Strafrecht

Schadensersatz, Angeklagte, Schmerzensgeld, Tateinheit, Gesamtfreiheitsstrafe, Hauptverhandlung, Untersuchungshaft, Freiheitsstrafe, Revision, Marihuana, Wohnung, Therapie, Konsum, Tatmehrheit, nicht geringer Menge, geringer Menge, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Aktenzeichen  2 KLs 44 Js 6774/19 (3)

Datum:
9.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 50248
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 114 Abs. 1, § 223 Abs. 1, § 230 Abs. 1, § 52

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Angeklagte B1. Ö., geboren am … 1987, ist aufgrund des Urteils des Landgerichts München II vom 03.03.2020, Az. 1 J KLs 44 Js 6774/19, und des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 18.08.2020, Az. 1 StR 247/20, schuldig des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung.
II. Der Angeklagte wird deswegen zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr 9 Monaten verurteilt.
III. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten des Rechtsmittels. Die Kosten des Rechtsmittels und notwendigen Auslagen des Angeklagten bezüglich des Rechtsmittels werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

A. Verfahrensgang
I. Das Landgericht München II hat mit Urteil vom 03.03.2020, Aktenzeichen 1 J KLs 44 Js 6774/19 den Angeklagten M2. B2. wegen zweier Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, davon in einem Fall in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, den Angeklagten B1. Ö. wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten und die Angeklagte L2. W. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu vier Tagen Kurzarrest und den jugendrichterlichen Weisungen, binnen zwei Monaten an einer Beratung der Schwangerschaftsberatung des Gesundheitsamts D. teilzunehmen sowie innerhalb eines Jahres insgesamt vier Drogenscreenings auf Anordnung der Jugendgerichtshilfe durchführen zu lassen, verurteilt. Gegen den Angeklagten M2. B2. wurde darüber hinaus die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 2.250 Euro und die erweiterte Einziehung von 240 Euro angeordnet. Den Angeklagten B1. Ö. und Ma. Bl. wurden die Kosten des Verfahrens sowie ihre notwendigen Auslagen auferlegt.
Gegen das Urteil hat von den Verfahrensbeteiligten nur der Angeklagte B1. Ö. Revision eingelegt. Hinsichtlich der Mitangeklagten Bl. und W. wurde das Urteil rechtskräftig.
II. Mit Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18.02.2021, Aktenzeichen 1 StR 247/20 ist auf die Revision des Angeklagten Ö. das Urteil des Landgerichts München II vom 03.03.2020, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben worden; jedoch blieben die Feststellungen zum Angriff auf den Polizeibeamten K. einschließlich der von diesem erlittenen Verletzungen aufrechterhalten. Die weitergehende Revision des Angeklagten wurde als unbegründet verworfen und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts München II zurückverwiesen.
Nach der Geschäftsverteilung des Landgerichts München II ist die 2. Strafkammer des Landgerichts München II hierfür zuständig.
III. Die folgenden Feststellungen aus dem Urteil des Landgerichts München II vom 03.03.2020 wurden durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18.08.2020 hinsichtlich des Angeklagten Ö. aufrechterhalten (zu finden auf den Seiten 19, 20 und 23 des Urteils des Landgerichts München II vom 03.03.2020):
Die Angeklagte W. befand sich bei Betreten der Wohnung auf ihrem Sofa. Als sich die beiden Beamten als Polizeibeamte zu erkennen gaben, sprang die Angeklagte W. auf, rannte in Richtung Badezimmer und rief gleichzeitig „Achtung Bullen“. PHM K. zog die Angeklagte W. von der Badezimmertüre weg und rief sofort mehrfach und lautstark „Polizei, ich will ihre Hände sehen“.
Der Angeklagte Ö., der sich mit dem Zeugen T. S1. im Badezimmer befand und dort gemeinsam mit ihm einen Joint konsumiert hatte, stürmte unvermittelt und mit voller Wucht auf den Polizeibeamten K. los, und beide stürzten rückwärts über das Sofa in Richtung Bett, wo der Beamte auf dem Rücken zum Liegen kam. Sofort beugte sich der Angeklagte Ö. über PHM K. und holte mit der rechten Hand zum Schlag aus. PHM K. versuchte den Angriff mit Tritten gegen den Angeklagten Ö. abzuwehren. Gleichzeitig schrie er immer wieder „Polizei“. Währenddessen redete die Angeklagte W. von hinten beruhigend auf den Angeklagten ein und forderte ihn zum Aufhören auf, was dieser dann auch tat und vom PHM K. abließ.
Der Angriff hatte, wie der Angeklagte Ö. zumindest billigend in Kauf nahm, zur Folge, dass PHM K., neben einer Vielzahl von blauen Flecken, eine längere Zeit schmerzhafte Daumendistorsion sowie eine Schürfwunde am rechten Unterarm erlitt. Zudem wurde der Reißverschluss an seinem Pullover beschädigt.
[…] Keiner der Angeklagten war zu den Tatzeiten in seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit eingeschränkt.
[…]
Der Angeklagte Ö. hat sich noch gleich nach der Tat bei dem Geschädigten PHM K. entschuldigt. Darüber hinaus zahlte er in der Folgezeit an ihn ein Schmerzensgeld in Höhe von 500 € (hinsichtlich eines überschießenden Betrages – der Geschädigte K2. machte einen Betrag von 1000 € geltend – ist noch ein Verfahren beim Amtsgericht anhängig) und Schadensersatz für den beschädigten Pullover in Höhe von 50 €. In der Hauptverhandlung hat er sich erneut mit persönlichen Worten beim Geschädigten entschuldigt.
B. Ergänzende Feststellungen
Die Kammer hat folgende ergänzende tatsächliche Feststellungen zur Person des Angeklagten Ö. und zum verfahrensgegenständlichen Sachverhalt getroffen:
I. Persönliche Verhältnisse
1. Der Angeklagte B1. Ö. wurde am … 1987 in M. geboren. Sein Vater übte verschiedene Tätigkeiten, unter anderem im Friseurgewerbe sowie im Gebäude- und Lieferservice aus. Der Beruf der Mutter ist dem Angeklagten nicht bekannt. Als der Angeklagte fünf Jahre alt war, ließen sich die Eltern scheiden. Der Angeklagte ging mit seinem jüngeren, geistig behinderten Bruder zum Vater. Zur Mutter, die gegenüber dem kindlichen Angeklagten gewalttätig gewesen war, hatte er seitdem bis zum Herbst 2020 keinen Kontakt mehr.
Nach der 4-jährigen Grundschule besuchte der Angeklagte die Hauptschule, die er 2003 mit dem qualifizierten Hauptschulabschluss beendete. Von 2003 bis 2006 übte der Angeklagte verschiedene Gelegenheitstätigkeiten im Bereich Versicherung, Bau und Gastronomie aus. Im September 2006 begann er eine Ausbildung zum Koch, die er nach zwei Jahren abbrach. In der Strafhaft im Jahr 2018 (BZR Nr. 6) schloss der Angeklagte seine Ausbildung zum Koch ab. Seit seiner Haftentlassung am 21.09.2018 (BZR Nr. 6) bis zur Festnahme im gegenständlichen Verfahren am 16.02.2019 hat der Angeklagte keine Tätigkeit ausgeübt.
Der Angeklagte ist seit 2020 mit seiner aktuellen Lebensgefährtin liiert. Er wohnt momentan wieder in der väterlichen Wohnung in der L1. Straße 20 in München – Moosach und arbeitet als Koch sowie für einen Sicherheitsdienst, wobei er die gegenwärtige Beschäftigung als Koch aufgeben will zugunsten einer umfangreicheren Beschäftigung im Sicherheitsgewerbe, in welcher er aufgrund der dort höheren Stundenzahl mehr Geld verdienen kann. Es ist angedacht, dass der Angeklagte die Wohnung als Hauptmieter von seinem Vater übernehmen soll.
Nach der letzten Haftentlassung am 09.10.2020 nahm der Angeklagte mit Unterstützung seiner Lebensgefährtin auch Kontakt zu seiner leiblichen Mutter auf, welcher seither fortlaufend besteht. Im gleichen Zuge erlangte der Angeklagte auch Kontakt zu dreien seiner vier jüngeren Halbgeschwister mütterlicherseits, zu welchen ebenso seither Kontakt besteht.
2. Einmal im Alter von 16 Jahren und ein weiteres Mal mit 17 Jahren rauchte der Angeklagte C.. Ein weiterer Konsum erfolgte im Alter von 25 Jahren (vor der Inhaftierung im Verfahren BZR Nr. 5). Etwa ab Mitte Oktober 2018 begann der Angeklagte erneut Cannabis zu konsumieren. Ab Ende Oktober 2018 rauchte er bis zu seiner Festnahme etwa ein bis zwei Joints täglich. Darüber hinaus nahm er in dieser Zeit etwa vier- bis fünfmal Kokain und ein- bis zweimal Ecstasy.
Hinweise auf einen erneuten Konsum oder Rückfall nach der letzten Haftentlassung sind keine bekannt. Der Angeklagte hält sich für derzeit so stabil, dass er keine Therapie braucht. Er führt dies insbesondere auf die intensive Drogenberatung während der Untersuchungshaft sowie seine gegenwärtige familiäre Situation zurück, in welcher er weder seine Familie noch seine Lebensgefährtin enttäuschen möchte.
Alkohol konsumiert der Angeklagte selten und dann nur im sozialverträglichen Ausmaß. Hinweise auf den Konsum weiterer Betäubungsmittel durch den Angeklagten oder auf nicht stofflich gebundene Süchte des Angeklagten haben sich keine ergeben.
3. In den Jahren 2015 bis 2018 nahm der Angeklagte in der Strafhaft in der JVA K. (BZR Nr. 6) an einer Gewalttherapie teil.
In der Untersuchungshaft im gegenständlichen Verfahren nahm der Angeklagte an einer Drogenberatung in der JVA M. – Stadelheim teil.
Unfälle oder Krankheiten, die Einfluss auf seine strafrechtliche Verantwortlichkeit haben könnten, hat der Angeklagte nicht erlitten.
4. Im Auszug aus dem Bundeszentralregister (BZR) für den Angeklagten finden sich gegenwärtig sechs strafrechtliche Eintragungen. Der Angeklagte Ö. ist danach bislang wie folgt in Erscheinung getreten:
a) Mit Urteil des Amtsgerichtes München vom 25.07.2005, Aktenzeichen 1034 Ds 461 Js 302498/05, rechtskräftig seit dem 02.08.2005, wurde gegen den Angeklagten wegen gemeinschaftlicher Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung 4 Tage Jugendarrest verhängt und eine richterliche Weisung ausgesprochen (BZR Nr. 1).
b) Mit Urteil des Amtsgerichtes München vom 25.10.2005, Aktenzeichen 1014 Ds 454 Js 307266/05, rechtskräftig seit demselben Tag, wurde gegen den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine richterliche Weisung ausgesprochen und die Erbringung von Arbeitsleistungen angeordnet (BZR Nr. 2).
c) Mit Urteil des Amtsgerichtes München vom 13.02.2006, Aktenzeichen 1031 Ds 461 Js 315551/05, rechtskräftig seit dem 21.02.2006 wurde gegen den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in 3 Fällen eine Woche Jugendarrest angeordnet und eine richterliche Weisung ausgesprochen (BZR Nr. 3).
d) Mit Urteil des Amtsgerichtes München vom 28.10.2010, Aktenzeichen 933 Cs 481 Js 121113/10, rechtskräftig seit demselben Tag, wurde gegen den Angeklagten wegen fahrlässigen Anordnen oder Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 20 Euro verhängt (BZR Nr. 4).
e) Mit Urteil des Amtsgerichtes München vom 14.03.2011, Aktenzeichen 855 Ds 257 Js 233042/10, rechtskräftig seit demselben Tag, wurde gegen den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung eine Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 5 Monaten ausgesprochen. Mit Beschluss des Amtsgerichtes München vom 19.12.2012 wurde die ausgesprochene Bewährung wegen beharrlichen Verstoßes gegen eine Zahlungs- und später umgewandelte Arbeitsauflage widerrufen; der Angeklagte hatte von den auferlegten 150 Stunden gemeinnützige Arbeit nur 107 Arbeitsstunden abgeleistet. Mit Beschluss des Landgerichtes München II, auswärtige Vollstreckungskammer bei dem Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen, vom 28.03.2014 wurde die Reststrafe erneut zur Bewährung ausgesetzt und diese Reststrafenaussetzung dann mit Beschluss vom 15.10.2015 wegen beharrlichen Verstoßes gegen eine Kontrollweisung erneut widerrufen; der Angeklagte legte keine ausreichenden Drogentests vor. Die Entlassung zum Endstrafenzeitpunkt erfolgte am 12.01.2017.
Dieser Verurteilung (BZR Nr. 5) lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 10.06.2010 schlug der Angeklagte den 15-jährigen B. D., der den Bruder des Angeklagten eventuell dumm angeredet haben soll, in München mit der Hand ins Gesicht, sodass dieser Schmerzen erlitt. Zudem drückte oder schnippte er eine brennende Zigarette in dessen Gesicht, wodurch der Geschädigte eine Brandblase erlitt.
Als Ö. D. dem Geschädigten D1. helfen wollte und den Arm des Angeklagten nahm und auf ihn einredete, schlug der Angeklagte den Geschädigten D2. mit der Hand ins Gesicht, sodass dieser Schmerzen erlitt. Im weiteren Verlauf – der Geschädigte D2. wehrte sich mit einer Krücke – warf ihm der Angeklagte ein Trinkglas ins Gesicht. Der Geschädigte D2. erlitt dadurch mehrere blutende Schnittverletzungen im Gesicht und musste an drei verschiedenen Stellen mit insgesamt acht Stichen genäht werden.
f) Mit Urteil des Amtsgerichtes München vom 01.04.2016, Aktenzeichen 842 Ls 111 Js 201346/15, rechtskräftig seit dem 09.04.2016 wurde der Angeklagte wegen versuchter schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Mit Beschluss der auswärtigen Vollstreckungskammer des Landgerichtes Augsburg beim Amtsgericht Nördlingen vom 11.09.2018 wurde der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis 17.09.2022. Die Entlassung erfolgte am 21.09.2018.
Dieser Verurteilung (BZR Nr. 6) lag folgender Sachverhalt zugrunde:
1. Am 05.09.2015 packte der Angeklagte den Geschädigten H1. K3., als dieser im Hof des A. L3. Weg in München aus der Haustüre trat, am Hals und schlug ohne erkennbaren Anlass und ohne rechtfertigenden Grund auf ihn ein. Zunächst versetzte er ihm einen Faustschlag auf das linke Auge, sodass der Geschädigte zu Boden ging. Dabei bedrohte er den Geschädigten mit den Worten: „ich fress dein Ohr ab mit meinen eigenen Zähnen. Heute Nacht bringe ich dich um, du bleibst jetzt die ganze Zeit bei mir“. Anschließend setzte er sich auf den Oberkörper des am Boden liegenden Geschädigten K3., wobei er mit den Knien die Hände des Geschädigten am Boden fixierte, und schlug mit den Fäusten mehrfach auf das Gesicht des Geschädigten ein. Zudem versetzte er ihm mehrfach Kopfstöße. Der Geschädigte wurde kurzzeitig bewusstlos. Sodann zerrte er den Geschädigten K3. in seine nahegelegene Wohnung, wobei er weiter auf ihn einschlug. In der Wohnung brachte er den Geschädigten erneut zu Boden und drückte ihm mit seinem Daumen das linke Auge ein. Dabei sagte er: „ich hole dir jetzt dein Auge raus“. Der Geschädigte K3. erlitt eine dislozierte Nasenbeinfraktur, einen ausgerenkten Kiefer, eine Schädelprellung, eine Jochbeinprellung, Platzwunden an den Lippen, massive Schwellungen im Gesicht, Einblutungen am linken Auge und erhebliche Schmerzen. Er musste an der Nase operiert und einige Tage stationär im Krankenhaus behandelt werden.
2. Nachdem der Angeklagte vom Geschädigten K3. abgelassen hatte, kehrte er zurück in den Hof des A. L3. Weg in München. Dort schlug er unvermittelt auf den Geschädigten J. Z., der gerade den Hof betreten hatte, ein. Er brachte den Geschädigten zu Boden, versetzte ihm mindestens 15 Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht, würgte ihn und trat ihn in die Genitalien. Der Geschädigte Z. erlitt eine Knieprellung, Würgemale am Hals, multiple Schürfwunden im Gesicht und am Hals, Schluckbeschwerden, eine Hodenprellung und nicht unerhebliche Schmerzen.
3. Nach dem Übergriff auf den Geschädigten Z. griff der Angeklagte, immer noch im vorgenannten Hof, unvermittelt die Geschädigten M3. und Philipp Gatek an, die sich dort gerade aufhielten und Bier tranken. Der Angeklagte versetzte dem Geschädigten P. G. einen Faustschlag ins Gesicht, wodurch dieser nicht unerhebliche Schmerzen erlitt. Anschließend griff der Angeklagte eine etwa halbvolle Bierflasche aus Glas und warf diese mit voller Wucht auf den ca. 4-5 m entfernten Geschädigten M3. G., um diesen zu verletzen. Dieser konnte sich jedoch wegducken. Sodann versetzte der Angeklagte auch dem Geschädigten M3. G. einen Faustschlag in das Gesicht nicht, wodurch dieser Schmerzen erlitt.
5. Der Angeklagte befand sich in der verfahrensgegenständlichen Sache seit dem 16.02.2019 in Untersuchungshaft, ununterbrochen in der JVA M. – Stadelheim, bis zur Außervollzugsetzung des Haftbefehls durch das Landgericht München II mit Beschluss vom 09.10.2020.
Während dieser Untersuchungshaft musste er einmal disziplinarrechtlich geahndet werden.
Der Angeklagte hat während seiner Untersuchungshaft mehrfach die Drogenberatung der JVA besucht. Auf seine Initiative hin erlangte er zweimal eine Kostenzusage für eine Therapie, jedoch während der Untersuchungshaft, weshalb diese Therapie in der Würmtalklinik jeweils nicht angetreten werden konnte. Dennoch nahm der Angeklagte auch weiterhin an einer Vielzahl von Einzel- und Gruppenterminen bei der Drogenberatung in der JVA teil. Da er auf der sozialtherapeutischen Station untergebracht war, besuchte er auch dortige Angebote.
II. Tatkomplex 15.02.2019 (Ziffer 2 der Anklage)
Soweit dem Angeklagten über den unter A. III. abgehandelten Sachverhalt hinaus ausweislich der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft München II vom 18.08.2019 auch zur Last lag, tateinheitlich dazu gemeinschaftlich mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel getrieben zu haben und dabei einen sonstigen Gegenstand mit sich geführt zu haben, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt war, beziehungsweise Beihilfe zu entsprechendem Handeltreiben geleistet zu haben, beziehungsweise ausweislich des Urteils des Landgerichts München II vom 03.03.2020 unerlaubt Betäubungsmittel in nicht geringer Menge besessen zu haben, konnten in der durchgeführten erneuten Hauptverhandlung keine Feststellungen getroffen werden, aufgrund derer, unter Berücksichtigung der Ausführungen in dem Beschuss des Bundesgerichtshofs vom 18.08.2020, Aktenzeichen 1 StR 247/20, dem Angeklagten die Verwirklichung eines der genannten Tatbestände beziehungsweise einer der genannten Tatbestandsvarianten nachgewiesen werden könnte.
Folgender Sachverhalt konnte – ergänzend – festgestellt werden:
1. Die beiden zunächst Mitangeklagten und inzwischen Verurteilten Ma. Bl. und La. W. kennen sich seit ihrem gemeinsamen Aufenthalt in der Jugendhilfeeinrichtung „Am. in Da.“. Der Angeklagte hatte zum hier gegenständlichen Tatzeitraum eine Beziehung mit der Verurteilten W.. Nach seiner Haftentlassung am 21.9.2018 hielt er sich daher oftmals in deren Wohnung in Dachau auf. Dort lernte er den Verurteilten Bl. kennen.
Der Verurteilten Bl. wiederum betrieb spätestens seit Ende September 2018 einen schwunghaften Handel mit Cannabisprodukten, ohne – wie er wusste – im Besitz der für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderlichen Erlaubnis zu sein. Dabei handelte er jeweils in der Absicht, durch den Verkauf von Betäubungsmitteln Gewinn zu erzielen, um sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Die erworbenen Betäubungsmittel bunkerte der Verurteilte Bl. unter anderem an verschiedenen Orten in der Wohnung der Verurteilten W.. Von den bezogenen Betäubungsmitteln verkaufte der Verurteilte Bl. etwa 3/5 gewinnbringend an eine Vielzahl von unbekannten Abnehmern im Großraum Dachau weiter, wozu er regelmäßig einzelne kleine Verkaufsmengen aus seinem Bunker holte. Die übrigen Betäubungsmittel – also etwa 2/5 – dienten dem Eigenkonsum des Verurteilten Bl., dem gemeinsamen Konsum mit Freunden an Ort und Stelle und dem Konsum der Verurteilten W. und des Angeklagten, die sich unentgeltlich aus seinen, in der Wohnung der Verurteilten W. vorgehaltenen, Vorräten zum sofortigen Eigenkonsum bedienen durften.
2. Zu im Einzelnen nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkten zwischen Mitte Januar und Anfang Februar 2019 erwarb der Verurteilte Bl. von unbekannten Verkäufern im Rahmen mehrerer Erwerbsvorgänge insgesamt mindestens 342,8 g Marihuana sowie 46,38 g Haschisch, und bunkerte diese Betäubungsmittel in der Wohnung der Verurteilten W. in der E. Straße 5 in Dachau. Der Verurteilte Bl. beabsichtigte, von den bezogenen Betäubungsmitteln etwa 3/5 gewinnbringend weiter zu veräußern.
Am 15.02.2019 gegen 21:38 Uhr benachrichtigte die Nachbarin Ra. Ho. die Polizeiinspektion D., dass sie aus der Wohnung der Verurteilten W. in der E. Straße 5 in Da. sehr starken Marihuanageruch wahrnehmen könne. Die Polizeibeamten PHM K. und PHM M. machten sich daraufhin auf den Weg zu der Wohnung der Verurteilten W.. Im Treppenhaus trafen sie auf den Verurteilten Bl., den sie daraufhin einer polizeilichen Kontrolle unterzogen und dabei den Wohnungsschlüssel der Verurteilten W. fanden. Mit dem Schlüssel verschafften sich die Polizeibeamten PHM K. und PHM M., die als Zivilbeamte unterwegs waren, daraufhin Zutritt zur Wohnung der Verurteilten W., wo ihnen sofort extremer Marihuanageruch entgegenschlug.
Es folgte eine körperliche Auseinandersetzung, wie unter A. III. dargestellt.
Bei der anschließend durchgeführten Wohnungsdurchsuchung konnten in der Wohnung der Verurteilten W. insgesamt 342,8 g Marihuana sowie 46,38 g Haschisch, also eine Gesamtmenge an Cannabisprodukten von 389,18 g mit einer Mindestwirkstoffmenge von insgesamt 62,59 g THC aufgefunden und sichergestellt werden.
Davon dienten dem Verurteilten Bl. zum gewinnbringenden Weiterverkauf etwa 3/5; also 233,51 g Cannabisprodukte mit einer Mindestwirkstoffmenge von 37,55 g THC. Die restlichen 2/5, also 155,67 g Cannabisprodukte mit einer Mindestwirkstoffmenge von 25,04 g THC, waren zum Eigenkonsum und unentgeltlichen Konsum von Freunden des Verurteilten Bl. bestimmt.
Die gesamten Betäubungsmittel waren an verschiedenen Orten in der Wohnung gelagert.
Im Badezimmer befanden sich offen auf der Waschmaschine
– in einer Tupperdose: 37,43 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 13,6% THC (entspricht 5,09 g THC) und 46,38 g Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 27,8% THC (entspricht 12,89 g THC),
– in einer weiteren Tupperdose: 112,29 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 13,5% THC (entspricht 15,15 g THC),
– in einer Metallschale auf einer Feinwaage: 6,92 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 13,6% THC (entspricht 0,94 g THC),
– verpackt in einer Aluplombe in einer Tupperdose: 2,49 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 13,5% THC (entspricht 0,33 g THC),
– unverpackt: 1,41 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 13,5% THC (entspricht 0,19 g THC).
Somit befanden sich im Badezimmer 206,92 g Cannabisprodukte (160,54 g Marihuana und 46,38 g Haschisch) mit einer Mindestwirkstoffmenge von insgesamt 34,59 g THC. Davon waren 3/5, also 124,15 g mit einer Mindestmenge von 20,75 g THC zum gewinnbringenden Weiterverkauf und die restlichen 2/5, also 82,77 g mit einer Mindestmenge von 13,84 g THC zum Eigenkonsum des Angeklagten, dem gemeinsamen Konsum mit Freunden an Ort und Stelle und dem Konsum der Verurteilten W. und des Angeklagten bestimmt.
Die Verurteilte W. wusste von der Bunkerhaltung des Verurteilten Bl., jedenfalls soweit es die Lagerhaltung im Badezimmer am 15.2.2019 betraf. Sie billigte diese, da ihr im Gegenzug vom Verurteilten Bl. erlaubt worden war, davon Cannabis für ihren Eigenkonsum (den die Verurteilte bis zum Bekanntwerden ihrer Schwangerschaft Mitte Januar 2019 auch ausübte) und den Konsum ihres Freundes, des Angeklagten, abzuzweigen. Damit der Verurteilte Bl. ihre Wohnung selbstständig als Bunker nutzen konnte, überlies die Verurteilte W. ihm zeitweise ihren Wohnungsschlüssel.
Der Angeklagte wusste ebenfalls von der Bunkerhaltung des Verurteilten Bl. in der Wohnung seiner Freundin, jedenfalls soweit es die Lagerhaltung im Badezimmer am 15.2.2019 betraf. Wenn er sich bei ihr aufhielt, bediente er sich – wie am Tattag zusammen mit dem Zeugen T. S1. – mit Billigung und Erlaubnis des Mitangeklagten Bl. aus dessen Vorräten zum Eigenkonsum und gemeinsamen Konsum an Ort und Stelle mit seiner Freundin (insoweit nur bis zum Bekanntwerden ihrer Schwangerschaft) und engen Freunden.
Der Angeklagte wusste, dass weder er noch der Verurteilte Bl. noch die Verurteilte W. über die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis verfügte.
Die jeweiligen Wirkstoffgehalte und -mengen nahm der Angeklagte zumindest billigend in Kauf.
3. Im Wohnzimmer stand zwischen Bett und Balkontüre eine schwarze Sporttasche des Verurteilten Bl., in der sich zwei geschlossene Vakuumierbeutel mit 90,07 g und 88,73 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 15,4% THC (entspricht 27,53 g THC) befanden. Auf dem Bett stand eine weiße Tüte mit einem Vakuumiergerät mit zugehörigen Folien. In der Schublade des Sofatisches befand sich eine Tüte für Hundekot mit einer Marihuanadolde zu 2,57 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 13,5% (entspricht 0,35 g THC). Auf dem Boden vor dem Sofa lag eine weitere lose Marihuanadolde zu 0,89 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 13,5% (entspricht 0,12 g THC). Somit befanden sich im Wohnzimmer 182,26 g Marihuana mit einer Mindestmenge von insgesamt 28 g THC. Die schwarze Sporttasche war von dem Verurteilten Bl. erst kurz zuvor in die Wohnung verbracht worden. Weder die Verurteilte W. noch der Angeklagte wussten zu diesem Zeitpunkt, dass sich in dieser Tasche des Verurteilten Bl. weitere Betäubungsmittel befanden.
4. Der Angeklagte hat sich noch am Tattag persönlich beim Zeugen PHM K. entschuldigt und diese Entschuldigung in der Hauptverhandlung vor der 1. Jugendkammer des Landgerichts München II wiederholt. Er hat an den Zeugen PHM K. vorprozessual Schmerzensgeld in Höhe von 500 Euro sowie Schadensersatz für einen beschädigten Pullover von 50 Euro bezahlt. Der Geschädigte PHM K. hat wegen eines weitergehenden Schmerzensgeldanspruchs in Höhe von weiteren 600 Euro Klage vor dem Amtsgericht Dachau erhoben (Az.: 3 C 21/20). Mit Endurteil vom 26.02.2020 verurteilte das Amtsgericht Dachau den Angeklagten gem. § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung zur Zahlung des weitergehenden Schmerzensgeldes von 600 Euro nebst Zinsen. Das Amtsgericht erachtete vor dem Hintergrund der prozessual als zugestanden zu behandelnden Folgen des Körperverletzungsdelikts und der Tatsache, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit als Polizeibeamter verletzt worden sei, das klägerseits beanspruchte Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 1.100 Euro als anmessen. Am 28.10.2021 zahlte der Angeklagte 95 Euro auf das Rechtsanwaltsanderkonto des Klägervertreters, die auf den Gesamtbetrag des Kostenfestsetzungsbeschlusses in Höhe von 358,92 Euro angerechnet worden sind. Am 09.11.2021 konnte ein Eingang von 665,63 Euro auf dem Rechtsanwaltsanderkonto des Klägervertreters festgestellt werden. Nicht ausschließbar ist auf die Klageforderung ein weiterer Geldbetrag über 400 Euro vom Angeklagten auf das Anderkonto eingezahlt worden, der jedoch am 09.11.2021 noch nicht dem Konto gutgeschrieben war.
C. Beweiswürdigung
I. Persönliche Verhältnisse
Die ergänzenden Feststellungen beruhen, soweit sie die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten betreffen, auf dessen glaubhaften Angaben in der Hauptverhandlung, sowie auf dem Inhalt des verlesenen Auszugs aus dem Bundeszentralregister, welcher insgesamt sechs strafrechtliche Eintragungen enthielt, sowie der Urteile des Amtsgerichts München BZR-Ziffern 3, 5 und 6. Die eigenen Angaben des Angeklagten konnten hierdurch jeweils bestätigt werden, begründete Zweifel an deren inhaltlichen Richtigkeit ergaben sich nicht. Die Angaben des Angeklagten zu seinem Betäubungsmittelkonsum stehen im Einklang mit den Ergebnissen der toxikologischen Untersuchungen von Blut-, Urin- und Haarproben des Angeklagten.
II. Sachverhalt
Die ergänzenden Feststellungen zum Sachverhalt beruhen auf der Einlassung des Angeklagten hierzu sowie den Angaben der Zeugen KHM Ba., PHM M., PHM K., KHM Öt., Ma. Bl., To. Sch., La. W. und Ra. Ho.. Außerdem hat die Kammer in der Hauptverhandlung die in der Akte befindlichen Lichtbilder von der Durchsuchung und den dabei aufgefundenen Betäubungsmitteln und Gegenständen sowie eine Skizze der Wohnung in Augenschein genommen. Hinsichtlich der auf den ausgewerteten Mobiltelefonen sichergestellten Chats mit Sprachnachrichten sowie Video-Clips wurden, soweit nicht offensichtlich ohne Verfahrensrelevanz, die Chats in Auszügen verlesen, die Sprachnachrichten auszugsweise angehört und ein Video in Augenschein genommen.
1. Die Feststellungen zum Betäubungsmittelhandel des Verurteilten Bl. im Allgemeinen beruhen auf den Angaben des Verurteilten Bl. hierzu, der auch aufgrund dieser Sachverhalte bereits rechtskräftig verurteilt wurde. Der Verurteilte Bl. gab dazu auch an, dass er seinen Handel mit Betäubungsmittel alleine betrieben habe; er habe dazu grundsätzlich nicht der Hilfe Dritter bedurft, abgesehen von dem Umstand, dass die Verurteilte W. die Nutzung ihrer Wohnung in der E. Straße 5 in D. als seinen „Bunker“ geduldet habe. Diese Angaben wurden vollumfänglich bestätigt von denen des Angeklagten sowie der Verurteilten W. und des Zeugen S1. hierzu.
2. Die Zeugen B2. und Sch. sowie die Zeugin W. bestätigten die Einlassung des Angeklagten, dass es sich bei der Wohnung in der E. Straße 5 in Dachau allein um die Wohnung der Zeugin W. gehandelt habe. Die Wohnung war von einem Träger der Jugendhilfe an- und an die Verurteilte W. möbliert untervermietet worden. Der Untermietvertrag war alleine mit der Verurteilten W. geschlossen worden und auch nur diese war berechtigt, in der Wohnung zu wohnen. Auch wenn – ähnlich wie die Zeugen B2. und Sch. – der Angeklagte sich dort regelmäßig bis täglich aufhielt und der Angeklagte auch bei seiner Freundin übernachtete – wobei nach den übereinstimmenden Angaben des Angeklagten und der Zeugin W. auch die Zeugin W. häufig beim Angeklagten in dessen Wohnung in München übernachtete -, so war nach einstimmiger Ansicht der Beteiligten schlussendlich nur die Zeugin W. als Wohnungsinhaberin allein für die Nutzung der Wohnung verantwortlich, auch wenn von dieser dem Angeklagten im Rahmen ihrer Beziehung nach den übereinstimmenden Angaben der beiden ein einer derartigen Beziehung auch üblicherweise immanentes Mitspracherecht hinsichtlich Einzelheiten von Nutzung und Gestaltung der Wohnung praktisch eingeräumt worden war. Das letzte Wort in allen Angelegenheiten bezüglich der Wohnung sollte jedoch stets bei der Verurteilten W. stehen.
Die Zeugen KHM Ba. und KHM Öt. konnte bestätigen, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt in der Wohnung seines Vaters in München gemeldet war und, soweit aus den Ermittlungen bekannt, wohl auch tatsächlich wohnte. Diese Einschätzung der Zeugen deckt sich mit der Einlassung des Angeklagten hierzu.
Aus relevanten Chats und Sprachnachrichten konnte entnommen werden, dass die Beteiligten die Wohnung in der E. Straße 5 in Dachau als „Lettis Wohnung“, also als die Wohnung der Zeugin W., bezeichneten.
3. Die Zeugin W. hatte auch – neben einem Zweitschlüssel bei der Betreuerin von der Jugendhilfe – den alleinigen Schlüssel zu der Wohnung. Nach den hierin übereinstimmenden Angaben des Angeklagten und der Zeugen B2. und Sch. sowie der Zeugin W. befand sich dieser Schlüssel stets an einem festen Platz in der Garderobe neben der Wohnungstür, wobei er regelmäßig von der letzten Person, die die Wohnung verlies, mitgenommen wurde und werden durfte. Außerdem war es üblich, dass der Verurteilte Bl., wenn er sich nahegelegen zu Betäubungsmittelgeschäften traf, aber auch wenn ein anderer kurzzeitig die Wohnung verlassen wollte, dieser den Schlüssel der Verurteilten W. dabei mitnahm. So sei es nach den Angaben des Verurteilten Bl. und der Verurteilten W. auch am Tattag, dem 15.02.2019, geschehen, weshalb die Zeugen PHM K. und PHM M. den Schlüssel bei dem Verurteilten Bl. im Treppenhaus des Anwesens E. Straße 5 auffinden konnten.
4. Der Angeklagte räumte ein, gewusst zu haben, dass der Verurteilte Bl. im Badezimmer der Wohnung seiner Freundin W. Betäubungsmittel „gebunkert“ hatte. Der gelegentliche Konsum vor Ort von dem von dem Verurteilten Bl. in der Wohnung der Verurteilten W. gelagerten Betäubungsmittel sei durch diesen stets geduldet gewesen, und zwar durch alle üblicherweise dort Anwesenden, wie ihn selbst oder die Verurteilte W. oder den Zeugen S1.. Die Zeugin W. gab dies bestätigend an, dass sie dem Verurteilten Bl. erlaubt habe, Drogen in ihrer Wohnung zu lagern. Zu den einzelnen Mengen konnte sie keine konkreten Angaben machen; jedoch sei ihr die am 15.02.2019 in ihrem Bad sichergestellte Menge Rauschgift vom Sehen her grundsätzlich bekannt gewesen. Sie habe das Bunkern des Rauschgifts in ihrer Wohnung zugelassen, da sie sich als Gegenleistung von den gebunkerten Betäubungsmitteln etwas zum Eigenkonsum – bis zum Bekanntwerden ihrer ersten Schwangerschaft im Januar 2019 – und zum gemeinsamen Konsum mit ihrem und durch ihren Freund, den Angeklagten, habe nehmen dürfen und dies auch wiederholte Male getan habe. Auch der Zeuge S1. und der Verurteilte Bl. bestätigten dieses übliche Vorgehen hinsichtlich der Betäubungsmittel des Verurteilten Bl. in der Wohnung der Verurteilten W.. Die Angaben sind ferner stimmig zu den in der Wohnung der Verurteilten W. gesicherten DNA- und Fingerabdruckspuren, über deren Auffindeorte der polizeiliche Sachbearbeiter KHM Ba. in Ergänzung zu den verlesenen Gutachten hierzu nachvollziehbar berichtete.
5. Der Angeklagte räumte ein, am 15.02.2019 mit dem Zeugen S1. im Badezimmer der Wohnung seiner Freundin W. von den dortigen Betäubungsmitteln des Verurteilten Bl. auch konsumiert zu haben. Er sei sich jedoch nicht mehr sicher, wer von beiden den gemeinsamen Konsum vorbereitete, glaube jedoch, dass am ehesten der Zeuge S1. einen Joint gebaut habe, den sie dann gemeinsam konsumierten. Aufgrund des regelmäßigen Konsums von Marihuana an diesem Ort wäre es jedoch gut möglich, dass die Erinnerungen an einen konkreten Konsum mit denen an andere Konsumgelegenheiten verschwämmen. Ein angerauchter Joint wurde im Badezimmer nicht sichergestellt. Ebenso wenig konnten die beiden Zeugen PHM K. und PHM M. von etwaigen Spülgeräuschen einer betätigten Toilettenspülung berichten; das Bad der Wohnung der Verurteilten W. ist fensterlos. Der Zeuge S1. gab dazu an, er sei sich nicht mehr sicher, ob das Marihuana in einem Joint oder mittels einer „Bong“ konsumiert worden sei. Sie hätten jedoch sicher dort gemeinsam konsumiert, als die beiden Polizisten mit dem Verurteilten Bl. die Wohnung betraten. In Einklang dazu steht, dass sich Finger- und DNA-Spuren der beiden an Gegenständen auf der Waschmaschine im Badezimmer, die in unmittelbaren Zusammenhang mit den dort gelagerten Betäubungsmitteln standen, befanden, wie der polizeiliche Sachbearbeiter KHM Ba. ausführlich und nachvollziehbar zur Auswertung der Spurengutachten berichtete.
6. Weitergehende Feststellungen hinsichtlich von Beziehungen des Angeklagten zu den Betäubungsmitteln in der Wohnung der Verurteilten W. oder zu dem damit in Zusammenhang stehenden Betäubungsmittelhandel des Verurteilten Bl. konnten nicht getroffen werden.
Solche ergaben sich insbesondere auch nicht aus der Auswertung von Mobiltelefonen, deren Ergebnisse von dem Zeugen KHM Ba. berichtet wurden. Insbesondere existiert keine Kommunikation zwischen den Beteiligten in Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittel. Auch aus einer Gesamtschau der ausgewerteten Kommunikation zwischen den Beteiligten aus der Vergangenheit lassen sich keine Hinweise auf eine Beteiligung des Angeklagten an dem Betäubungsmittelhandel – jenseits von reinen Vermutungen und Spekulationen – gewinnen. Die Kammer hat sich davon auch überzeugt, indem in der Beweisaufnahme möglicherweise relevante Teile der Mobiltelefonauswertungen in Augenschein genommen bzw. angesehen und -gehört wurden. Dies bestätigte jeweils die Angaben des Zeugen KHM Ba. hierzu vollumfänglich, so dass an deren inhaltlicher Richtigkeit und Vollständigkeit keine Zweifel bestehen.
Auch aus den Angaben der Zeugen PHM M. und PHM K., den beiden Erstzugriffsbeamten bei dem Polizeieinsatz am 15.02.2019, haben sich keine weiteren Anhaltspunkte ergeben, die auf eine über die bloße Kenntnis der Existenz und den Konsum der Betäubungsmittel im Bad der Wohnung der Verurteilten W. hinausgehende Beziehung zwischen dem Angeklagten und einem Handel mit diesen Betäubungsmitteln hinweisen. Beide schilderten die Auffindesituation in der Wohnung übereinstimmend und im Wesentlichen wie auch von dem Angeklagten und der Zeugin W. und den Zeugen B2. und Sch. geschildert.
Ausweislich der Angaben des Zeugen KHM Öt., der den Angeklagten bei seiner polizeilichen Vernehmung direkt nach der Tat vernommen hatte, sind die Einlassungen des Angeklagten im Bezug zum Ermittlungsverfahren konsistent; es handle sich bei den Angaben des Angeklagten in der hiesigen Hauptverhandlung im Wesentlich um die Gleichen, welche er auch schon bei der Polizei gemacht hatte.
Auch aus den Angaben der Zeugin R1. H2., welche als Nachbarin aufgrund des verstärkten Marihuanageruchs im Anwesen die Polizei gerufen hatte, ergaben sich keinerlei Schlüsse auf eine konkrete Rolle des Angeklagten hinsichtlich eines Betäubungsmittelhandels; die Zeugin konnte nur allgemeine Beobachtungen zur Nutzung der Wohnung und zu Beobachtungen im Umfeld der Wohnung berichten, nicht jedoch von einzelnen etwaigen deliktischen Handlungen des Angeklagten.
7. Die Feststellungen zu den Wirkstoffgehalten und -mengen der Betäubungsmittel im Badezimmer beruhen auf dem Wirkstoffgutachten des Bayerischen Landeskriminalamts – Kriminaltechnisches Institut – Sachgebiet Chemie – dazu, welches durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt wurde. Chemieoberrat Dr. S2., der das Wirkstoffgutachten erstellte, ist der Kammer durch seine langjährige hochqualifizierte Tätigkeit als Chemiker bekannt. Die Kammer hat sich daher dessen nachvollziehbaren Ausführungen angeschlossen.
8. Auch in einer Gesamtschau ergeben sich aus Sicht der Kammer keinerlei begründete Zweifel daran, dass die Feststellungen so, wie sie getroffen wurden, den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen. Die Schilderungen des Angeklagten und die diese bestätigende Beweisaufnahme ergaben weder nicht nachvollziehbare Lücken noch asystematische oder unlogische Brüche im Ablauf des Geschehens, welche Anlass zu Zweifeln oder weiteren vertieften Nachforschungen geben würden.
9. Die Feststellungen zum Nachtatverhalten des Angeklagten beruhen insbesondere auf dessen Einlassung, den Angaben der Geschädigten PHM K. und den Angaben der Rechtsanwaltskanzlei Bl.. Der Angeklagte führte aus, sich noch am Tattag und dann ein weiteres Mal in der Hauptverhandlung vor der 1. Jugendkammer des Landgerichts München II beim Geschädigten PHM K. entschuldigt zu haben. Er habe noch vor der ersten Hauptverhandlung für einen Pullover des Geschädigten Schadensersatz und Schmerzensgeld über 500 Euro bezahlt. Da sich keiner bei ihm zunächst gerührt habe, habe er keine Zahlungen auf das Urteil geleistet. Im Oktober diesen Jahres habe er eine Rate bezahlt. Am Tag vor dem hiesigen zweiten Verhandlungstag habe er in zwei Tranchen noch einmal über 1.100 Euro überwiesen.
Der Zeuge K2. bestätigte, dass sich der Angeklagte bei ihm persönlich bereits unmittelbar nach der Tat und nochmals im gerichtlichen Verfahren entschuldigt habe. Hinsichtlich der gerichtlichen Durchsetzung etwaiger Ansprüche von ihm gegen den Angeklagten habe er sich seinerzeit der Dienste eines Rechtsanwalts bedient, der sich im Folgenden um alles weitere gekümmert habe. Zum Zeitpunkt seiner Zeugenaussage konnte er neben einem vorprozessual eingegangen Schmerzensgeldbetrag über 500 Euro und dem Schadensersatz für den beim Handgemenge beschädigten privaten Pullover nur einen geringfügigen Geldeingang im Oktober 2021 bestätigen, der verrechnet worden sei. Auf Vorhalt konkretisierte er ihn auf 95 Euro. Aus dem zur Verlesung gekommenen Vermerk der Vorsitzenden vom 09.11.2021 über einen Telefonanruf des Sekretariats der Rechtsanwaltskanzlei Bl. von 8.30 Uhr konnte der Eingang von 665,63 Euro auf dem Anderkonto des Klägervertreters Rechtsanwalt B3. mitgeteilt werden. Zur Untermauerung der Behauptung des Angeklagten, zugleich einen weiteren Betrag von 400 Euro auf das Anderkonto überwiesen zu haben, konnte auf dem Mobiltelefon des Angeklagten ein Formular einer OnlineÜberweisung über diesen Betrag in Augenschein genommen werden. Eine tatsächliche Gutschrift auf dem Anderkonto konnte damit nicht nachgewiesen werden.
III. Schuldfähigkeit
Hinweise auf eine erhebliche Verminderung oder gar Aufhebung der Schuldfähigkeit des Angeklagten i.S.d. §§ 20, 21 StGB haben sich nicht ergeben.
D. Rechtliche Würdigung
I. Da die Feststellungen zum Angriff auf den Polizeibeamten PHM K. einschließlich der von diesem erlittenen Verletzungen mit Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18.08.2020, Aktenzeichen 1 StR 247/20 aufrechterhalten wurden, und deren rechtliche Bewertung im Urteil des Landgerichts München II vom 03.03.2020, Aktenzeichen 1 J KLs 44 Js 6774/19 keinerlei Anlass zur Berichtigung durch den Bundesgerichtshof gab, ist auch die dort getroffene rechtliche Würdigung durch die nun entscheidende Kammer aufrecht zu erhalten. Der Angeklagte hat sich daher durch den festgestellten Sachverhalt des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung strafbar gemacht.
II. Eine darüberhinausgehende – tateinheitliche – Verwirklichung eines weiteren Straftatbestands durch den Angeklagten, insbesondere durch einen Sachverhalt am 15.02.2019, konnte nicht festgestellt werden.
1. Der Angeklagte hat sich insbesondere nicht des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge strafbar gemacht.
Besitz im Sinne der § 29a Abs. 1 Nr. 2 Variante 4, § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BtMG setzt ein tatsächliches Innehaben, ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis und einen Besitzwillen voraus, der darauf gerichtet ist, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf die Sache zu erhalten (st. Rspr.; BGH Beschluss vom 25.9.2018 – 3 StR 113/18, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 8; Urt. v. 15.4.2008 – 4 StR 651/07 Rn. 5 mwN; und v. 17.10.2007 – 2 StR 369/07 Rn. 23). Allein eine „freie Zugänglichkeit“ des Rauschgifts genügt nicht (BGH Beschluss vom 2.12.1992 – 5 StR 592/92 Rn. 6).
An diesen höchstrichterlichen Vorgaben gemessen ist weder eine ausreichende tatsächliche Verfügungsgewalt des Angeklagten im Sinne eines zusammen mit der Verurteilten W. ausgeübten Mitbesitzes am Cannabisvorrat im Badezimmer noch ein darauf gerichteter Besitzwille belegt. Vielmehr griff der Verurteilte Bl., der im Wesentlichen ungehinderten Zugang zur Wohnung hatte, nach Belieben weiterhin auf den Vorrat zu, um Portionen daraus zu veräußern oder selbst zu verbrauchen. Da der Angeklagte lediglich zwecks Eigenkonsums sich am Cannabisvorrat bedienen wollte, musste er dafür die Verfügungsgewalt des Verurteilten Bl. nicht in Frage stellen. Solange der Verurteilte Bl. den – nicht übermäßigen – Mitkonsum des Lebensgefährten seiner Gehilfin W. duldete, musste der Angeklagte keinen Besitzwillen entwickeln. Unter diesen Umständen begründet der bloße Eigenkonsum an Ort und Stelle noch keinen Besitz.
2. Der Angeklagte hat sich insbesondere auch nicht des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge oder der Beihilfe hierzu strafbar gemacht.
Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte gemeinsam mit dem bereits Verurteilten Bl. einen Drogenhandel mit dem Rauschgift aus der Wohnung der anderweitig Verurteilten W. heraus betrieben hätte. Der Angeklagte weist dies von sich; der Zeuge B2. gab an, es handle sich alleine um sein Rauschgift, mit dem er nach eigenem Willen überwiegend zum Zwecke des Handeltreibens verfüge. Auch aus den polizeilichen Ermittlungen ergab sich nach den Angaben des polizeilichen Ermittlers KHM Öt. keinerlei Anknüpfungstatsachen dafür.
Auch hinsichtlich einer bei Anklageerhebung noch im Raum stehenden etwaigen Beteiligung des Angeklagten an dem von dem Verurteilten Bl. betriebenen Betäubungsmittelhandel konnten – weder mittäterschaftlich noch in der Form einer Beihilfe – keine Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht getroffen werden, die eine solche rechtliche Bewertung zu tragen im Stande wären. Eine Wohnungsinhaberschaft, wie bei der Verurteilten W., ist bei dem Angeklagten weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht gegeben. Eine Förderung des Betäubungsmittelhandels durch Zurverfügungstellung der Wohnung als „Bunker“ entfällt daher bei dem Angeklagten. Auch eine anderweitige hinreichende Förderung eines Betäubungsmittelhandels des Verurteilten Bl. ist nicht ersichtlich.
III. Hinsichtlich des mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft München II vom 18.08.2019 dem Angeklagten darüber hinaus zur Last gelegten Sachverhalts betreffend den 08.12.2019 fand eine Beschränkung des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO in der ersten Hauptverhandlung vor dem Landgericht München II vom 24.02.2020 bis zum 03.03.2020 statt; dieser Teil der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft München II vom 18.08.2019 war somit nicht mehr Teil des Verfahrens, so dass die Kammer nicht befugt ist, auch hinsichtlich dieses Sachverhalts bezüglich des Angeklagten ein Urteil zu fällen.
IV. Der festgestellte tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte gemäß § 114 StGB steht zur festgestellten vorsätzlichen Körperverletzung gemäß § 223 StGB in Tateinheit, § 52 StGB.
E. Strafzumessung
Für die Strafzumessung bedarf es zunächst der Bestimmung des anzuwendenden Strafrahmens, bevor innerhalb von diesem eine konkrete Einzelstrafe bestimmt werden kann.
I. Für die verfahrensgegenständliche Straftat des Angeklagten legt die Kammer den gemäß §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 114 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren) von Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu drei Jahren neun Monaten zugrunde.
1. Gemäß § 52 Abs. 2 StGB ist die Strafe nach dem Gesetz zu bestimmen, das die schwerste Strafe androht, wenn mehrere Strafgesetze verletzt sind. Nachdem die beiden verwirklichten Tatbestände in Tateinheit verwirklicht wurden, ist daher grundsätzlich von dem schwereren Strafrahmen des § 114 Abs. 1 StGB von Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren auszugehen; der Strafrahme des § 223 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe) tritt dahinter zurück.
2. Die Voraussetzungen zur Annahme des vertypten Milderungsgrundes eines Täter-OpferAusgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB sind vorliegend gegeben.
a) Der Angeklagte Ö. hat sich bemüht, einen Ausgleich mit dem Verletzten PHM K. zu erreichen. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass der Angeklagte noch am 15.02.2020 beziehungsweise am 16.02.2020, jedenfalls unmittelbar im Anschluss an die Tat, noch während der polizeilichen Sachbehandlung auf der Dienststelle, sich ernstlich bei dem Geschädigten persönlich entschuldigte, welcher die Entschuldigung auch annahm. Der Angeklagte entschuldigte sich abermals bei dem Geschädigten PHM K. anlässlich dessen Zeugeneinvernahme während der Hauptverhandlung vor dem Landgericht München II vom 24.02.2020 bis 03.03.2020. Auch diese mündliche persönliche Entschuldigung war abermals von erkennbarer Reue und Ernsthaftigkeit getragen.
b) Darüber hinaus hat der Angeklagte ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 1.100 Euro sowie Schadensersatz für einen beschädigten Pullover und entstandene zivilrechtliche Verfahrenskosten des Geschädigten anerkannt und größtenteils erstattet. Der Angeklagte hatte zunächst vorprozessual dem Geschädigten PHM K. für dessen erlittene Verletzungen bereits ein Schmerzensgeld in Höhe von 500 Euro bezahlt.
Unter Zugrundelegung der hier getroffenen Feststellungen hält die Kammer in Anbetracht der konkreten Umstände ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von 300 bis 500 Euro hier durchaus für adäquat, angemessen und für eine auch im Rahmen eines Adhäsionsverfahrens realistischerweise durchsetzbare Schmerzensgeldsumme. Darüber hinaus erstritt der Rechtsanwalt des Geschädigten für diesen während der Untersuchungshaft des Angeklagten, aufgrund derer dieser gesetzte gerichtliche Fristen nicht wahren konnte, als vollstreckbaren Titel ein zivilrechtliches Urteil über weitere 600 Euro Schmerzensgeld, wobei in diesem Verfahren § 495a ZPO zur Anwendung kam. Trotz der Möglichkeit der Beantragung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verzichtete der Angeklagte hierauf, sondern entschied sich, die zusätzlichen 600 Euro sowie die entstandenen Verfahrenskosten auch zu bezahlen.
Von einer vollumfänglich erfolgten Wiedergutmachung der Tat des Angeklagten Ö., welche verfahrensgegenständlich ist, muss daher ausgegangen werden. Die Kammer sieht diese bereits in der glaubhaften und ernsthaften Entschuldigung des Angeklagten bei dem Geschädigten als kommunikativen Prozess und der Leistung der ersten Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 500 Euro. Es kann dem Angeklagten darüber hinaus keinesfalls zum Nachteil gereichen, wenn er weitere Forderungen des Geschädigten, mögen diese in materieller Hinsicht berechtigt sein oder nicht, anerkennt und erfüllt.
c) Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände kam die Kammer in einer anzustellenden Gesamtbetrachtung zu dem Ergebnis, dass hier von der durch das Vorliegen des Tatbestandes des § 46a Nr. 1 StGB eröffneten Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung auch aufgrund des gesamten Tatbilds, aller subjektiven Merkmale und unter Berücksichtigung der Täterpersönlichkeit des Angeklagten, Gebrauch zu machen und die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern ist.
(i) Zugunsten des Angeklagten ist dabei insbesondere sein bereits früh erfolgtes und ehrliches und von Reue getragenes Geständnis zu werten.
Außerdem ist die konkrete Tatsituation zu berücksichtigen und dass der Angeklagte im Rahmen einer emotionalen Ausnahmewenn nicht Paniksituation handelte.
Der Angeklagte hat schließlich von sich aus von dem Geschädigten PHM K. abgelassen, wenn auch die Verurteilte W. dahingehend auf ihn verbal einwirkte; darüber hinaus hätte diese ein Ablassen von dem Geschädigten jedoch nicht erzwingen können.
Die Verletzungen des Geschädigten K2. sind insgesamt gering. Der Geschädigte hat keine dauerhaften Schäden erlitten.
In dem Bewusstsein, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Untersuchungshaft und deren Dauer grundsätzlich weder für noch gegen den Angeklagten zu berücksichtigen ist, nimmt die Kammer hier dennoch auf, dass der Angeklagte insgesamt fast zwanzig Monate in Untersuchungshaft verbracht hat, welche zum weit überwiegenden Teil unter starken COVID 19 – Pandemie bedingten Einschränkungen stattfinden musste, was dann insgesamt trotz der vorhandenen Hafterfahrung eine überdurchschnittliche Härte für den Angeklagten darstellt.
Schließlich ist der Angeklagte seit der nunmehr doch geraume Zeit zurückliegenden verfahrensgegenständlichen Tat nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten und hat auch, soweit bekannt, keine Betäubungsmittel mehr konsumiert. Der Angeklagte hat die seit dem verfahrensgegenständlichen Sachverhalt vergangene Zeit sowohl während der Untersuchungshaft als auch danach genutzt, um sich mit seinem Betäubungsmittelkonsum, seiner Person und seinem Umfeld sowie seinem weiteren Werdegang auseinanderzusetzen und wesentliche Weichen in die richtige Richtung gestellt. Hiervon konnte sich die Kammer auch durch den persönlichen Eindruck von dem Angeklagten in der Hauptverhandlung überzeugen.
(ii) Zulasten des Angeklagten ist zu berücksichtigen, dass er strafrechtlich bereits mehrfach und auch mehrfach einschlägig in Erscheinung getreten ist.
Die verfahrensgegenständliche Tat fand in offener einschlägiger Bewährung statt.
d) Da der Strafrahmen des § 114 Abs. 1 StGB von Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren gemäß §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB zu mildern ist, beträgt der hier zu Grunde zu legende Strafrahmen Freiheitsstrafe von einem Monat bis drei Jahre neun Monate.
e) Der Anwendung dieses Strafrahmens steht auch nicht der Strafrahmen des tateinheitlich verwirklichten § 223 Abs. 1 StGB entgegen, welcher grundsätzlich Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren und damit eine höhere Strafobergrenze vorsieht. Auch der Strafrahmen des § 223 Abs. 1 StGB wäre entsprechende – wie gezeigt – gemäß §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB zu mildern, da auch diesbezüglich die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB gegeben sind und die Kammer keinerlei Anhaltspunkte erkennen kann, dass das ihr eröffnete Ermessen hier anders auszuüben sein könnte. Die Strafobergrenze betrüge damit exakt die gleiche Dauer einer Freiheitsstrafe, wie die des angewendeten Strafrahmens.
II. Die angeführten Strafzumessungsgesichtspunkte (E. I. 2. c) (i) und (ii)) waren auch maßgeblich für die Strafzumessung im engeren Sinn. Zulasten des Angeklagten war im Rahmen der anzustellenden Gesamtabwägung ergänzend zu berücksichtigen, dass er tateinheitlich mehrere Straftatbestände erfüllt hat. Unter Abwägung der danach jeweils für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte erachtet die Kammer im Rahmen der anzustellenden Gesamtabwägung unter Anwendung des maßgeblichen Strafrahmens von Freiheitsstrafe von einem Monat bis drei Jahre neun Monate unter besonderer Berücksichtigung der konkreten Situation am Tattag und auch der erlittenen Verletzungen des Geschädigten K2. eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr 9 Monate als tat- und schuldangemessen.
III. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe konnte nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, weil bereits die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 StGB nicht vorliegen.
Das Gericht hat begründete Zweifel, dass der Angeklagte sich die hiesige Verurteilung zur Warnung dienen lassen wird und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird, § 56 Abs. 1 StGB. Eine positive Sozialprognose kann unter Berücksichtigung der Aspekte der Täterpersönlichkeit, des Vorlebens und insbesondere auch seiner Entwicklung seit der Tat nicht gestellt werden.
Zwar hat der Angeklagte einen festen Wohnsitz, ist familiär eingebunden und geht einer geregelten Beschäftigung nach, doch hat dies ihn in der Vergangenheit auch nicht vor Straftaten abgehalten. Neu ist auf familiärer Ebene, dass er offenbar zwischenzeitlich Kontakt zur Mutter und den Halbgeschwistern aufgenommen hat und insoweit – trotz der Gewalterfahrung in früher Kindheit durch die Mutter – einen kommunikativen Prozess in Gang gesetzt hat. Maßgelblich für diese neue Entwicklung ist nach der eigenen Ausführungen des Angeklagten dessen neue Freundin, die auf Versöhnung drang, und nicht ein eigenständiger Wunsch des Angeklagten.
Das Gericht verkennt bei der Prognoseentscheidung ferner nicht, dass der Angeklagte mit seinem früheren Geständnis seine Bereitschaft zur Übernahme der Verantwortung für seine Tat gezeigt hat und durch den Täter-Opfer-Ausgleich auch einen wesentlichen Schritt gegangen ist, der dies weiter untermauert. Dies ist aber bei Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit insbesondere vor dem Hintergrund der Vorstrafen und der konkreten Tatausführung auch unter Berücksichtigung einer positiven Entwicklung in der hiesigen Untersuchungshaft nicht ausreichend:
Der Angeklagte ist massiv einschlägig vorbestraft. Bereits die erste Eintragung aus dem Bundeszentralregister betreffend das Urteil des Amtsgerichts München vom 25.07.2005 bezieht sich auf den Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung (in Tateinheit mit Nötigung) und war mit einem viertägigen Jugendarrest, also mit Freiheitsentzug, verbunden. Kein Jahr später erhielt er im Verfahren Aktenzeichen 1031 Ds 461 Js 315551/05 einen Jugendarrest über eine Woche wegen vorsätzlicher Körperverletzung in drei Fällen auferlegt (BZR Nr. 3). Die fünfte Eintragung aus dem Bundeszentralregister befasst sich mit einem Urteil des Amtsgerichts München vom 14.03.2011, in dem der Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 5 Monaten verurteilt wurde. Die zunächst ausgesprochene Bewährung war widerrufen worden. Auch die daran anknüpfende Reststrafenbewährung musste erneut widerrufen werden. Beide Widerrufe zeichnen sich dadurch aus, dass sich der Angeklagte damals jeweils beharrlich weigerte, Auflagen bzw. Weisungen zu erfüllen.
Zuletzt verurteilte das Amtsgericht München den Angeklagten am 01.04.2016 wegen versuchter schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten (BZR Nr. 6). Erst am 21.09.2018 wurde er aus dieser Strafhaft entlassen. Bereits am 15.02.2019, also keine fünf Monate später, beging er die hiesige Tat. Die Reststrafe aus der Verurteilung vom 01.04.2016 war bis 17.09.2022 ausgesetzt worden. In seiner letzten Strafhaft hatte der Angeklagte in der JVA K.an einer Sozialtherapie wegen seiner Gewaltbereitschaft teilgenommen. Offenbar hat diese Therapie nicht wirklich verfangen, denn die Rückfallgeschwindigkeit ist hoch und das Gewaltpotenzial impulsiv. Diese Impulsivität ist nach dem persönlichen Eindruck in der Hauptverhandlung Teil der Persönlichkeit des Angeklagten, an der er nach Überzeugung der Kammer weiter arbeiten muss. Die Tat spiegelt eine leichte Reizbarkeit des Angeklagten, die der Angeklagte seitdem nicht behandelt hat. Die vielen einschlägigen Vorstrafen verbunden mit der hohen Rückfallgeschwindigkeit zeigen in Verbindung mit der massiven Reaktion, dass vor dem Angeklagten noch ein weiter Weg liegt, wenn er sein erhebliches Aggressionspotenzial in den Griff bekommen will.
Hinzu kommt der damalige Umgang mit Drogen, der unreflektiert geblieben ist. Der Angeklagte hatte zwar vor der ersten Hauptverhandlung durchaus vor, sich auf Therapie zu begeben. Entsprechende Kostenzusagen lagen auch bereits vor. Derartige Pläne verwirklichte er jedoch nicht. Zum einen blieb er in Untersuchungshaft bis zur Außervollzugsetzung am 09.10.2020. Aber auch nach Entlassung kümmerte er sich nicht mehr um die Problematik und konnte deshalb nicht einmal einen Nachweis über Beratungsgespräche vorweisen.
Auf die Frage, ob besondere Umstände i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB nach Gesamtwürdigung erkannt werden können oder ob die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe gebietet, § 56 Abs. 3 StGB, kommt es daher nicht mehr an.
F. Maßregel gemäß § 64 StGB
Über eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB war nicht zu entscheiden, da deren Nichtanordnung in dem Urteil des Landgerichts München II vom 03.03.2020 wirksam aus der eingelegten Revision herausbeschränkt und damit zwischenzeitlich rechtskräftig wurde.
G. Kosten
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 464 Abs. 1, 465 Abs. 1 und 473 Abs. 3 StPO. Die Revision des Angeklagten in der Form, wie letztlich über sie zu entscheiden war, war zum weit überwiegenden Teil erfolgreich, so dass es geboten war, von einer Quotelung abzusehen und vollumfänglich von § 473 Abs. 3 StPO Gebrauch zu machen.


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