Strafrecht

Hauptverhandlung, Revision, Verletzung, Angeklagte, Nachbar, Generalstaatsanwaltschaft, Staatsanwaltschaft, Abfall, Angeklagten, Einspruch, Einstellung, Verfahren, Straftat, Gefahr, Revision des Angeklagten, objektiver Abfallbegriff

Aktenzeichen  204 StRR 341/21

Datum:
27.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 49181
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 1, § 2 Abs. 1, § 78 Abs. 3, § 78a Satz 1, § 326 Abs. 1
KrWG § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, Abs. 5, § 48
ChemG § 1, § 3 Nr. 10, § 27 Abs. 1 Nr. 1
GefStoffV 1993 § 3 Abs. 3, § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 51 Nr. 1, Anhang IV Nr. 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3
GefStoffV 2005 § 3 Abs. 4
GefStoffV 2010 § 2 Abs. 5 Satz 1
AVV § 2 Abs. 1 Abfallverzeichnis (Anlage zur AVV) Nr. 17 06 05

 

Leitsatz

1. Das Lagern von Asbestplatten auf einem Grundstück ist erst dann strafbar gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 ChemG, wenn diese nach dem 31.10.1993, und gemäß § 326 Abs. 1 Nr. 2 StGB, wenn diese nach dem 31.10.1994 dort abgestellt wurden (§§ 1, 2 Abs. 1 StGB).
2. § 326 Abs. 1 StGB und § 27 Abs. 1 Nr. 1 ChemG stellen abstrakte Gefährdungsdelikte dar.
3. § 326 Abs. 1 StGB – jedenfalls in den Varianten des Lagerns oder Ablagerns von Abfällen – und § 27 Abs. 1 Nr. 1 ChemG sind keine Dauerdelikte.
4. Beendet ist die Tat des § 326 Abs. 1 StGB mit ihrer Begehung, da hiermit zugleich der Erfolg eintritt, der in der eingetretenen Gefährdung, nicht in einer hieraus möglicherweise später erwachsenden Verletzung besteht.
5. Beendet ist die Tat des § 27 Abs. 1 Nr. 1 ChemG – vergleichbar mit dem Lagern und Ablagern von Abfall – mit dem Herbeiführen der abstrakten Gefahr durch den Abschluss der zur Lagerung und Aufbewahrung führenden Handlung.
6. Da es sich bei nicht verbauten Asbestzementplatten gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, Abs. 5, § 48 KrWG i.V.m. § 2 Abs. 1 AVV und Nr. 17 06 05 des Abfallverzeichnisses (Anlage zur AVV) um bewegliche Gegenstände handelt, deren sich der Besitzer entledigen muss (sog. Zwangsabfall), kommt es auf die Absicht der (grundsätzlich verbotenen) Weiterverwendung nicht an (objektiver Abfallbegriff).

Verfahrensgang

15 Ns 752 Js 110142/19 — LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

1. Das Verfahren wird eingestellt.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.

Gründe

I.
Der Angeklagte war durch Strafbefehl des Amtsgerichts Fürth vom 29.8.2019 wegen vorsätzlichen unerlaubten Umgangs mit Abfällen zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt worden. Dem lag der Vorwurf zugrunde, der Angeklagte habe – wie bei einer polizeilichen Kontrolle am 29.12.2017 gegen 10:45 Uhr festgestellt wurde – auf seinem Grundstück sowie auf dem unmittelbar angrenzenden Nachbargrundstück sechs beschädigte Asbestzementplatten gelagert.
Gegen diesen Strafbefehl hat der Angeklagte rechtzeitig und wirksam Einspruch eingelegt. Das Amtsgericht Fürth hat daraufhin den Angeklagten mit Urteil vom 24.10.2019 freigesprochen, da ein Tatnachweis nicht zu führen gewesen sei.
Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Nürnberg-Fürth mit Urteil vom 7.12.2020 das Urteil des Amtsgerichts Fürth vom 24.10.2020 aufgehoben und den Angeklagten wegen vorsätzlichen unerlaubten Umgangs mit Abfällen zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 60 Euro verurteilt.
Das Berufungsgericht ging davon aus, dass hinsichtlich der auf dem Nachbargrundstück liegenden Eternitplatten, die schon seit vielen Jahren, möglicherweise schon seit Jahrzehnten dort abgelagert worden seien, Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Anders verhalte es sich bei den auf dem eigenen Grundstück des Angeklagten gelagerten Asbestplatten, da diese nicht als Abfall beseitigt worden seien, sondern einer Weiterverwendung zugeführt werden sollten, wie dies mittlerweile auch geschehen sei.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte form- und fristgerecht Revision eingelegt. Unter Erhebung der ausgeführten Verfahrensrüge und der allgemeinen Sachrüge beantragt er, ihn freizusprechen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Schreiben vom 8.6.2021 beantragt, das Verfahren im Hinblick auf die drei vom Strafbefehlsantrag umfassten, auf dem Nachbargrundstück befindlichen Eternitplatten nach § 260 Abs. 3 StPO einzustellen und die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 7.12.2020 als unbegründet zu verwerfen.
Mit Verfügung vom 23.7.2021 hat der Senat darauf hingewiesen, dass möglicherweise eine Einstellung des gegen den Angeklagten gerichteten Strafverfahrens insgesamt wegen eingetretener Verfolgungsverjährung in Betracht kommt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Schreiben vom 2.8.2021 mitgeteilt, dass keine Einwände gegen die Ausführungen des Senats erhoben werden. Der Angeklagte hat mit Schreiben seines Verteidigers vom 18.8.2021 mitgeteilt, dass einer Einstellung wegen eingetretener Verfolgungsverjährung keine Bedenken entgegenstehen.
II.
Das Verfahren ist wegen des Verfahrenshindernisses des Eintritts der Verfolgungsverjährung gemäß § 206a StPO einzustellen.
1. Die tatsächlichen Voraussetzungen eines Verfahrenshindernisses, wie hier der Verjährung, sind im Wege des Freibeweises durch das zuständige Gericht zu klären (vgl. KK-StPO/ Schneider, 8. Aufl., § 206a Rn. 10). Bleiben nach Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Aufklärungsmöglichkeiten Zweifel, ob alle Verfahrensvoraussetzungen, also auch die Verfahrensvoraussetzung der nicht verjährten Tat, vorliegen, muss das Verfahren eingestellt werden (BGHSt 46, 349, juris Rn. 9; OLG Celle, NStZ-RR 2012, 75, juris Rn. 10; KK-StPO/Schneider, a.a.O., § 206a Rn. 10 m.w.N.). Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um Zweifel handelt, die auf konkreten tatsächlichen Umständen gegründet sind (vgl. BGHSt 46, 349, juris Rn. 9). Danach ist vorliegend der Eintritt der Verjährung vor der ersten die Verjährungsfrist unterbrechenden Handlung am 9.8.2019 jedenfalls nicht auszuschließen.
2. Der Senat konnte zum Tatvorwurf sowie zum bisherigen Verfahrensverlauf folgende Feststellungen treffen:
a) Am 9.8.2019 wurde der Angeklagte zu dem im späteren Strafbefehlsantrag enthaltenen Tatvorwurf erstmals als Beschuldigter telefonisch polizeilich vernommen.
b) In dem der Erhebung der öffentlichen Klage entsprechenden (§ 407 Abs. 1 Satz 4 StPO) und somit die prozessuale Tat umgrenzenden Antrag der Staatsanwaltschaft vom 26.8.2019 auf Erlass eines Strafbefehls wurde dem Angeklagten zur Last gelegt, dass er, wie im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle am 29.12.2017 gegen 10.45 Uhr festgestellt worden sei, auf seinem Grundstück sowie auf dem unmittelbar angrenzenden Nachbargrundstück sechs beschädigte Asbestzementplatten gelagert habe.
c) Aus den Akten ergibt sich, dass der Angeklagte gegenüber der Polizeiinspektion Fürth, die ihn zunächst telefonisch aufgefordert habe, die Platten und Bruchstücke ordnungsgemäß zu entsorgen, gelobt habe, sich darum zu kümmern. Zum Termin zur Beschuldigtenvernehmung am 9.8.2019 sei er nicht erschienen, habe aber beim polizeilichen Sachbearbeiter angerufen und mitgeteilt, dass es sich bei den Plattenbruchstücken auf dem angrenzenden Grundstück nicht um seine handeln würde. Zu den auf seinem Grundstück liegenden Platten, habe er angegeben, dass er diese demnächst verbauen werde, er benötige sie als Dach für den Hundezwinger. Er sei mehrfach darauf hingewiesen worden, das Wiederverwenden der abgelagerten Platten zu unterlassen.
Im Einspruchsschreiben vom 31.8.2019 gab der Angeklagte an, auf seinem Grundstück seien nur drei Asbestzementplatten gelagert, die er für das undichte Dach seines Hundezwingers benötige. Die drei Asbestzementplatten auf dem landwirtschaftlichen Grundstück neben ihm würden ihm nicht gehören.
In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Fürth am 24.10.2019 ließ sich der Angeklagte dahin ein, dass er die auf seinem Grundstück gelagerten Platten in den 1990er Jahren bei der Baustoff-Union gekauft habe. Dabei sei ihm gesagt worden, dass diese Platten bald nicht mehr verkauft würden. Er habe sich aufgrund von in der Gegend stattfindenden Überfällen in den 90ern einen Hund angeschafft und diese Platten auf der Hundehütte angebracht. Er habe mehr Platten bestellt gehabt als er gebraucht habe und diese drei Platten am Zaun gelagert. Vor ca. zwei Monaten sei ein Ast von seinem Baum abgebrochen und er habe die Platten verbaut. Er habe die Platten auf den Zwinger gelegt, ohne sie anzubohren.
Zu den Platten auf dem landwirtschaftlichen Nachbargrundstück gab der Zeuge R in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Fürth an, diese lägen schon etliche Jahre, schon Jahrzehnte, vor dem Grundstück des Angeklagten. Er wisse nicht, wie sie da hingekommen seien.
In der Berufungshauptverhandlung ließ sich der Angeklagte dahin ein, dass er Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre seine drei Garagen sowie seinen Hundezwinger mit Eternitplatten versehen hätte. Hierbei wären halt „Trümmer“ übrig geblieben. Die auf dem angrenzenden Grundstück liegenden Teile würden aber nicht von ihm stammen.
d) Das Berufungsgericht ließ es hinsichtlich der weiteren, auf dem angrenzenden (Nachbar-) Grundstück Flurstück Nr. 351 abgelagerten Teile von Eternitplatten dahinstehen, ob diese ebenfalls vom Angeklagten stammten. Denn zu Gunsten des Angeklagten sei davon auszugehen, dass hinsichtlich dieser auf dem (Nachbar-) Grundstück befindlichen Bruchstücke jedenfalls Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Die besagten Bruchstücke lägen nach dem Ergebnis der Ermittlungen schon seit vielen Jahren auf dem genannten Grundstück. Sie seien dort ganz offenbar mit dem Ziel beseitigt worden, sich ihrer endgültig zu entledigen. Nachdem die Bruchstücke der Eternitplatten schon seit vielen Jahren, möglicherweise schon seit Jahrzehnten dort abgelegt worden seien, sei jedenfalls Verfolgungsverjährung eingetreten, da die Verjährungsfrist insoweit fünf Jahre betrage. Diese Feststellungen des Berufungsgerichts zur Liegedauer der besagten Bruchstücke können mit den zur Verfügung stehenden Aufklärungsmöglichkeiten nicht widerlegt werden.
e) Hinsichtlich der drei auf dem Grundstück des Angeklagten am Zaun gelagerten Asbestplatten gilt im Ergebnis nichts anderes. Angesichts der mangels anderer Anhaltspunkte bzw. ersichtlicher Beweismittel nicht widerlegbaren Angaben des Angeklagten ist davon auszugehen, dass auch diese an den Zaun gelehnte Platten übrig gebliebene Stücke der nach seiner Einlassung vor dem Amtsgericht Fürth in den 1990er Jahren bzw. nach seiner Aussage vor dem Berufungsgericht Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre noch in erlaubter Weise angeschafften Eternitplatten handelt und diese seitdem, also spätestens seit Anfang der 1990er Jahre auf der rückwärtigen Seite seines Grundstücks an den Zaun angelehnt gelagert wurden. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass diese Platten innerhalb von fünf Jahren vor dem 9.8.2019 von einem anderen Teil des Grundstücks an den Zaun umgelagert worden wären.
3. Dies zugrunde gelegt war die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat des vorsätzlichen unbefugten Lagerns von Abfällen nach § 326 Abs. 1 Nr. 2 StGB gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4 i.V.m. § 78a Satz 1 StGB bereits zum Zeitpunkt der ersten verjährungsunterbrechenden Maßnahme (§ 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB), nämlich der ersten Vernehmung des Beschuldigten am 9.8.2019 jedenfalls verjährt.
a) § 326 Abs. 1 Nr. 2 StGB, der die unbefugte Lagerung unter anderem von für den Menschen krebserzeugenden Abfällen strafrechtlich sanktioniert, wurde durch Art. 1 Nr. 10 des 2. Gesetzes zur Bekämpfung der Umweltkriminalität (2. UKG) mit Wirkung vom 1.11.1994 in § 326 StGB eingefügt, so dass jedenfalls seit 1.11.1994 das unbefugte Lagern von Asbest strafbar ist.
b) Der Lauf der bei einer Tat nach § 326 Abs. 1 StGB gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB geltenden fünfjährigen Verjährungsfrist beginnt mit der Beendigung der Ausführungshandlung der Tat (§ 78a Satz 1 StGB). § 326 Abs. 1 StGB stellt ein abstraktes Gefährdungsdelikt dar (vgl. Regierungsentwurf zum 2. UKG, BT-Drucks. 12/192, S. 11, 19; BGH, NStZ 1997, 189, juris Rn. 21; MüKoStGB/Alt, 3. Aufl, § 326 Rn. 5 m.w.N.; BeckOK StGB/Witteck, 50. Ed. 1.5.2021, § 326 Rn. 3). Beendet ist die Tat des § 326 Abs. 1 StGB mit ihrer Begehung, da hiermit zugleich der Erfolg eintritt, der in der eingetretenen Gefährdung, nicht in einer aus der Gefährdung möglicherweise später erwachsenden Verletzung besteht (vgl. BGHSt 36, 255, juris Rn. 25; BGH, NJW 1992, 123, juris Rn. 9; BayObLGSt 1993, 108 f. = wistra 1993, 313, juris Rn. 6). Auch wenn sich die Gefährdung lange hinzieht, führt sie als ein durch die Tat verursachter Zustand nicht zu einer Verzögerung des Verjährungsbeginns über das Ende der diesen Zustand herbeiführenden Handlung hinaus (BGHSt 36, 255, juris Rn. 25).
Nach überwiegend vertretener Auffassung ist die Tathandlung des Lagerns oder Ablagerns im Sinne von § 326 Abs. 1 StGB mit dem Abstellen bzw. Niederlegen der Abfallgegenstände, also mit dem Abschluss der Beseitigungshandlung, beendet (vgl. BGH, NJW 1992, 123, juris Rn. 9; BayObLGSt 1993, 108 = wistra 1993, 313, juris Rn. 7 ff.; OLG Celle, NStZ-RR 2012, 75, juris Rn. 9; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 326 Rn. 52). § 326 Abs. 1 StGB stellt jedenfalls in den hier allenfalls in Betracht kommenden Varianten des Lagerns oder Ablagerns kein Dauerdelikt dar (vgl. BGHSt 36, 255, juris Rn. 26; BGH NJW 1992, 122, 123; OLG Celle, NStZ-RR 2012, 75, juris Rn. 9; MüKoStGB/Alt, a.a.O. § 326 Rn. 134). Von einem Dauerdelikt könnte lediglich dann ausgegangen werden, wenn der Täter einen rechtswidrig geschaffenen Zustand willentlich aufrechterhält und so die deliktische Tätigkeit ständig fortsetzt. So verhält es sich bei § 326 Abs. 1 StGB aber nicht, weil die Eignung zur Verunreinigung von Gewässern, Luft und Boden grundsätzlich mit der Ablagerung beginnt und damit die Tat beendet ist. Dem Täter erwächst keine strafbewehrte Verpflichtung, den geschaffenen gefährlichen Zustand wieder zu beseitigen (vgl. BGHSt 36, 255, juris Rn. 26 f.; Fischer, StGB, a.a.O., § 326 Rn. 52).
c) Erfolgte das Abstellen der Asbestplatten vor dem 1.11.1994, fehlt es an einer Strafbarkeit nach § 326 Abs. 1 Nr. 2 StGB (§§ 1, 2 Abs. 1 StGB). Erfolgte das Abstellen nach dem 31.10.1994 aber nicht ausschließbar noch Anfang der 1990er Jahre, so war die hiermit beginnende fünfjährige Verjährungsfrist für die Tat des unbefugten Umgangs mit Abfällen jedenfalls am 9.8.2019, dem Tag der ersten Beschuldigtenvernehmung abgelaufen.
d) Dies gilt nicht nur für die außerhalb, sondern auch für die im Jahr 2017 auf dem Grundstück des Angeklagten selbst gelagerten drei Eternitplatten. Die vom Berufungsgericht vertretene gegenteilige Auffassung, die sich darauf stützt, dass diese Platten gerade nicht als Abfall beseitigt, sondern der Weiterverwendung zugeführt werden sollten, wie dies im Übrigen mittlerweile auch geschehen sei, überzeugt nicht.
Da es sich bei nicht verbauten Asbestzementplatten gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, Abs. 5, § 48 KrWG i.V.m. § 2 Abs. 1 AVV und Nr. 17 06 05 des Abfallverzeichnisses (Anlage zur AVV) um bewegliche Gegenstände handelt, deren sich der Besitzer entledigen muss (sog. Zwangsabfall, vgl. Fischer, StGB, a.a.O., § 326 Rn. 6 und 9; Henzler, NuR 2012, 91, 94) kommt es auf die Absicht der (grundsätzlich verbotenen) Weiterverwendung nicht an (objektiver Abfallbegriff). Mit dem Abstellen dieser Platten am Zaun hat für diese somit die Verjährungsfrist begonnen. Aus der nicht widerlegbaren Einlassung des Angeklagten ergibt sich, dass dies in vorverjährter Zeit geschah.
4. Ebenso verjährt wäre eine sich aus § 27 Abs. 1 Nr. 1 ChemG vom 14.3.1990 (BGBl. I S. 521) in Verbindung mit § 51 Nr. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Anhang IV Nr. 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 GefStoffV 1993 ergebende, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bedrohte Straftat des Angeklagten.
a) Seit 1.11.1993 gilt in Deutschland über die bereits vorher bestehenden produktbezogenen Verwendungsverbote (wie etwa für Spielzeug, Fertigerzeugnisse in Pulverform usw., vgl. hierzu § 9 Abs. 1 GefStoffV vom 25.9.1991, BGBl. I S. 1931) hinaus gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Anhang IV Nr. 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 in der durch Art. 1 der Verordnung zur Novellierung der Gefahrstoffverordnung etc. vom 26.10.1993 (BGBl. I S. 1782) neu gefassten und gemäß Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung am 1.11.1993 in Kraft getretenen Gefahrstoffverordnung (GefStoffV 1993) ein nahezu umfassendes Herstellungs- und Verwendungsverbot von Asbest, von Zubereitungen, die einen Massengehalt von mehr als 0,1 vom Hundert Asbest enthalten und von Erzeugnissen, die Asbest oder solche Zubereitungen enthalten (vgl. Henzler, NuR 2012, 91, 92). Danach war die Verwendung von Asbest, Asbestzubereitungen sowie von asbesthaltigen Erzeugnissen – abgesehen von den in § 54 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Anhang IV Nr. 1 GefStoffV 1993 genannten, hier nicht einschlägigen Ausnahmen – generell verboten. Dieses Verbot wurde durch § 27 Abs. 1 Nr. 1 ChemG vom 14.3.1990 (BGBl. I S. 521) in Verbindung mit § 51 Nr. 1 GefStoffV 1993 strafrechtlich sanktioniert (vgl. hierzu Kuchenbauer, NJW 1997, 2009, 2010).
b) Nach § 3 Nr. 10 ChemG in der seit 14.3.1990 und insoweit bis heute unverändert geltenden Fassung ist Verwenden das Gebrauchen, Verbrauchen, Lagern, Aufbewahren, Be- und Verarbeiten, Abfüllen, Umfüllen, Mischen, Entfernen, Vernichten und innerbetriebliche Befördern. Vorliegend kommen hiervon nur die Alternativen Lagern und Aufbewahren in Betracht. Gefahrstoffrechtlich ist nach § 3 Abs. 3 GefStoffV 1993 (ebenso wie nach § 3 Abs. 4 GefStoffV 2005 und § 2 Abs. 5 Satz 1 GefStoffV 2010) unter einer Lagerung das Aufbewahren zur späteren Verwendung sowie zur Abgabe an andere zu verstehen.
c) Auch bei § 27 Abs. 1 Nr. 1 des Chemikaliengesetzes, das bezweckt, den Menschen und die Umwelt vor Einwirkungen gefährlicher Stoffe zu schützen (§ 1 ChemG), handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt (vgl. BT-Drucks. 8/3319, S. 26 zu § 29 ChemG-E 1980, wonach es sich bei Abs. 2 im Unterschied zu Abs. 1 um ein konkretes Gefährdungsdelikt handelt; s. hierzu auch Häberle, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Werkstand 236. EL Mai 2021, § 27 ChemG Rn. 7; Möhrenschlager, NStZ 1994, 513, 514; 566, 567; s.a. BT-Drucks. 12/192, S. 36). Dieses Delikt wird – vergleichbar mit dem Lagern und Ablagern von Abfall – mit dem Herbeiführen der abstrakten Gefahr durch den Abschluss der zur Lagerung und Aufbewahrung führenden Handlung beendet. Denn auch hier tritt mit der Begehung zugleich der Erfolg ein, der in der eingetretenen Gefährdung, nicht in einer aus der Gefährdung möglicherweise später erwachsenden Verletzung besteht. Wie bei § 326 StGB ist somit auch hier nicht von einem Dauerdelikt auszugehen.
Damit ist – sollte der Angeklagte bereits unter Geltung der genannten Strafvorschriften die zur Lagerung oder Aufbewahrung führende Handlung vorgenommen haben – Verjährung eingetreten, wofür ebenfalls die fünfjährige Frist gilt (vgl. § 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4 i.V.m. § 78a Satz 1 StGB).
5. Ob die vom Angeklagten in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung beim Amtsgericht Fürth am 24.10.2019 eingeräumte Verbauung dieser Platten nach dem Dezember 2017 durch deren Ablage auf dem Hundezwinger eine neue Straftat gemäß § 326 Abs. 1 Nr. 2 StGB (vgl. hierzu auch BGHSt 40, 79, juris Rn. 15; MüKoStGB/Alt, a.a.O., § 326 Rn. 54), gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 ChemG i.V.m. § 24 Abs. 2 Nrn. 6 oder 7 GefStoffV 2010 bzw. gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 3 ChemG i.V.m. § 5 Nr. 6 ChemSanktionsV und Art. 67 und Anhang XVII Nr. 6 VO (EG) Nr. 1907/2006 darstellt, braucht vorliegend nicht geklärt zu werden, da eine solche prozessuale Tat nicht von dem Tatvorwurf erfasst wird, der in dem der Erhebung der öffentlichen Klage entsprechenden (§ 407 Abs. 1 Satz 4 StPO) Antrag auf Erlass eines Strafbefehls enthalten ist.
6. Auf die zulässige Revision ist deshalb wegen der eingetretenen Verfolgungsverjährung das Verfahren gemäß § 206a Abs. 1 StPO einzustellen. Das angefochtene Urteil ist damit ebenso wie die vorhergehenden Erkenntnisse, nämlich der Strafbefehl und das freisprechende Urteil des Amtsgerichts Fürth, gegenstandslos. Einer ausdrücklichen Aufhebung bedarf es deshalb nicht.
Die verfahrensrechtliche Behandlung von Verfahrenshindernissen in der Revisionsinstanz, die schon vor dem letzten tatrichterlichen Urteil eingetreten sind, zeigt allerdings in Rechtsprechung und Literatur ein uneinheitliches Bild. Der Senat schließt sich insoweit der auch in jüngerer Zeit mitunter von allen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs sowie unter anderem bereits früher vom Bayerischen Obersten Landesgericht vertretenen Ansicht an, wonach bei einer Einstellung nach § 206a Abs. 1 StPO eine Aufhebung der vorangegangenen Sachentscheidungen nicht erforderlich ist (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 13.2.2014 – 1 StR 631/13, NStZ-RR 2014, 160, juris Rn. 2; vom 21.7.2020 – 2 StR 319/19, juris Rn. 2; vom 2.3.2011 – 2 StR 275/10, StV 2011, 483, juris Rn. 4; vom 18.10.2017 – 3 StR 342/15, juris Rn. 2; vom 5.8.1999 – 4 StR 640/98, wistra 1999, 426, juris Rn. 2; vom 24.5.2018 – 4 StR 51/17, NStZ-RR 2018, 294, juris Rn. 2; vom 8.9.2020 – 4 StR 167/20, juris Rn. 2; vom 5.4.2016 – 5 StR 525/15, juris Rn. 2; vom 17.11.2020 – 6 StR 337/20, juris Rn. 3; vom 21.4.2021 – 6 StR 102/21, juris Rn. 4; BayObLGSt 1985, 52, 54 f.; OLG Frankfurt, NJW 1991, 2849, juris Rn. 12, 15, 30; OLG Hamburg, StraFo 2019, 160, juris Rn. 11, 23; Löwe-Rosenberg/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 206a Rn. 101).
Demgegenüber stellte sich vor allem der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs teilweise auf den heute noch überwiegend in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung sowie in der Kommentarliteratur vertretenen Standpunkt, dass die angefochtene Entscheidung gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben und das Verfahren gemäß § 354 Abs. 1 StPO einzustellen sei (vgl. BGH, Beschluss vom 11.1.2011 – 3 StR 484/10, NStZ-RR 2011, 150, juris Rn. 2 f.; KG, NStZ-RR 2009, 286, juris Rn. 6; OLG Celle, NStZ-RR 2012, 75, juris Rn. 5; NStZ 2008, 118, juris Rn. 9; OLG Düsseldorf, StraFo 2012, 332, juris Rn. 16; OLG Jena, VRS 110 [2006], 128, juris Rn. 4; OLG Koblenz, StraFo 2005, 129; OLG Stuttgart, Beschluss vom 1.7.2021 – 1 Rv 13 Ss 421/21, juris Rn. 35; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 206a Rn. 6a; MüKoStPO/Wenske, 1. Aufl., § 206a Rn. 23; KK-StPO/Schneider, a.a.O., § 206a Rn. 4 m.w.N.; so im Sonderfall des Teilfreispruchs auch BGH, Beschluss vom 13.2.2019 – 4 StR 555/18, NStZ 2019, 428, juris Rn. 1). Zum selben Ergebnis führt die früher vom 1. und ebenfalls vom 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs vertretene Ansicht, das Urteil sei mit den zugrundeliegenden Feststellungen gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben und das Verfahren gemäß § 206a Abs. 1 StPO einzustellen (BGH, Beschlüsse vom 28.12.2006 – 1 StR 534/06, NStZ-RR 2007, 179, juris Rn. 8; vom 27.2.1984 – 3 StR 396/83, BGHSt 32, 275, Tenor und juris Rn. 35). Teilweise stützen der 2. und 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs neuerdings die Aufhebung des Urteils auf § 349 Abs. 4 StPO und die Einstellung des Verfahrens auf § 354 Abs. 1 und § 206a Abs. 1 StPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19.1. 2021 – 2 StR 458/20, juris Rn. 4; vom 21.12.2016 – 3 StR 453/16, NStZ-RR 2017, 211, juris Rn. 1).
Gegen eine förmliche Aufhebung des tatrichterlichen Urteils spricht im Falle eines nicht mehr zu beseitigenden Verfahrenshindernisses vor allem der Umstand, dass es zu einer Prüfung der Begründetheit der Revision wegen der Unzulässigkeit des Verfahrens im ganzen nicht mehr kommen kann (vgl. BayObLGSt 1985, 52, 55 m.w.N.). Da zudem bereits die bloße Verfahrenseinstellung in der Rechtsmittelinstanz die vorher ergangenen Sachurteile aller rechtlichen Wirkungen beraubt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17.7.1968 – 3 StR 117/68, BGHSt 22, 213, juris Rn. 10; vom 11.10.1977 – 5 StR 395/77, BGHSt 27, 271, juris Rn. 7), besteht für ihre zusätzliche Aufhebung auch kein rechtlich anzuerkennendes Interesse des Angeklagten und kein sonstiges Bedürfnis mehr. Was kraft Einstellung unwirksam wird, braucht nicht zusätzlich durch Aufhebung beseitigt zu werden (so zutreffend Löwe-Rosenberg/Stuckenberg, StPO, a.a.O., § 206a Rn. 101).
Zu einer Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 121 Abs. 2 GVG besteht keine Veranlassung, da die Rechtsprechung der Revisionsgerichte von einem Wahlrecht in der verfahrensrechtlichen Behandlung ausgeht (vgl. bereits BayObLGSt 35, 52, 55; MüKoStPO/Wenske, a.a.O., § 206a Rn. 23; KK-StPO/Schneider, a.a.O., § 206a Rn. 4 m.w.N.).
III.
Die Kosten und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last (§ 467 Abs. 1 StPO). Es besteht kein Anlass, ihr die notwendigen Auslagen des Angeklagten nicht aufzuerlegen (§ 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO). Die insoweit zu treffende Ermessensentscheidung hängt in erster Linie davon ab, ob das Verfahrenshindernis – wie hier – vor oder nach Klageerhebung eingetreten ist (vgl. BGH, Urteil vom 1.3.1995 – 2 StR 331/94, juris Rn. 56 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 2.3.2011 – 2 StR 275/10, StV 2011, 483, juris Rn. 5).


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