiedsrichter aufgefordert, “komm mit ins Gebäude, dann klären wir das“.
Der Geschädigte habe schriftlich Strafantrag gestellt.
Mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 10. März 2020 (Az.: …) wurde der Antragsteller wegen versuchter Nötigung in Tatmehrheit mit Beleidigung verurteilt (Bl. 27 BA). Der Verurteilung lag der Sachverhalt zugrunde, dass der Antragsteller am 19. Dezember 2019 gegen 17.00 Uhr mit seinem Pkw auf das Fahrzeug der Zivilstreife der Polizei unter mehrfacher Betätigung der Lichthupe und Hupe für ca. 550 Meter so dicht aufgefahren sei, dass diese im Rückspiegel das Kennzeichen des Fahrzeugs des Antragstellers nicht mehr ablesen und den Kühlergrill nicht mehr erkennen habe können. Die Tat sei im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten des Kraftfahrzeugführers begangen worden.
Bezüglich des Schuldspruchs wurde der Strafbefehl am 24. August 2020 rechtskräftig. Auf den auf die Rechtsfolgen beschränkten Einspruch des Antragstellers gegen den vorgenannten Strafbefehl wurde mit Urteil des Amtsgerichts … vom 24. August 2020 eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen verhängt.
Mit Schreiben vom 9. November 2020 (Bl. 105 BA), dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde (PZU) zugestellt am 13. November 2020, forderte die Fahrerlaubnisbehörde den Antragsteller auf, gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 5 FeV ein medizinischpsychologisches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (MPU) bis spätestens 9. Februar 2021 vorzulegen. Aufgrund der Verurteilung des Antragstellers durch das Amtsgericht … wegen Nötigung im Straßenverkehr mit Beleidigung seien beim Antragsgegner Fahreignungszweifel entstanden, die durch die Vorlage einer MPU zu klären seien. Des Weiteren sei dem Antragsteller für die Dauer von einem Monat verboten worden, Kraftfahrzeuge aller Art auf öffentlichen Straßen zu führen. Gerade eine solche Straftat wie die Nötigung im Straßenverkehr unter Nutzung eines Kraftfahrzeuges könne auf einen Mangel hindeuten, der im Straßenverkehr zu einer Gefährdung werden könne. Gerade für Fahrer der Gruppe 2, sowie auch in dem Fall des Antragstellers als Kraftfahrer seien bei der Beurteilung der Fähigkeit, Fahrzeuge dieser Gruppe sicher zu führen, wegen der besonderen Anforderungen an die Fahrer und der zusätzlichen Risiken im Straßenverkehr strenge Maßstäbe anzulegen. Aufgrund des vorliegenden Sachverhalts und im Hinblick auf die Schwere würden sich die Fahreignungszweifel so erheblich verstärken, dass das eingeräumte Ermessen auf nahezu Null reduziert sei.
Das Gutachten sollte folgende Frage beantworten:
Ist trotz der aktenkundigen erheblichen Straftat, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr steht, zu erwarten, dass der Antragsteller zukünftig wiederholt gegen straf- und verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird?
Mit Schreiben vom 26. Oktober 2020 (Bl. 127 BA) führte die Antragstellerseite aus, dass der Antragsteller seit mittlerweile 1999 tagtäglich mindestens 12 Stunden im LKW-Nahverkehr fahre und wisse, sich im Straßenverkehr ordnungsgemäß zu verhalten. Er habe sich bis zu dem Vorfall am 19. Dezember 2019 im Straßenverkehr nichts zu Schulden kommen lassen. Auch sein Arbeitgeber sowie die, für die er seit vielen Jahren im Einsatz sei, würden den Antragsteller als sehr umsichtigen, immer hilfsbereiten Mitarbeiter und Fahrer schätzen.
Auf Antrag des Antragstellers wurde die Frist zur Vorlage des angeforderten Gutachtens bis 31. März 2021 (Bl. 153 BA) bzw. bis 25. April 2021 (Bl. 158 BA) verlängert.
Der Antragsteller beauftragte die … mit der Erstellung des MPU-Gutachtens. Der Antragsgegner übersandte die Fahreignungsunterlagen am 23. Februar 2021 (Bl. 153 BA) an die Begutachtungsstelle. Die Begutachtungsstelle bestätigte unter dem 25. März 2021, dass der Antragsteller am 25. März 2021 den Untersuchungstermin wahrgenommen habe.
Mit Schreiben vom 23. April 2021 (Bl.165 BA) ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten vortragen, dass das angeforderte Gutachten nicht vorgelegt werde. Die angeführte Straftat der Beleidigung aus dem Jahr 2016 rechtfertige gerade nicht die beabsichtigte Entziehung der Fahrerlaubnis, zumal diese Straftat nicht im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehe. Ferner sei die aus dem Jahr 2019 stammende Beleidigung nicht geeignet, die Fahreigenschaft anzuzweifeln. Der Antragsteller verwechsle als ausländischer Mitbürger „Du“ und „Sie“. Es sei mitnichten seine Intention gewesen, eine Missachtung gegenüber dem Polizeihauptmeister auszudrücken. Auch sei zu berücksichtigen, dass bei dem Vorfall der versuchten Nötigung seitens des Gerichts gerade nicht der Führerscheinentzug angeordnet worden sei. Es sei lediglich ein Fahrverbot von einem Monat verhängt worden.
Mit Schreiben vom 4. Mai 2021 (Bl. 170 BA) hörte der Antragsgegner den Antragsteller zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an. Ihm wurde Gelegenheit gegeben, sich bis spätestens 19. Mai 2021 zu äußern.
Mit Bescheid vom 25. Mai 2021 entzog der Antragsgegner die Fahrerlaubnis in vollem Umfang (Nr. 1 des Bescheids). Weiter wurde angeordnet, den vom Antragsgegner unter der Fahrerlaubnisnummer … am 25. März 2020 ausgestellten Führerschein der Klassen A, A1, AM, B, BE, C, CE, C1, C1E, L und T unverzüglich beim Antragsgegner abzugeben (Nr. 2 des Bescheids). Sollte der Führerschein nicht innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung des Bescheids abgegeben werden, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR angedroht (Nr. 3 des Bescheids). Die sofortige Vollziehung der Nummern 1 und 2 des Bescheids wurde in Nr. 4 des Bescheids angeordnet.
Da das angeforderte medizinischpsychologische Gutachten nicht vorgelegt worden sei, sei auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen zu schließen.
Der Bescheid wurde laut PZU am 28. Mai 2021 dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zugestellt.
Per Telefax ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten am 24. Juni 2021 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 25. Mai 2021 aufzuheben.
Die Klage wird bei Gericht unter dem Aktenzeichen Au 7 K 21.1406 geführt.
Weiter wurde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt,
Die aufschiebende Wirkung der Nummern 1 und 2 des Bescheids wird wiederhergestellt.
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 5 des Bescheids vom 25. Mai 2021 wird angeordnet.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Gutachtensanordnung bereits formell rechtswidrig sei.
In der Gutachtensanordnung vom 11. November 2020 (wohl: 9.11.2020) sei die aufgeworfene Fragestellung unverhältnismäßig. Sie sei zu weitgehend, als nach deren Wortlaut allgemein danach gefragt worden sei, ob der Antragsteller auch künftig gegen Strafgesetze verstoßen werde. Das Erfordernis der Kraftfahreignung diene der Verkehrssicherheit und werfe demgemäß allein die Frage auf, ob der Betroffene in der Lage sein werde, sich im Straßenverkehr ordnungsgemäß zu verhalten. Die Frage nach einer allgemeinen Legalbewährung in einer Gutachtensanordnung, die sich hier auch durch den Zusammenhang der Frage mit der Aufzählung der Straftaten ohne Bezug zum Straßenverkehr aufdränge, sei von § 11 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 Nrn. 4 bis 7 FeV nicht mehr gedeckt. Dem Antragsteller könne nicht zugemutet werden, dem Gutachter verständlich zu machen, dass entgegen dem behördlichen Gutachtensauftrag nur bestimmte Teile der Fragestellung zulässigerweise zum Gegenstand der Untersuchung gemacht werden dürften.
Wenn überhaupt, wäre vorliegend höchstens die Anordnung einer psychologischen Untersuchung statthaft gewesen. Es lägen im Fall des Antragstellers keine Anhaltspunkte in medizinischer Hinsicht vor, die zu berechtigten Zweifeln an seiner Kraftfahreignung geführt hätten.
Die Gutachtensanordnung sei auch materiell rechtswidrig. Das Ermessen sei nicht ordnungsgemäß ausgeübt worden. Es sei zu Gunsten des Antragstellers zu berücksichtigen, dass er erstmalig im Straßenverkehr auffällig geworden sei und im Anschluss an das Verhalten sowohl verwaltungsbehördlich ausdrücklich verwarnt als auch durch Urteil mit einer nicht unerheblichen Geldstrafe belegt worden sei. Im Übrigen liege keine erhebliche Straftat im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 5 FeV vor. Vorliegend würden nicht bereits das in der Anordnung vom 9. November 2020 dargelegte versuchte Nötigungsverhalten als solches oder die Angaben des Polizeibeamten auf seine gegenüber dem Regelfall gesteigerte Gefährlichkeit für den öffentlichen Straßenverkehr hinweisen. Wie der Antragsgegner in seinem Anordnungsschreiben ausgeführt habe, habe der Antragsteller in der konkreten Situation keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten und habe zudem die Lichthupe betätigt. Dies dürfte bei versuchten Nötigungen im Straßenverkehr aber nicht selten der Fall sein und hebe sein Verhalten gegenüber Verkehrsverstößen anderer Verkehrsteilnehmer nicht im Sinne einer ernsthaft zu befürchtenden erhöhten Risikobereitschaft, Rücksichtslosigkeit oder dergleichen heraus. Sein anschließendes Duzen gegenüber dem Polizeibeamten lege ebenfalls noch nicht hinreichend nahe, dass es sich bei ihm um einen besonders rücksichtslosen, die Regeln des Straßenverkehrs hartnäckig missachtenden Fahrerlaubnisinhaber handeln könne.
Die Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz seien ebenfalls zulässig und begründet.
Die Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 5. Juli 2021 u.a.,
den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass hinsichtlich der seitens der Antragstellerseite angegriffenen Fragestellung im Gutachten auf Anlage 4a Nr. 1 Buchst. g FeV zu verweisen sei. Mit der Anordnung einer rein psychologischen Untersuchung würde eine Rechtsfolge erzeugt, die das Gesetz in § 11 Abs. 3 FeV nicht kenne.
Weiterhin handle es sich beim Antragsteller um einen Berufskraftfahrer, der auch im Besitz der Fahrerlaubnis der Gruppe 2 sei. In diesem Zusammenhang seien die Anforderungen an die Fahrer nochmals erhöht. Dies stütze sich vor allem auch auf die Vielzahl an Kilometern, die diese Personengruppe zurücklege und die damit einhergehende Steigerung der Wahrscheinlichkeit, dass die Fahrer in Konfliktsituationen im Straßenverkehr gelangen würden. Hinzu komme ein erhöhtes Gefährdungspotential ausgehend von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2, welche vom Antragsteller gefahren würden.
Ebenfalls trete hinzu, dass sich gerade Berufskraftfahrer im Rahmen der regelmäßigen Verlängerungen auch im Hinblick auf das Verhalten im Straßenverkehr im Rahmen der Modulschulungen weiterbilden müssten. Auch diese Schulungen hätten das Fehlverhalten des Antragstellers nicht verhindern können. Daher liege der Schluss nahe, dass es sich um eine generalisierte Fehleinstellung handeln könnte. Dass der Antragsteller mit diesem Sachverhalt erstmalig im Straßenverkehr aufgefallen sei, sei unerheblich.
In einer medizinischpsychologischen Begutachtung gehe es grundsätzlich darum, aus vergangenem Verhalten und der Person des Betroffenen eine Prognose für das zukünftige Verhalten zu erstellen. Hier genüge in einer Vielzahl der Fälle bereits eine einzelne Tat, um daraus aufklärungswürdige Eignungszweifel herzuleiten, ohne dass es darauf ankomme, ob bereits zuvor Auffälligkeiten vorgelegen hätten.
Im Rahmen einer telefonischen Rückfrage des Gerichts erklärte der Bevollmächtigte des Antragstellers, dass sich der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nr. 3 des Bescheids vom 25. Mai 2021 richten soll. Es handle sich um einen Schreibfehler, soweit in dem Schriftsatz vom 24. Juni 2021 Nr. 5 des Bescheids angeführt worden sei.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist darauf gerichtet, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nrn. 1 und 2 des angefochtenen Bescheids wiederherzustellen, und gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Nr. 3 (Zwangsgeldandrohung, Art. 21a des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes/VwZVG) anzuordnen. Der Antragsteller hat seinen Führerschein nach Aktenlage noch nicht abgeliefert, sodass nicht davon auszugehen ist, dass der Antragsgegner das angedrohte Zwangsgeld nicht mehr beitreiben wird. Aufgrund der nach Aktenlage bislang nicht erfolgten Ablieferung des Führerscheins ist diese Androhung gerade noch nicht gegenstandslos geworden. Insofern besteht diesbezüglich also noch ein Rechtschutzbedürfnis für den entsprechend beantragten Eilrechtsschutz.
Der Antrag ist zulässig, führt aber in der Sache nicht zum Erfolg.
1. Die Begründung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2012 – 11 CS 12.201 – juris Rn. 22). Dabei sind allerdings an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019 § 80 Rn. 54, 56). Insbesondere bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, ist das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch (Hoppe, a.a.O. § 80 Rn. 46). Ein solcher Fall lag hier aus Sicht des Antragsgegners vor. Er hat vor diesem Hintergrund das besondere Interesse am sofortigen Vollzug unter Bezug auf den Einzelfall hinreichend begründet. Im gerichtlichen Verfahren erfolgt keine materielle Überprüfung der Begründung der Behörde nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern es wird eine eigenständige Interessenabwägung durchgeführt (st. Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 16.12.2015 – 11 CS 15.2377 – juris Rn. 10; B.v. 24.8.2010 – 11 CS 10.1139 – juris Rn. 29; B.v. 10.3.2008 – 11 CS 07.3453 – juris Rn. 16).
2. Bei der Entscheidung über den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage wie derherzustellen bzw. anzuordnen, hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Im Rahmen dieser Entscheidung ist das Interesse eines Antragstellers, zumindest vorläufig weiter von seiner Fahrerlaubnis Gebrauch machen zu können, gegen das Interesse der Allgemeinheit daran, dass dies unverzüglich unterbunden wird, abzuwägen. Ausschlaggebend im Rahmen dieser Abwägungsentscheidung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels, dessen aufschiebende Wirkung wiederhergestellt bzw. angeordnet werden soll, hier also diejenigen der Klage vom 24. Juni 2021. Lässt sich schon bei summarischer Prüfung eindeutig feststellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, so dass das Rechtsmittel mit Sicherheit Erfolg haben wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts bestehen. Andererseits ist für eine Interessenabwägung, die zu Gunsten des Antragstellers ausgeht, im Regelfall kein Raum, wenn keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen (zum Ganzen vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, Rn. 152 ff. zu § 80).
Nach diesen Grundsätzen kommt die Kammer im Rahmen ihrer eigenen originären Ermessensentscheidung zu dem Ergebnis, dass weder im Klageverfahren Erfolgsaussichten bestehen noch die Interessenabwägung im engeren Sinn im Übrigen ein überwiegendes Aussetzungsinteresse des Antragstellers ergibt.
Die Interessenabwägung führt hier zum Überwiegen des öffentlichen Interesses am sofortigen Vollzug des streitgegenständlichen Bescheids. Unter Zugrundelegung der derzeitigen Sach- und Rechtslage wird die Klage gegen die Nummern 1 und 2 des Bescheides vom 25. Mai 2021 nach summarischer Prüfung nicht erfolgreich sein, weil der Bescheid rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Antragsgegner hat zu Recht auf die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen, weil dieser das von ihm rechtmäßig geforderte Gutachten nicht vorgelegt hat, § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV.
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten, abschließenden Verwaltungsentscheidung (st. Rspr., vgl. zuletzt BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3/13 – DAR 2014, 711, juris). Da ein Widerspruchsverfahren hier nicht durchgeführt wurde, ist dies der Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Entziehungsbescheids vom 25. Mai 2021, d.h. der Tag seiner Bekanntgabe am 28. Mai 2021.
a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis – ohne Ermessensspielraum – zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, d.h. die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht erfüllt (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 StVG). Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Die Fahrerlaubnisbehörde hat unter den in § 11 bis § 14 FeV genannten Voraussetzungen durch die Anordnung der Vorlage eines ärztlichen bzw. medizinischpsychologischen Gutachtens die Eignungszweifel aufzuklären (§ 3 Abs. 1 Satz 3 StVG i.V. m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Verweigert der Betroffene die Untersuchung oder bringt er das von ihm geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf dessen Nichteignung schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV), sofern die Anordnung der Untersuchung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere auch anlassbezogen und verhältnismäßig war (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – NJW 2017, 1765 Rn. 19 m.w.N.) und für die Nichtbeibringung des angeforderten Gutachtens kein ausreichender Grund besteht (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.1985 – 7 C 26.83 – BVerwGE 71, 93/96 = juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 19.6.2019 – 11 CS 19.936 – juris Rn. 23 m.w.N.).
Gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV muss die Fahrerlaubnisbehörde unter Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalles und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 zur Fahrerlaubnis-Verordnung in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens festlegen, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV teilt die Behörde dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle oder Stellen mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat; sie teilt ihm außerdem mit, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann. Die Gutachtensanordnung muss demnach hinreichend bestimmt und aus sich heraus verständlich sein. Der Betroffene muss der Aufforderung entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das Verlautbarte die behördlichen Zweifel an seiner Fahreignung zu rechtfertigen vermag. Der Beibringungsanordnung muss sich – mit anderen Worten – zweifelsfrei entnehmen lassen, welche Problematik auf welche Weise geklärt werden soll (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 11 FeV Rn. 55). Der Gutachter ist an die Gutachtensaufforderung und die dort formulierte Fragestellung sowie die dort genannten Rechts- und Beurteilungsgrundlagen gebunden. Es ist gemäß § 11 Abs. 6 FeV Aufgabe der Fahrerlaubnisbehörde und nicht Aufgabe des Gutachters oder des betroffenen Fahrerlaubnisinhabers, die Beurteilungsgrundlage und den Beurteilungsrahmen selbst klar und fehlerfrei festzulegen (vgl. BVerwG, B.v 5.2.2015 – 3 B16/14 – BayVBl 2015, 421; BayVGH, B.v. 24.7.2015 – 11 CS 15.1203 – juris). An die Rechtmäßigkeit der Gutachtensaufforderung sind hierbei strenge Maßstäbe anzulegen, weil der Antragsteller die Gutachtensaufforderung mangels Verwaltungsaktsqualität nicht direkt anfechten kann. Er trägt das Risiko, dass ihm bei der Nichtvorlage des Gutachtens die Fahrerlaubnis deswegen entzogen wird. Daher kann auf die strikte Einhaltung der vom Verordnungsgeber für die Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung aufgestellten formalen Voraussetzungen nicht verzichtet werden (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2012 – 11 ZB 12.1596 – juris).
aa) Nach diesen Maßstäben ist die Gutachtensanforderung des Antragsgegners vom 9. November 2020 in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.
Die formalen Anforderungen, denen eine solche Beibringungsaufforderung genügen muss, sind in § 11 Abs. 2 Satz 3, Abs. 6 FeV geregelt. Die Gutachtensaufforderung erfüllt dabei insbesondere die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, B.v. 5.2.2015 a.a.O. Rn. 8) an die Konkretisierung des Untersuchungsthemas stellt (vgl. § 11 Abs. 6 FeV). Der Betroffene soll durch die Mitteilung der zu begutachtenden Fragestellung ebenso wie durch die Angabe der Gründe, die Zweifel an der Fahreignung begründen, in die Lage versetzt werden, sich eine Meinung über die Berechtigung der geäußerten Eignungszweifel zu bilden und gegebenenfalls sein Verhalten im Verwaltungsverfahren hierauf auszurichten.
Diese Anforderungen sind vorliegend erfüllt. Unschädlich ist dabei, dass der Antragsgegner hinsichtlich des Sachverhalts, der Fahreignungszweifel begründen kann, auf S. 2 des Schreibens vom 9. November 2020 neben der am 19. Dezember 2019 vom Antragsteller begangenen versuchten Nötigung auch die am 12. März 2016 begangene Beleidigung anführt. Die hier zu überprüfende Anordnung stützt der Antragsgegner ausdrücklich auf § 11 Abs. 3 Nr. 5 FeV. Danach kann jedoch im vorliegenden Fall nur die 1. Alternative von § 11 Abs. 3 Nr. 5 FeV (eine erhebliche Straftat, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr steht) in Betracht kommen, da die am 12. März 2016 begangene Beleidigung unstreitig nicht im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr erfolgt ist. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung des vorgenannten Schreibens (II., S. 3) hinsichtlich der auf § 11 Abs. 3 Nr. 5 FeV gestützten Anordnung einer MPU hat der Antragsgegner – entgegen der Auffassung des Antragstellers – ausschließlich auf die am 19. Dezember 2019 begangene versuchte Nötigung abgestellt, auch wenn er fälschlicherweise von „Nötigung“ statt von „versuchter Nötigung“ spricht. Jedenfalls wird bei der „rechtlichen Würdigung“ (S. 4) in dem Anforderungsschreiben vom 9. November 2020 deutlich, dass der Antragsgegner von einer Straftat („Gerade eine solche Straftat“) ausgeht, so dass den formalen Anforderungen hinsichtlich der Gutachtensanforderung nach Auffassung des Gerichts entsprochen wurde.
Auch die in der Gutachtensanordnung aufgeworfene Fragestellung, ob trotz der aktenkundigen erheblichen, im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehenden Straftat des Antragstellers zu erwarten sei, dass der Antragsteller künftig nicht wiederholt gegen straf- und verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird, begegnet entgegen der Annahme der Antragstellerseite keinen rechtlichen Bedenken.
Diese mit der Anordnung verbundene Fragestellung konkretisiert das Untersuchungsthema hinreichend in Bezug auf den zugrundeliegenden Sachverhalt. Dabei ist es unschädlich, dass sich die Formulierung der Fragestellung nicht – entsprechend dem Wortlaut der Anordnungsgrundlage des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV – darauf beschränkt, die Wahrscheinlichkeit der nochmaligen Begehung von „erheblichen Straftat“ im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr zum Untersuchungsgegenstand zu machen, sondern allgemeiner von einer erneuten Begehung von Verstößen gegen „straf- und verkehrsrechtliche Bestimmungen“ spricht und sich damit an den Wortlaut der für die vorliegende Gutachtensanordnung nicht relevanten Vorschrift des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV anlehnt. Die gesetzliche Regelung des § 2 Abs. 4 StVG definiert die Kraftfahreignung dahingehend, dass der Betroffene nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen oder gegen Strafgesetze verstoßen hat und differenziert nicht zwischen verschiedenen Straftaten und Verkehrsverstößen. In § 11 Abs. 3 FeV wird demgegenüber im Einzelnen ausgeführt, bei welchen Straftaten und Verkehrsverstößen eine medizinischpsychologische Begutachtung gefordert werden kann. Dies führt aber nicht dazu, dass sich die Prognose nur auf genau den für die Gutachtensanforderung einschlägigen Sachverhalt erstrecken muss (BayVGH, B.v. 4.12.2019 – 11 ZB 19.1783 Rn. 15). Gemäß § 2 Abs. 4 StVG muss allgemein festgestellt werden, ob der Betroffene unabhängig von der Anlasstat in Zukunft zur Missachtung der Rechtsordnung in fahreignungsrelevanter Weise neigt. Dies wird von der Frage zutreffend abgefragt (vgl. zu möglichen Fragestellungen: Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung – Beurteilungskriterien, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin, 3. Aufl. 2013, mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 27.1.2014 [VkBl 2014, 132] als aktueller Stand der Wissenschaft eingeführt, S. 61). Vielmehr wollen § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 und 5 FeV gleichermaßen der Fahrerlaubnisbehörde die Möglichkeit geben, die charakterliche Eignung eines Fahrerlaubnisbewerbers im Hinblick auf die Einhaltung der im Straßenverkehr zu beachtenden (in zahlreichen Vorschriften normierten) Verhaltensanforderungen zu prüfen (VGH Mannheim, U.v. 11.10.2017 – 10 S 746/17). Dass die Verletzung dieser Gebote auf der Rechtsfolgenseite – unter Umständen abhängig vom Grad des Verstoßes – teilweise strafrechtlich sanktioniert ist, worauf die Antragstellerseite in dem Schriftsatz vom 24. Juni 2021 hinweist, ändert nichts daran, dass die im Weg einer medizinischpsychologischen Begutachtung zu prüfende charakterliche Eignung allgemeiner die Delinquenzneigung des Fahrerlaubnisbewerbers hinsichtlich der im Straßenverkehr geltenden Gebote zu überprüfen hat (vgl. auch BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – NJW 2017, 1765 = juris Rn. 33; U.v. 27.7.2016 – 10 S 77/15 – VBlBW 2017, 31 = juris Rn. 46 sowie U.v. 3.9.2015 – 10 S 778/14 – VBlBW 2016, 242 = juris Rn. 34). Daher ist es entgegen der Auffassung des Antragstellers rechtlich irrelevant, ob im Strafverfahren bereits die Fahrerlaubnis entzogen wurde oder – wie vorliegend – nur ein Fahrverbot verhängt wurde.
Die Fragestellung ist damit anlassbezogen und auch verhältnismäßig; insbesondere beschränkt sie sich auf die Klärung von Zweifeln der charakterlichen Eignung des Antragstellers, ohne zusätzlich auch umfassend die Erfüllung der (allgemeinen) körperlichen und geistigen Anforderungen für das Führen von Kraftfahrzeugen als Gegenstand der Begutachtung festzulegen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 12.12.2016 – 10 S 2406/14 – juris Rn. 33 m.w.N.).
Der Antragsgegner hat auch den nach § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV erforderlichen Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV formell rechtmäßig erteilt. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV legt fest, dass die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung des Betroffenen schließen darf, wenn dieser sich weigert, sich untersuchen zu lassen oder das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Dabei ist in der Rechtsprechung geklärt, dass damit kein Ermessen eingeräumt ist, sondern die Vorschrift einen Grundsatz der Beweiswürdigung enthält (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 11 FeV Rn. 51). Sinn der Belehrung ist es, dem Betroffenen die Entscheidung zu ermöglichen, ob er das angeforderte Gutachten vorlegt oder das mit der Weigerung oder Nichtvorlage verbundene Risiko eingeht (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 11 FeV Rn. 56). Es kann daher nicht beanstandet werden, wenn nicht der konkrete Wortlaut des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV wiederholt wird, solange aus der Belehrung hinreichend deutlich wird, dass bei einer Verweigerung der geforderten Mitwirkung die Entziehung der Fahrerlaubnis droht (BayVGH, B.v. 4.12.2019 – 11 ZB 19.1783). Dies ist vorliegend gegeben.
Weiter ist die Frist zur Vorlage des angeforderten Gutachtens von drei Monaten angemessen und ausreichend. Sie ist so bemessen, dass dem Antragsteller unter Berücksichtigung der konkreten Umstände eine fristgerechte Vorlage des geforderten Gutachtens möglich und zumutbar gewesen wäre (Dauer in Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 11 FeV Rn. 45).
bb) Auch in materieller Hinsicht bestehen gegen die Gutachtensanforderung – ge stützt auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV – rechtlich keine Bedenken.
§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV berechtigt die Fahrerlaubnisbehörde beim Vorliegen einer erheblichen Straftat oder mehreren Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen, die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinischpsychologisches Gutachten) anzuordnen. Die dem Strafbefehl des Amtsgerichts * vom 10. März 2020 zugrundeliegende Straftat (versuchte Nötigung in Tatmehrheit mit Beleidigung) stellt eine Straftat dar, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Straßenverkehr steht. Auf ein Aggressionspotential kommt es ebenso wenig an, wie darauf, dass der Antragsteller durch die Straftat der versuchten Nötigung erstmalig strafrechtlich im Straßenverkehr in Erscheinung getreten ist bzw. auch sonst bisher keine Eintragungen im Fahreignungsregister aufzuweisen hatte.
Der auch in § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG sowie § 11 Abs. 1 Satz 3 FeV vorkommende, aber weder im Gesetz noch in der FeV definierte Begriff der Erheblichkeit einer Straftat ist dahingehend zu verstehen, dass es gerade auf die Gewichtigkeit der Tat für die Bewertung der Fahreignung ankommt (vgl. OVG NRW, B.v. 11.4.2017 – 16 E 132/16 – juris; Hessischer VGH, B.v. 15.9.2010 – 2 A 1197/10.Z – juris) und der Begriff der Erheblichkeit nicht gleichbedeutend ist mit einer schwerwiegenden Straftat (Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 11 FeV Rn. 12 m.w.N.).
An die Annahme eines hinreichenden Gewichts der Tat für die Bewertung der Fahreignung sind im Rahmen von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 1 FeV keine zu hohen Anforderungen zu stellen. So wäre es verfehlt, wollte man eine erhebliche Straftat im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 1 FeV nur dann annehmen, wenn bereits allein aufgrund des Gewichts der Straftat die fehlende Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers – wie dies wohl § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG voraussetzt – erwiesen ist; die in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 1 FeV vorgesehene Begutachtung setzt vielmehr gerade voraus, dass die Ungeeignetheit des Betroffenen noch nicht feststeht, sondern lediglich zu befürchten ist (vgl. § 11 Abs. 7 FeV). Auch würden übermäßige Anforderungen an den Begriff der „erheblichen Straftat“ gestellt, wollte man für die sich aus der (Anlass-)Straftat ergebenden Eignungszweifel ein solches Gewicht fordern, dass der Behörde im Ergebnis kein oder kaum Spielraum hinsichtlich des „Ob“ der Gutachtensanordnung verbliebe.
Trotz der gesetzlich nicht ausdrücklich angeordneten Bindungswirkung für das Erteilungsverfahren muss die Fahrerlaubnisbehörde oder das Verwaltungsgericht den in einem Straf- oder Bußgeldverfahren festgestellten Sachverhalt nicht jeweils neu ermitteln. Vielmehr kann sie auch hier grundsätzlich von den für die Fahreignung relevanten strafrichterlichen Feststellungen ausgehen, an denen sich der Betroffene festhalten lassen muss, sofern nicht ausnahmsweise gewichtige Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit bestehen (vgl. BayVGH, B.v. 13.2.2015 – 11 ZB 14.1452 – juris). Nach diesen Maßstäben konnte der Antragsgegner den Sachverhalt des Strafbefehls des Amtsgerichts * vom 10. März 2020 seiner Entscheidung zugrunde legen, denn es ist nicht ersichtlich, dass dieser unrichtig sein könnte.
Nach Auffassung des Gerichts erfüllt die vom Antragsteller begangene Straftat der versuchten Nötigung das Tatbestandsmerkmal einer „erheblichen Straftat“ im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV, da hierdurch eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit und in der Folge eine konkrete Gefahr für bedeutende fremde Sachwerte bzw. Leib und Leben anderer Menschen, insbesondere die körperliche Unversehrtheit eines anderen Verkehrsteilnehmers bewirkt, wird. Nach dem im vorgenannten Strafbefehl festgestellten Sachverhalt ist das Verhalten des Antragstellers – entgegen der Ansicht des Antragstellers – in seinem Ausmaß bereits über eine durchschnittliche Nötigung hinausgegangen. Unter Betätigung von Lichthupe und Hupe ist der Antragsteller auf einer Strecke von 550 Metern dem Fahrzeug der Zivilstreife sehr dicht aufgefahren. Es handelte sich dabei nicht lediglich um eine kurze, sondern vielmehr um eine länger andauernde Auffälligkeit, was auch einen erhöhten Grad an Hartnäckigkeit beim Antragsteller erkennen lässt. Ebenso weist auch der äußerst geringe Abstand zum Fahrzeug der Zivilstreife auf ein erhöhtes Maß an Gefährdungspotenzial hin, da zumindest üblicherweise auch im Fall einer versuchten Nötigung durch den Täter ein gewisses Maß an Eigensicherheit angelegt werde. Der Antragsteller hat vorliegend vielmehr seine eigene Sicherheit völlig außer Acht gelassen. Dieses Verhalten offenbart eine beträchtliche Missachtung der Belange der Sicherheit des Straßenverkehrs und deren Bestimmungen, so dass der Schluss auf eine grundlegende fehlerhafte Einstellung zu den Gefahren und Erfordernissen der Verkehrssicherheit und daher zumindest der Verdacht eines Eignungsmangels gerechtfertigt ist.
Der Antragsgegner hat weiter das ihm zustehende Ermessen bei der Anord nung des Gutachtens ordnungsgemäß ausgeübt und keine sachfremden Erwägungen eingestellt. Nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV teilt die Behörde dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung mit, dass er sich einer Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat. Dabei sind die Ermessenserwägungen der Fahrerlaubnisbehörde offenzulegen, damit Sinn und Zweck der angeordneten Mitteilungspflichten Genüge getan ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 a.a.O. Rn. 38; BayVGH, B.v. 30.5.2017 – 11 CS 17.274 – NJW 2017, 2695). Der Antragsgegner hat im vorliegenden Fall erkannt, dass Ermessen auszuüben ist und die zugrundeliegenden Erwägungen hinreichend offengelegt. Tragend waren hier insbesondere die zu Lasten des Antragstellers sprechenden Umstände und dabei auch die Tatsache, dass der Antragsteller nahezu täglich als Berufskraftfahrer im Straßenverkehr auftritt. Dass der Antragsteller schon lange über eine Fahrerlaubnis verfügt und bisher strafrechtlich noch nicht im Straßenverkehr auffiel, musste nicht zwingend in der Begutachtungsanordnung erwähnt werden. Der Antragsgegner hat daher ohne Ermessensfehler die Vorlage eines medizinischpsychologischen Gutachtens vom Antragsteller gefordert. Der Einwand, die Anforderung eines (nur) psychologischen Gutachtens sei ausreichend, geht daher ins Leere.
Da somit die Anordnung der Gutachtensvorlage zu Recht erfolgte und der Antragsteller das angeforderte medizinischpsychologische Gutachten nicht vorlegte, konnte der Antragsgegner nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen.
b) Da danach die Entziehung der Fahrerlaubnis der summarischen gerichtlichen Überprüfung standhält, verbleibt es auch bei der in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltenen Verpflichtung, den Führerschein abzuliefern, die auf § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 FeV beruht. Bei dieser Sachlage kommt dementsprechend ebenfalls eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung nicht in Betracht.
c) Schon aufgrund fehlender Erfolgsaussichten der Klage kommt daher eine Wie derherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung im überwiegenden Interesse des Antragstellers nicht in Betracht.
Auch eine vom Ausgang des Hauptsacheverfahrens unabhängige Interessenabwägung im Übrigen fällt zu Ungunsten des Antragstellers aus. Zwar ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass mit der sofortigen Durchsetzung der Fahrerlaubnisentziehung ein ganz erheblicher und letztlich nicht wiedergutzumachender Verlust für seine persönliche Mobilität für ihn verbunden ist und damit eine durch das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz – GG) geschützte Rechtsposition tangiert wird. Dem persönlichen Interesse des Antragstellers stehen jedoch die Rechtsgüter gegenüber, zu deren Schutz die Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgt. Hierbei handelt es sich insbesondere um Leib und Leben der übrigen Verkehrsteilnehmer (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), die Verkehrssicherheit an sich sowie bedeutende Sachwerte der Allgemeinheit. Für diese Rechtsgüter würde ein erhebliches Gefährdungspotenzial geschaffen, wenn der Antragsteller trotz fehlender Fahreignung weiter mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilnehmen könnte, noch dazu, da der Antragsteller als Berufskraftfahrer nahezu täglich am Straßenverkehr teilnimmt. Bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen wiegt der möglicherweise eintretende, gegebenenfalls nicht mehr wiedergutzumachende Schaden für die zuvor genannten, hoch- und höchstwertigen Rechtsgüter einer potenziellen Vielzahl anderer Verkehrsteilnehmer zu schwer, als dass es verantwortet werden könnte, dem Antragsteller bis zu einer endgültigen Klärung seiner Fahreignung vorerst die weitere Verkehrsteilnahme zu erlauben. Die mit der sofort vollziehbaren Entziehung seiner Fahrerlaubnis für den Antragsteller verbundenen Nachteile hinsichtlich seiner Lebensführung oder seiner Berufstätigkeit müssen von ihm im Hinblick auf den hohen Rang der durch die Verkehrsteilnahme eines ungeeigneten Kraftfahrers gefährdeten Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit und das entsprechende Interesse der Verkehrssicherheit daher hingenommen werden (vgl. SächsOVG, B.v. 19.5.2016 – 3 B 37/16 – juris Rn. 7; VGH BW, B.v. 4.11.2013 – 10 S 1933/13 – NJW 2014, 487 ff.). Solche negativen Auswirkungen auf den Betroffenen treten gerade typischerweise auf. Maßgeblich ist, dass das vom Antragsteller ausgehende Gefährdungspotenzial erheblich über dem des Durchschnitts anderer Fahrzeugführer liegt.
Auch im Hinblick auf die von der Behörde angeordnete sofortige Vollziehung der Ablieferung des Führerscheins (§ 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV) kommt bei dieser Sachlage eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht in Betracht.
Der Antrag war daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 39 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG sowie den Empfehlungen in Nrn. 1.5, 46.3, 46.5 und 46.9 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, Anhang zu § 164, Rn. 14). Nach der Anlage 3 zu § 6 Abs. 6 FeV umfasst die Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alt) gemäß Abschnitt A I, Nr. 19 (Erteilung nach dem 31.12.1988) die (neuen) Fahrerlaubnisklassen A, A1, AM, B, BE, C1, C1E, CE und L. Maßgeblich sind nur die Fahrerlaubnisklassen BE und C1E. Die Fahrerlaubnisklasse AM ist in der Klasse A1, die Fahrerlaubnisklasse L in der Klasse B enthalten (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 4 FeV). Die Fahrerlaubnisklasse A wirkt sich, ebenso wie die Fahrerlaubnisklasse A1, nicht streitwerterhöhend aus, weil sie nach der Anlage 3 zur FeV jeweils mit den Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04 der Anlage 9 (Nrn. 53 und 54: Begrenzung auf dreirädrige Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen) eingeschränkt sind. Die Fahrerlaubnisklasse E wird nicht mehr streitwerterhöhend berücksichtigt. Das gilt auch für die Klasse CE, weil sie durch die Schlüsselzahl 79 (vgl. Anlage 9 zur FeV Nr. 48) lediglich die Befugnis zum Führen bestimmter Anhänger mit einem Zugfahrzeug der Klasse C1 im Verhältnis zu der durch eine Fahrerlaubnis der Klasse C1E verliehenen Befugnis erweitert (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2014 – 11 CS 13.2324 – juris Rn. 21 ff.). Für die Klasse BE und C1E sind nach dem Streitwertkatalog jeweils 5000,00
Euro (Nrn. 46.3 und 46.5) vorgesehen. Hinzu kommt für die Fahrerlaubnisklasse T ein Betrag von 2.500,00 EUR. Nach Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs ist der sich so ergebende Gesamtbetrag von 12.500,00 EUR im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.


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