Strafrecht

Führen von Kraftfahrzeugen, Medizinisch-psychologisches Gutachten, Straßenverkehrsgefährdung, Fahrerlaubnisklassen, Weitere Fahrerlaubnisklasse, Neuerteilung der Fahrerlaubnis, Wiedererteilung der Fahrerlaubnis, Entzug der Fahrerlaubnis, Fahrerlaubnisbehörde, Fahrerlaubnisentzug, Fahrerlaubnisentziehung, Entziehung der Fahrerlaubnis, Ordnungswidrigkeiten, Tilgungsfrist, Verwaltungsgerichte, Trunkenheitsfahrt, Fahreignungsregister, Gutachtenanordnung, Vorliegende Gutachten, Angaben des Antragstellers

Aktenzeichen  W 6 S 20.1421

Datum:
14.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 43383
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
FeV § 46
FeV Nr. 8.1 der Anlage 4 zur

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 6.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Entzugs seiner Fahrerlaubnis der Klassen A79, A179, AM, B, BE, C, CE, C1, C1E und L.
1. Der Antragsteller (geb. …1990) wurde mit rechtskräftigem Urteil des Jugendrichters beim Amtsgericht Schweinfurt – Zweigstelle Gerolzhofen – vom 22. Februar 2020 (Az.: … … … ) wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt (§ 316 Abs. 1, 2, §§ 69, 69 a StGB). Die Fahrerlaubnis der damaligen Klasse B wurde ihm entzogen und eine Sperrfrist von sechs Monaten für die Wiedererteilung verfügt. Der Antragsteller hatte am 14. November 2009 gegen 2:00 Uhr in Schweinfurt ein Kraftfahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,27 Promille im Straßenverkehr geführt.
Nach Ablauf der Sperrfrist beantragte der Antragsteller am 4. Juni 2010 die Neuerteilung der Fahrerlaubnis der Klasse B, welche ihm auch am 23. August 2010 erteilt wurde. In der Folgezeit wurden dem Antragsteller weitere Fahrerlaubnisklassen erteilt.
Am 14. Februar 2020 gegen 14:54 Uhr verunfallte der Antragsteller bei der Abfahrt der BAB 70, Anschlussstelle Gochsheim, Kilometer 14,443, als Führer des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen … … Im Kurvenbereich des Abfahrt-Astes rutschte sein Fahrzeug über den Grünstreifen und fuhr mit der linken Seite gegen die Außenschutzplanke des Auffahrt-Astes, wo es in umgekehrter Fahrtrichtung an der Schutzplanke stehen blieb. An der Leitplanke entstand ein Sachschaden von ca. 800,00 EUR. Ein am Unfallort durchgeführter Atemalkoholtest ergab eine Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,23 mg/l. Eine um 15:52 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine BAK von 0,57 Promille im Mittelwert (Ergebnis der Blutuntersuchung des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 20.2.2020). Im Abschlussbericht der Verkehrspolizeiinspektion Schweinfurt-Werneck vom 16. März 2020 ist u. a. ausgeführt, dass nach dem Verkehrsunfall keine weiteren alkoholischen Getränke konsumiert wurden, und ein Nachtrunk entsprechend ausgeschlossen werden konnte.
Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Schweinfurt vom 23. März 2020 (Az.: … … ) wurde das Ermittlungsverfahren wegen Straßenverkehrsgefährdung infolge Alkoholisierung gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und das Verfahren gemäß § 43 OWiG zur Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten an die Verwaltungsbehörde abgegeben. Zur Begründung wurde ausgeführt, es habe sich nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit nachweisen lassen, dass das Unfallgeschehen infolge der Alkoholisierung (0,57 Promille) des Beschuldigten verursacht worden sei, vielmehr liege der Verdacht nahe, dass der Unfall durch nicht angepasste Geschwindigkeit und dem gleichzeitig vollzogenen Fahrstreifenwechsel samt Abfahrt von der Autobahn erfolgt sei.
Wegen des Führens eines Kraftfahrzeugs am 14. Februar 2020 mit einer BAK von 0,57 Promille sowie der Fahrt mit nichtangepasster Geschwindigkeit mit Unfall erging gegen den Antragsteller ein Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle Viechtach (Az.: … ), rechtskräftig seit 30. April 2020, und es wurden zwei Punkte im Fahreignungsregister eingetragen.
Mit Schreiben vom 24. Juni 2020 forderte das Landratsamt den Antragsteller unter Hinweis auf die im Fahreignungsregister noch eingetragene Tat vom 14. November 2009 (fahrlässige Trunkenheit im Verkehr) und die Fahrt mit einer BAK von 0,57 Promille am 14. Februar 2010 auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung gemäß §§ 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV i. V. m. Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV bis zum 24. August 2020 beizubringen. Zu klären sei die Frage, ob insbesondere nicht zu erwarten sei, dass das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden könne. Die Anordnung wurde dem Antragsteller am 30. Juni 2020 zugestellt.
Am 6. August 2020 legte der Antragsteller dem Landratsamt das Gutachten der … T. Fahrzeug GmbH & Co. KG vom 4. August 2020 (Untersuchungstag: 21.7.2020) vor. Die Gutachter kommen zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass beim Antragsteller zu erwarten sei, dass das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht sicher getrennt werden könne. Auch hätten sich Hinweise auf psycho-physische Beeinträchtigungen ergeben, die das sichere Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 und 2 infrage stellten, denen aber aufgrund der Gesamtbefundlage nicht weiter nachgegangen worden sei. Auf die Begründung des Gutachtens wird verwiesen.
Mit Schreiben vom 6. August 2020 hörte das Landratsamt den Antragsteller zum beabsichtigten Entzug der Fahrerlaubnis an und gab Gelegenheit zur Stellungnahme bis 18. August 2020.
Mit Schriftsatz vom 17. August 2020 zeigte der Bevollmächtigte seine Vertretung an und bat um Akteneinsicht sowie Fristverlängerung zur Stellungnahme, welche bis zum 21. August 2020 bewilligt wurde (Schreiben des Landratsamts vom 17.8.2020).
Mit Schreiben vom 20. August 2020 ließ der Antragsteller mitteilen, dass das Verfahren wegen Straßenverkehrsgefährdung nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei, da sich nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit habe nachweisen lassen, dass das Unfallgeschehen infolge der Alkoholisierung des Beschuldigten verursacht worden sei. Eine MPU-Untersuchung hätte deshalb nicht grundsätzlich erfolgen müssen.
Mit kostenpflichtigem Bescheid vom 25. August 2020 entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen aller Klassen (Nr. 1) und gab ihm auf, den vom Landratsamt Schweinfurt am 18. Januar 2019 ausgehändigten Führerschein (Nr. … ) spätestens sieben Tage nach Zustellung des Bescheides abzuliefern. (Nr. 2). Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 und 2 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 3) und für den Fall der nicht rechtzeitigen Abgabe des Führerscheins ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 EUR angedroht (Nr. 4). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Fahrerlaubnis sei nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV zu entziehen, da sich der Antragsteller als nicht geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe. Bei Alkoholmissbrauch im Sinne der Nr. 8.1 der Anlage 4 FeV sei Gegenstand einer angeordneten Fahreignungsuntersuchung, ob zu erwarten sei, dass der Betroffene nicht oder nicht mehr ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Alkohol führen werde; ob somit der Betreffende den Konsum von Alkohol einerseits und das Führen von Kraftfahrzeugen andererseits zuverlässig trennen könne. Durch die angeordnete Begutachtung habe herausgefunden werden sollen, ob der Antragsteller trotz mehrerer Trunkenheitsfahrten fahrgeeignet gewesen sei. Das Gutachten der … T. Fahrzeug GmbH & Co. KG vom 4. August 2020 sei schlüssig und nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gefahr künftiger Verstöße gegen das fahrerlaubnisrechtliche Trennungsgebot beim Antragsteller bestehe. Dem Gutachten habe entnommen werden können, dass der Antragsteller sein Alkoholverhalten nicht wesentlich verändert habe. Der Antragsteller habe die Notwendigkeit einer bewussten Planung des Alkoholkonsums, um eine zukünftige Verkehrsteilnahme unter Alkoholeinfluss zu vermeiden, noch nicht erkannt. Der Alkoholkonsum orientierte sich in Trinksituationen an der eigenen Befindlichkeit bzw. am Stimmungsverlauf und nicht an zuvor gefassten Vorsätzen. Beim Antragsteller sei noch kein angemessenes Problembewusstsein erkennbar. Der Antragsteller bewerte seinen früheren Umgang mit Alkohol auch rückblickend noch nicht hinreichend kritisch. Bis auf den Vorsatz, zukünftig den Konsum von Alkohol und das Fahren zu trennen, liege keine wesentliche Veränderung des Alkoholtrinkverhaltens beim Antragsteller vor. Die Gutachterin habe deshalb festgestellt, dass auch zukünftig eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für übermäßigen Alkoholkonsum mit nachteiligen Folgen für die Verkehrsteilnahme bestehe. Das Gutachten komme deshalb nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass zu erwarten sei, dass das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden könne und es hätten sich zudem Hinweise auf psycho-physische Beeinträchtigungen ergeben, die das sichere Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 und 2 infrage stellten, den aber aufgrund der Gesamtbefundlage nicht weiter nachgegangen wurde. Ein solches, der Fahrerlaubnisbehörde tatsächlich bekannt gewordenes negatives Fahreignungsgutachten stelle eine selbstständig verwertbare Tatsache dar, die zu beachten sei. Der Antragsteller sei sich einer seiner Alkoholproblematik selbst noch nicht ausreichend bewusst. Somit könne nicht von einer ausreichenden Verhaltensstabilisierung ausgegangen werden. Besondere Umstände, die eine andere Beurteilung nahelegten, seien nicht ersichtlich und seien auch nicht vorgebracht. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei deshalb geboten. Die Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins ergebe sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 FeV.
Die sofortige Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis sei dringend geboten, um die Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Straßenverkehr aufrechtzuerhalten, indem der Antragsteller mit absoluter Sicherheit daran gehindert werde, fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Der rechtstreue Verkehrsteilnehmer könne von der zuständigen Behörde erwarten, dass ungeeigneten Fahrern die Fahrerlaubnis entzogen werde, um andere Verkehrsteilnehmer wirksam zu schützen. Deshalb bestehe ein dringendes öffentliches Interesse daran, dass ein ungeeigneter Fahrerlaubnisinhaber nicht durch Ausschöpfung formeller Rechtspositionen bis zum Abschluss eines evt. Verwaltungsstreitverfahrens weiter im öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen könne. Die zuständige Behörde habe hier rasch und nachdrücklich zu handeln, um die Rechtsordnung zu wahren. Aus diesen Gründen habe das private Interesse des Antragstellers an einer weiteren Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr hinter den elementaren Sicherheitsbedürfnissen aller anderen Verkehrsteilnehmer zurückzustehen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei auch hinsichtlich der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheindokuments notwendig, da durch das weitere Vorliegen eines Führerscheindokuments bei Betroffenen der falsche Rechtsschein einer bestehenden Fahrerlaubnis erweckt werden könne. Die Androhung des Zwangsgeldes stützte sich auf Art. 29, 30,31 und 36 VwZVG. Auf den am 27. August 2020 zugestellten Bescheid wird im Übrigen verwiesen.
Am 4. September 2020 gab der Antragsteller seinen Führerschein beim Landratsamt ab.
2. Am 28. September 2020 ließ der Antragsteller Klage (W 6 K 20.1420) erheben, über die noch nicht entschieden ist, und im zugrundeliegenden Verfahren beantragen,
die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheides des Landratsamts Schweinfurt vom 25. August 2020 auszusetzen und die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Alkoholfahrt am 14. November 2009 mit 1,27 Promille hätte keine Berücksichtigung mehr finden dürfen, da die Tilgungsfrist von 10 Jahren nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 StVG bereits überschritten sei. Bezüglich der Fahrt am 14. Februar 2020 sei eine BAK von 0,57 Promille im Mittelwert festgestellt worden. Die Staatsanwaltschaft Schweinfurt habe das Ermittlungsverfahren wegen Straßenverkehrsgefährdung eingeleitet, jedoch nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und das Verfahren nach § 43 OWiG an die Verwaltungsbehörde abgegeben, weil nicht mit der für die Anklageerhebung notwendigen Wahrscheinlichkeit habe nachgewiesen werden können, dass das Unfallgeschehen infolge der Alkoholisierung des Antragstellers verursacht worden sei. Der Antragsteller habe somit zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens am 14. Februar 2020 gegen 14:54 Uhr nicht ordnungswidrig nach § 24a StVG gehandelt. Er habe zwar zum streitgegenständlichen Zeitpunkt im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug geführt, jedoch habe er nicht 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut gehabt. Da der Tatbestand des § 24a StVG nicht erfüllt gewesen sei, sei die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV unzulässig gewesen. Auch das vorliegende Gutachten sei mangelhaft, da es im Rahmen seiner Feststellungen davon ausgehe, dass der Kläger nicht gewusst habe, dass er fahruntüchtig gewesen sei. Der Antragsteller sei jedoch zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens nicht fahruntüchtig gewesen. Durch die sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung sei der Antragsteller in seiner beruflichen Tätigkeit erheblich eingeschränkt, da er zwingend auf seine Fahrerlaubnis angewiesen sei, um zu seiner Arbeitsstelle zu gelangen. Hier sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besonders zu beachten.
Das Landratsamt beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, dass das vorgelegte negative Gutachten der … T. Fahrzeug GmbH & Co. KG vom 4. August 2020 unabhängig davon zu beachten sei, ob die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens rechtmäßig gewesen sei. Die Verwertbarkeit eines der Fahrerlaubnisbehörde tatsächlich bekannt gewordenen negativen Fahreignungsgutachtens hänge nicht von der Rechtmäßigkeit der Beibringungsanordnung ab. Zum Zeitpunkt der Gutachtensaufforderung am 24. Juni 2020 sei darüber hinaus die Trunkenheitsfahrt vom 14. November 2009 noch nicht getilgt gewesen. Vorliegend beginne die 10-jährige Tilgungsfrist (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 StVG) erst mit der Neuerteilung der Fahrerlaubnis am 20. August 2020 zu laufen (§ 29 Abs. 5 Satz 1 StVG). Somit sei die Tat durch die Fahrerlaubnisbehörde bei der Entscheidung vom 24. Juni 2020 noch zu berücksichtigen gewesen. Auch habe der Antragsteller am 14. Februar 2020 ordnungswidrig gehandelt. Die festgestellte BAK habe 0,57 Promille betragen. Der Antragsteller habe somit ein Kraftfahrzeug mit einer Alkoholmenge im Körper, die zu einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 0,5 Promille geführt habe, geführt. Diese Ordnungswidrigkeit sei im Fahreignungsregister mit zwei Punkten eingetragen (Az.: …; Datum der Rechtskraft 30.4.2020) und sei deshalb ebenfalls durch die Fahrerlaubnisbehörde zu berücksichtigen. Folglich habe der Antragsteller wiederholt ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss geführt und die Anordnung vom 25. Juni 2020 sei rechtmäßig erfolgt. Im Rahmen der Untersuchungen hätten sich auch alkoholbedingte Leberveränderungen ergeben (Gamma-GT). Dieser Befund könne laut Gutachten als ein Hinweis auf einen gewohnheitsmäßigen Alkoholmissbrauch gewertet werden. Das Gutachten vom 4. August 2020 sei in sich schlüssig und nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller das Führen von Kraftfahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen könne. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei somit geboten gewesen. Die angeordnete Maßnahme sei auch verhältnismäßig. Im Interesse der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs erscheine es nicht vertretbar, die Fahrerlaubnis weiter zu belassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage (§ 88 VwGO) bzgl. Nr. 1 (Entziehung der Fahrerlaubnis) und Nr. 2 (Ablieferung des Führerscheins) des Bescheides vom 25. August 2020 ist zulässig, jedoch nicht begründet.
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis (Nr. 1 des Bescheides) sowie gegen die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins (Nr. 2 des Bescheides) entfällt im vorliegenden Fall, weil die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat (vgl. BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – ZfSch 2015, 717).
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind und trifft im Übrigen eine eigene Abwägungsentscheidung. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsaktes und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in ausreichendem Maße schriftlich begründet.
Eine summarische Prüfung, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO geboten, aber auch ausreichend ist, ergibt, dass die Klage des Antragstellers voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Unabhängig davon ist auch ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung zu erkennen.
2. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben sind, hat die Antragsgegnerin in ihrem Bescheid vom 25. August 2020, auf dessen Gründe Bezug genommen wird (§ 117 Abs. 5 VwGO analog), zutreffend begründet. Das Vorbringen des Antragstellers führt zu keiner anderen Beurteilung.
Nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV ist zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet, wer Alkohol missbräuchlich konsumiert. Dies ist dann der Fall, wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. Nach Beendigung des Missbrauchs ist die Fahreignung dann wiedergegeben, wenn die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist (Nr. 8.2 der Anlage 4 zur FeV).
2.1 Aus dem verwertbaren Gutachten der … T. Fahrzeug GmbH & Co. KG vom 4. August 2020 ergibt sich überzeugend und nachvollziehbar, dass zu erwarten ist, dass der Antragsteller auch künftig das Führen von Kraftfahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann und er mithin als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist.
Das der Fahrerlaubnisbehörde vorgelegte Gutachten vom 4. August 2020, auf das das Landratsamt seine Überzeugung von der Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen maßgeblich stützt, stellt eine neue Tatsache mit selbständiger Bedeutung dar, dessen Verwertbarkeit nicht von der Rechtmäßigkeit der behördlichen Anordnung abhängt (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.1996 – 11 B 14.96 – Buchholz 442.16 § 15b StVZO Nr. 26; U.v. 28.4.2010 – 3 C 20.09 – Buchholz 442.10 § 3 StVG Nr. 7; BayVGH, B.v. 7.7.2015 – 11 ZB 15.609 – juris; B.v. 11.6.2014 – 11 CS 14.532 – juris). Eine andere Sicht wäre nur dann geboten, wenn sich Fehler in der Begutachtungsanordnung auch im Gutachten niederschlagen würden und dessen Ergebnis maßgeblich beeinflusst hätten. Dies kann vorliegend jedoch nicht festgestellt werden. Auch die Anordnung des Landratsamts vom 24. Juni 2020 (zugestellt am 30.6.2020), ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV i. V. m. Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV beizubringen, lässt keine Fehler erkennen.
2.1.1 Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV ist die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zwingend anzuordnen, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden. Mindestens zweimalige Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss erfüllen diese Voraussetzung; dies gilt auch im Fall der Begehung von Ordnungswidrigkeiten (Henschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 13 FeV Rn. 22).
Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller am 14. November 2009 mit einer BAK von 1,27 Promille (geahndet als Straftat) und am 14. Februar 2020 mit einer BAK von 0,57 Promille im Mittelwert (geahndet als Ordnungswidrigkeit) jeweils ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt. Von wiederholten Zuwiderhandlungen im Sinne des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV ist somit auszugehen.
Zu Unrecht geht der Antragsteller davon aus, dass er am 14. Februar 2020 keine Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG verwirklicht hat, da nicht eine BAK 0,5 Promille oder mehr nachgewiesen sei. Dies ist vorliegend jedoch der Fall.
Nach § 24a Abs. 1 StVG handelt ordnungswidrig, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt. Mit seinem Einwand stellt der Antragsteller vermutlich auf den am Unfallort um 15:19 Uhr von der Polizei durchgeführten Atemalkoholtest ab, der eine Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,23 mg/l ergab. Allerdings ergab die um 15:52 Uhr entnommene Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,57 Promille im Mittelwert. Aus dem polizeilichen Abschlussbericht vom 16. März 2020 (S. 4) ergibt sich, dass der Antragsteller nach dem Verkehrsunfall keine weiteren alkoholischen Getränke mehr konsumiert hat und ein Nachtrunk entsprechend ausgeschlossen werden konnte. Somit musste der Antragsteller die Alkoholmenge, die zu der in der Blutprobe festgestellten BAK von 0,57 Promille im Mittelwert führte, bereits im Körper aufgenommen haben. Der Tatbestand des § 24a StVG ist damit erfüllt. Dem steht auch nicht entgegen, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Straßenverkehrsgefährdung (§ 315c StGB) durch Beschluss der Staatsanwaltschaft Schweinfurt vom 23. März 2020 im Hinblick auf die speziellen Tatbestandsvoraussetzungen eingestellt wurde.
2.1.2 Die beiden Alkoholfahrten, die der Begutachtungsanordnung und auch der Begutachtung selbst zugrunde gelegt wurden, waren im maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtensanordnung (Zustellung am 30.6.2020) auch noch verwertbar, da die maßgeblichen Tilgungs- und Verwertungsbestimmungen noch nicht abgelaufen waren.
Nach Maßgabe der einschlägigen Tilgungs- und Verwertungsbestimmungen war die gemäß § 24a Abs. 1 StVG geahndete Trunkenheitsfahrt vom 14. Februar 2020 (Tilgungsfrist 5 Jahre ab Rechtskraft, § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b, Abs. 4 Nr. 3 StVG) verwertbar. Insbesondere war auch die bereits über zehn Jahre zurückliegende Alkoholfahrt vom 14. November 2009 noch verwertbar, da die einschlägige Tilgungsfrist im maßgeblichen Zeitpunkt der Begutachtungsanordnung noch nicht abgelaufen war und diese Alkoholfahrt somit der Begutachtung noch zugrunde gelegt werden konnte.
Für die Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihres Erlasses (Zustellung am 30.6.2020) entscheidend (vgl. BVerwG, B.v. 21.5.2012 – 3 B 65/11 – juris Rn. 7). Daher sind in Bezug auf die Zuwiderhandlung vom 14. November 2009 die Tilgungsbestimmungen des § 29 StVG in der ab 1. Mai 2014 gültigen Fassung anwendbar. Denn seit dem Stichtag des 1. Mai 2019 sind nach der Übergangsvorschrift des § 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 4 StVG auch auf „alte Eintragungen“, die vor der Novellierung des § 29 StVG zum 30. April 2014 bereits im Verkehrszentralregister eingetragen waren, nunmehr die Bestimmungen in der seit 1. Mai 2014 geltenden Fassung des § 29 StVG anwendbar.
Nach § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. a StVG beträgt die Tilgungsfrist für die strafrechtlich gemäß §§ 316, 69, 69a StGB geahndete Trunkenheitsfahrt aus dem Jahr 2009 zehn Jahre. Da dem Antragsteller wegen dieser Fahrt mit Urteil des Jugendrichters des Amtsgerichts Schweinfurt vom 22. Februar 2010 (rechtskräftig mit gleichem Tag) gemäß § 69 StGB die Fahrerlaubnis wegen durch die Tat erwiesener Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen entzogen wurde, besteht nach § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG eine Anlaufhemmung für den Beginn der Tilgungsfrist. Die Frist beginnt danach im Falle des Fahrerlaubnisentzuges wegen Nichteignung erst nach Wiedererteilung der Fahrerlaubnis bzw. spätestens fünf Jahre nach Rechtkraft der beschwerenden Entscheidung zu laufen. Im vorliegenden Fall wurde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis erst am 23. August 2010 wiedererteilt. Daher begann die 10-jährige Tilgungsfrist erst am 23. August 2010 (Tag der Neuerteilung der Fahrerlaubnis/Aushändigung) zu laufen und endete somit erst am 23. August 2020. Die Tilgungsfrist war damit zum Zeitpunkt der Anordnung des medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 24. Juni 2020 (zugestellt am 30.6. 2020) noch nicht abgelaufen. Auch im Übrigen begegnet die Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtes vom 24. Juni 2020 keinen rechtlichen Bedenken; die formellen und materiellen Voraussetzungen des § 11 Abs. 6 und 8 FeV wurden eingehalten.
2.2 Das vorgelegte Gutachten der … T. Fahrzeug GmbH & Co. KG vom 4. August 2020 (Untersuchungstag am 21.7.2020) ist nicht zu beanstanden und belegt ausführlich, dass der Antragsteller aktuell nicht geeignet ist, am Straßenverkehr teilzunehmen, weil zu erwarten ist, dass das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können.
Das Gutachten stammt von wissenschaftlichen Spezialisten einer eigens für solche Begutachtungen geschaffene Untersuchungsstelle und beruht auf dem laufenden Stand der wissenschaftlichen Untersuchungs- und Erkenntnismethoden. Für eine Voreingenommenheit oder für Emotionen seitens des Gutachters bei der Beurteilung des Falles fehlt jeder Anhaltspunkt. Das Gutachten ist auch in sich frei von Widersprüchen; es legt umfänglich dar, auf welchen Grundlagen es beruht und welche Überlegungen zur Beurteilung des Antragstellers geführt haben. Das Beweisergebnis der Begutachtung lässt sich demnach auf seine Richtigkeit hin überprüfen. Dem Gutachten lässt sich entnehmen, welche Feststellungen der Gutachter aufgrund der Untersuchung des Antragstellers getroffen hat. Es ist erforderlich, aber auch ausreichend, wenn das Gutachten die wesentlichen Grundlagen, Anknüpfungstatsachen und Schlussfolgerungen nachprüfbar darlegt.
Das Gutachten beachtet die ab 1. Mai 2014 geltenden Grundsätze für die Durchführung der Untersuchung und Erstellung der Gutachten gemäß der Anlage 4a zur FeV. Der Gutachter hat sich demgemäß insbesondere an die vorgegebene und zutreffende Fragestellung gehalten. Gegenstand der Untersuchung war auch das voraussichtliche künftige Verhalten des Antragstellers. Bei Alkoholmissbrauch muss sich die Untersuchung insbesondere darauf erstrecken, ob der Betroffene den Konsum von Alkohol einerseits und das Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr andererseits zuverlässig voneinander trennen kann. Dem Betroffenen kann die Fahrerlaubnis nur dann belassen bleiben, wenn sich bei ihm ein grundlegender Wandel in seiner Einstellung zum Führen von Kraftfahrzeugen unter Einfluss von Alkohol vollzogen hat. Es müssen zum Beurteilungszeitpunkt Bedingungen vorhanden sein, die einen Rückfall als unwahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. Nr. 1 Buchstabe f der Anlage 4a zur FeV). Ein Gutachten muss weiter in allgemein verständlicher Sprache abgefasst sowie nachvollziehbar und nachprüfbar und schlüssig sein und die wesentlichen Befunde und die zur Beurteilung führenden Schlussfolgerungen wiedergeben. Das Gutachten braucht aber nicht im Einzelnen die wissenschaftlichen Grundlagen für die Erhebung und die Interpretation der Befunde wiederzugeben. Der Umfang eines Gutachtens richtet sich nach der Befundlage. Bei eindeutiger Befundlage wird das Gutachten knapper, bei komplizierter Befundlage ausführlicher erstattet (Nr. 2 der Anlage 4a zur FeV).
Diesen Anforderungen wird das vorliegende Gutachten gerecht. Es leidet nicht an durchgreifenden formellen oder materiellen Mängeln. Nachvollziehbar und schlüssig kommt das Gutachten auf der Basis der Aktenlage sowie der Angaben des Antragstellers zu dem Schluss, dass derzeit keine positive Prognose möglich ist (vgl. BayVGH, B.v. 26.8.2015 – 11 CS 15.1635 – juris).
2.3 Das Vorbringen des Antragstellers vermag das Gutachten nicht zu erschüttern. Nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, die auch der Begutachtung zugrunde gelegt wurden, kann im Falle von Alkoholmissbrauch die Fahreignung nur dann bejaht werden, wenn dafür bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (siehe Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Mensch und Sicherheit, Heft M 115, Stand: 31.12.2019, Kapitel 3.13.1, S. 47 f.). Danach können bei Alkoholmissbrauch i. S. d. Nr. 8.1 der Anlage 4 zu FeV die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen u. a. nur dann angenommen werden, d.h. es muss nicht mehr mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit mit einer Fahrt unter Alkoholeinfluss gerechnet werden, wenn das Alkoholtrinkverhalten stabil geändert ist, wovon dann ausgegangen werden kann, wenn Alkohol nur noch kontrolliert getrunken wird, so dass das Trinken und das Fahren zuverlässig getrennt werden können, oder wenn ggf. eine Alkoholabstinenz zuverlässig eingehalten wird. Die vollzogene Änderung im Umgang mit Alkohol muss zudem vor allem stabil und motivational gefestigt sein. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn die Änderung aus einem angemessenen Problembewusstsein heraus erfolgt; das bedeutet, dass ein angemessenes Wissen zum Bereich des Alkoholtrinkens und Fahrens nachgewiesen werden muss, wenn das Änderungsziel kontrollierter Alkoholkonsum ist. Die Änderung ist nach genügend langer Erprobung und Erfahrungsbildung (in der Regel ein Jahr, mindestens jedoch sechs Monate) bereits in das Gesamtverhalten integriert, die mit der Verhaltensänderung erzielten Wirkungen werden positiv erlebt, der Änderungsprozess kann nachvollziehbar aufgezeigt werden, eine den Alkohol eventuell bedingende Persönlichkeitsproblematik wurde erkannt und entscheidend korrigiert und neben den inneren stehen auch die äußeren Bedingungen einer Stabilisierung des geänderten Verhaltens nicht entgegenstehen (vgl. auch BayVGH, B.v. 20.10.2016 – 11 CS 16.1826 – juris; B.v. 10.3.2015 – 11 CS 15.290 – juris; B.v. 26.11.2014 – 11 CS 14.1895 – juris).
Diese Voraussetzungen lagen ausweislich des Gutachtens vom 4. August 2020 zum Zeitpunkt der Begutachtung (21.7.2020) nicht vor. Die Gutachter kommen im Rahmen der psychologischen Befundbewertung anhand der Angaben des Antragstellers nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass beim diesem – bis auf den geäußerten Vorsatz, zukünftig den Konsum von Alkohol und das Fahren zu trennen – keine wesentliche Änderung des Alkoholtrinkverhaltens vorliegt. Nachvollziehbar ist auch die Feststellung, dass der Antragsteller sich der Notwendigkeit einer bewussten Planung des Alkoholkonsums, um eine zukünftige Verkehrsteilnahme unter Alkoholeinfluss zu vermeiden, noch nicht ausreichend bewusst ist und sich sein Alkoholkonsum in Trinksituationen an der eigenen Befindlichkeit bzw. am Stimmungsverlauf und nicht an den zuvor gefassten Vorsätzen orientiert. Nachvollziehbar ist auch, dass beim Antragsteller noch kein angemessenes Problembewusstsein erkennbar ist und er seinen früheren Umgang mit Alkohol auch rückblickend nicht hinreichend als kritisch bewertet. Die wiedergegebenen Gesprächspassagen machen diese Bewertungen nachvollziehbar. Der Einwand des Antragstellers, er habe sich bei der Fahrt am 14. Februar 2020 fahrtüchtig gefühlt, kann diese Bewertungen nicht entkräften, zumal der Antragsteller angab, an diesem Tag bis kurz vor 15:00 Uhr zwei Bier à 0,5 l konsumiert zu haben, die dann zu der festgestellten BAK von 0,57 Promille führten. Dass sich der Antragsteller hierdurch in seiner Fahreignung nicht beeinträchtigt fühlte, zeigt nicht nur seine Gewöhnung an sondern auch seinen unkritischen Umgang mit Alkohol trotz des bereits in der Vergangenheit erfolgten Entzugs der Fahrerlaubnis wegen einer Alkoholfahrt im Jahr 2009 auf. Nachvollziehbar und plausibel ist deshalb auch die abschließende Bewertung der Gutachter, dass insbesondere zu erwarten sei, dass das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann.
Da auch nichts dafürspricht, dass der Antragsteller bis zum Erlass des Entzugsbescheides vom 25. August 2020 (zugestellt am 27.8.2010) seine Fahreignung wiedererlangt haben könnte (siehe Nr. 8.2 der Anlage 4 zur FeV), wurde dem Antragsteller mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Recht die Fahrerlaubnis wegen erwiesener Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen entzogen. Auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann nicht festgestellt werden. Bei fehlender Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sieht § 46 Abs. 1 FeV den Entzug der Fahrerlaubnis zwingend vor, denn bei erwiesener Ungeeignetheit ist eine Beschränkung des Führens von Fahrzeugen oder die Anordnung von Auflagen nicht ausreichend, um den Verkehr in hinreichendem Maße vor Gefahren zu schützen.
2.4 Auch die weitere Anordnung unter Nr. 2 des Bescheides vom 25. August 2020 (Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins) lässt keine Fehler erkennen. Insoweit wird auf die Ausführungen im Bescheid Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO analog).
3. Auch bei Abwägung der öffentlichen Interessen an der sofortigen Vollziehbarkeit der Fahrerlaubnisentziehung und den privaten Interessen des Antragstellers am vorläufigen Behaltendürfen seiner Fahrerlaubnis, ist die sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung im überwiegenden öffentlichen Interesse gerechtfertigt. Vorliegend ist es nicht verantwortbar, den Antragsteller – der schon wiederholt unter Alkoholeinfluss am Straßenverkehr teilgenommen hat und dem gutachterlich ausdrücklich eine ungünstige Prognose bescheinigt ist – bis zur eventuellen Bestandskraft der Fahrerlaubnisentziehung am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen. Es besteht nämlich ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit, vor Kraftfahrern geschützt zu werden, die ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sind. Die damit für den Antragsteller verbundenen Nachteile sind weniger gewichtig. Persönliche Härten können beim Entzug der Fahrerlaubnis, der als sicherheitsrechtliche Maßnahme im Interesse der Allgemeinheit ergeht, nicht berücksichtigt werden. Auch wenn die Fahrerlaubnisentziehung gravierende Folgen sowohl beruflicher als auch privater Art für den Antragsteller hat, gebietet es die Sicherheit des Straßenverkehrs, am Sofortvollzug festzuhalten (vgl. etwa BayVGH, B.v. 27.3.2017 – 11 CS 17.420 – juris; B.v. 27.9.2013 – 11 CS 13.1399 – juris; OVG Berlin-Bbg, B.v. 17.7.2015 – OVG 1 S 91.14 – Blutalkohol 52, 349 [2015]). Es ist dem Antragsteller selbst anzulasten und nicht der Fahrerlaubnisbehörde, wenn er (wiederholt) trotz Alkoholkonsums am Straßenverkehr teilgenommen und dadurch seine Kraftfahreignung verloren hat. Eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch eine über das durchschnittliche Maß hinausgehende Unfallwahrscheinlichkeit muss in jedem Fall ausgeschlossen werden können. Das Gutachten der … T. Fahrzeug GmbH & Co. KG vom 4. August 2020 stellt fest, dass derzeit noch zu erwarten ist, dass der Antragsteller auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird; somit ist eine erhöhte Gefährdung des Verkehrs ausdrücklich zu bejahen.
Der Antrag konnte daher keinen Erfolg haben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
5. Die Streitwertfestsetzung resultiert aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG i. V. m. den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Für den Streitwert relevant, da sie die anderen Fahrerlaubnisklassen mit abdecken (vgl. § 6 Abs. 3 FeV), sind vorliegend die Klassen B und CE. Nach Nr. 46.3 und Nr. 46.4 des Streitwertkatalogs sind somit der Auffangwert (5.000,00 EUR) und 1 ½ Auffangstreitwert (7.500,00 EUR) anzusetzen. Nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs war der volle Streitwert im Sofortverfahren zu halbieren, so dass letztlich 6.250,00 EUR festzusetzen waren.


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