Strafrecht

Ladung zum Strafantritt auch ohne Übersetzung wirksam

Aktenzeichen  5 VAs 47/15

Datum:
20.1.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 128605
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EMRK Art. 6
EGGVG § 23 Abs. 1

 

Leitsatz

Ist eine Übersetzung der Ladung zum Strafantritt nicht erfolgt, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Ladung. Gemäß Art. 6 EMRK ist zwingend nur jede Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßnahme zu übersetzen, die Ladung zum Strafantritt stellt noch keine solche Anordnung dar. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag der Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung vom 2. Dezember 2015 wird als unbegründet verworfen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen.
III. Der Geschäftswert wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Das Amtsgericht München verhängte mit Strafbefehl vom 17. Februar 2014, rechtskräftig seit 30. April 2014, gegen die Beschwerdeführerin wegen Steuerhinterziehung in 2 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Mit Beschluss vom 12. Mai 2015, rechtskräftig seit 15. Juli 2015, widerrief das Amtsgericht München gemäß § 56f Abs. 1 Nr. 3 StGB die Strafaussetzung zur Bewährung, da die Verurteilte die ihr mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 17. Februar 2014 erteilte Auflage gröblich und beharrlich nicht erfüllt hatte.
Mit Verfügung vom 24. August 2015 wurde die Verurteilte zum Strafantritt innerhalb einer Woche in die Justizvollzugsanstalt München – Frauenabteilung – geladen. Zugleich wurde sie darauf hingewiesen, dass für den Fall des Nichtbefolgens der Ladung der Erlass eines Haftbefehls droht. Die Verurteilte kam der Aufforderung zum Strafantritt nicht nach, sondern legte über ihre Verteidigerin mit Schreiben vom 3. September 2015, eingegangen am 4. September 2015, Beschwerde ein.
Zur Begründung trug sie vor, die Ladung zum Strafantritt sei unvollständig, es fehle das Hinweisblatt zur Ableistung gemeinnütziger Arbeit. Zudem wäre die Ladung zum Strafantritt in die englische Sprache zu übersetzen. Zugleich stellte sie ein Gnadengesuch und beantragte die Vollstreckung bis zur Entscheidung über das Gnadengesuch einzustellen.
Die Staatsanwaltschaft München I hat am 8. September 2015 der Beschwerde der Verurteilten nicht abgeholfen und die Sache dem Generalstaatsanwalt in München am 21. Oktober 2015 zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Bescheid vom 28. Oktober 2015, der Beschwerdeführerin über ihre Verteidigerin am 3. November 2015 zugestellt, hat der Generalstaatsanwalt die Beschwerde der Verurteilten vom 3. September 2015 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führt der Generalstaatsanwalt aus, die Bewährung sei rechtskräftig widerrufen. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf die Ausführungen im Bescheid vom 28. Oktober 2015 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 2. Dezember 2015, eingegangen bei Gericht am selben Tag, stellte die Verurteilte Antrag auf gerichtliche Entscheidung.
Mit Vorlageschreiben vom 11. Januar 2016, eingegangen am 15. Januar 2016, hat die Generalstaatsanwaltschaft München beantragt, den Antrag der Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung vom 2. Dezember 2015 als unbegründet zu verwerfen, der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und den Geschäftswert auf 3.000 € festzusetzen sowie die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Antrag, der sich gegen die Ladung zum Strafantritt vom 24. August 2015 richtet, ist nach § 23 Abs. 1 EGGVG statthaft (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Februar 2014, III-3 Ausl 22/14 zitiert über juris Rdn. 13) und auch im Übrigen zulässig.
Das Vorschaltverfahren nach § 24 Abs. 2 EGGVG i. V. m. § 21 StVollstrO wurde durchgeführt, die Monatsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG ist gewahrt und die Antragstellerin macht hinreichend erkennbar geltend, in ihren Rechten gemäß § 24 Abs. 1 EGGVG verletzt zu sein. Sie ist u. a. der Ansicht, dass die Ladung zum Strafantritt hätte übersetzt werden müssen.
2. Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Verfügung der Staatsanwaltschaft München I vom 24. August 2015 in Form der Beschwerdeentscheidung des Generalstaatsanwalts in München vom 28. Oktober 2015 die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 28 Abs. 1 Satz 1 EGGVG).
a) Grundlage der Strafvollstreckung ist der rechtskräftige Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 17. Februar 2014 in Verbindung mit dem rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts über den Widerruf der Bewährung vom 12. Mai 2015, § 449 StPO (Meyer-Goßner/Schmitt StPO 58. Aufl. § 453 Rdn. 16).
Mit ihrem Vorbringen zur Rechtswidrigkeit des Strafbefehls und des Bescheids über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung kann die Antragstellerin nicht gehört werden. Die Antragstellerin hat den Strafbefehl akzeptiert, die Entscheidung über den Widerruf der Bewährung ist nach Beschwerde gegen den Beschluss vom 12. Mai 2015 aufgrund Beschlusses des Landgerichts München I vom 14. Juli 2015 seit 15. Juli 2015 formell rechtskräftig (Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 449 Rdn. 5, 7). Einwendungen gegen den Strafbefehl oder gegen den Widerrufbeschluss sind im Rahmen des Verfahrens nach §§ 23ff EGGVG nicht mehr möglich.
b) Die Antragstellerin wurde am 24. August 2015 zum Strafantritt geladen. Dass eine Übersetzung der Ladung zum Strafantritt ins Englische nicht erfolgt ist, führt nicht zur Unwirksamkeit der Ladung. Gemäß Art. 6 EMRK ist zwingend nur jede Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßnahme zu übersetzen, die Ladung zum Strafantritt stellt noch keine solche Anordnung dar (Meyer-Goßner/Schmitt aaO Anhang 4 Art. 6 MRK Rdn. 26, 28).
Ausreichende Vollstreckungshindernisse wurden von der Verurteilten nicht geltend gemacht.
Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalstaatsanwalts in seinem Bescheid vom 28. Oktober 2015 Bezug genommen.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung war daher als unbegründet zu verwerfen.
III.
1. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen (§ 29 Abs. 2 EGGVG), da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat (§ 29 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1 EGGVG) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 29 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 EGGVG). Der vorliegende Einzelfall gibt keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (vgl. BGHSt. 24, 15, 21 f.). Durch die Entscheidung des Senats entstehen auch keine schwererträglichen Unterschiede in der Rechtsprechung als Ganzes (vgl. dazu BGH a.a.O.).
2. Die Kostenfolge ergibt sich nach Wegfall des § 30 Abs. 1 EGGVG a.F. für ab dem 23.7.2013 anhängig gewordene oder eingeleitete Verfahren aus den § 1 Abs. 2 Nr. 19 und § 22 GNotKG, die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 36 Abs. 2 GNotKG.


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