Strafrecht

Keine Notwendigkeit der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens statt sofortiger Entziehung bei gelegentlichem Cannabiskonsum

Aktenzeichen  M 6 K 17.762

Datum:
5.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 111038
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 7, § 14 Abs. 1 S. 3, § 46 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Wer als gelegentlicher Konsument von Cannabis den Konsum vom Fahren nicht getrennt hat, ist ungeeignet zur Führung eines Fahrzeugs. Einer vorherigen Anordnung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens zu seinen Konsumgewohnheiten oder einer medizinisch-psychologischen Begutachtung bedurfte es nicht, denn die Fahrerlaubnisbehörde durfte aufgrund der Sachlage zur Überzeugung von der Nichteignung kommen, § 11 Abs. 7 FeV. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Steht eine gelegentliche Einnahme von Cannabis bereits fest, ist kein Raum für eine dahingehende Aufklärungsmaßnahme in Form der Anordnung eines ärztlichen Gutachtens. Vielmehr gibt § 14 Abs. 1 S. 3 FeV der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde dann die Möglichkeit, nach Ermessen die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen. Bestehen diese Tatsachen darin, dass der Betroffene bewiesenermaßen den Konsum und das Fahren nicht getrennt hat, so steht die Nichteignung des Betroffenen fest. Die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens muss dann unterbleiben, die Fahrerlaubnis ist unmittelbar und sofort wegen Vorliegens der Voraussetzungen der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zu entziehen. (Rn. 36 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
2 Soweit der Verordnungsgeber die Vorschriften hinsichtlich Alkohol und Betäubungsmitteln/Drogen wechselseitig aneinander angeglichen hat, geschah dies jeweils mit dem Ziel einer Verschärfung, nicht einer Erleichterung. Eine Gleichbehandlung mit einem Alkoholverstoß und dessen Folgen ist daher nicht geboten (entgegen BayVGH BeckRS 2016, 51088; BeckRS 2016, 52318). (Rn. 50 – 55) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Die Klage ist teilweise bereits unzulässig, im Übrigen unbegründet und daher insgesamt ohne Erfolg.
1. Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung in Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids vom 6. Februar 2017 ist die Klage unzulässig, weil ihr das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Die Verpflichtung aus Nr. 2 des Bescheids ist erfüllt, denn der Kläger hat seinen Führerschein bereits bei der Fahrerlaubnisbehörde abgegeben. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Fahrerlaubnisbehörde das in Nr. 4 des Bescheids angedrohte Zwangsgeld entgegen der Vorschrift des Art. 37 Abs. 4 Satz 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – VwZVG – gleichwohl noch beitreiben wird.
2. Hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis aller Klassen in Nr. 1 des Bescheids vom 6. Februar 2017 ist die Anfechtungsklage vom 23. Februar 2017 zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid ist – auch in seinen Nrn. 2 sowie 5 und 6 – rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -.
2.1 Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist vorliegend wegen der unmittelbaren Klageerhebung derjenige der Zustellung des streitgegenständlichen Bescheids vom 6. Februar 2017 an den Bevollmächtigten des Klägers am 8. Februar 2017 (BayVGH, B.v. 4.12.2012 – 11 ZB 12.2667 – juris). Der in der mündlichen Verhandlung am 5. April 2017 vorgelegte Befundbericht der TÜV … GmbH vom … März 2017 zur Urinkontrolle am … Februar 2017 kann daher bei der vorliegenden Entscheidung keine Berücksichtigung finden.
2.2 Mit dieser Maßgabe ist festzustellen, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – und § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV – rechtlich nicht zu beanstanden ist. Der Kläger hat sich als fahrungeeignet im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV erwiesen, weil er als gelegentlicher Konsument von Cannabis den Konsum vom Fahren nicht getrennt hat. Einer vorherigen Anordnung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens zu seinen Konsumgewohnheiten oder einer medizinisch-psychologischen Begutachtung bedurfte es nicht, denn die Fahrerlaubnisbehörde durfte aufgrund der Sachlage zur Überzeugung von der Nichteignung des Klägers kommen, § 11 Abs. 7 FeV (bislang st. Rspr., z.B. BayVGH, B.v. 18.4.2016 – 11 ZB 16.285 – juris Rn. 10 und Rn. 15 a.E. [unter Verweis auf BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13]; so dem Grunde nach auch der von der Fahrerlaubnisbehörde genannte B.v. 25.1.2006 – 11 CS 05.1453 – juris Rn. 19).
2.2.1 Dass der Kläger bis zum Vorfall am … November 2016 gelegentlich, d.h. mindestens zwei Mal, Cannabis eingenommen hat ergibt sich aus seiner schriftlichen Erklärung vom … Januar 2017 gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde und wurde im Übrigen von ihm auch nachträglich nicht bestritten.
2.2.2 Der Kläger hat zudem den Konsum von Cannabis und das Führen eines Kraftfahrzeugs nicht getrennt. Denn nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – juris; vgl. auch z.B. BayVGH, B.v. 27.10.2016 – 11 CS 16.1388 – juris Rn. 5) trennt ein Konsument von Cannabis bereits dann nicht, wenn er fährt, obwohl wegen des Cannabis-Einflusses auf ihn eine hierdurch bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen ist. Dabei kommt es nicht auf sein Empfinden an, sondern auf einen objektiv festgestellten Wert von 1,0 ng/ml THC oder mehr im Blut. Beim Kläger lag der THC-Wert um 21:33 Uhr – 48 Minuten nach der Anhaltung durch die Polizei gegen 20:45 Uhr – mit 4,0 ng/ml immer noch weit darüber. Dieser Sachverhalt steht fest durch den am 5. Januar 2017 rechtskräftig gewordenen Bußgeldbescheid vom 19. Dezember 2016 (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2016 – 11 CS 16.1467 – juris Rn. 19; B.v. 29.8.2016 – 11 CS 16.1460 – juris Rn. 15).
2.3 Das vorliegende Klage- und damit Hauptsacheverfahren bietet Anlass und Gelegenheit klarzustellen, dass die erkennende Kammer keine durchgreifenden Gründe erkennen kann, weshalb die unter Nr. 2.2 dargestellte Rechtsauffassung unzutreffend sein sollte.
2.3.1 Zunächst ist die Ansicht der Klagepartei zutreffend, dass die Vorschriften über Alkohol und Betäubungsmittel (und andere psychoaktiv wirkende Stoffe und Arzneimittel) ähnlich strukturiert sind. Die grundsätzlichen Regelungen hinsichtlich der Fahreignung sind für Alkohol in Nr. 8 der Anlage 4 zur FeV enthalten. Diese werden durch § 13 FeV ergänzt. Im Fall von Cannabis (aber auch bei anderen Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes) tritt § 14 FeV ergänzend zu Nr. 9 der Anlage 4 zur FeV hinzu, bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis zu Nr. 9.2.2.
Bereits an dieser Stelle ist jedoch festzuhalten, dass die §§ 11 bis 14 FeV unmittelbar nur die Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis (2. Abschnitt im Kapitel II. der FeV), nach § 20 Abs. 1 Satz 1 FeV auch für die Neuerteilung nach vorangegangener Entziehung oder nach vorangegangenem Verzicht, bestimmen. Sie finden nach § 46 Abs. 3 FeV nur entsprechend Anwendung, wenn Tatsachen Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet oder bedingt geeignet ist, sich der Inhaber also nicht bereits als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat, § 46 Abs. 1 Satz 1 und 2 FeV i.V.m. u.a. der Anlage 4 zur FeV. Bei jeder Regelung der §§ 11 bis 14 FeV ist daher zu prüfen, inwieweit eine entsprechende Anwendung erfolgen kann.
2.3.1.1 Der fahrerlaubnisrechtliche Alkoholmissbrauch ist in Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV geregelt. Wurde das Führen von Fahrzeugen (nicht nur Kraftfahrzeugen) und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt, so ist an sich eine Fahreignung des Betreffenden nicht gegeben.
Ergänzend ist den Regelungen in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b) und c) FeV zu entnehmen, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden, also durch den Führer eines Kraftfahrzeugs mindestens zwei Mal gegen § 24a Abs. 1, Abs. 3 StVG verstoßen wurde, oder wenn ein Fahrzeug (nicht nur ein Kraftfahrzeug) im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr geführt wurde.
Diese Regelungen werden bislang in ständiger Rechtsprechung über § 46 Abs. 3 FeV auch im Entziehungsverfahren für anwendbar gehalten, d.h. vor einer Entziehung der Fahrerlaubnis durch eine Fahrerlaubnisbehörde hätte eine Gutachtensaufforderung zu ergehen.
Beim Führen eines Kraftfahrzeugs mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr wird es allerdings in der Regel zur Entziehung der Fahrerlaubnis durch ein Strafgericht gekommen sein, so dass die Regelung unter Buchst. c) regelmäßig nur für ein (Neu-) Erteilungsverfahren Bedeutung haben dürfte.
2.3.1.2 Bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis ist eine Fahreignung nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV dann gegeben, wenn Trennung von Konsum und Fahren stattfindet und zudem kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen (sog. Mischkonsum), keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorlagen.
Ergänzend regelt § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV, dass ein ärztliches Gutachten beizubringen ist, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass eine Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes, also auch von Cannabis, vorliegt, mithin das konkrete individuelle Konsumverhalten im Hinblick auf die oben dargestellten Voraussetzungen für eine Fahreignung erst aufgeklärt werden muss. Sowohl die Frage einer Einnahme von Cannabis überhaupt, als auch die Frage, ob diese regelmäßig (dann Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV) oder gelegentlich erfolgte, sowie die Fragen eines Mischkonsums, einer Störung der Persönlichkeit und eines Kontrollverlustes sind einer ärztlichen Feststellung grundsätzlich zugänglich.
Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV kann die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens angeordnet werden, wenn der Betroffene Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes widerrechtlich besitzt oder besessen hat, um aufzuklären, ob und ggf. in welcher Weise er selbst konsumiert und ob weitere Feststellungen im obigen Sinne getroffen werden können.
Steht eine gelegentliche Einnahme von Cannabis bereits fest, ist kein Raum für eine dahingehende Aufklärungsmaßnahme in Form der Anordnung eines ärztlichen Gutachtens. Vielmehr gibt § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde dann die Möglichkeit, nach Ermessen die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen.
Bestehen diese Tatsachen darin, dass der Betroffene bewiesenermaßen den Konsum und das Fahren nicht getrennt hat, so ist bisher die ständige Rechtsprechung davon ausgegangen, dass nach § 11 Abs. 7 FeV die Nichteignung des Betroffenen feststeht, die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens also zu unterbleiben hat und die Fahrerlaubnis unmittelbar sofort wegen Vorliegens der Voraussetzungen der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zu entziehen ist.
Das wird nunmehr vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit der Überlegung in Frage gestellt, dass eine Eignungszweifel begründende Tatsache auch in einer erstmaligen Fahrt eines gelegentlichen Cannabiskonsumenten unter relevantem Cannabiseinfluss liegen könnte. Dann sei eben nicht sofort nach § 11 Abs. 7 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen, sondern es könnte – unter Ausübung ordnungsgemäßen Ermessens – allenfalls eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet werden.
2.3.1.3 Seit dem 30. Oktober 2008 besteht zudem eine weitere Regelung in § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV. Danach ist für die Zwecke nach Absatz 1 die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr nach § 24a StVG begangen wurden (Satz 1). § 13 (Satz 1) Nr. 2 Buchst. b) bleibt unberührt (Satz 2).
Ihr Anwendungsbereich umfasst damit dem Wortlaut nach sowohl wiederholte, also mindestens zwei, Zuwiderhandlungen nach § 24a Abs. 2 StVG (berauschende Mittel nach der Anlage hierzu, darunter auch Cannabis) als auch eine Kombination einer Zuwiderhandlung nach § 24a Abs. 2 StVG und einer nach § 24a Abs. 1 StVG (Alkohol). Nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 FeV sollen wiederholte Zuwiderhandlungen nach § 24a Abs. 1 StVG nur von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b) FeV erfasst sein.
Für ein (Neu-) Erteilungsverfahren ist es nun ohne weiteres vorstellbar, dass in der Vergangenheit – aber noch verwertbar – eine der beiden oben dargestellten Konstellationen vorgelegen hat. So könnten eine Fahrt mit einem Kraftfahrzeug mit 0,5 Promille oder mehr, die zu einem Bußgeld, aber nicht zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis durch ein Strafgericht geführt hat, und eine weitere Fahrt mit 1,0 ng/ml THC oder mehr vorgelegen haben, wobei letztere, falls gelegentlicher Cannabiskonsum vorlag, zur Entziehung der Fahrerlaubnis geführt haben könnte, die das Neuerteilungsverfahren überhaupt erst erforderlich machen würde.
Allerdings stellt sich durchaus die Frage nach einer entsprechenden Anwendung dieser Norm in einem Entziehungsverfahren (§ 46 Abs. 3 FeV), wenn der erstmalige Verstoß gegen das Trennungsgebot bei gelegentlichem Cannabiskonsum nach § 11 Abs. 7 FeV zur sofortigen Entziehung des Fahrerlaubnis führen müsste.
2.3.2 Trotz dieser seit dem 30. Oktober 2008 gültigen Rechtslage hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 23. Oktober 2014 (3 C 3.13) keine Zweifel daran gelassen, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV eine Entziehung der Fahrerlaubnis zu erfolgen hatte, ohne dass vorher noch ein medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen gewesen wäre (§ 11 Abs. 7 FeV) (Rn. 15 und 36 nach juris). In dem zu Grunde liegenden Fall hatte der Betroffene 2001 mit einer Blutkonzentration von 2,0 ng/ml THC am Straßenverkehr teilgenommen. Nach positivem Fahreignungsgutachten nahm er 2008 erneut unter Cannabiseinfluss am Straßenverkehr teil (1,3 ng/ml THC). Der Entziehungsbescheid datierte auf den 28. Oktober 2008. Nachfolgend wurde der Widerspruch dagegen mit Widerspruchsbescheid vom 6. August 2009 zurückgewiesen. Der für die Beurteilung des Sach- und Rechtslage maßgebliche Zeitpunkt lag also nach der o.g. Rechtsänderung.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Urteil auch explizit ausgeführt (Rn. 52 nach juris), dass die Ungleichbehandlung von Cannabis- und Alkoholkonsum auf der unterschiedlichen Bewertung des mit dem jeweiligen Konsum verbundenen Gefährdungspotenzials in den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung beruhe, die den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wiedergäben In seinen Beschlüssen vom 29. August 2016 (juris Rn. 17) und 14. September 2016 (juris Rn. 21) hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof dennoch erneut die Fragen aufgeworfen, ob eine Ungleichbehandlung eines fehlenden Trennungsvermögens bei Alkohol- und Cannabiskonsum angesichts der unterschiedlichen Wirkungsweisen der Substanzen gerechtfertigt sei und ob mit der Möglichkeit der Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung im Ermessenswege nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV diesen Unterschieden ausreichend Rechnung getragen werde.
2.3.3 Die erkennende Kammer vermag im Hinblick auf die Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts der Verordnungsbegründung (BR-Drs. 302/08) nichts Gegenteiliges zu entnehmen.
2.3.3.1 Auf Seite 3 unter „b) Bürokratiekosten für den Bürger“ findet sich zur Nr. 7 a) b) unter „geänderte Informationspflicht für den Bürger“ der Text: „Rechtliche Gleichbehandlung von „früherer Drogenabhängigkeit“ und „früherer Alkoholabhängigkeit“ (Unterstreichungen durch die Kammer) bei der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Nr. 7 a) und b) enthielten Änderungen in § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV (Streichung der Wörter „oder die Fahrerlaubnis wegen Alkoholabhängigkeit entzogen war oder sonst zu klären ist, ob Abhängigkeit nicht mehr besteht“) und § 13 Satz 2 Buchst. e) FeV (Einfügung der Worte „oder Alkoholabhängigkeit“).
Zu Nr. 8 c) (In Absatz 2 [Anm.: von § 14 FeV] wird nach Nummer 2 folgende Nummer 3 angefügt: „3. wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr nach § 24a StVG begangen wurden. § 13 Nr. 2 Buchstabe b bleibt unberührt.“) findet sich auf Seite 3 der Text: „Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bei wiederholten Verkehrszuwiderhandlungen unter Betäubungsmitteleinfluss, um Gleichbehandlung mit entsprechenden Handlungen unter Alkoholeinfluss herzustellen.“
In der Begründung heißt es hierzu auf Seite 57 f. unter „bb) Geänderte Informationspflichten“:
„Nach der derzeitigen Rechtslage wird bei der Eignungsüberprüfung bei einer früheren Drogenabhängigkeit ein medizinisch-psychologisches Gutachten für erforderlich gehalten, bei früherer Alkoholabhängigkeit dagegen nicht. Dies ist fachlich nicht zu begründen, so dass nunmehr unter Nr. 6 Buchstaben a bis c bei der Eignungsüberprüfung eine rechtliche Gleichbehandlung bei der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens in den o.g. Fällen erfolgt.
Um eine Gleichbehandlung von wiederholten Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss und unter Betäubungsmitteln herzustellen, ist in Nr. 7 [Anm.: es müsste wohl Nr. 8 heißen] die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bei wiederholten Zuwiderhandlungen unter Betäubungsmitteln ebenso anzuordnen wie bei wiederholten Zuwiderhandlungen unter Alkoholeinfluss.“
Und auf Seite 63 oben („zu b) bb)“) heißt es weiter:
„Die wiederholte Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss ist in § 13 Nr. 2 Buchstabe b eindeutig geregelt. Die vorliegende Änderung ist erforderlich, um auch die Fälle einer wiederholten Verkehrszuwiderhandlung unter Einfluss berauschender Mittel zu regeln. Auch der Fallkonstellation, dass neben einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 StVG (Alkohol) eine weitere Verkehrszuwiderhandlung unter Einfluss berauschender Mittel (§ 24a Abs. 2 StVG) begangen wurde, wird hier Rechnung getragen. Eine gebundene Entscheidung ist deshalb gerechtfertigt, da in allen Fällen zwischen Konsum von Drogen und/oder Alkohol (Anm: es fehlt wohl: „und einer Verkehrsteilnahme“) nicht getrennt werden konnte.“
2.3.3.2 Hieraus wird (trotz sprachlicher Unschärfe im letzten zitierten Satz) ersichtlich, dass die Vorschriften hinsichtlich Alkohol und Betäubungsmitteln / Drogen wechselseitig aneinander angeglichen wurden, jeweils mit dem Ziel einer Verschärfung, nicht einer Erleichterung. So war nach Beendigung einer fahrerlaubnisrechtlichen Alkoholabhängigkeit nach Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV zuvor nur ein ärztliches Gutachten nötig, um die Wiedererlangung der Fahreignung nachzuweisen. Mit der Änderung wurde auch hier wie bisher schon bei Drogenabhängigkeit eine medizinisch-psychologische Begutachtung erforderlich. Sinn und Zweck der Regelung ist somit klar erkennbar: Auch hier sollte zum einen eine Leistungstestung stattfinden, für den Fall dass der frühere Alkoholkonsum zu medizinischen Folgen geführt haben sollte, die die Leistungsfähigkeit unter das erforderliche Maß haben absinken lassen. Zum anderen sollten ein motivational gefestigter Einstellungs- und Verhaltenswandel und damit eine stabile Alkoholabstinenz nachgewiesen werden, was eine psychologische Begutachtung erforderlich macht.
2.3.3.3 An keiner Stelle jedoch ist ersichtlich, dass der Verordnungsgeber die Vorschriften hinsichtlich Alkohol- und Cannabiskonsums nach der Verordnungsbegründung „ausdrücklich“ hat angleichen wollen, „da ihm aus Aspekten der Verkehrssicherheit eine Gleichbehandlung geboten erschien“ (so aber BayVGH, B.v. 29.8.2016 – 11 CS 16.1460 – juris Rn. 17; B.v. 14.9.2016 – 11 CS 16.1467 – juris Rn. 21). In der der Kammer vorliegenden BR-Drucksache ist durchgängig von „Betäubungsmitteln“ oder „Drogen“ die Rede, an keiner der zitierten Stellen (S. 57 f. und 62 f.) findet sich überhaupt der Begriff „Cannabis“. Es ist auch nicht erkennbar, inwiefern es der Verkehrssicherheit besser dienen sollte, wenn gelegentliche Cannabiskonsumenten nach der Rechtsänderung weniger strengen Regelungen unterworfen sein sollten als zuvor.
2.3.3.4 Die Auslegung einer Norm anhand deren Begründung durch den Normgeber findet ohnehin ihre Grenze am Wortlaut der Norm selbst. Dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV kann keine Differenzierung hinsichtlich des § 24a StVG nach Cannabis einerseits und den sonstigen „berauschenden Mitteln“ (nach der Anlage hierzu derzeit: Heroin, Morphin, Cocain, Amfetamin, Designer-Amfetamin [MDA, MDE und MDMA] sowie Metamfetamin) entnommen werden.
2.3.3.5 Es ist wiederum nicht anzunehmen, dass der Verordnungsgeber auch bei den anderen „berauschenden Mitteln“ nach der Anlage zu § 24a StVG, die Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes und solche nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV darstellen, eine ähnliche Vorgehensweise zulassen wollte, wie sie jetzt vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bei Cannabis für möglich gehalten wird. Das ist auch deshalb nicht anzunehmen, weil es eine dem § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV entsprechende Regelung für Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes und der Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV nicht gibt. Es erschiene widersprüchlich, wenn bei einer erstmaligen Fahrt unter Cannabiseinfluss nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nach Ermessen eine medizinisch-psychologische Begutachtung angeordnet werden könnte, bei sog. harten Drogen jedoch nicht und man bei diesen eine zweite Zuwiderhandlung abwarten müsste, um dann erst § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV anwenden zu können. Ob die Anwendung des § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV hier einen Ausweg bieten könnte, wurde bislang vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof nicht erwogen. Doch selbst dann wäre eine sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis in Anwendung von § 11 Abs. 7 FeV sogar bei „harten Drogen“ nicht möglich.
2.3.3.6 Weiter stellte sich die Frage, was bei Anwendung der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof verlautbarten Rechtsgedanken eigentlich für diejenigen Betäubungsmittel im Sinne der Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV gelten sollte, die nicht in der Anlage zu § 24a StVG genannt sind, z.B. LSD oder Khat. Es erscheint schwer vorstellbar, dass deren Konsum künftig rein fahrerlaubnisrechtlich keine Konsequenzen mehr nach sich zieht.
2.3.3.7 Schließlich würde die gesamte bisherige einheitliche ständige Rechtsprechung auch des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in Frage gestellt, nach der die Fahreignung schon bei einmaligem Konsum sog. „harter Drogen“ im Sinne der Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV unmittelbar verloren geht, und das unabhängig von einer Verkehrsteilnahme.
2.3.4 Es trifft nach Ansicht der Kammer auch nicht zu, dass für § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV im Entziehungsverfahren keinerlei (entsprechender – § 46 Abs. 3 FeV) Anwendungsbereich verbliebe.
2.3.4.1 Ein mehr theoretischer, aber nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs rechtlich nicht auszuschließender Anwendungsfall läge vor, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber zunächst eine Verkehrszuwiderhandlung nach § 24a Abs. 2 StVG unter Cannabiseinfluss begehen würde und danach eine nach § 24a Abs. 1 StVG unter Alkoholeinfluss (oder umgekehrt), vorausgesetzt, er hätte substantiiert und unwiderlegbar behaupten können, es habe sich bei dem Konsum von Cannabis vor der Verkehrsteilnahme um einen erst- und einmaligen Probierkonsum gehandelt. Denn dann würde die Fahrt unter Cannabiseinfluss mangels gelegentlicher Einnahme dieser Droge weder zu einer sofortigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 46 Abs. 1, § 11 Abs. 7 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV führen können, noch zu einer Gutachtensaufforderung nach Ermessen nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV.
2.3.4.2 Eine weitere Konstellation, die derzeit bei der Kammer als Rechtssache tatsächlich anhängig ist, besteht darin, dass ein Fahrerlaubnisinhaber und zumindest früher gelegentlicher Cannabiskonsument nach einer Entziehung seiner Fahrerlaubnis wegen einer Verkehrsteilnahme unter Cannabiseinfluss eine Fahrerlaubnis nach positiver medizinisch-psychologischer Begutachtung neu erteilt bekommen und nunmehr eine Verkehrszuwiderhandlung nach § 24a Abs. 1 StVG unter Alkoholeinfluss begangen hat, weswegen er von der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde nunmehr nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV zu einer medizinisch-psychologischen Begutachtung aufgefordert wurde. Da er sich dieser jedoch nicht unterziehen möchte, klagt er gegen die Kostenfestsetzung zur Gutachtensaufforderung.
2.3.5 Schließlich sollte es, insbesondere im Hinblick auf einen möglichst einheitlichen und problemlosen Normvollzug durch die Fahrerlaubnisbehörden, auch vermieden werden, im Wege richterlicher Rechtsfortbildung unterschiedlich zu handhabende Untergruppen der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zu schaffen. Denn dort ist nicht nur der Fall fehlender Trennung von Cannabiskonsum und Fahren geregelt, der eine tatsächliche Verkehrsteilnahme voraussetzt. Vielmehr finden sich dort – unabhängig von der Frage einer Verkehrsteilnahme – noch die weiteren Konstellationen eines gelegentlichen Cannabiskonsums als Mischkonsum, mit einer Störung der Persönlichkeit und eines Kontrollverlustes.
3. Da somit die Entziehung der Fahrerlaubnis der gerichtlichen Überprüfung standhält, verbleibt es auch bei der in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltenen Verpflichtung, den Führerschein abzuliefern. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV.
4. Rechtliche Bedenken gegen die in den Nrn. 5 und 6 des Bescheids enthaltenen Festsetzungen zu den Kosten des Verwaltungsverfahrens wurden weder vorgetragen, noch sind solche sonst ersichtlich.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung – ZPO -.
7. Die Berufung war zuzulassen, weil die Rechtssache hinsichtlich der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof aufgeworfenen und als klärungsbedürftig bezeichneten Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.


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