Strafrecht

Medizinisch-psychologisches Gutachten, Begutachtungsanordnung, Führen von Kraftfahrzeugen, Fahrerlaubnisbehörde, Antragstellers, Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, Aufschiebende Wirkung, Entziehung der Fahrerlaubnis, MPU-Gutachten, Gutachtenanordnung, Gutachtenanforderung, Neues Gutachten, Ärztliches Gutachten, Weiteres Gutachten, Gutachtenbeibringung, Befähigung zum Richteramt, Fahrerlaubnisklassen, Entzug der Fahrerlaubnis, Fahrerlaubnisentziehung, Methamphetamin

Aktenzeichen  W 6 S 20.1831

Datum:
14.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 39886
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
FeV § 11 Abs. 8

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage (W 6 K 20.1830) wird bezüglich der Nummern 1 und 2 des Bescheides des Landratsamts B. vom 21. Oktober 2020 wiederhergestellt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller (geb. …1988) wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Entzugs seiner Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, L, M und S. 1.
Dem Landratsamt B. (künftig: Landratsamt) wurde durch eine Mitteilung der PI B. bekannt, dass der Antragsteller am 21. April 2020, 17:20 Uhr, als Führer eines Kraftfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen … (Firmenbus) in B, einer Verkehrskontrolle unterzogen wurde. Hierbei zeigte der Antragsteller, der im polizeilichen Bericht als amtsbekannter Betäubungsmittelkonsument bezeichnet wird, Anzeichen eines vorangegangenen Drogenkonsums (starkes Zittern, Mundtrockenheit, Pupillenreaktion). Ein Drogenvortest (Urintest) war positiv auf THC. Der Antragsteller räumte gegenüber der Polizei ein, in einer Konsumrunde am 19. April 2020 etwa zwischen 20:00 und 22:00 Uhr passiv geraucht zu haben.
Die am 21. April 2020, 19:43 Uhr, entnommene Blutprobe war laut Rechtsmedizinischem Gutachten des Universitätsklinikums Bonn vom 8. Juni 2020 im immunologischen Vortestbefund (Serum/Plasma) positiv auf Amphetamin und Methamphetamin/Ecstasy-Derivate sowie auf Cannabinoide. Der immunchemisch positive Vortestbefund auf Amphetamin und Methamphetamin/Ecstasy-Derivate konnte chromatographisch jedoch nicht bestätigt werden. Desweitern wurde in der Blutprobe THC in einer Konzentration von 2,0 ng/ml sowie THC-COOH (Metabolit) in einer Konzentration von 24,0 ng/ml festgestellt.
Wegen der Fahrt unter THC-Einfluss erging gegen den Antragsteller ein rechtskräftiger Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle, Viechtach, vom 2. September 2020.
Mit Schreiben vom 13. Juli 2020 forderte das Landratsamt den Antragsteller unter Hinweis auf die Fahrt unter THC-Einfluss und den grenzwertigen Befund bzw. Hinweis auf Amphetamin und Methamphetamin/Ecstasy-Derivate auf, gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 und 9.1 der Anlage 4 FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung bis zum 27. September 2020 zur Klärung von Fahreignungszweifel vorzulegen. Die Fragestellung an die Begutachtungsstelle werde lauten:
„Ist insbesondere nicht zu erwarten, dass der Antragsteller zukünftig Amphetamin oder Betäubungsmittel im Sinne des BtMG bzw. andere psychoaktiv wirkende Stoffe im Sinne des StVG, die die Fahreignung nach Anlage 4 FeV infrage stellen, einnimmt.
Ist insbesondere nicht zu erwarten, dass der Antragsteller zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Cannabis (THC) und dessen Neben-/Nachwirkungen führen wird (Fähigkeit zum Trennen von Konsum und Verkehrsteilnahme).“
Zur Begründung wurde ausgeführt: Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV könne die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen. Auch wenn die festgestellte THC-Konzentration unter 3 ng/ml gelegen habe (Empfehlungen der Grenzwertkommission für die Konzentration von THC im Blutserum zur Feststellung des Trennungsvermögens von Cannabis und Fahren), so sei auch durch den niedrigeren THC-Wert belegt, dass der Antragsteller am 21. April 2020 nicht bereit oder nicht in der Lage gewesen sei, den Drogenkonsum von der Verkehrsteilnahme zu trennen. Zudem sei ein THC-COOH-Wert von 24,0 ng/ml ermittelt worden. Nach der Rechtsprechung sei bei einem Wert ab 10 ng/ml von einem gelegentlichen Konsum auszugehen, solange kein substantiierter und glaubhafter Vortrag erfolge, der dies entkräfte. Nach der sogenannten Daldrup-Tabelle weise ein zeitnah nach Kontrolle ermittelter THC-COOH-Wert im Bereich von 10 – 150 ng/ml mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen gelegentlichen Konsum von THC hin. Die Wahrscheinlichkeit, nach einem erst- und einmaligen Konsum von Cannabis und anschließender Teilnahme am Straßenverkehr in eine Polizeikontrolle zu geraten, sei aufgrund der allgemein bekannten geringen Kontrolldichte im Straßenverkehr sowohl hinsichtlich von Drogen- als auch von Alkoholverstößen fast auf Null zu beziffern. Auch ein einmaliger Verstoß gegen das Trennungsgebot begründe Bedenken gegen die Fahreignung, denen die Fahrerlaubnisbehörde zur Klärung der Zweifel nachgehen müsse. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV seien erfüllt aufgrund des gelegentlichen Konsums von Cannabis und des festgestellten THC-Wertes von 1,7 ng/ml (richtig: 2,0 ng/ml) sowie der Tatsache, dass der Konsum und das Fahren nicht habe getrennt werden können. Auch sei aufgrund des grenzwertigen Befundes von Amphetamin und Methamphetamin/Ecstasy-Derivaten zu überprüfen, ob Betäubungsmittel/Amphetamin konsumiert werde. Der Konsum von Amphetamin indiziere die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen gemäß Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV. Aufgrund des vorliegenden Blutgutachtens bestehe der begründete Verdacht, dass der Antragsteller Betäubungsmittelkonsument (Amphetamin) sein könne. Bei der Ermessensentscheidung sei berücksichtigt worden, dass von Betäubungsmitteln erhebliche Gefahren für den Straßenverkehr ausgingen, da Cannabis-Konsum im speziellen die Fähigkeiten beeinträchtige, die zum Führen eines Kraftfahrzeugs notwendig seien. Zur Abklärung des künftigen Trennvermögens beim Konsum von THC und dem evt. Amphetaminkonsum sei deshalb nach pflichtgemäßem Ermessen die Begutachtung anzuordnen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei dabei gewahrt. Zweck der Anordnung sei es zu klären, ob der Antragsteller zukünftig den Konsum von Cannabis und das Führen eines Kraftfahrzeugs sicher trennen könne und/oder Amphetamin konsumiere. Nur durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten könne geklärt werden, ob der Antragsteller weiterhin geeignet sei, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge zu führen. Die Anordnung stelle das mildeste Mittel zur Aufklärung dar und sei somit erforderlich und auch angemessen. Es wurde darauf hingewiesen, dass im Falle der Weigerung sich untersuchen zu lassen oder der nicht fristgerechten Beibringung des Gutachtens auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden dürfe und die Fahrerlaubnis zu entziehen sei (§ 11 Abs. 8 FeV). Auf die dem Antragsteller am 15. Juli 2020 zugestellte Anordnung wird im Übrigen verwiesen.
Der Antragsteller erklärte sich mit einer Begutachtung durch die TÜV Thüringen GmbH in Schweinfurt einverstanden, der das Landratsamt mit Schreiben vom 27. Juli 2020 die Unterlagen zusammen mit folgender Fragestellung übermittelte:
„Ist insbesondere nicht zu erwarten, dass der Untersuchte zukünftig Amphetamin, Ecstasy, DOC, LSD und MDMA einnimmt? Kann der Untersuchte trotz der Hinweise auf gelegentlichen Cannabiskonsum sowie gleichzeitigen Gebrauch von anderen psychoaktivwirkenden Stoffen im Sinne des StVG ein Kraftfahrzeug der Gruppe 1 sicher führen? Ist insbesondere nicht zu erwarten, dass er zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Cannabis und deren Nachwirkungen oder gleichzeitigen Gebrauch von anderen psychoaktivwirkenden Stoffen im Sinne des StVG führen wird?“
Mit Schreiben vom 8. September 2020 sandte die TÜV Thüringen GmbH die Aktenunterlagen zurück. Der Antragsteller legte das Gutachten in der Folgezeit nicht vor.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 25. September 2020 ließ der Antragsteller vortragen, nach Überprüfung des Gutachtens sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass dieses in vielfacher Hinsicht im Widerspruch zu den Angaben stehe, die der Antragsteller vor Ort gegenüber der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie sowie der Psychologin gegeben habe. Zwischen dem Sachverständigen und dem Antragsteller bestehe eine erhebliche Diskrepanz, die dazu geführt habe, dass der Antragsteller jegliches Vertrauen in die Gutachter verloren habe. Es sei deshalb beabsichtigt, ein (weiteres) Gutachten einer Begutachtungsstelle einzuholen. Um entsprechende Fristverlängerung werde gebeten. Der Antragsteller habe gegenüber dem Gutachter erklärt, dass er den nahezu einmaligen Konsum von Drogen nach der allgemeinen Verkehrskontrolle vom 31. April 2020 nicht nur ausgesetzt, sondern vollständig eingestellt habe. Der Antragsteller sei unabhängig von einer Begutachtung bereit, dies auch durch unabhängige Tests feststellen zu lassen, bis eine entsprechende Begutachtung vorliege. Der Antragsteller habe sich im Rahmen der Begutachtung gezielt gewehrt, dass er Amphetamine und Methamphetamin/Ecstasy-Derivate eingenommen habe. Auch sei nur ein grenzwertiger Wert festgestellt worden und der Antragsteller habe dies gegenüber dem Sachverständigen eindeutig erklärt. Auch dies sei vom Sachverständigen unzutreffend aufgefasst worden. Der Antragsteller sei als Vorarbeiter im Baugewerbe als Beschichter und Bausanierer deutschlandweit unterwegs und lege allein aus diesem Grund pro Jahr zwischen 66.000 und 70.000 km zurück. Die Entziehung der Fahrerlaubnis würde den Verlust des Arbeitsplatzes bedeuten.
Mit Schreiben vom 29. September 2020 hörte das Landratsamt den Antragsteller zum beabsichtigten Entzug der Fahrerlaubnis an und gab Gelegenheit zur Stellungnahme.
Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2020 wies der Bevollmächtigte darauf hin, dass die Rechtsfolge aus § 11 Abs. 8 FeV zwangsläufig sei. Der Antragsteller habe sich jedoch nicht geweigert sich untersuchen zu lassen und der Gutachter habe „positiv“ festgestellt, dass der Antragsteller seit dem Vorfall am 21. April 2020 keine Drogen mehr konsumiere. Auch habe der Antragsteller ohne „Wenn und Aber“ eingeräumt, vor diesem Vorfall Cannabis konsumiert zu haben. Entscheidend sei, dass im rechtsmedizinischen Gutachten ein grenzwertiger Wert bzw. ein Hinweis auf Amphetamin und Methamphetamin/Ecstasy festgestellt worden sei. Dem Antragsteller sei dies nach wie vor nicht erklärlich, da er solche Drogen niemals konsumiert habe. Dies habe er auch im Rahmen der Begutachtung erklärt. Er habe vehement bestritten, solche Drogen konsumiert zu haben. Der Gutachter sei zu dem Ergebnis gekommen, dem Antragsteller seien die mit früheren Drogenkonsum verbundenen Risiken nicht hinreichend bewusst und er habe „nicht nachvollziehbar darstellen“ können, „weshalb er grenzwertig Amphetamin und Methamphetamin in den Blutwerten hatte.“ Auch seitens des Landratsamts sei von einem „eventuell gegebenen Amphetaminkonsum“ gesprochen worden. Dies müsse zwangsläufig dazu führen, dass nicht darauf geschlossen werden könne, dass der Antragsteller Amphetamin und Methamphetamin/Ecstasy eingenommen habe. Dies werde jedoch bei der MPU-Begutachtung unterstellt. Nachdem der Antragsteller dies bestritten habe, sei dies vom Gutachter als keine ausreichende Aufarbeitung des Drogenmissbrauchs und der zugrundeliegenden Problematik dargestellt worden. Dies sei nicht haltbar. Der Antragsteller beabsichtige deshalb, ein weiteres Gutachten einzuholen.
Mit Bescheid vom 21. Oktober 2020 entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis (Nr. 1) und gab ihm auf, den Führerschein unverzüglich nach Zustellung des Bescheides beim Landratsamt abzuliefern (Nr. 2). Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 3) und für den Fall, dass die unter Nr. 2 des Bescheides festgelegte Pflicht nicht bis spätestens 4. November 2020 erfüllt wird, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht (Nr. 4). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe das zurecht geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht vorgelegt bzw. nicht fristgerecht beigebracht. Die Fahrerlaubnisbehörde habe deshalb gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen dürfen. Die Ausführungen zum Gutachten bzw. zu den Differenzen bei der Begutachtung seien für die Führerscheinstelle nicht nachvollziehbar, da das Gutachten nicht vorgelegt wurde. Eine Prüfung, ob formelle oder materielle Mängel vorliegen, habe deshalb nicht erfolgen können. Es werde davon ausgegangen, dass das MPU-Gutachten nach den aktuell gültigen Begutachtungsleitlinien erstellt worden und somit verwertbar sei. Eine erneute Begutachtung habe abgelehnt werden müssen, da auch bei wiederholter Begutachtung ein positives Ergebnis nicht feststehe und sich in Fällen, in denen zu klären sei, ob der Betroffene seine Fahreignung verloren habe, sich die zu bestimmende Frist zur Vorlage des Gutachtens ausschließlich an der Zeitspanne orientiere, die eine amtlich anerkannte Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstellung des Gutachtens brauchen werde. Keinesfalls sei die Dauer der Frist danach zu bemessen, wie lange der Betroffene zur Sicherstellung einer positiven Begutachtung brauchen werde. Dass der Antragsteller auf den Führerschein beruflich angewiesen sei, könne nicht berücksichtigt werden, da das öffentliche Interesse an der Sicherheit im Straßenverkehr eine unmittelbare Eignungsüberprüfung fordere und das private an Interesse bei daraus folgenden gegebenenfalls negativen Entscheidungen und Maßnahmen zurücktrete. Zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde stehe somit die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen fest. Schlüssige Hindernisse oder Nachweise, die gegen diese Annahme sprechen, seien nicht ersichtlich. Die Fahrerlaubnis sei deshalb nach § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV i.V.m. § 11 Abs. 1 FeV zu entziehen. Hierbei bestehe kein Ermessen. Die Ablieferungspflicht bezüglich des Führerscheins ergebe sich aus § 47 Abs. 1 FeV. Hierdurch solle verhindert werden, dass der Besitzer des Führerscheins den Anschein erwecken könne, er sei im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis. Auch hierbei bestehe kein Ermessen.
Die sofortige Vollziehung werde angeordnet, um sicherzustellen, dass der Antragsteller ab der Zustellung dieses Bescheides kein Kraftfahrzeug mehr führe. Das öffentliche Interesse an der Sicherheit im Straßenverkehr fordere den sofortigen Vollzug dieses Bescheides und lasse ein privates Interesse an einem Aufschub der Auswirkungen dieser Entscheidung zurücktreten (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Hierbei sei zu berücksichtigen, dass von Betäubungsmittelkonsumenten erhebliche Gefahren für den Straßenverkehr ausgingen. Eine Interessenabwägung falle zulasten des Antragstellers aus, da die Gefahren für Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer durch fahrungeeignete Person nicht verantwortet werden könne, dem Antragsteller wegen seiner persönlichen und beruflichen Belange auch nur vorläufig bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens die Teilnahme mit Kraftfahrzeugen am Straßenverkehr zu erlauben. Im sicherheitsrechtlichen Interesse der Allgemeinheit, vor Kraftfahrern geschützt zu werden, die ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sind, könnten auch persönliche Härten nicht berücksichtigt werden. Auf den dem Bevollmächtigten am 24. Oktober 2020 zugestellten Bescheid wird im Übrigen verwiesen.
Am 2. November 2020 gab der Kläger seinen Führerschein beim Landratsamt ab.
2. Am 24. November 2020 ließ der Kläger Klage (W 6 K 20.1830) erheben, über die noch nicht entschieden ist, und ihm zugrundeliegenden Verfahren beantragen,
die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheides des Landratsamts B. vom 21. Oktober 2020 auszusetzen und die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen sowie dem Antragsgegner aufzugeben, den abgegebenen Führerschein unverzüglich wieder auszuhändigen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller stelle nicht in Abrede, dass er im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle am 21. April 2020 einem Drogentest unterzogen worden sei, bei dem ein positives Ergebnis auf THC herausgekommen sei. Bei der Blutanalyse sei laut rechtsmedizinischem Gutachten des Universitätsklinikums Bonn jedoch nur ein grenzwertiger Wert bzw. Hinweis auf Amphetamin und Methamphetamin/Ecstasy-Derivate festgestellt worden. Auch sei beim Kläger nur ein relativ niedriger THC-Wert (2,0 ng/ml) festgestellt worden, somit unter 3 ng/ml. Dennoch habe sich der Antragsteller bereit erklärt, das geforderte Gutachten vorzulegen. Er habe sich somit nicht geweigert, sich untersuchen zu lassen. Durch den Gutachter sei „positiv“ festgestellt worden, dass der Antragsteller seit dem Vorfall am 21. April 2020 keine Drogen mehr konsumiere. Der Antragsteller habe auch im Rahmen der Begutachtung „ohne Wenn und Aber“ eingeräumt, dass er vor dem Vorfall am 21. April 2020 Cannabis konsumiert habe. Entscheidend sei, dass im rechtsmedizinischen Gutachten ein grenzwertiger Wert bzw. ein Hinweis auf Amphetamin und Methamphetamin/Ecstasy festgestellt worden sei. Dem Kläger sei dies nach wie vor nicht erklärlich, da er solche Drogen niemals konsumiert habe und auch nicht konsumieren werde. Dies habe er auch im Rahmen der Begutachtung erklärt und vehement bestritten, dass er solche Drogen konsumiert habe. Dies habe dazu geführt, dass der Gutachter zu dem Ergebnis gekommen sei, dass dem Antragsteller die mit dem früheren Drogenkonsum verbundenen Risiken nicht hinreichend bewusst seien und der Antragsteller „nicht nachvollziehbar darstellen“ habe können, „weshalb er grenzwertig Amphetamin und Methamphetamin in den Blutwerten hatte“. Auch vom Landratsamt sei im Schreiben vom 19. September 2020 und im Bescheid vom 21. Oktober 2020 von einem „evtl. gegebenen Amphetaminkonsum“ gesprochen worden. Hieraus könne jedoch nicht zwangsläufig geschlossen werden, dass der Antragsteller Amphetamin und Methamphetamin eingenommen habe. Dies sei bei der MPU-Begutachtung unterstellt worden. Nachdem dies vom Antragsteller bestritten worden sei, sei dies vom Gutachter als keine ausreichende Aufarbeitung des Drogenmissbrauchs und der zugrundeliegenden Problematik dargestellt worden. Da dies nicht haltbar sei, sei beantragt worden, dass der Antragsteller ein neues Gutachten einholt, was abgelehnt worden sei. Die Möglichkeit einer erneuten Begutachtung hätte jedoch eingeräumt werden müssen. Ein solcher Termin hätte bereits im Oktober 2020 stattfinden können. Eine Verzögerungstaktik könne dem Antragsteller nicht vorgeworfen werden. Das Landratsamt habe sich aus nicht nachvollziehbaren Gründen geweigert, die Unterlagen für eine neue Begutachtung zu verschicken. Durch die sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung sei der Antragsteller in seiner beruflichen Tätigkeit erheblich eingeschränkt. Auf das Schreiben der Firma E. B. GmbH vom 17. September 2020 werde hingewiesen. Es drohe dem Antragsteller der Verlust seines Arbeitsplatzes.
Das Landratsamt beantragte für den Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, durch den im rechtsmedizinischen Gutachten festgestellten THC-Wert von 2,0 ng/ml stehe fest, dass der Antragsteller den Konsum der Droge nicht von der Verkehrsteilnahme habe trennen können. Nach der Rechtsprechung sei dies bei einer THC-Konzentration ab 1,0 ng/ml im Blutserum der Fall. Somit sei eine Eignungsüberprüfung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV veranlasst gewesen, da der Antragsteller auch als gelegentlicher Cannabiskonsument anzusehen sei. Ein auch einmaliger Verstoß gegen das Trennungsgebot begründe bereits Bedenken gegen die Fahreignung, denen die Fahrerlaubnisbehörde zur Klärung der Zweifel nachgehen müsse. Erforderlich sei eine Prognose, ob der Antragsteller als gelegentlicher THC-Konsument auch künftig nicht zwischen einem möglicherweise die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Cannabiskonsum und dem Fahren trennen könne. Auch sei durch die Fahrerlaubnisbehörde aufgrund des immunchemisch positiven Befunds aus dem Gutachten in Bezug auf Amphetamin und Methamphetamin/Ectasy-Derivate zu überprüfen, ob der Antragsteller Betäubungsmittel/Amphetamin konsumiert habe oder nicht. Ein solcher Konsum indiziere die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV. Aufgrund des Blutgutachtens bestehe der begründete Verdacht, dass der Antragsteller Amphetaminkonsument sein könnte. Amphetamin als psychoaktiver Stoff schließe ebenso bei gleichzeitiger Einnahme von THC die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aus. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der nicht mehr mögliche Nachweis des Betäubungsmittelkonsums durch die Blutanalyse lediglich daher rührte, dass dies aufgrund eines länger zurückliegenden Konsums nicht mehr möglich sei. Aus dem Schreiben des Bevollmächtigten vom 22. September 2020 sei zu entnehmen, dass das Gutachten offensichtlich negativ sei und deshalb der Fahrerlaubnisbehörde nicht vorgelegt werde. Die Ausführungen zum Gutachten bzw. zu den Differenzen bei der Begutachtung seien nicht nachvollziehbar bzw. hätten von der Fahrerlaubnisbehörde nicht geprüft werden können, da das Gutachten bis zum Erlass des Entzugsbescheides nicht vorgelegt worden sei. Eine Fristverlängerung bzw. die nochmalige Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens werde zurückgewiesen. Die zu bestimmende Frist bestimme sich in Entziehungsverfahren an der Zeitspanne, die eine amtlich anerkannte Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstellung des Gutachtens brauche. Keinesfalls habe sich die Dauer der Frist danach zu bemessen, wie lange der Betroffene zur Sicherstellung einer positiven Begutachtung brauchen werde. Eine erneute Begutachtung mit nochmaliger Fristsetzung scheide deshalb aus.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag hat im tenorierten Umfang Erfolg.
1. Der Antrag ist unzulässig, soweit der Antragsteller beantragen lässt, dem Antragsgegner aufzugeben, den abgelieferten Führerschein unverzüglich wieder an ihn herauszugeben. Für diesen Antrag fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Es ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass der Antragsgegner nicht von sich aus die Konsequenzen aus einem erfolgreichen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ziehen und dem Antragsteller seinen Führerschein zurückgeben wird (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2007 – 11 CS 06.2028 – juris).
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der am 5. November 2020 erhobenen Klage gegen den Bescheid vom 2. Oktober 2020 hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis und Ablieferung des Führerscheins ist im Übrigen zulässig und begründet. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis (Nr. 1 des Bescheides) und die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins (Nr. 2 des Bescheides) entfällt, weil die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs im streitgegenständlichen Bescheid genügt den formell-rechtlichen Anforderungen, unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Ausführungen auch (noch) bezüglich der Ablieferungspflicht des Führerscheins. Sie zeigt, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst war und enthält die Erwägungen, die er für die Anordnung des Sofortvollzugs als maßgeblich angesehen hat.
2. Eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, ergibt jedoch, dass die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 2. April 2020 voraussichtlich Erfolg haben wird (hierzu unter 2.1). Auch ergibt eine von den Erfolgsaussichten der Hauptsache losgelöste gerichtliche Abwägung ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis (hierzu unter 2.2).
2.1 Nach summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, hat die erhobene Klage voraussichtlich Erfolg, da die Entziehung der Fahrerlaubnis mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf § 11 Abs. 8 FeV gestützt werden konnte. Die Fragestellung in der Gutachtensanordnung vom 13. Juli 2020 ist teilweise unzutreffend und zu weitgehend; insbesondere stimmte diese auch nicht mit der an die Begutachtungsstelle der TÜV Thüringen GmbH übermittelten Fragestellung überein. Der Bescheid vom 2. Oktober 2020 ist deshalb voraussichtlich rechtwidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Einzelnen:
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Das ist insbesondere der Fall, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV). Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV liegt die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht vor bei der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis). Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis weiterhin von der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen, wenn Trennung von Konsum und Fahren gegeben ist und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorliegt. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen, finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 – 14 FeV entsprechende Anwendung. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein ärztliches Gutachten (§ 11 Abs. 2 Satz 3) beizubringen ist, wenn Tatsachen die Annahme der Einnahme von Betäubungsmitteln i.S.d. BtMG begründen. Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, so darf die Behörde bei ihrer Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, sofern der Betroffene hierauf in der Gutachtensanforderung hingewiesen wurde (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV). Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Untersuchungsanordnung formell und materiell rechtmäßig ist und die Weigerung ohne ausreichenden Grund erfolgt (BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25/04 – DAR 2005, 581; BayVGH, B.v. 25.6.2008 – 11 ZB 08.1123 – juris).
Die behördlicherseits vorgegebene Fragestellung in der Gutachtensanordnung muss insbesondere den sich aus § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV ergebenden Anforderungen gerecht werden. Nach § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV legt die Fahrerlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 zur FeV in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Die Behörde teilt dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle oder Stellen mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festzulegenden Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat; sie teilt ihm außerdem mit, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann (§ 11 Abs. 6 Satz 2 FeV). Der Betroffene hat die Fahrerlaubnisbehörde darüber zu unterrichten, welche Stelle er mit der Untersuchung beauftragt hat (§ 11 Abs. 6 Satz 3 FeV). Die Fahrerlaubnisbehörde teilt der untersuchenden Stelle mit, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind und übersendet ihr die vollständigen Unterlagen, soweit sie unter Beachtung der gesetzlichen Verwertungsverbote verwendet werden dürfen (§ 11 Abs. 6 Satz 4 FeV). Die Untersuchung erfolgt aufgrund eines Auftrages durch den Betroffenen (§ 11 Abs. 6 Satz 5 FeV). Im Hinblick darauf, dass eine Gutachtensanordnung nicht isoliert mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann, kann auf die strikte Einhaltung der vom Verordnungsgeber für die Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung aufgestellten formalen Voraussetzungen nicht verzichtet werden (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2012 – 11 ZB 12.1596 – ZfSch 2013, 177). Hierdurch wird für die Betroffenen die Entscheidungsfreiheit gewährleistet, ob sie sich der angeordneten Begutachtung unterziehen wollen oder nicht, ohne den Entzug der Fahrerlaubnis zu riskieren.
Der Antragsteller hat das geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht vorgelegt. Die Voraussetzungen für den Schluss auf die Nichteignung des Antragstellers gemäß § 11 Abs. 8 FeV lagen jedoch nicht vor, da die Begutachtungsanordnung insgesamt rechtswidrig war.
2.1.1
Im vorliegenden Fall bestanden im Hinblick auf das Führen eines Kraftfahrzeugs am 21. April 2020 mit einer THC-Konzentration im Blut von 2,0 ng/ml hinreichende Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers, die nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV zum Zwecke der Klärung seiner Fahreignung die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertigten. Der Antragsteller ist vor dem Hintergrund, dass er im Polizeibericht der PI B. als „amtsbekannter Betäubungsmittelkonsument“ bezeichnet wurde und im Hinblick auf die von der Fahrerlaubnisbehörde in der Begutachtungsanordnung zitierten weiteren Umstände und einschlägiger Rechtsprechung (BayVGH, B.v. 6.12.2019 – 11 CS 19.1174 – juris) auch als gelegentlicher Cannabis-Konsument anzusehen. Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis die Fahreignung nur dann gegeben, wenn Trennung von Konsum und Fahren besteht und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktivwirkenden Stoffen, keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorliegt. Es bestand deshalb aufgrund der Fahrt unter THC-Einfluss hinreichender Anlass das Trennvermögen des Antragstellers gutachterlich abzuklären. Das eingeräumte Ermessen wurde in der Begutachtungsanordnung hinreichend ausgeübt.
Auch der positive immunologische Vortestbefund (Serum/Plasma) des Universitätsklinikums Bonn in Bezug auf Amphetamin, Methamphetamin/Ecstasy-Derivate, war hinreichender Anlass für eine ärztliche Begutachtung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV i. V. m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV, auch wenn dieser Befund chromatographisch nicht bestätigt werden konnte. Die genannten Stoffe sind Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes. Auch wenn ein immunologischer Vortestbefund keine 100-prozentige Sicherheit aufweist und deshalb einer chromatographischen Bestätigung bedarf, so ist darin doch ein gewichtiger Umstand zu sehen, der hinreichenden Anlass für die Annahme der Einnahme von Betäubungsmitteln und daraus resultierender Eignungszweifel gibt, was eine entsprechende Abklärung durch ein ärztliches Gutachten nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV ermöglicht. Es ist für das Vorliegen von Eignungszweifeln nicht erforderlich, dass eine Erkrankung oder ein Mangel bereits feststeht, allerdings darf die Beibringung des Gutachtens nur aufgrund konkreter Tatsachen, nicht auf einen bloßen Verdacht „ins Blaue hinein“ bzw. auf Mutmaßungen, Werturteilen, Behauptungen oder dergleichen hin verlangt werden (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01 – juris Rn 26).
Im vorliegenden Fall lagen somit hinreichende Tatsachen für die Annahme einer beim Antragsteller vorliegenden Fahrungeeignetheit durch die evtl. Einnahme von Amphetamin und Methamphetamin/Ecstasy-Derivate (Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV) sowie hinsichtlich fehlenden Trennvermögens von Cannabiskonsum und Führen eines Kraftfahrzeuges (Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV) vor.
Hierbei wird die Begutachtungsanordnung vom 13. Juli 2020 wohl nicht bereits deshalb als rechtswidrig anzusehen sein, weil die Rechtsgrundlage für die Abklärung der Eignungszweifel wegen einer eventuellen Einnahme von Amphetamin, Metamphetamin/Ecstasy-Derivate nur unvollständig benannt (lediglich Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV, nicht jedoch § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV) und die Begutachtungsanordnung im Übrigen auf § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV gestützt wird. Die Nennung einer Rechtsgrundlage in einer Begutachtungsanordnung ist gesetzlich nicht erforderlich. Wird eine solche jedoch benannt, muss sie aber zutreffend sein, damit für den Betroffenen zweifelsfrei erkennbar ist, was Gegenstand der Begutachtung sein wird und seine Entscheidungsfreiheit, ob er der Begutachtungsanforderung folgen will, nicht beeinträchtigt ist. Im vorliegenden Fall ist jedenfalls nicht erkennbar, dass der Antragsteller durch die Nennung der Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV und dem fehlenden Hinweis auf § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV einem Irrtum über Art und Umfang der Begutachtung hätte unterliegen können. Dies wurde auch nicht vorgebracht.
2.1.2
Die Begutachtungsanordnung vom 13. Juli 2020 ist jedoch deshalb rechtswidrig, weil die erste Fragestellung unzutreffende Tatsachen zugrunde legt, in ihrer Zielrichtung an der zu klärenden Sache vorbeigeht und im Übrigen zu weit gefasst ist. Des Weiteren kommt hinzu, dass die Fragestellung nicht mit der an die Begutachtungsstelle gerichteten Fragestellung im Schreiben vom 27. Juli 2020 identisch ist, was jedoch erforderlich ist.
Da – wie oben dargestellt – die Einnahme von Amphetamin, Methamphetamin/Ecstasy-Derivaten gemäß Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV zur Fahrungeeignetheit führt und vorliegend durch den positiven immunologischen Vortestbefund hinreichende Tatsachen für die Annahme der Einnahme dieser Stoffe bestand, war es veranlasst, im Rahmen eines ärztlichen Gutachtens nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV aufzuklären, ob der Kläger in der Vergangenheit bereits diese Drogen eingenommen hat, was im Falle einer solchen Feststellung zur Fahrungeeignetheit geführt hätte. Die erste Frage in der Begutachtungsanordnung vom 13. Juli 2020 zielt jedoch lediglich darauf ab, ob der Antragsteller zukünftig Amphetamin oder Betäubungsmittel im Sinne des BtMG bzw. andere psychoaktiv wirkende Stoffe im Sinne des StVG, die die Fahreignung nach Anlage 4 Fev infrage stellen, einnimmt. Diese Fragestellung impliziert, dass eine Einnahme für die Vergangenheit bereits feststeht und es nur noch auf die Frage der künftigen Einnahme ankommen soll. Eine solche Fragestellung wäre lediglich dann veranlasst, wenn nach feststehender Einnahme von Betäubungsmitteln in der Vergangenheit und hierdurch bedingter Fahrungeeignetheit die Frage der Wiedererlangung der Fahreignung (Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV) zu klären wäre.
Hinzu kommt, dass diese Fragestellung auch zu weitgehend und damit unverhältnismäßig ist, da sie sich auf sämtliche Betäubungsmittel im Sinne des BtMG bzw. andere psychoaktiv wirkende Stoffe im Sinne des StVG (siehe hierzu die Anlage zu § 24a StVG) bezieht. Anlassbezogen war die Begutachtung jedoch lediglich bezüglich der Einnahme von Amphetamin und Metamphetamin/Ecstasy-Derivaten aufgrund des immunologischen Vortestbefundes. Das Betäubungsmittelgesetz hingegen sieht eine Vielzahl von Betäubungsmitteln (siehe hierzu die Anlagen zum BtMG) vor und auch die Anlage zu § 24a StVG enthält weitere Betäubungsmittel (z. B. Heroin, Morphin, Kokain), für deren Einnahme beim Antragsteller keinerlei Anhaltspunkte bestehen.
Diese zu weite Fragestellung wird auch nicht durch die veränderte Fragestellung im Schreiben des Landratsamts an die Begutachtungsstelle vom 27. Juli 2020 geheilt, sondern macht die Begutachtungsanordnung noch aus einem weiteren Grund rechtswidrig. Die Fragestellung, die der mit der Begutachtung beauftragten Stelle gemäß § 11 Abs. 6 Satz 4 FeV mitzuteilen ist, muss mit derjenigen identisch sein, die nach § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV in der an den Betroffenen gerichteten Anordnung, ein Gutachten beizubringen, festgelegt wurde. Unschädlich sind nur solche Abweichungen, die sich im rein sprachlichen Bereich bewegen, und solche, die den Betroffenen schlechthin nicht beeinträchtigen können (Henschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 11 Rn. 48 a.E.). Im vorliegenden Fall wurde im Übermittlungsschreiben des Landratsamts an die TÜV Thüringen GmbH in Schweinfurt vom 27. Juli 2020 die Frage jedoch über eine rein sprachliche Bereinigung hinaus inhaltlich verändert.
In der ersten Frage wurde – wie bereits in der Begutachtungsanordnung – gefragt, ob der Antragsteller zukünftig Amphetamin konsumiert, dies jedoch auf bestimmte Stoffe (Amphetamin, Ecstasy, DOC, LSD und MDMA) begrenzt. Zwar wäre dies möglicherweise insoweit als unproblematisch anzusehen, als sich der immunologische Vortestbefund nicht nur auf Amphetamin sondern auch auf Methamphetamin/Ecstasy-Derivate bezog, somit Stoffe, die von einer gemeinsamen Grundsubstanz (hier: Phenylethylamin) abgeleitet werden. Dies gilt jedoch nicht bezüglich des aufgeführten LSD, das zwar auch als Betäubungsmittel im Sinne des BtMG anzusehen ist, dem jedoch eine andere Grundsubstanz (Lysergsäure) zugrunde liegt und für dessen Einnahme es keinerlei Anhaltspunkte gibt.
Die zweite Frage ist insoweit zu beanstanden, als diese zur Abklärung des Trennvermögens bei Cannabiskonsum nur noch von Hinweisen auf gelegentlichen Cannabiskonsum spricht, die genannte Rechtsgrundlage (§ 14 Abs. 1 Satz 3 FeV) jedoch die Überzeugung der Behörde von einem feststehenden gelegentlichen Cannabiskonsum erfordert, was laut der Begutachtungsanordnung vom 13. Juli 2020 auch als gegeben angenommen wurde, wenn sich die Überzeugungsbildung der Behörde auch erkennbar nur auf Indizien gestützt hat.
Auch die dritte Frage, die sich auf das Trennvermögen des Antragstellers bezüglich Cannabiskonsum und Führen von Kraftfahrzeugen bezieht, ist wiederum zu weitgehend, als sie sich auf die Einbeziehung von weiteren psychoaktiv wirkenden Stoffen im Sinne des StVG und damit auf Betäubungsmitteln wie z.B. Heroin und Kokain, für deren Vorliegen vorliegend keine Anhaltspunkte bestehen, bezieht.
Der Antragsteller hat die geforderte Begutachtung durchführen lassen, das erstellte Gutachten jedoch unter Hinweis auf Diskrepanzen und Missverständnisse zwischen dem Antragsteller und dem Gutachter nicht vorgelegt. Zwar kann dies mangels Vorliegen des Gutachtens nicht nachvollzogen werden. Angesichts der oben aufgezeigten Fehler bei der Fragestellung sowohl bereits bei der Begutachtungsanordnung vom 13. Juli 2020 als auch bei dem Übermittlungsschreiben an die Begutachtungsstelle vom 27. Juli 2020 lassen sich jedoch solche Diskrepanzen und Missverständnisse auch nicht ausschließen, etwa bezüglich der Frage, ob der Antragsteller in der Vergangenheit Betäubungsmittel im Sinne der Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV eingenommen hat oder nicht. Ausgehend von der Fragestellung, musste für den Gutachter die Einnahme, die erst durch die Begutachtung aufgeklärt werden sollte, bereits feststehen. Es erscheint deshalb nicht unwahrscheinlich, dass der Einwand des Klägers, er habe Betäubungsmittel in der Vergangenheit nicht, zumindest nicht bewusst eingenommen, aus gutachterlicher Sicht zu der Annahme führen konnte, der Antragsteller habe eine (aus seiner Sicht feststehende) Drogenvergangenheit noch nicht ausreichend bewältigt.
Da somit die Anforderung der Begutachtung an erheblichen Mängeln leidet, musste der Antragsteller der Begutachtung nicht Folge leisten und aus der Nichtvorlage des Gutachtens konnte nicht auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen nach § 11 Abs. 8 FeV geschlossen werden. Die gegen den Bescheid vom 21. Oktober 2020 erhobene Klage wird deshalb voraussichtlich erfolgreich sein. Ungeachtet dessen bestehen aufgrund des oben dargestellten Sachverhalts jedoch die Fahreignungszweifel gegen den Antragsteller weiterhin fort, sodass eine erneute Begutachtungsanordnung durch das Landratsamt veranlasst sein wird.
2.2 Auch eine zusätzliche, von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs losgelöste gerichtliche Abwägung des Vollzugs- und Suspensivinteresses ergibt ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Auch wenn das Gutachten nach seinem Vorbringen negativ war, so ist es im Hinblick auf die oben dargestellte zu weite und teilweise irreführende Fragestellung und die fehlende Identität zwischen dieser Fragestellung und der an die Begutachtungsstelle gerichteten Fragen voraussichtlich auch nicht verwertbar. Die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen steht derzeit nicht fest. Auch wenn noch Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers bestehen, so ist im Hinblick auf den voraussichtlichen Erfolg der erhobenen Klage sowie dem Vortrag des Klägers, dass er seit dem Vorfall keine Betäubungsmittel mehr einnimmt, was auch im Gutachten festgestellt worden sein soll (lediglich eine ausreichende Aufarbeitung der Drogenproblematik habe der Gutachter vermisst), verantwortbar, dem Antragsteller bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren bzw. bis zu einer erneuten Entscheidung aufgrund einer erneuten Begutachtungsanordnung der Behörde die Fahrerlaubnis zu belassen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Ablehnung des Antrags bezüglich der Herausgabe des Führerscheins stellt sich als nur geringfügiges Obsiegen des Antragsgegners dar.
4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 sowie Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Streitwertrelevant war hier lediglich die Fahrerlaubnisklasse B, die die anderen Fahrerlaubnisklassen mit umfasst. Die Fahrerlaubnisklasse B ist mit dem Auffangstreitwert (5.000,00 EUR) anzusetzen, der im Eilverfahren zu halbieren ist.


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