Strafrecht

Kein Anspruch auf Nutzung einer Playstation im bayerischen Strafvollzug

Aktenzeichen  203 StObWs 338/21

Datum:
30.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 32412
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BayStVollzG Art. 72 Abs. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Eine Playstation 4 stellt einen Gegenstand zur Freizeitbeschäftigung dar, der regelmäßig die Sicherheit oder Ordnung einer Justizvollzugsanstalt des Regelvollzugs mit höchstem Sicherheitsgrad gefährdet. (Rn. 17)
2. Es bedarf konkreter besonderer Umstände, die die Regelvermutung des Art. 72 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 Hs. 2 BayStVollzG widerlegen können. (Rn. 13 und 22)

Verfahrensgang

SR StVK 79/21 2021-06-07 Bes LGREGENSBURG LG Regensburg

Tenor

I. Die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss der auswärtigen kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 07.06.2021 wird als unbegründet verworfen.
II. Der Strafgefangene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der der Antragsgegnerin darin erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf Euro 250,00 festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Der Strafgefangene begehrt den Erwerb einer Playstation 4 samt 5 Spielen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
Sie wurde form- und fristgerecht gemäß § 118 Abs. 1, Abs. 2 StVollzG i.V.m. Art. 208 BayStVollzG eingelegt. Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG i.V.m. Art. 208 BayStVollzG liegen vor, da zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats erforderlich ist.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet.
1. Die Strafvollstreckungskammer hat das rechtliche Gehör des Strafgefangenen nicht verletzt:
a) Der Strafgefangene trägt vor, die Strafvollstreckungskammer habe den Ablauf der von ihr gesetzten Frist zur Stellungnahme hinsichtlich der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt St. vom 26.02.2021 nicht abgewartet und vorzeitig entschieden.
Dies ist zwar richtig. Die Entscheidung beruht aber nicht auf dem Verstoß.
Der Strafgefangene führt nämlich in der Rechtsbeschwerdebegründung aus, dass er wegen der Fristverkürzung gar keine Gründe habe vortragen können, die geeignet seien, die Regelvermutung des Art. 72 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 Hs. 2 BayStVollzG zu widerlegen. Er hätte jedoch jetzt konkret darlegen müssen, was er innerhalb der ihm von der Strafvollstreckungskammer gesetzten Frist tatsächlich noch vorgebracht hätte. Nur dann kann der Senat beurteilen, ob die Fristverkürzung zu einer unrichtigen Entscheidung der Strafvollstreckungskammer geführt hat.
Darüber hinaus macht der Strafgefangene in der Rechtsbeschwerdebegründung Rechtsausführungen. Darauf, dass er diese nicht schon vor Erlass der angefochtenen Entscheidung machen konnte, beruht diese Entscheidung aber ebenfalls nicht. Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer entspricht nämlich, wie nachfolgend ausgeführt, der Rechtslage und hätte deshalb auch unter Berücksichtigung der Rechtsausführungen des Strafgefangenen nicht anders ausfallen können.
b) Ein Verfahrensverstoß liegt auch nicht darin, dass die Strafvollstreckungskammer nicht sofort über den Antrag des Strafgefangenen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe samt Beiordnung eines Rechtsanwalts entschieden hat. Wie nachfolgend ausgeführt, hatte die Rechtsverfolgung des Strafgefangenen nämlich keine Aussicht auf Erfolg, so dass die Strafvollstreckungskammer den Antrag sofort hätte zurückweisen müssen und dem Strafgefangenen keinen Beistand hätte beiordnen dürfen (§§ 120 Abs. 2 StVollzG, 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. Art. 208 BayStVollzG).
2. In der Sache hat der Strafgefangene keinen Anspruch auf den Erwerb einer Playstation 4 samt 5 Spielen. Dazu verweist der Senat zunächst auf die in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung sowie in der darin in Bezug genommenen Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt S. vom 26.02.2021.
a) Einschlägige Rechtsgrundlage ist Art. 72 BayStVollzG. Nach dessen Abs. 1 dürfen Strafgefangene in angemessenem Umfang Gegenstände zur Freizeitbeschäftigung besitzen. Nach Abs. 2 Nr. 2 gilt dies jedoch nicht, wenn der Besitz, die Überlassung oder die Benutzung des Gegenstandes die Erfüllung des Behandlungsauftrags oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden würde, wobei eine solche Gefährdung in der Regel bei elektronischen Unterhaltungsmedien vorliegt.
Zu letztem Halbsatz enthält der Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung vom 30.04.2007 folgende Begründung (BayLT-Drs. 15/8101, S. 65):
„Einem Bedürfnis der Praxis folgend wird in Umsetzung der umfangreichen hierzu ergangenen gesicherten bayerischen Rechtsprechung in Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 ein neues Regelbeispiel eingeführt. Elektronische Unterhaltungsmedien tragen vielfache Sicherheitsrisiken in sich (Versteckmöglichkeiten in Hohlräumen, Speichermöglichkeiten, Manipulationsmöglichkeiten) und können zu subkulturellen Zwecken missbraucht werden (Handeltreiben, Erpressen, Wetten). Daher bedarf es besonderer Begründung, diese grundsätzlich in der vollzuglichen Praxis gefährlichen Gegenstände dennoch zuzulassen (z. B. Ausgabe von CD-Spielern mit Sprachkursen).“
Diese Regelvermutung für eine Gefährdung bezieht sich nicht nur auf die Geräte, sondern auch auf die in den Geräten nutzbaren Medien (Goldberg in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetze, 7. Aufl., 5. Kap. Abschn. D Rn. 16 und 31).
b) Der besondere Prüfungsmaßstab führt regelmäßig zum Verbot sog. Telespielgeräte bzw. Spielkonsolen, die jedenfalls die Sicherheit und Ordnung einer Anstalt des Regelvollzugs mit höchstem Sicherheitsgrad gefährden (vgl. BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, 15. Ed. 01.07.2021, BayStVollzG Art. 72 Rn. 6).
Die auf eine generelle Gefährlichkeit des Gerätebesitzes abstellenden Sicherheitsbedenken in einer Hochsicherheitsanstalt wie der Justizvollzugsanstalt S. sind von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: 2 BvR 609/01, NStZ-RR 2002, 128) und tragen auch Art. 8 EMRK ausreichend Rechnung (EGMR, Entscheidung vom 22.01.2008, Az.: 20579/04).
Danach ist die Einschätzung, dass eine Playstation eine allgemeine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung einer Hochsicherheitsanstalt darstellt, weil diese Geräte modifiziert werden könnten, um versteckte elektronische Daten oder Substanzen wie Drogen oder Materialien zur Ermöglichung eines Ausbruchs zu transportieren, nachvollziehbar und überzeugend.
Der EGMR erkennt insbesondere an, dass von den Justizvollzugsanstalten kein unzumutbarer Kontrollaufwand gefordert werden kann. Angesichts der hohen Komplexität solcher Geräte wäre jede Überprüfung zeitaufwändig und würde ein Fachwissen erfordern, über das das Vollzugspersonal normalerweise nicht verfügt. Ferner müssten die Daten in jedem Spiele-Softwarepaket auf unzulässige Informationen durchsucht werden.
Das Bundesverfassungsgericht hebt hervor, dass sich aus einer abweichenden Bewertung von Telespielgeräten in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte kein Verstoß gegen das Willkürverbot ergibt.
c) Danach ist die Versagung des Erwerbs einer Playstation 4 samt 5 Spielen durch die Justizvollzugsanstalt S. wegen Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt (gerichtlich in vollem Umfang überprüfbare unbestimmte Rechtsbegriffe; vgl. BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, 15. Ed. 01.07.2021, BayStVollzG Art. 72 Rn. 1a) nicht zu beanstanden. Sie verweist zum einen auf die Gründe, die bereits der Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung vom 30.04.2007 (BayLT-Drs. 15/8101, S. 65) benennt. Darüber hinaus weist sie zu Recht darauf hin, dass eine Verplombung Manipulationen nicht verhindern kann, sondern aufgrund einer Verplombung lediglich nachträglich Manipulationen festgestellt werden können.
Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der ganz herrschenden Rechtsprechung (etwa KG, Beschluss vom 28.12.2015, Az.: 2 Ws 289/15 Vollz, juris; bereits für die Zeit vor Inkrafttreten der Regelvermutung des Art. 72 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 Hs. 2 BayStVollzG OLG Nürnberg, Beschluss vom 01.03.2002, Az.: Ws 210/02, ZfStrVo 2002, 188; vgl. im Übrigen die umfangreichen Nachweise bei BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, 15. Ed. 01.07.2021, BayStVollzG Art. 72 Rn. 19; BeckOK Strafvollzug Bund/Knauss, 20. Ed. 01.08.2021, StVollzG § 70 Rn. 32 ff.). Hinzuweisen ist dabei darauf, dass wegen der Regelvermutung des Art. 72 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 Hs. 2 BayStVollzG die zur bundesgesetzlichen Regelung (§ 70 StVollzG) ergangenen Entscheidungen nur eingeschränkt herangezogen werden können (so zutreffend OLG München, Beschluss vom 12.01.2010, Az.: 3 Ws 1005/09 (R), FS 2011, 54).
Die tatsächlichen Grundlagen im Hinblick auf die abstrakte Gefährlichkeit des Besitzes von handelsüblichen Playstation-Geräten wurden inzwischen in einer Vielzahl gerichtlicher Verfahren geklärt. Neue konkrete besondere Umstände, die für eine Widerlegung der Regelvermutung des Art. 72 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 Hs. 2 BayStVollzG relevant sein könnten, hat der Strafgefangene weder vorgetragen noch sind solche sonst ersichtlich. Unter diesen Umständen bedurfte es jetzt keiner weiteren Sachaufklärung mehr (anders als noch in dem dem Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 09.06.2011, Az.: 1 Ws 242/11, StV 2011, 694, zugrunde liegenden Fall).
Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 12.02.2002 (Az.: Ws 62/02, NStZ-RR 2002, 191) und vom 09.06.2011 (Az.: 1 Ws 242/11, StV 2011, 694) stehen dem nicht entgegen. Die Entscheidung vom 12.02.2002 datiert nämlich aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der Regelvermutung des Art. 72 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 Hs. 2 BayStVollzG. Die Entscheidung vom 09.06.2011 betraf die Sicherungsverwahrung, bei deren Vollzug zum damaligen Zeitpunkt gerade keine dem Art. 72 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 Hs. 2 BayStVollzG entsprechende Regelvermutung für die Gefährlichkeit bestand; dem Resozialisierungsinteresse der Sicherungsverwahrten wurde jedenfalls in der Übergangszeit bis zur damals noch ausstehenden gesetzlichen Neuregelung des Rechts der Sicherungsverwahrung ein ganz besonderes Gewicht beigemessen. Deshalb fehlt es in beiden Fällen an einer Vergleichbarkeit mit vorliegender Konstellation.
Schließlich fehlt es auch hinsichtlich der den Besitz einer Spielkonsole „Playstation“ gestattenden Verfügung des Vorsitzenden Richters im Strafverfahren 8 KLs 114 Js 23807/19 des Landgerichts Regensburg an einer Vergleichbarkeit. Die dortige Verfügung wurde nämlich im Rahmen der Untersuchungshaft des jetzigen Strafgefangenen getroffen. Vor dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens gilt aber noch die Unschuldsvermutung, sodass einem Untersuchungshäftling nicht die gleichen Beschränkungen auferlegt werden können wie einem Strafgefangenen.
IV.
1. Der Strafgefangene hat die Kosten des Verfahrens zu tragen (§§ 121 Abs. 2 Satz 1 StVollzG i.V.m. Art. 208 BayStVollzG).
2. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf den §§ 60, 52 GKG.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zurückzuweisen, da die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat (§§ 120 Abs. 2 StVollzG, 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. Art. 208 BayStVollzG).


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