Strafrecht

Schmerzensgeld, Hauptverhandlung, Justizvollzugsanstalt, Erledigung, Quartal, Beteiligung, Stromkosten, Betriebskosten, Wiederholungsgefahr, Antragsteller, Befangenheitsantrag, Antragsverfahren, Wiedereinsetzungsantrag, Verwirkung, Antrag auf gerichtliche Entscheidung, gerichtliche Entscheidung, Gelegenheit zur Stellungnahme

Aktenzeichen  SR StVK 768/16

Datum:
9.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 1784
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 10.10.2016, in der zuletzt am 03.02.2022 beschränkten Form, wird festgestellt, dass die im 3. Quartal 2016 erhobene Betriebs- und Stromkostenpauschale in Höhe des Erhöhungsbetrages von 4,50 Euro für die Betriebskosten der neuen SAT-Empfangsanlage rechtswidrig war.
2. Die Kosten des Verfahrens als auch die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Antragstellers hat die Staatskasse zu tragen.
3. Der Gegenstandswert wird auf 150,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist Insasse der Justizvollzugsanstalt S. – Abteilung für Strafgefangene. Er verbüßt dort eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen zweifachen Mordes.
Mit Schreiben vom 10.10.2016 beantragte er die Abbuchung des Energiekostenbeitrages für das 3. Quartal 2016 in Höhe von 9,00 € aufzuheben, wodurch er sich in seinen Rechten verletzt fühle. Die Erhöhung um 100% sei Wucher und widerspreche dem Angleichungsgrundsatz. Auch habe sich sein Stromverbrauch nicht verändert und nicht erhöht und würden sich die Anschaffungskosten für die SAT-Anlage nach maximal 2 Jahren amortisieren.
Mit Schreiben vom 21.10.2016 nahm die Justizvollzugsanstalt Straubing Stellung und hielt den Antrag für unbegründet. Auf Grund der Inbetriebnahme der neuen Satelliten-Empfangsanlage, die von den Inhaftierten nachdrücklich gefordert worden sei, sei eine Anpassung der Betriebs- und Stromkostenbeteiligung erforderlich geworden. Mit Bekanntmachung vom 27.06.2016 sei die Erhöhung zum 01.07.2016 zur Kenntnis gebracht worden. Auf Grund der gestiegenen Energiekosten sowie der Inbetriebnahme der neuen Satelliten-Empfangsanlage sei die Anhebung der Betriebs- und Stromkostenpauschale angezeigt gewesen. Die Anpassung sei in erster Linie Folge der Inbetriebnahme der neuen Satelliten-Empfangsanlage, welche mit ganz erheblichen Investitionskosten verbunden gewesen sei. Die Anhebung der Pauschale beruhe im Wesentlichen auf der erstmaligen Erhebung von Betriebskosten für die neue Satelliten-Anlage.
Mit Verfügung vom 24.10.2016 erhielt der Antragsteller die Gelegenheit zur Stellungnahme.
Ein am 26.10.2016 eingehender erster Ablehnungsantrag wurde durch Beschluss vom 27.10.2016 als unzulässig verworfen.
Mit Schreiben vom 31.10.2016 nahm der Antragsteller ergänzend Stellung und wiederholte seinen Befangenheitsantrag. Er meine insbesondere, dass sich die Anstalt nur an den Gefangenen bereichern wolle. Er selber habe zudem keine neue Sat-Anlage gefordert.
Mit Beschluss vom 09.11.2016 wurde der Befangenheitsantrag vom 31.10.2016 zurückgewiesen.
Mit Beschluss der Kammer vom 10.11.2016 wurde der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 10.10.2016 zurückgewiesen.
Die vom Antragsteller erhobene Rechtsbeschwerde wurde durch Beschluss des OLG Nürnberg vom 23.01.2017 als offensichtlich unbegründet verworfen. Hierbei hat der Senat herausgestellt, dass die angefochtene Entscheidung sehr ausführlich und sorgfältig begründet wurde und ist der Senat der angefochtenen Entscheidung deshalb in vollem Umfang gefolgt und hält die Kostenpauschale eher am unteren Rand des rechtlich zulässigen verortet angesichts gerichtsbekannt steigender Strompreise in Bayern.
Ein vom Antragsteller erhobener Wiedereinsetzungsantrag wurde durch Beschluss des OLG Nürnberg vom 16.02.2017 verworfen.
Auf die vom Antragsteller eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 16.05.2018 den Beschluss der Kammer vom 10.11.2016 sowie den Beschluss des OLG Nürnberg vom 23.01.2017 aufgehoben und die Sache an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen. Das Bundesverfassungsgericht führt zusammenfassend aus, dass die Erhebung von Pauschalen im Grundsatz zulässig ist, wobei dies etwa im Falle sparsamer Gefangener zu verfassungsrechtlich relevanten Ungleichbehandlungen führen kann, welche jedoch aus Praktikabilitätserwägungen einer Rechtfertigung zugänglich sind. Nicht zulässig sei es jedoch, wenn mit der Erhebung von Kostenpauschalen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Kostenstruktur einer Justizvollzugsanstalt der von Verfassungs wegen zu gewährleistende Grundbedarf mittelbar (mit) finanziert würde. Es stelle sich die Frage, inwiefern die Auferlegung von Betriebskosten eigener Hörfunk- und Fernsehgeräte es erlaube, einmalige Beschaffungs- und Einbaukosten einer Satelliten-Empfangsanlage den Gefangenen aufzuerlegen. Zudem sei von Relevanz und zu prüfen, inwieweit der grundsätzlich von Verfassungs wegen zu gewährleistende Grundbedarf von Information unabhängig von der Anbindung an die neue Satelliten-Empfangsanlage sichergestellt sei.
Nach Mitteilung der unveränderten Sachbearbeitung auf ein Schreiben des Antragstellers vom 23.07.2018, lehnte dieser den gerichtlichen Sachbearbeiter mit Schreiben vom 30.07.2018 zum zweiten Mal erneut ab.
Die Justizvollzugsanstalt S. hat am 01.08.2018 ergänzend Stellung genommen und führt zu den Anschaffungskosten der neuen Satelliten-Empfangsanlage aus, wobei sie die Auferlegung auch von Betriebskosten als grundsätzlich rechtmäßig erachtet. Ohne Anschluss an die neue Anlage sei mit DVB-T-Antennen ein Fernsehsignal zu empfangen.
Nach Abgabe einer dienstlichen Stellungnahme auch dazu, dass bislang keine Entscheidung über eine vom Antragsteller beantragte mündliche Hauptverhandlung ergangen ist, nahm dieser hierzu am 13.08.2018 ergänzend Stellung, ebenso mit weiteren Schreiben vom 17.09. Und 19.09.2018.
Der Antrag auf Ablehnung des gerichtlichen Berichterstatters wurde mit Beschluss vom 24.09.2018 zurückgewiesen.
Am 19.09.2018 nahm die Justizvollzugsanstalt Straubing ergänzend Stellung und bringt nochmals vor, dass mit DVB-T-Antennen ein Fernsehsignal zu empfangen sei und mit der Satelliten-Empfangsanlage eine den Grundbedarf deutlich übersteigende Alternative zur Informationsbeschaffung angeboten werde. Deswegen sei eine Beteiligung der Gefangenen an den Betriebskosten rechtmäßig. Daneben wird vorsorglich zu etwaigen Stromkosten vorgetragen.
Der Antragsteller nahm am 04.10.2018 ergänzend Stellung und widersprach den Angaben der Anstalt. Des Weiteren beantragte er Akteneinsicht in alle gerichtlichen Schriftstücke und Verfügungen sowie die erneute Anberaumung einer Hauptverhandlung. Daneben weist er auf fehlende Fernsehgeräte in Gemeinschaftsräumen hin und werde der Grundbedarf durch TV-Geräte im Haftraum gewährleistet und müsse die Anstalt deswegen die Kosten für diesen Grundbedarf übernehmen. Es reiche dabei nicht mehr aus, mittels DVB-T-Antennen ein Fernsehsignal zu empfangen, welches gerade für drei öffentlich-rechtliche Fernsehsender ausreiche, was für eine moderne Informationsbeschaffung völlig unzureichend sei. Zudem empfange man auf Grund der verwinkelten und dicken Bauweise der JVA und der Empfindlichkeit der DVB-T-Antennen teilweise gar kein oder nur ein schlechtes Signal. Im Weiteren führte der Antragsteller zu aus seiner Sicht sinnlosen Energieverschwendungen aus.
Mit Schreiben vom 19.12.2018 nahm die Justizvollzugsanstalt Straubing ergänzend und abschließend Stellung und trägt vor, dass sie zukünftig davon absieht, für den Betrieb von Fernsehgeräten eine Betriebskostenpauschale zu erheben, was vor dem Hintergrund der geringen Höhe der zu erhebenden Kosten zur Begrenzung des Verwaltungsaufwandes diene. Dem Antragsteller würden sämtliche seit dem 3. Quartal 2016 abgebuchte Beiträge der Betriebskostenpauschale, mithin 40,50 €, zurückerstattet. Damit habe sich der Antrag des Antragstellers erledigt.
Mit Schreiben vom 02.01.2019 wies der Antragsteller zunächst darauf hin, dass seine Anträge auf Aktenauskunft und Anberaumung einer Hauptverhandlung bislang nicht verbeschieden worden seien und kündigte in Erwartung einer Antwort bis 11.01.2019 einen Befangenheitsantrag an.
Am 08.01.2019 nahm er zum letzten Schreiben der Anstalt ergänzend Stellung und stellte seinen gerichtlichen Antrag vom 10.10.2016 um und beantragte nunmehr festzustellen, dass die Art und Weise, insbesondere die Zugrundelegung der Berechnungskriterien zum Energiekostenbeitrag für das 3. Quartal 2016 in Höhe von 9,00 € rechtswidrig war und dies sowohl der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses wegen Schmerzensgeld dient, als auch wegen konkreter Wiederholungsgefahr notwendig ist.
Im Weiteren führt er aus, dass ihm durch die Abbuchungen als Taschengeldempfänger weniger Geld zum Einkauf verblieben sei und dies mit das Wichtigste im Strafvollzug wäre und er die unnötigen Entbehrungen beim Einkauf zivilrechtlich einklagen wolle. Zur Wiederholungsgefahr meint er, dass sich diese aus der Zugrundelegung der Berechnungskriterien zum Energiekostenbeitrag ergebe. Eine Erhöhung der Stromkosten und eine Erhebung von Betriebskosten sei grundsätzlich jederzeit möglich und könne es nicht angehen, dass hierfür willkürliche Faktoren zur Berechnung herangezogen würden. Es ergebe sich bereits aus dem vorliegenden StVK-Verfahren, dass die Anstalt rein willkürlich nichtumlagefähige Ausgaben zur Berechnung herangezogen habe und sich so bereichere. Es würden entscheidungserhebliche Berechnungsfaktoren unterschlagen und nichtumlagefähige Kosten auferlegt. Des Weiteren meine er, dass die bislang vorgetragenen Zahlen widersprüchlich seien. Des Weiteren sei ein DVB-T-Empfang nicht möglich und somit der Grundbedarf an Information nicht vorhanden.
Mit Schreiben vom 09.01.2018 (wohl 2019) bringt er vor, dass die Anstalt nicht gewillt sei, ihm das Geld zurückzuzahlen, da dieses noch nicht gutgeschrieben sei. Am 11.01.2019 berichtete er über einen Aushang der Anstalt vom 10.01.2019.
Mit Beschluss der Kammer vom 14.01.2019 wurde der Antrag auf gerichtliche Entscheidung verworfen.
Am 14.01.2019 brachte der Antragsteller einen erneuten dritten Ablehnungsantrag gegen den Sachbearbeiter an.
Im Rahmen der Rechtsbeschwerde brachte der Antragsteller mit Schreiben vom 08.02.2019 unter anderem vor, dass ein Feststellungsinteresse bestehe, da die Anstalt nur ihm den Erhöhungsbetrag zurückgezahlt habe, um so eine Einstellung/Erledigung des Verfahrens zu bewirken.
In einem weiteren Schreiben vom 14.07.2019 trägt er vor, dass die Kammer nach Rückzahlung von 40,50 Euro Rückerstattung der Betriebskosten deswegen zu Unrecht von einer Erledigung ausging, weil er zuvor seinen Antrag auf Erledigung rückumgestellt habe. Die Frage, ob der seitens der Anstalt eingeforderte Betrag von 3,00 Euro im Monat tatsächlich zu halbieren ist (1,50 für Stromkosten und 1,50 für Betriebskosten) sei immer noch nicht geklärt. Er meint, dass nun allen Gefangenen die Betriebskosten hätte zurückerstatten müssen und nicht nur ihm.
Das Bayerische Oberste Landesgericht hob auf die Rechtsbeschwerde den Beschluss der Kammer vom 14.01.2019 auf und verwies dieses zur erneuten Entscheidung zurück. Auch habe hinsichtlich des Verfahrensgegenstandes Klärungsbedarf bestanden.
In einem Schreiben vom 27.09.2019 im Verfahren SR StVK 697/19 nimmt der Antragsteller Bezug auf die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 20.09.2019 und bringt vor, dass es ihm im hiesigen Antragsverfahren um die Abbuchung von 9,00 Euro für Strom- und Betriebskosten gegangen sei. Er konkretisiert dies dahingehend, dass es vorliegend „nur“ um eine monatliche Erhöhung der Pauschalen von 1,50 Euro gegangen sei.
Mit Beschluss vom 22.10.2019 wurde der Befangenheitsantrag vom 14.01.2019 zurückgewiesen.
Auf gerichtliche Verfügung vom 23.10.2019 beantragte er eine mündliche Hauptverhandlung und stellte in Aussicht, dass er spätestens in der 44. Kalenderwoche 2019 eine Antwort erwarte, andernfalls er einen Befangenheitsantrag im Ablehnungsfall stellen werde.
Mit Schreiben vom 04.11.2019 lehnte der Antragsteller den Sachbearbeiter zum vierten Mal erneut ab.
Am 06.11.2019 stellte er seinen gerichtlichen Antrag erneut um und beantragt nun festzustellen, dass die Abbuchung des Energiekostenbeitrags für das 3. Quartal 2016 in Höhe von 9,00 Euro rechtswidrig war und Wiederholungsgefahr vorliege sowie die Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses angestrebt werde. Allein durch die Rückzahlung von 40,50 Euro nur an ihn habe eine Erledigung durch die Anstalt bewirkt werden sollen. Ihm seien vierteljährlich 4,50 Euro vorenthalten worden und dies nicht durch die Rückerstattung im Jahr 2018 kompensiert worden.
Mit Beschluss vom 24.03.2021 wurde der Antrag auf Ablehnung vom 04.11.2019 zurückgewiesen.
Auf gerichtliche Verfügung vom 28.04.2021 hat die Justizvollzugsanstalt Straubing am 28.07.2021 ergänzend Stellung genommen und hält unter Berücksichtigung des nun vorliegenden Antragsgegenstandes den Antrag auf gerichtliche Entscheidung für unzulässig, da ein Feststellungsinteresse nicht gegeben sei. Hinsichtlich des gesamten Energiekostenbeitrages für das 3. Quartal 2016 sei überdies die Jahresfrist verstrichen. Es sei die Verwirkung zu berücksichtigen. Dem Antragsteller seien sämtliche abgebuchten Beiträge der Betriebskostenpauschale in Höhe von 1,50 Euro monatlich rücküberwiesen worden. Die gezahlten Beträge der Stromkostenpauschale wurden nicht zurücküberwiesen. Die Betriebskostenpauschale werde nicht mehr erhoben. Derzeit würden als Ausgleich für die Pandemielage und hierdurch eingetretene Nachteile ebenso keine Stromkosten erhoben. Die Pauschale betrage aber weiterhin 1,50 Euro pro Monat.
Der Antragsteller hat am 20.08.2021 Stellung genommen und hält an seinem Feststellungsinteresse fest. Die Kostenerhebung sei rechtswidrig gewesen und sei jederzeit mit erneuten Betriebskostenerhebungen zu rechnen. Des Weiteren meint er, dass die Stromkostenpauschale bereits von seiner Anfechtungsklage 2016 umfasst gewesen sei.
Am 19.08.2021 lehnte der Antragsteller den Sachbearbeiter erneut zum insgesamt fünften Mal wegen Befangenheit ab.
Der Befangenheitsantrag wurde mit Beschluss der Kammer vom 30.09.2021 zurückgewiesen.
Am 27.01.2022 erhob der Antragsteller Verzögerungsrüge.
Mit gerichtlicher Verfügung vom 31.01.2022 wurde durch die Kammer zusammenfassend die Rechtslage insbesondere im Hinblick auf den geltend gemachten Antragsgegenstand umfassend dargelegt. Hinsichtlich des Antrags bezüglich der SAT-Pauschale komme nur ein Fortsetzungsfeststellungsantrag in Betracht und sei dieser entscheidungsreif. Bezogen auf die bloße (unveränderte) Strompauschale im 3. Quartal 2016 bestehe die Problematik der Subsidiarität des gestellten Feststellungsantrages gegenüber einem Anfechtungsantrag, da die Pauschale weiterhin nicht zurückgezahlt worden sei. Zudem sei dieser Antrag erst in der Umstellung vom 06.11.2019 vorgebracht worden. Die Kammer erteilte den Hinweis, dass es sachgerecht erscheine, den Antrag ausdrücklich auf das ursprüngliche Antragsbegehren betreffend des SAT-Anlagen-Zuschlags in Form eines Fortsetzungsfeststellungsantrages zu begrenzen, damit die überfällige Entscheidung endlich getroffen werden kann.
Mit Schreiben vom 03.02.2022 ist er auf den gerichtlichen Vorschlag eingegangen und hat einer sachgerechten Entscheidung zugestimmt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf sämtliche vorgenannten Schriftstücke vollumfassend Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig und in der Sache begründet.
Zu entscheiden war über den zuletzt am 03.02.2022 erneut umgestellten Antrag, zuvor umgestellt am 06.11.2019, ursprünglich gestellt am 10.10.2016. Dabei handelt es sich um einen Fortsetzungsfeststellungsantrag hinsichtlich der Feststellung, dass der im 3. Quartal 2016 erhobene Betriebskostenbeitrag von 1,50 Euro pro Monat betreffend die neue SAT-Anlage rechtswidrig war. An diesem Antrag ist die Kammer im Rahmen der Dispositionsmaxime gebunden.
Der Antrag erweist sich zunächst als zulässig. Eine Wiederholungsgefahr ist vorliegend nicht von der Hand zu weisen. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Betriebskostenpauschale künftig für die SAT-Anlage nicht mehr erhoben wird. Andererseits hat die Anstalt bis dato an der Zulässigkeit der Grundlagen für die ursprüngliche Erhebung festgehalten, so dass nicht erwartet werden kann, dass sie auch künftig von der Erhebung derartiger Betriebskostenpauschalen für vergleichbare oder anderweitige Anlagen absehen wird.
Der Antrag ist auch begründet, da die Erhebung der Betriebskostenpauschale in Höhe von 1,50 Euro im Monat für den Betrieb der neu installierten SAT-Anlage rechtswidrig war.
Hinsichtlich des Sachverhalts legt die Kammer den Vortrag der Anstalt zu Grunde, dass die Erhöhung in erster Linie Folge der Inbetriebnahme der neuen Satelliten-Empfangs-Anlage war, welche mit ganz erheblichen Investitionen verbunden gewesen sei. Durch die neue SAT-Anlage werden deutlich mehr Programme angeboten, als dies vorher der Fall war. Ob letztlich mit einer DVB-T-Antenne im Falle eines Nichtanschlusses an die SAT-Anlage gerade noch 3 öffentlich rechtliche Fernsehsender empfangen werden können oder nicht, ist im Ergebnis, wie noch darzulegen sein wird, unerheblich und kommt es hierauf nicht an. Einer weiteren Aufklärung dieses Umstandes bedurfte es daher nicht.
Gemäß Art. 71 Abs. 1 BayStVollzG werden Hörfunk- und Fernsehgeräte unter den Voraussetzungen des Art. 72 zugelassen und können Betriebskosten den Gefangenen auferlegt werden. Art. 73 BayStVollzG regelt, dass die Gefangenen in angemessenem Umfang an den Stromkosten, die durch die Nutzung der in ihrem Besitz befindlichen Gegenstände entstehen, beteiligt werden können.
Mit den Regelungen zur Zulassung von Hörfunk- und Fernsehgeräten wird den allgemein üblichen Lebensbedingungen Rechnung getragen und damit dem Anspruch der Gefangenen auf ein Mindestmaß an Fernsehempfang grundsätzlich durch die Zulassung von Fernsehgeräten in den Hafträumen ermöglicht. Das Programmangebot hat sich an den Bedürfnissen der Gefangenen an staatsbürgerlicher Information, Bildung und Unterhaltung zu orientieren. Dabei können den Gefangenen nicht nur die Kosten für die Anschaffung, sondern auch die Betriebskosten ihrer Geräte auferlegt werden. Hierunter fallen nicht nur die Kosten für die sicherheitstechnische Überprüfung, sondern auch alle Energiekosten und andere Nutzungsentgelte, wobei zu berücksichtigen ist, dass Gefangene keine Rundfunkbeiträge zu leisten haben. Eine unentgeltliche Zurverfügungstellung kann insoweit verlangt werden, als die jeweilige Leistung zur sachgerechten Durchführung des Strafvollzugs erforderlich ist oder ihre kostenfreie Gewährung dem Gebot des effektiven Grundrechtsschutzes entspricht. Das Grundrecht auf Informationsfreiheit erfordert nicht, dass der Betrieb eines eigenen Fernsehgerätes für die Gefangenen kostenfrei möglich sein muss (vgl. Arloth/Krä, StVollzG, 4. Auflage, Art. 71 BayStVollzG, Rnrn. 1 – 3). In der Zulassung eigenen Fernsehens wird der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung und der herausragenden Bedeutung des Fernsehverhaltens zum Freizeitverhalten der Menschen sowie dem Angleichungsgrundsatz Rechnung getragen. Die Gefangenen haben ein subjektives Recht auf Teilnahme an den von der Anstalt veranstalteten Hörfunk- und Fernsehempfangsmöglichkeiten. Das Medium Fernsehen nimmt auf dem Gebiet der Unterhaltung und Meinungsbildung eine so bedeutende Stellung ein, dass das Grundrecht der Informationsfreiheit in seinem Kernbereich berührt würde, wenn einem Gefangenen selbst eine eingeschränkte Teilnahme am Fernsehprogramm verwehrt würde. Die Anstalt hat den Gefangenen ein Mindestmaß an Fernsehempfang zu ermöglichen (Arloth/Krä, StVollzG, 4. Auflage, § 69 StVollzG, Rnrn. 1 und 2). Der Gesetzgeber hat in der Begründung zu Art. 71 BayStVollzG festgehalten, dass aus Art. 5 Abs. 1 GG kein Anspruch auf kostenloses Fernsehen besteht, den Gefangenen aber ein Anspruch auf ein Mindestmaß an Fernsehempfang erfüllt werden muss. Das Programmangebot hat sich dabei an den Bedürfnissen der Gefangenen an staatsbürgerlicher Information, Bildung und Unterhaltung zu orientieren. Die Kosten der Anschaffung und Überprüfung der Fernsehgeräte können den Gefangenen ebenso wie deren Betriebskosten auferlegt werden. Ob eine Leistung kostenlos zu gewähren ist, richtet sich nach dem Charakter der Leistung. Eine unentgeltliche Zurverfügungstellung kann nur insoweit verlangt werden, als die jeweilige Leistung zur sachgerechten Durchführung des Strafvollzugs erforderlich ist oder ihre kostenfreie Gewährung dem Gebot des effektiven Grundrechtsschutzes entspricht. Das Grundrecht auf Informationsfreiheit erfordert nicht, dass der Betrieb eines eigenen Fernsehgeräts für die Gefangenen kostenfrei möglich sein muss (Drucksache des Bayer. Landtages 15/8101, Seite 65). In einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 01.03.2007 (2 Ws 73/07) war die Erhebung eines Energiekostenbeitrages für ein Fernsehgerät bereits Gegenstand. Demnach bestehe kein subjektives Recht auf eine den Wünschen der Gefangenen nach ausgestalteten Fernsehempfang. Nach Ansicht des Oberlandesgerichtes schließe der Begriff der Unterbringungskosten nicht aus, auch den „Energiekostenbeitrag“ für die Zurverfügungstellung eines Satelliten-Fernsehanschlusses zur Nutzung eines privaten Fernsehgerätes im Haftraum darunter zu fassen. Dies entspreche aber nicht dem Willen des Gesetzgebers, so dass es sich nicht um Haftkosten handele. Eine sonstige Ermächtigungsgrundlage für einen Beitrag für die Benutzung des anstaltseigenen Satellitenfernsehanschlusses für private Fernsehgeräte bestehe nicht. Fernsehen diene der Unterhaltung und Information und falle insbesondere im Hinblick auf seine Informationsfunktion in den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG. Es könne jedoch eine Beteiligung der Gefangenen an den Betriebskosten eines eigenen Fernsehgerätes abverlangt werden. Es müsse das grundrechtlich geschützte Recht auf Informationsfreiheit zumindest dadurch gewährleistet sein, dass der Empfang von zumindest öffentlich rechtlichen Sender ermöglicht wird. Ebenso hat sich bereits das Oberlandesgericht Celle im Beschluss vom 07.12.2017 (3 Ws 559/17) mit der Kostenbeteiligung eines Gefangenen für die Überlassung eines DVB-T2-Receivers beschäftigt. Dabei hat das Gericht aufgeführt, dass der Receiver der Grundversorgung mit Informationen diene, um eine angemessene Grundversorgung mit Hörfunk- und Fernsehempfang sicherzustellen, was die Erhebung von Kostenbeiträgen ausschließt. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss vom 16.05.2018 (2 BvR 635/17) dargelegt, dass für eigene Hörfunk- und Fernsehgeräte den Gefangenen Betriebskosten auferlegt werden können. Hinsichtlich der Auferlegung von Stromkosten für die Nutzung von Elektrogeräten bezieht sich dies nur auf die Geräte, die über den von den Justizvollzugsanstalten kostenfrei zu gewährenden Grundbedarf hinausgehen. Es sei die Frage zu klären, inwiefern Art. 71 Abs. 1 S. 2 BayStVollzG der die Auferlegung der Betriebskosten eigener Hörfunk- und Fernsehgeräte erlaube, auch die teilweise Umlage der einmaligen Beschaffungs- und Einbaukosten einer Satellitenempfangsanlage der JVA sowie der Betriebskosten dieser Anlage auf Gefangene ermöglicht. Dabei werde zu prüfen sein, inwieweit der grundsätzlich von Verfassungswegen zu gewährleistende Grundbedarf an Informationen in der JVA unabhängig von der Anbindung an die neue Satellitenanlage sichergestellt ist.
Unter Heranziehung der vorgenannten rechtlichen Grundlagen ist festzustellen, dass die Erhebung der als Betriebskostenpauschale bezeichneten Zusatzkosten in Höhe von 1,50 Euro pro Monat im relevanten Zeitraum rechtswidrig war.
Zunächst ist festzustellen, dass die Satelliten-Empfangs-Anlage der Sicherstellung des grundrechtlich geschützten Informationsbedarfs gemäß Art. 5 GG der Gefangenen dient. Die grundsätzliche Empfangsmöglichkeit von Fernsehsendern ist dabei als grundrechtlich geschützter Grundbedarf den Gefangenen kostenlos zur Verfügung zu stellen. Dabei wird nicht übersehen, dass die Gefangenen mit der Inbetriebnahme der neuen Satelliten-Empfangs-Anlage ein deutlich breiteres Senderangebot erhalten haben, als dies vorher der Fall war. Dies führt indes nicht dazu, dass die Gefangenen deswegen grundsätzlich an den „Betriebskosten“ der Anlage zu beteiligen wären. Ersichtlich ist im vorliegenden Fall nämlich, dass die Anstalt vielmehr die tatsächlichen Anschaffungskosten der Satelliten-Anlage auf die Gefangenen umgelegt und dies mit Betriebskosten bezeichnet hat. Bereits der Sache nach sind jedoch Anschaffungskosten nicht unter die Betriebskosten zu subsumieren, so dass hierfür bereits keine Rechtsgrundlage bestand. Hinsichtlich der tatsächlichen Betriebskosten in Form der Strom- und Wartungskosten der SAT-Anlage hat die Anstalt keine nachvollziehbare Berechnungsgrundlage darstellen können, die bereits ursprünglich eine Beteiligung der Gefangenen erfordert hätte. Angesichts der Zurverfügungstellung des informationellen Grundbedarfs kommt es hierauf jedoch nicht an. Denn die Anstalt kann diesen Bedarf auch nicht anderweitig den Gefangenen zur Verfügung stellen. Sofern darauf verwiesen wird, dass ein Empfang eines Grundbedarfs an öffentlich-rechtlichen Sendern durch DVB-T-Antennen noch möglich wäre, so entspricht dies zum einen nicht mehr den Anforderungen an das Angleichungsgebot und den allgemeinen Lebens- und Informationsstandard außerhalb der Anstalt sowie der Bedeutung des Fernsehens im Rahmen der Gesellschaft und der Informationsbeschaffung. Zum anderen wäre es auch in diesem Fall die Anstalt, welche die DVB-T-Antenne den Gefangenen kostenlos zur Gewährleistung des informationellen Grundbedarfs zur Verfügung stellen müsste. Dies hat sie ersichtlich nicht getan, so dass es insgesamt an einer Grundlage für die Erhebung der Betriebskosten für diese Anlage fehlte.
Die Vorschriften des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes im verfassungsrechtlichen Lichte dienen hinsichtlich der Kostenerhebung für Betriebskosten für Fernsehgeräte dazu, den Gefangenen vor Augen zu führen, dass auch außerhalb der Anstalt entsprechende Kosten auf sie zukommen. Entsprechend hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung auch keinen Anspruch auf ein kostenloses Fernsehen benannt. Damit war jedoch ersichtlich beabsichtigt, dass Gefangene, welche einen eigenen Fernseher haben möchten, der ihnen nunmehr von Gesetzes wegen auch zusteht, für dessen Anschaffung und Betrieb die Kosten zu tragen haben. Mithin hat der Gefangene den Erwerb eines Fernsehers oder aber die Leihgebühr ebenso zu tragen, wie die für den Betrieb des Fernsehers anfallenden Wartungs-, Überprüfungs- als auch Stromkosten. Darüber hinausgehende Kosten können ihnen nicht auferlegt werden. Dies entspricht dem Angleichungsgrundsatz sowie der Regelung, dass Gefangene von den GEZ-Gebühren befreit sind. Ist dies auch außerhalb der Justizvollzugsanstalt so, so kann ein Bürger, welcher über eine Satelliten-Empfangs-Anlage verfügt, Fernsehen schauen, ohne dass ihn hierfür zusätzliche Kosten treffen. Lediglich den Erwerb der Satellitenanlage hat er selbst zu tragen. Dieser Erwerb ist jedoch im Falle eines Strafgefangenen auf die Anstalt verlagert worden, welche den grundsätzlich geschützten Mindestinformationsanspruch durch kostenlose Zurverfügungstellung entsprechender Empfangstechnik zu ermöglichen hat.
Mangels einschlägiger und in den Voraussetzungen zutreffender Anspruchsgrundlage war es rechtswidrig, die im 3. Quartal 2016 erhobenen Betriebskosten in Form des Erhöhungsbetrages von 1,50 Euro pro Monat zu erheben. Es war somit die Feststellung gemäß Ziffer 1 des Beschlusstenors zu treffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 StVollzG, die Festsetzung des Gegenstandswertes auf den §§ 60, 52 GKG.


Ähnliche Artikel


Nach oben