Strafrecht

Gutachtensanforderung bei Alkohol und Depressionen

Aktenzeichen  M 26 S 18.5538

Datum:
19.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 4545
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 8, § 46 Abs. 1, Abs. 3

 

Leitsatz

1 Die verwaltungsbehördliche Entziehung der Fahrerlaubnis verfolgt keine strafrechtlichen Zwecke, sondern dient allein sicherheitsrechtlichen Aspekten, bleibt also neben strafrechtlicher Ahndung (hier: Cannabiskonsum) möglich. (redaktioneller Leitsatz)
2 Attestiert ein Klinikbericht die Diagnosen „schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome“, „Alkoholentzugssyndrom“ und „schädlicher Gebrauch von Alkohol“, ist die Anforderung einer Begutachtung nicht zu beanstanden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen
III. Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, C1, C1E, L und M.
Am … März 2017 wurde der Antragsteller durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Starnberg wegen vorsätzlichen unerlaubten Anbaus von Betäubungsmitteln und unerlaubtem Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe verurteilt. Daraufhin forderte ihn der Antragsgegner zur Vorlage eines fachärztlichen Gutachtens zur Frage seines Cannabiskonsums auf.
Das vom Antragsteller vorgelegte Gutachten der A … vom … Oktober 2017 kam zu dem Ergebnis, dass der Cannabiskonsum des Antragstellers regel- und gewohnheitsmäßig sei. Der Antragsteller habe glaubhaft angegeben, dass er seit August 2016 keine Drogen mehr konsumiere. Anzeichen für einen aktuellen Drogenkonsum fehlten. Im Gutachten fand ein Arztbrief des Klinikums A … vom … Oktober 2016 als Fremdbefund Erwähnung, wonach sich der Antragsteller vom … bis zum … August 2016 auf eigenen Wunsch einer Behandlung in der Klinik unterzogen habe. Bei ihm wurden nach ICD-10 eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, ein Alkoholentzugssyndrom, schädlicher Gebrauch von Alkohol sowie schädlicher Gebrauch von Cannabis diagnostiziert. Diesen Brief legte der Antragsteller dem Antragsgegner auf dessen Bitte hin vor.
Der Antragsteller legte auch ein ärztliches Attest seines Hausarztes vom … November 2017 vor, wonach er wegen Depression das Medikament Quetiapin 250 mg am Abend einnehme.
Mit Gutachtensanordnung vom … Juli 2018 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, bis zum 12. Oktober 2018 ein fachärztliches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung über seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zur Feststellung von Art und Umfang möglicher gesundheitlicher Einschränkungen vorzulegen und hierzu bis zum 17. August 2018 mitzuteilen, welche Begutachtungsstelle gewählt werde.
Die Gutachtensanordnung enthielt bezüglich einer möglichen Alkoholerkrankung des Antragstellers die Fragestellung:
„1. Lässt sich die aus aktenkundigen Tatsachen begründete Annahme einer Alkoholabhängigkeit bei dem Untersuchten zum aktuellen Zeitpunkt bestätigen?
2. Wenn ja, welche 3 Kriterien nach ICD-10 sind im vorliegenden Einzelfall erfüllt, die die Annahme einer Alkoholabhängigkeit bestätigen?
3. Falls Abhängigkeit festgestellt wurde: Fand eine erfolgreiche Entwöhnung statt?
Nach erfolgreicher Entwöhnung:
4. Liegt ein nachgewiesener Abstinenzzeitraum für die zurückliegenden 12 Monate vor?“
Hinsichtlich der möglichen Depressionserkrankung lautete die Fragestellung:
„5. Liegt bei dem Untersuchten eine Erkrankung vor, die nach Nr. 7.5 der Anlage 4 FeV die Fahreignung in Frage stellt? Wenn ja: Ist der Untersuchte (wieder) in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 und 2 (FE-Klassen: B, BE, C1, C1E, L, M) vollständig gerecht zu werden?
6. Liegt eine ausreichende Adhärenz (Compliance; z.B. Krankheitseinsicht, regelmäßige/überwachte Medikamenteneinnahme [Hinweise auf – ggf. selbstindizierte – Unter- oder Überdosierung] usw.) vor?
7. Sind Beschränkungen und/oder Auflagen erforderlich, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeuges der Gruppe 1 und 2 (FE-Klassen: B, BE, C1, C1E, L, M) weiterhin gerecht zu werden?
8. Ist bzw. sind insbesondere (eine) fachlich einzelfallbegründete Auflage(n) nach Anlage 4 (z.B. ärztliche Kontrollen) erforderlich? In welchem zeitlichen Abstand und wie lange? Was soll regelmäßig kontrolliert und attestiert werden? Sind die Ergebnisse der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen; Wenn ja, warum?
9. Ist eine fachlich einzelfallbegründete (je Fahrerlaubnisklassengruppe) Nachuntersuchung i.S. einer erneuten [Nach-]Begutachtung erforderlich? In welchem zeitlichen Abstand?“
Nachdem der Antragsteller das Gutachten nicht vorlegte, entzog der Antragsgegner dem Antragsteller nach Anhörungsschreiben mit Bescheid vom 11. Oktober 2018, zugestellt am 12. Oktober 2018, die Fahrerlaubnis aller Klassen und ordnete unter Androhung eines Zwangsgeldes die Herausgabe des Führerscheins an. Die sofortige Vollziehung der Entziehung und der Herausgabepflicht wurde angeordnet.
Zur Begründung wurde ausgeführt, aus dem Arztbrief vom … Oktober 2016 hätten sich Anhaltspunkte für die Fahrungeeignetheit des Antragstellers ergeben sowohl was eine Alkoholabhängigkeit als auch eine Depression angehe. Es läge beim Antragsteller eventuell eine Koppelung von Alkoholproblematik und Depressionssymptomatik vor.
Wegen der Weigerung des Antragstellers, sich begutachten zu lassen, welche schon aus der fehlenden Benennung der Begutachtungsstelle folge, dürfe der Antragsgegner auf dessen Ungeeignetheit schließen.
Mit Schriftsatz vom … November 2018, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am selben Tag, ließ der Antragsteller Anfechtungsklage erheben und beantragt im vorliegenden Verfahren,
die aufschiebende Wirkung der gleichzeitig erhobenen Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 11. Oktober 2018 anzuordnen.
Zur Begründung wurde vorgetragen, die Entziehung der Fahrerlaubnis sei nichtig, da offensichtlich die Voraussetzungen für den Entzug nicht vorlägen. Der Antragsteller trinke niemals Alkohol im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr. Das …Gutachten sei nicht schlüssig und unterstelle grundlos Diagnosen. Das Amtsgericht Starnberg habe vom Entzug der Fahrerlaubnis abgesehen, obwohl der gelegentliche Konsum von Cannabis vom Antragsteller eingeräumt worden sei. Die Entziehung sei eine unzulässige Doppelbestrafung.
Die Antragsgegnerin legte die Akten vor und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten und zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte, auch im Klageverfahren …, und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg, weil er unbegründet ist.
Der Antrag ist nach §§ 122 Abs. 1, 88 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – dahingehend auszulegen, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Regelungen in Nummern 1. und 2. des streitgegenständlichen Bescheids wiederhergestellt werden und hinsichtlich der bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbaren, Art. 21a des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes – BayVwZVG – Zwangsgeldandrohung in Nummer 3. des Bescheids angeordnet werden soll.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Fahrerlaubnisentzugs genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Der Antragsgegner hat unter Beachtung der Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Fahrerlaubnisentzugs und der Führerscheinabgabe schriftlich auf Seiten 5 und 6 des Bescheids ausführlich begründet.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Falle des § 80 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Falle der Nr. 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Bei der Entscheidung über den Antrag hat das Gericht eine eigenständige Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen, wobei es in erster Linie auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abstellt, soweit diese überschaubar sind.
Nach diesen Grundsätzen ist die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Abgabeverpflichtung hinsichtlich des Führerscheins vorliegend nicht wiederherzustellen, weil der streitgegenständliche Bescheid insoweit voraussichtlich rechtmäßig ist und den Antragsteller daher nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entziehung der Fahrerlaubnis ist die die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier also der Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides vom 11. Oktober 2018 am 12. Oktober 2018.
1. Der Antragsgegner durfte aus der Nichtbeibringung des vom Antragsteller zu Recht geforderten Gutachtens gemäß §§ 46 Abs. 3, 11 Abs. 8 Fahrerlaubnisverordnung – FeV – auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen.
1.1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Das gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV). Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet oder nur bedingt geeignet ist, so finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechende Anwendung. Die Fahrerlaubnisbehörde hat dann unter den dort genannten Voraussetzungen weitere Aufklärung, insbesondere durch die Anordnung der Vorlage ärztlicher oder medizinisch-psychologischer Gutachten, zu betreiben (§ 3 Abs. 1 Satz 3 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Bei Eignungszweifeln aufgrund einer Alkoholproblematik hat die Fahrerlaubnisbehörde, ohne dass ihr insoweit Ermessen zustünde, die Beibringung eines ärztliches Gutachtens anzuordnen, wenn Tatsachen die Annahme von Alkoholabhängigkeit begründen, § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Ein Schluss auf die Nichteignung ist jedoch nur zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.6.2005 – 3 C 25.04 – NJW 2005, 3081).
An die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung sind dabei grundsätzlich strenge Maßstäbe anzulegen, weil der Antragsteller sie mangels Verwaltungsaktqualität nicht unmittelbar anfechten kann. Er trägt das Risiko, dass ihm gegebenenfalls die Fahrerlaubnis bei einer Weigerung oder Nichtbeibringung entzogen wird. Der Gutachter ist an die Gutachtensanordnung und die dort formulierte Fragestellung gebunden (§ 11 Abs. 5 i.V.m. Nr. 1 Buchst. a Satz 2 der Anlage 4a zur FeV). Es ist gemäß § 11 Abs. 6 FeV Aufgabe der Fahrerlaubnisbehörde, die Beurteilungsgrundlage und den Beurteilungsrahmen selbst klar festzulegen.
1.2. Gemessen an diesen Maßstäben begegnet die Gutachtensaufforderung des Antragsgegners vom 27. Juli 2018, wonach der Antragsteller zur Abklärung seiner Alkoholabhängigkeit und seiner Depressionserkrankung ein fachärztliches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung beizubringen hatte, keinen rechtlichen Bedenken.
Sie genügt den formellen Voraussetzungen des § 11 Abs. 6 FeV. Die Fahrerlaubnisbehörde hat dem Antragsteller im Aufforderungsschreiben vom 27. Juli 2018 unter Nennung der zutreffenden Rechtsgrundlagen des § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV i.V.m. Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV (bezüglich der Alkoholabhängigkeit) und des § 11 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 Nr. 5 FeV i.V.m. Nr. 7.5 der FeV (bezüglich der Depressionserkrankung) die Gründe dargelegt, weshalb sie an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zweifelt. Insbesondere wird trotz der Erwähnung der strafrechtlichen Verurteilung und des …Gutachtens hinreichend deutlich, dass es nicht (mehr) um den Cannabiskonsum des Antragstellers geht. Sie ist auch den übrigen gesetzlichen Informationspflichten des § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV nachgekommen, indem sie den Antragsteller u.a. darüber informiert hat, welche Stellen in München und Umgebung die Untersuchung vornehmen, und dass er sich bis zum 12. Oktober 2018 auf seine Kosten der Untersuchung unterziehen und das Gutachten vorzulegen hat.
Die Gutachtensaufforderung war auch materiell rechtmäßig. Sie war anlassbezogen und verhältnismäßig. Aus dem Bericht des Klinikums B … vom … Oktober 2016 ergab sich für den Antragsgegner hinreichender Anlass, an der körperlichen und geistigen Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen zu zweifeln, weil dieser die insoweit relevanten Diagnosen „schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome“, „Alkoholentzugssyndrom“, „schädlicher Gebrauch von Alkohol“ (neben der insoweit nicht relevanten Diagnose „schädlicher Gebrauch von Cannabis“) enthielt. Diese Diagnosen wurden jeweils aufgrund eingehender fachärztlicher Untersuchungen des Antragstellers, der sich zu diesem Zweck vom … bis … August 2016 in der Klinik befand, gestellt und sind jeweils nachvollziehbar begründet.
Die Diagnose eines „Alkoholentzugssyndroms“ und „schädlicher Gebrauch von Alkohol“ begründen objektive Zweifel an der Fahreignung, weil Alkoholanhängigkeit im Sinne der Ziffer 8.3 der Anl. 4 zur FeV die Fahreignung ausschließt. Die Diagnose einer „schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome“ begründet ebenfalls objektive Zweifel an der Fahreignung, weil laut Ziffer 7.5.1 der Anl. 4 zur FeV bei sehr schweren Depressionen für beide Fahrerlaubnisgruppen keine Fahreignung gegeben ist.
Die Gutachtensaufforderung war auch verhältnismäßig, weil sie geeignet, erforderlich und in der Abwägung mit der durch die ärztliche Untersuchung gegebenen Rechtsbeeinträchtigung des Antragstellers angemessen war, den Zweifeln an der Fahreignung des Antragstellers nachzugehen und diese entweder auszuräumen oder zu bestätigen. Die gesetzte Frist bis zum 12. Oktober 2018 war noch ausreichend bemessen und die Auswahl des Gutachtens eines Arztes in einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung nach § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV unter den verschiedenen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten war ebenfalls sachgerecht.
Die Fahrerlaubnisbehörde hat zutreffend erkannt, dass ihr bei der Anordnung eines fachärztlichen Gutachtens nur bezüglich der Depressionsproblematik Ermessen zustand und hat dieses rechtsfehlerfrei ausgeübt. Insbesondere ist die Überlegung der Fahrerlaubnisbehörde sachgerecht, die Depressionserkrankung könne mit der Alkoholproblematik zusammenhängen und müsse deshalb auch in der Zusammenschau mit dieser begutachtet werden.
Schließlich ist es auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner nach Vorlage des …Gutachtens mit einer neuen Gutachtensanordnung die neu bekanntgewordenen Zweifel bezüglich der gesundheitlichen Eignung des Antragstellers aufklären wollte. Denn diese Aufklärungsmaßnahme stellt im Vergleich zur Weiteraufklärung der Drogenfreiheit des Antragstellers durch die Forderung eines einjährigen Abstinenznachweises (vgl. Ziffer 9.5 der Anl. 4 zur FeV) wenigstens keinen schwereren Eingriff dar.
Die konkreten Fragestellungen an den Gutachter begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Sie sind klar und eindeutig formuliert, beziehen sich auf die vorliegend diagnostizierten Beeinträchtigungen und halten sich jeweils in dem dadurch gesteckten Rahmen. Die Fragestellungen zur Depression zielen insbesondere durch die Fragen nach etwaig erforderlichen Nachuntersuchungen darauf ab, den weiteren Verlauf der Erkrankungen zu klären, was sinnvoll und notwendig ist, weil die Fahreignung sowohl bei Alkoholabhängigkeit als auch bei der Depression vom erfolgreichen Verlauf der Behandlung der Erkrankung, etwa auch vom Anschlagen einer medikamentösen Therapie abhängig ist. Die Frage nach möglichen Auflagen und Beschränkungen (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 2 StVG) zielt auf eine umfassende Klärung der Eignung des Antragstellers unter dem Gesichtspunkt der Depressionserkrankung und kann der Fahrerlaubnisbehörde helfen, gegebenenfalls zu einer weniger belastenden und damit verhältnismäßigen Entscheidung zu kommen.
Da der Antragsteller der hiernach rechtmäßigen Aufforderung zur Beibringung eines fachärztlichen Gutachtens keine Folge leistete, konnte der Antragsgegner nach § 11 Abs. 8 FeV zurecht auf die Nichteignung des Antragstellers schließen, da es an jeglichen Anhaltspunkten dafür fehlte, dass der Antragsteller das Gutachten – etwa aus finanziellen Gründen – unter keinen Umständen beibringen konnte. Dabei begegnet keinen Bedenken, dass die Fahrerlaubnisbehörde den Entziehungsbescheid bereits am 11. Oktober 2018 und damit einen Tag vor Fristablauf erließ, da es zu diesem Zeitpunkt bereits feststand, dass der Antragssteller das Gurtachten nicht beibringen würde.
1.3. Das Vorbringen des Antragstellers führt zu keiner anderen Beurteilung.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegt in der Entziehung der Fahrerlaubnis keine Doppelbestrafung des Antragstellers. Der Strafbefehl des Amtsgerichts Starnberg vom … März 2017 bezieht sich auf den Besitz von Cannabis und beschränkt sich auf dessen Ahndung mit den Mitteln des Strafrechts. Vorliegend geht es dagegen erstens nicht mehr um das Fehlverhalten des Antragstellers im Zusammenhang mit Cannabis, sondern um mögliche Erkrankungen wegen Depression und Alkoholabhängigkeit. Zweitens hat die Entziehung der Fahrerlaubnis sicherheitsrechtliche Gesichtspunkte im Auge, insbesondere die Sicherheit des Straßenverkehrs und den Schutz der Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer, allen voran Leben, Gesundheit und Eigentum. Die verwaltungsbehördliche Entziehung der Fahrerlaubnis verfolgt also in keiner Weise strafrechtliche Zwecke, sondern dient allein den beschriebenen sicherheitsrechtlichen Aspekten. Daran ändert es nichts, dass von den Betroffenen das Vorgehen der Fahrerlaubnisbehörde häufig als weitere Strafmaßnahme gegen sie nach bereits erfolgter strafrechtlicher Ahndung eines bestimmten Vorfalls empfunden wird, weil zweifellos die Entziehung der Fahrerlaubnis oder das Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen, einen erheblichen Eingriff in die Lebensgestaltung der Betroffenen darstellt, die über die bloße Einschränkung der Mobilität hinaus massive Folgen bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes, wie er auch hier geltend gemacht wird, haben kann. Angesichts des hohen Ranges jener Rechtsgüter, die zu schützen das Ziel fahrerlaubnisrechtlicher Maßnahmen ist, müssen jedoch regelmäßig persönliche Interessen des Betroffenen zurückstehen. So liegen die Dinge auch im vorliegenden Fall, zumal der Antragsteller nicht näher ausgeführt hat, inwiefern er dringend beruflich auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist.
2. Die in Nr. 2 des Bescheids vom 11. Oktober 2018 enthaltene Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins sowie die in Nr. 3 ausgesprochene Zwangsgeldandrohung sind – wie vom Antragsgegner zutreffend im Bescheid erläutert – vor diesem Hintergrund ebenfalls rechtmäßig. Auch die Kostenerhebung in Nr. 5 des Bescheids begegnet keinen Bedenken.
3. Weil nach alledem die Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, überwiegt das öffentliche Interesse am Vollzug des verfahrensgegenständlichen Bescheids. Gründe, die ausnahmsweise trotz der mangelnden Erfolgsaussichten der Hauptsache für eine Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sprechen würden, sind nicht ersichtlich.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i.V.m. den Empfehlungen in den Nrn. 1.5, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand November 2013).


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