Strafrecht

Fahrerlaubnisentzug, Konsum von Amphetamin streitig, Interessenabwägung

Aktenzeichen  AN 10 S 20.02683

Datum:
12.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 708
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3 Abs. 1
FeV § 46
FeV § 11 Abs. 7
Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen den für sofort vollziehbar erklärten Fahrerlaubnisentzug sowie die Abgabeverpflichtung seines Führerscheins.
Dem Antragsteller wurde die Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L aufgrund einer tschechischen Fahrerlaubnis am 18. April 2019 erteilt.
Der Antragsgegner erhielt durch Mitteilung der Polizeiinspektion … vom 11. August 2020 Kenntnis davon, dass es am 3. August 2020 um 0:58 Uhr zu einem polizeilichen Einsatz gekommen ist. Die Ehefrau des Antragstellers habe bei der Polizei angerufen, weil sie sich Sorgen um ihren Mann mache. Dieser habe geäußert, dass er die Nacht nicht überlebe, da ihm alles zu viel werde. Seitens der Polizeibeamtin sei festgestellt worden, dass der Antragsteller wohlauf gewesen sei und im Gespräch keine eindeutigen Suizidgedanken geäußert habe. Der Antragsteller habe gegenüber der Polizeibeamtin zudem geäußert, dass er aufgrund der momentanen Situation gelegentlich Betäubungsmittel (Amphetamin und Cannabis) sowie Alkohol konsumiere.
Mit Schreiben vom 24. August 2020 wurde der Antragsteller zum beabsichtigten Entzug der Fahrerlaubnis angehört. Daraufhin zeigte sich mit Schreiben vom 7. September 2020 der Bevollmächtigte an und führte aus, dass der Antragsteller nicht eingeräumt habe, Amphetamin und Cannabis zu konsumieren.
Der Antragsgegner erwiderte mit Schreiben vom 7. bzw. 22. September 2020, dass der Antragsteller den Konsum von Amphetamin gegenüber den Polizeibeamten angegeben habe.
Daraufhin erließ der Antragsgegner unter dem 1. Oktober 2020, zugestellt am 8. Oktober 2020, den streitgegenständlichen Bescheid, mit dem dem Antragsteller die Fahrerlaubnis aller Klassen entzogen wurde (Ziffer 1) und er verpflichtet wurde, den Führerschein innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung des Bescheides oder für den Fall, dass dieser nicht auffindbar sein sollte, eine Versicherung an Eides statt über den Verbleib des Führerscheins, abzugeben (Ziffer 2), andernfalls wurde Zwangsgeld angedroht (Ziffer 3). Ziffern 1 und 2 des Bescheides wurden für sofort vollziehbar erklärt (Ziffer 4). Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen auf Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV und 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung gestützt. Bei einem Konsum harter Drogen, wozu Amphetamin zähle, sei eine Teilnahme am Straßenverkehr nicht erforderlich. Dem Sachverhalt der polizeilichen Mitteilung sei zu entnehmen, dass der Antragsteller gegenüber den eingesetzten Polizeibeamten angegeben habe, dass er aufgrund seiner momentanen Situation gelegentlich Betäubungsmittel konsumiere.
Der Führerschein wurde am 15. Oktober 2020 abgegeben.
Mit Schreiben vom 4. November 2020 legte der Antragsteller Widerspruch ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antragsteller bei der Äußerung am 3. August 2020 gegenüber der Polizei so aufgeregt gewesen sei, dass er nicht in der Lage gewesen sei, klarzustellen, dass sich sein Drogenkonsum auf den Zeitraum bis 2011 bezogen habe. Seit Wiedererlangung seiner Fahrerlaubnis habe er dem Drogenkonsum gänzlich abgeschworen. Der Antragsteller unterziehe sich eines vom Jugendamt erstellten Schutzplanes, der auch regelmäßige Drogentests vorsehe. Seitens des Jugendamtes sei geplant, regelmäßig Haarproben des Antragstellers zu nehmen, um seine Drogenabstinenz zu überprüfen. Dies stelle einen hinreichenden Sicherheitsfaktor dar, dass der Antragsteller künftig jeglichen Drogenkonsum unterlassen werde, wie dies bereits seit der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis der Fall sei. Der Antragsteller konsumiere auch nicht gelegentlich Drogen. Beigefügt wurde ein ärztlicher Befundbericht des … Labor* … vom 13. November 2020, der zu dem Ergebnis gelangt, dass die Untersuchungsergebnisse der Haaranalytik keinen Anhaltspunkt für eine gewohnheitsmäßige Aufnahme von Drogen in dem Zeitraum, welcher der untersuchten Haarlänge entspricht, zeigen. Ein gelegentlicher Konsum lässt sich jedoch nicht grundsätzlich ausschließen.
Der Antragsgegner erwiderte mit Schreiben vom 20. November 2020, dass eine telefonische Rücksprache mit der Polizeibeamtin ergeben habe, dass der Antragsteller geäußert habe, aktuell (im Sommer 2020) aufgrund der Probleme in der Beziehung und des Sorgerechtsstreits wieder Drogen, nämlich Amphetamin und Cannabis, zu konsumieren. Diese Äußerung habe sich keinesfalls auf die Vergangenheit im Jahr 2011 bezogen.
Mit Schreiben vom 30. November 2020 bat das Kreisjugendamt die Fahrerlaubnisbehörde die soziale Lage der Familie als Ganzes im Rahmen ihres Ermessensspielraum im Blick zu haben.
Mit Schreiben vom 8. Dezember 2020 ließ der Antragsteller einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antragsteller seit der erfolgreichen medizinisch-psychologischen Untersuchung keine Betäubungsmittel mehr konsumiere. Mit der vorgelegten Haaranalyse sei nachgewiesen, dass der Antragsteller keineswegs gewohnheitsmäßig Drogen konsumiere. Der Antragsteller sei Alleinernährer seiner fünfköpfigen Familie und als Techniker für die Wartung von Windkrafträdern beruflich auf die Fahrerlaubnis angewiesen.
Der Antragsteller ließ beantragen,
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 4. November 2020 wird wiederhergestellt.
Zugleich wurde beantragt,
dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorgelegte Behördenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antragsteller begehrt nach Auslegung des gestellten Antrags (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Ablieferungspflicht seines Führerscheins gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Hs. 2 VwGO. Dem Widerspruch kommt diesbezüglich aufgrund der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung zu. Der Antrag wird weiter dahingehend ausgelegt, dass er sich nicht auf die Zwangsmittelandrohung in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids bezieht, da der Antragsteller den Führerschein bereits abgegeben hat und die Verpflichtung aus Ziffer 2 des Bescheids insoweit schon erfüllt ist.
Der so verstandene Antrag hat keine Aussicht auf Erfolg. Er ist zwar zulässig, aber unbegründet.
1. Die Begründung des Sofortvollzugs im streitgegenständlichen Bescheid vom 1. Oktober 2020 entspricht den formellen Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, da das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug in ausreichender Form begründet wurde. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Antragsgegner ausführt, dass aufgrund der Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Fahrzeugen nach Abwägung aller betroffenen Interessen die Anordnung der sofortigen Vollziehung zum Schutz der Allgemeinheit geboten sei. Das öffentliche Interesse, das den Schutz der höchsten Rechtsgüter Leben und Gesundheit umfasst, überwiege das private oder berufliche Interesse am weiteren Gebrauch der Fahrerlaubnis. Beim Konsum von Betäubungsmitteln sei die Leistungsfähigkeit beeinträchtigt und es müsse damit gerechnet werden, dass der Antragsteller durch sein Verhalten und die Verkehrsteilnahme das Leben und die Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer gefährde. Da die bei dem Antragsteller vorliegende Problematik eine erhebliche Gefährdung für die Verkehrssicherheit darstelle, sei das Interesse daran, dass die Fahrerlaubnis mit sofortiger Wirkung eingezogen werde, so gewichtig, dass demgegenüber die Privatinteressen am Erhalt der Fahrerlaubnis zurücktreten müssten. Da es sich beim Fahrerlaubnisrecht um einen besonderen Teil des Sicherheitsrechts handelt, entspricht es der ständigen Rechtsprechung der Kammer, dass es für die Anordnungsbehörde ausreicht, die typische Interessenlage dieser Fallgruppe aufzuzeigen und auszuführen, dass im Falle möglicherweise ungeeigneter Fahrzeugführer ein Ausschluss an der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr wegen der davon ausgehenden akuten Gefahr schnellstmöglich anzuordnen ist. Auch bezüglich der Abgabe des Führerscheins wurde der Sofortvollzug hinreichend im Sinne des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Insoweit wurde in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass bei Nichtabgabe des Führerscheins die nicht auszuschließende Gefahr des Missbrauchs durch dessen Vorzeigen bei eventuellen Verkehrskontrollen bestehe.
2. Das Gericht kommt im Rahmen der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu dem Ergebnis, dass die die Erfolgsaussichten des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 1. Oktober 2020 als offen einzustufen sind (a.). Allerdings müssen bei Abwägung der widerstreitenden Interessen die Interessen des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hinter dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners zurücktreten (b.).
Im vorliegenden Fall eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO stellt das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet worden ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise dann wieder her, wenn das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt. Im Rahmen dieser Interessenabwägung haben die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache erhebliche Bedeutung. Bleibt dieser Rechtsbehelf mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen, da dann das von der Behörde geltend gemachte besondere Interesse am Sofortvollzug regelmäßig überwiegt. Erweist sich der zugrundeliegende Bescheid bei dieser Prüfung hingegen als rechtswidrig und das Hauptsacheverfahren damit voraussichtlich als erfolgreich, ist das Interesse an der sofortigen Vollziehung regelmäßig zu verneinen. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens hingegen offen, kommt es zu einer allgemeinen Abwägung der widerstreitenden Interessen.
a. Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene, aber auch ausreichende summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV i.V.m. Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV nach Aktenlage nicht abschließend feststeht.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV ist eine Fahrerlaubnis dann zu entziehen, wenn sich der Fahrerlaubnisinhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Ein Ermessensspielraum kommt der Fahrerlaubnisbehörde nicht zu. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV ist insbesondere von einer Nichteignung auszugehen, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen.
Ergänzend sind hier auch die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (Stand: 31. Dezember 2019) heranzuziehen, denen verkehrsmedizinisches Erfahrungswissen zugrunde liegt und die deshalb nach der ständigen Rechtsprechung zur Würdigung des Sachverhalts und zur Beurteilung der Eignung zur Führung von Kraftfahrzeugen mit heranzuziehen sind.
Nach Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV und Ziffer 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung ist derjenige nicht in der Lage, den gestellten Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden, der Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) konsumiert. Der vorliegend im Raum stehende Konsum von Amphetamin fällt unstreitig darunter (vgl. Anlagen zu § 1 Abs. 1 BtMG).
Die Fahreignung entfällt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen. Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn der Fahrerlaubnisinhaber mindestens einmal sogenannte harte Drogen wie Amphetamin oder Methamphetamin konsumiert hat (st. Rspr., z.B. BayVGH, B.v. 19.1.2016 – 11 CS 15.2403 – juris Rn. 11; B.v. 23.2.2016 – 11 CS 16.38 – juris Rn. 8; OVG NW, B.v. 23.7.2015 – 16 B 656/15 – juris Rn. 5 ff. m.w.N.).
Vorliegend ist der Konsum von Amphetaminen zwischen den Beteiligten streitig. Der Antragsgegner stützt sich auf die polizeiliche Ereignismeldung vom 3. August 2020, wonach der Antragsteller gegenüber der Polizeibeamtin geäußert haben soll, aufgrund der momentanen Situation gelegentlich Amphetamin zu konsumieren (Blatt 3 der Behördenakte). Dass der Konsum harter Drogen nicht durch einen am Tag des Vorfalls durchgeführten Drogentest bestätigt wird, ist unerheblich. Denn in der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis auch dann gerechtfertigt ist, wenn kein wissenschaftlicher Nachweis für die Einnahme eines Betäubungsmittels vorliegt, sondern der Fahrerlaubnisinhaber dies lediglich eingeräumt hat (vgl. BayVGH, B.v. 10.7.2020 – 11 ZB 20.52; B.v. 20.3.2020 – 11 ZB 20.1 – jeweils juris). Die Einlassung des Antragstellers gegenüber der Polizeibeamtin zugrunde gelegt führt zum Ergebnis, dass der Antragsteller aufgrund des eingeräumten Amphetaminkonsums nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist.
Allerdings gibt der Antragsteller im Rahmen der Widerspruchsbegründung nunmehr an, dass sich seine Äußerung bezüglich des Drogenkonsums auf den Zeitraum bis 2011 bezogen habe und er seit Wiedererlangung seiner Fahrerlaubnis dem Drogenkonsum gänzlich abgeschworen habe. Er sei so aufgeregt gewesen, dass er nicht in der Lage gewesen sei, klarzustellen, dass sich die Thematik allein auf die Vergangenheit bezogen habe. Insofern ist fraglich, ob der Antragsteller mit diesem Vorbringen den Konsum harter Drogen substantiiert widerlegt hat. Dies scheint nach summarischer Prüfung unter Berücksichtigung der Aktenlage nicht der Fall zu sein. Denn der polizeiliche Bericht deutet nicht darauf hin, dass sich der Antragsteller gegenüber der Polizeibeamtin bezüglich seines früheren Drogenkonsums geäußert hat. Zudem scheint bereits eine telefonische Rücksprache mit der Polizeibeamtin erfolgt zu sein, wie sich dem Schreiben des Antragsgegners an den Bevollmächtigten des Antragstellers vom 20. November 2020 (Blatt 195 f. der Behördenakte) entnehmen lässt. Der genaue Inhalt des Telefonats lässt sich jedoch mangels einer Aktennotiz nicht nachvollziehen. Es ist deshalb nach Aktenlage zumindest nicht vollständig auszuschließen, dass die Äußerung des Antragstellers anders zu verstehen war, als sie die Polizeibeamtin in der Ereignismeldung wiedergegeben hat. Der genaue Gesprächsinhalt zwischen der Polizeibeamtin und dem Antragsteller wird deshalb durch Befragung der Polizeibeamtin in der Hauptsache zu klären sein.
Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten kann der vom Antragsteller vorgelegte ärztliche Befundbericht des … Labor … vom 13. November 2020 die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers nicht ausräumen. Aufgrund der am 5. November 2020 entnommenen Haarprobe mit 3,0 cm Haarlänge kommt das Labor zu dem Ergebnis, dass die Untersuchungsergebnisse der Haaranalytik keinen Anhaltspunkt für eine gewohnheitsmäßige Aufnahme von Amphetamin in dem Zeitraum, der der untersuchten Haarlänge entspricht, zeigen. Ausgehend von einer mittleren Haarwachstumsgeschwindigkeit von 1,0 cm pro Monat deckt der Befundbericht einen Zeitraum von Anfang August bis Anfang November 2020 ab. Damit wird jedoch keine Aussage dahingehend getroffen, ob der Antragsteller nicht vor dem bekannt gewordenen polizeilichen Einsatz am 3. August 2020 Betäubungsmittel konsumiert bzw. nicht konsumiert hat. Der Befundbericht deckt insoweit den Zeitraum vor dem 3. August 2020, auf den sich die Aussage des Antragstellers zu seinem Drogenkonsum bezieht, nicht ab. Im Übrigen heißt es im ärztlichen Befundbericht weiter, dass sich ein gelegentlicher Konsum nicht gänzlich ausschließen lässt. Insoweit lässt sich mit dem vorgelegten Befundbericht ein einmaliger oder seltener Konsum nicht verneinen.
Nach alledem konnte der Antragsteller zwar seine ursprüngliche Einlassung hinsichtlich des Konsums von Betäubungsmitteln nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts widerlegen. Um der ebenfalls nicht vollständig auszuschließenden Möglichkeit eines Kommunikationsmissverständnisses Rechnung zu tragen, kommt das Gericht aber zu dem Ergebnis, dass die fehlende Fahreignung des Antragstellers nach Aktenlage nicht abschließend feststeht. Die Erfolgsaussichten des Widerspruchs sind deshalb als offen einzustufen.
b. Lassen sich die Erfolgsaussichten ohne weitere Sachaufklärung auch nicht vorläufig beurteilen und ist der Verfahrensausgang deshalb offen, ist eine reine Interessenabwägung erforderlich (Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 77). Dabei sind die Folgen, die eintreten, wenn die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt wird, sich die angefochtene Verfügung aber als rechtmäßig erweist, gegen die Folgen abzuwägen, die sich ergeben, wenn es bei einer sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung verbleibt und sich später herausstellt, dass diese Verfügung rechtswidrig ist. Auf die betroffenen Grundrechte ist in besonderer Weise Bedacht zu nehmen.
Diese abschließende Interessenabwägung fällt vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus. Zwar ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass mit der sofortigen Durchsetzung der Fahrerlaubnisentziehung ein ganz erheblicher und letztlich nicht wiedergutzumachender Verlust für seine persönliche Mobilität für ihn verbunden ist und damit eine durch das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) geschützte Rechtsposition tangiert wird. Dem persönlichen Interesse des Antragstellers stehen jedoch die Rechtsgüter gegenüber, zu deren Schutz die Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgt. Hierbei handelt es sich insbesondere um Leib und Leben der übrigen Verkehrsteilnehmer (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), die Verkehrssicherheit an sich sowie bedeutende Sachwerte der Allgemeinheit. Für diese Rechtsgüter würde ein erhebliches Gefährdungspotential geschaffen, wenn der Antragsteller trotz fehlender Fahreignung weiter mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilnehmen könnte. Bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen wiegt der möglicherweise eintretende, gegebenenfalls nicht mehr wiedergutzumachende Schaden für die zuvor genannten hoch- und höchstwertigen Rechtsgüter einer potenziellen Vielzahl anderer Verkehrsteilnehmer zu schwer, als dass es verantwortet werden könnte, dem Antragsteller bis zu einer endgültigen Klärung seiner Fahreignung vorerst die weitere Verkehrsteilnahme zu erlauben. Die mit der sofort vollziehbaren Entziehung seiner Fahrerlaubnis für den Antragsteller verbundenen Nachteile müssen von ihm im Hinblick auf den hohen Rang der durch die Verkehrsteilnahme eines ungeeigneten Kraftfahrers gefährdeten Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit und das entsprechende Interesse der Verkehrssicherheit daher hingenommen werden (vgl. SächsOVG, B.v. 19.5.2016 – 3 B 37/16 – juris Rn. 7; VGH BW, B.v. 4.11.2013 – 10 S 1933/13 – NJW 2014, 487 ff.). Solche negativen Auswirkungen auf den Betroffenen treten gerade typischerweise auf. Maßgeblich ist, dass das vom Antragsteller ausgehende Gefährdungspotential erheblich über dem des Durchschnitts anderer Fahrzeugführer liegt (s. VG Augsburg, B.v. 25.8.2020 – Au 7 S 19.1962 – juris Rn. 58; vgl. auch VG München, B.v. 5.3.2020 – M 6 S 20.372 – juris Rn. 32 mit Verweis auf BayVGH, B.v. 21.11.2012 – 11 CS 12.2171 – juris Rn. 15). Insofern ist vorliegend zu berücksichtigen, dass dem Antragsteller der Konsum harter Drogen vorgeworfen wird und das von Drogenkonsumenten ausgehende Gefahrenpotential aufgrund der drogentypischen Wirkungen deutlich erhöht ist.
2. Auch im Hinblick auf die von der Behörde angeordnete sofortige Vollziehung der Ablieferung des Führerscheins (§ 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV) kommt bei dieser Sachlage eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht in Betracht.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist daher vollumfänglich abzulehnen.
3. Die Kostenentscheidung basiert auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 46.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung des Jahres 2013.
4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung ist insgesamt abzulehnen, da nach oben Gesagtem keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO besteht. Es kann damit dahinstehen, ob der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung aufbringen kann.


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