Strafrecht

SR StVK 1103/21

Aktenzeichen  SR StVK 1103/21

Datum:
14.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 4445
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 27.10.2021 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 250 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, ein ehemaliger Polizeibeamter, ist Insasse der Justizvollzugsanstalt Straubing. Er verbüßt dort eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen zweifachen Mordes.
Mit Schreiben vom 14.10.2021, hier eingegangen am 14.10.2021, hat der Antragsteller im Verfahren SR StVK 1035/21 eine einstweilige Anordnung nach § 114 StVollzG beantragt. Er begehrt durch Eilrechtsschutz die Verpflichtung der Anstalt, seine genehmigte Ausführung spätestens im Oktober 2021 umzusetzen. Er habe am 27.09.2021 eine Ausführung, hilfsweise Ausgang beantragt, welche er umgehend, hilfsweise unverzüglich haben wolle. Hintergrund seien seit mindestens 2006 bestehende Haftschäden. 14.10.2021 sei eröffnet worden, dass die genehmigte Ausführung irgendwann in Zukunft erfolgen werde. Auf den Antrag auf Bekanntgabe, wann die Ausführung umgesetzt werde, habe er keine Antwort erhalten. Er gehe von einer monatelangen rechtswidrigen Hinhaltetaktik aus. Seine bisherigen 4 Anträge seien nach über 9 Monaten, 11 Monaten, 5 Monaten und 3 Monaten umgesetzt worden. Ausführungen sein 21.01.2020, 28.12.2020, 09.06.2021 und 27.09.2021 erfolgt. Er meint, dass die Anstalt zu Unrecht Personalmangel geltend machen könnte.
Die JVA hat am 18.10.2021 Stellung genommen und hält den Antrag für unzulässig, jedenfalls unbegründet. Der Antragsteller habe seit 2020 zwischen 4 Ausführungen zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit erhalten. Wie zuvor auch, habe er am Tag der letzten Ausführung eine erneute Ausführung zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit beantragt. Hierüber sei am 07.10.2021 entschieden und dem Antragsteller mündlich am 14.10.2021 geöffnet worden, dass die Ausführung genehmigt sei und er kurzfristig über den Zeitpunkt sowie die Modalitäten Kenntnis gesetzt werde. Die Ausführung werde derzeit organisiert. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung würde die Hauptsacheentscheidung vorwegnehmen, was unzulässig wäre. Gleichzeitig ergibt sich keine Eilbedürftigkeit. Über den Antrag wurde innerhalb von wenigen Tagen ordnungsgemäß entschieden und werde die Ausführung bereits geplant und ein geeigneter Zeitpunkt festgelegt. Es vor 3 Wochen habe er seine 4. Ausführung zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit erhalten und liegen keine Gründe vor, die eine sofortige neue Ausführung erforderlich machen würden. Dies sei bereits aus organisatorischen Gründen nicht möglich, da eine derartige Ausführung sprechen vorbereitet werden müsse. Der Antrag sei zudem unbegründet. Aus der einschlägigen Rechtsprechung gehe nicht hervor, in welchem Zeitraum die Ausführung nach Antragstellung erfolgen müsse. Ebenso würden keine Angaben hinsichtlich Dauer und Häufigkeit der Ausführungen zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit gemacht. Der Antragsteller sei einer von 2 Gefangenen, die bereits 4 Ausführungen seit Anfang 2020 erhalten hätten. Die letzte Ausführung habe erst kürzlich erhalten. Ein Anspruch auf einen bestimmten Zeitpunkt für Ausführungen zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit ergebe sich aus den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts nicht. Es komme dem Ziel der Ausführungen näher, sofern mehrere pro Jahr durchgeführt würden, diese über das Jahr zu verteilen. Es müsse nämlich versucht werden, das Ziel der Ausführungen, die Lebenstüchtigkeit zu erhalten und Haftschäden zu vermeiden, zu erreichen. Es erscheine sinnvoll, Gefangenen nach Ausführungen zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit die Möglichkeit zu geben, die Eindrücke und Reize zu verarbeiten zu besprechen. Diese Möglichkeit habe der Antragsteller bisher jedoch nicht genutzt. Zudem sei für Ausführungen zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit ein erheblicher Personalaufwand erforderlich und seinen entsprechende Anträge der Gefangenen nacheinander abzuarbeiten. Daneben seien noch immer wieder anderweitige Ausführungen beispielsweise zur Fachärztin zu berücksichtigen und zu planen. Jede Ausführung egal welche Art müsse entsprechend vorbereitet werden, da nur begrenzte Personal zur Verfügung stehe, welches diese Ausführungen begleiten können. Die Anstalt sei sich bewusst, dass der erforderliche Personalarbeitsaufwand hinzunehmen sei. Damit gehe jedoch nicht einher, dass bereits gegebenenfalls länger geplante Ausführungen zugunsten anderer Gefangener abgesagt werden müssten, um dem Antragsteller seine 5. Ausführung zu möglichen. Der Antragsteller, welcher stets unmittelbar nach Beendigung einer Ausführung erneut einen Antrag auf eine Ausführungen stellt, hat keinen Anspruch auf die sofortige Umsetzung. Im Hinblick auf den Personalaufwand sei eine vorausschauende Planung sowie ebenso im Hinblick auf weitere Ausführungen und Termine anderer Gefangener erforderlich, bis ein geeigneter Zeitpunkt gefunden werden könne. Es müsse dabei eine gewisse Wartezeit in Kauf genommen werden. Im Übrigen bestehe kein Anspruch auf Nennung eines konkreten Ausführungsdatums, was aus Gründen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt zwingend ausscheide. Gefangenen würden stets kurzfristig über die Ausführung informiert.
Der Antragsteller hat am 20.10.2021 ergänzend Stellung genommen widerspricht den anstaltlichen Angaben. Habe er einen Antrag auf Ausführung für seine Behandlung und Resozialisierung gestellt. Er meint, dass es einzig der Personalmangel sei, dass ihm Ausführung nicht gewährt werde. Des Weiteren meint er, dass die Hauptsache nicht vorweggenommen werde, denn die Hauptsache sei die genehmigte Ausführung selbst, nicht deren Umsetzung. Es gehe einzig darum, Haftschäden, welche durch permanente Rechtsbrüche verursacht worden sein, zu eliminieren. Er meint außerdem, die Anstalt müsse darlegen, wie viele Ausführungen erforderlich sein, um Schäden zu eliminieren. Die Befürchtung von Reizüberflutung habe nichts mit den Abständen der Ausführungen zu tun und sei spekulativ. Personalbedarf könne außerdem nicht rechtfertigend herangezogen werden.
Mit Beschluss vom einen 21.10.2021 wurde der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen.
Am 27.10.2021 beantragte der Antragsteller in der Hauptsache die Anstalt zu verpflichten, seinen genehmigten Ausführungstermine umgehend, hilfsweise sofort umzusetzen. Dabei beruft er sich auf die Vorschrift des § 113 Abs. 1 2. Alternative StVollzG. Im Wesentlichen wiederholt er den Vortrag, den er bereits im Verfahren SR StVK 1035/21 vorgebracht hat.
Justizvollzugsanstalt Straubing hat am 22.11.2021 Stellung genommen und hält den Antrag für unbegründet. Die am 14.10.2021 genehmigte Ausführung werde derzeit organisiert. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf einen bestimmten Zeitpunkt für die Durchführung der genehmigten Ausführung. 3 Monate seien außerdem noch nicht überschritten. Es komme dem Ziel, Haftschäden zu vermeiden, außerdem näher, wenn die Ausführungen über das Jahr verteilt würden. Die Gefangenen müssten die gewonnenen Eindrücke verarbeiten und diese gegebenenfalls mit den Fachdiensten nachbesprechen. Des Weiteren seien die Ausführungen auch von anderen Gefangenen nacheinander abzuarbeiten und zu berücksichtigen, dass auch anderweitige Ausführungen neben den Ausführungen zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit stattfinden würden, so Ausführungen zu externen Fachärzten etc. Jede Ausführung müsse entsprechend organisiert und vorbereitet werden. Der erforderliche Personalaufwand werde nicht infrage gestellt. Der Justizvollzugsanstalt stehe eine angemessene Bearbeitungszeit sowie eine vorausschauende Planung hinsichtlich des Personalaufwandes zur Verfügung. Aus Sicherheitsgründen bestehe kein Anspruch auf Nennung eines konkreten Datums. Des Weiteren sei das Abstandsgebot zu den Sicherungsverwahrten zu berücksichtigen, denen bereits 4 Ausführungen im Jahr zustehen würden. Anders als privilegierte Sicherungsverwahrte haben Strafgefangene keinen gesetzlichen Anspruch eine bestimmte Anzahl von Ausführungen im Jahr und hat das Bundesverfassungsgericht ersichtlich es bewusst unterlassen, eine bestimmte Anzahl vorzugeben. Hinsichtlich der Anzahl der Ausführungen im Jahr sei der individuelle Gefangene und seine konkreten Verhältnisse in den Blick zu nehmen. Ermessensfehler seinen im konkreten Fall nicht ersichtlich. Einer erneuten kurzfristigen Ausführung binnen weniger Wochen habe es nicht bedurft, selbst wenn der Gefangene vorträgt, dass bereits Haftschäden eingetreten sein sollten. Die lange Haftdauer und das hohe Interesse des Antragstellers an der beantragten Ausführung sei berücksichtigt worden. Die angedachte Verteilung der Ausführungen über den Jahresverlauf sei nachvollziehbar nicht zu beanstanden.
Der Antragsteller hat am 16.12.2021 Stellung genommen. Er widerspricht den Angaben der Anstalt. Sowohl für die Antragsbearbeitung als auch die Umsetzung eines genehmigten Antrages gelte die Dreimonatsfrist. Er trägt vor, bereits unter Haftschäden zu leiden. Konkrete Zahlen, welche und wie viele Gefangene ausgeführt würden, seien nicht benannt worden. Er pocht auf eine schnellst- und bestmögliche Umsetzung seiner Ausführung. Hierzu zitiert er die eingängige verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zu Ausführungen zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit. Ebenso vermisst er die Angabe einer Zahl hiesiger Gefangener, die konkret von solchen Ausführungen betroffen seien. Er pochte darauf, dass die Resozialisierung täglich 24 Stunden stattfinden müsse. Er hält die fehlende Umsetzung für ein Organisationsversagen der Anstalt.
Dies die Vollzugsanstalt St. hat am 28.02.2022 ergänzend Stellung genommen. Im Nachgang eines Beschlusses des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 19.01.2022 sei anstaltsintern das weitere Vorgehen bzw. das Konzept zur Durchführung von Ausführungen zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit besprochen und angepasst worden. Die getroffene Entscheidung bedürfe einer gewissen Vorbereitungszeit und seien diese Maßnahmen noch nicht vollends abgeschlossen. Die Ausführung zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit werde aber noch im 1. Quartal des Jahres 2022 stattfinden und sei das erforderliche veranlasst worden.
Der Antragsteller hat am 04.03.2022 abschließend Stellung genommen und widerspricht den Angaben der Anstalt. Die Angabe des Zeitpunktes der Ausführung noch im 1. Quartal 2022 sei Spekulation und zu ignorieren. Im Übrigen gebe es nur unzureichendes und unqualifiziertes Personal, welches schlicht fehle.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf sämtliche Schriftstücke vollinhaltlich Bezug genommen, sofern sie nicht ausdrücklich zuvor benannt wurden.
II.
Antragsgegenstand ist eine Ausführung zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit, welche bereits genehmigt aber noch nicht umgesetzt wurde. Die entspricht bereits dem Antragsschreiben vom 27.10.2021 selbst, worin der Antragsteller als Hintergrund seines Ausführungsantrages Haftschäden benennt und auf die zuvor zum gleichen Zweck erfolgten Ausführungen Bezug nimmt. Lediglich eine solche Ausführung und nicht mehr, wurde ihm durch die Anstalt genehmigt. Deswegen ist auch nur darüber zu entscheiden, ob diese konkret genehmigte Maßnahme der umgehenden Umsetzung bedarf und dies durch die Kammer im Wege einer Verpflichtung zu tenorieren ist.
Der Antrag in Form einer Leistungsklage zur Umsetzung der bereits genehmigten Ausführung ist zulässig. Zwar hat die Anstalt bereits über die Genehmigung der Ausführung entschieden und wird deren Umsetzung geplant, jedoch führt dies nicht zu einer Unzulässigkeit des Antrages. Wäre dem so, dann könnte die Anstalt mit diesem Argument eine bereits genehmigte Ausführung für mehrere Jahre verzögern und wäre der Antragsteller entgegen Art. 19 Abs. 4 GG rechtsschutzlos gestellt. Es kann daher der Umsetzungszeitraum der Ausführung nicht offen bleiben und dies zu einer Abweisung der Klage führen. Im Hinblick auf einen konkret zu veranschlagenden Umsetzungszeitraum ist der Antrag daher zulässig.
Der Antrag ist unbegründet und die Entscheidung der Anstalt, die dem Antragsteller genehmigte Ausführung im 1. Quartal 2022 durchzuführen nicht zu beanstanden. Das Gericht muss bewerten, ob der beabsichtigte Umsetzungszeitraum rechtmäßig ist. Es ist nicht zu erkennen, dass die Vollzugsbehörde das ihr zustehende Ermessen rechtswidrig, missbräuchlich oder willkürlich ausgeübt hat. In dem sich die Anstalt mit der Angabe des vertretbaren Umsetzungszeitraums, vorbehaltlich aktuell unvorhersehbarer Ereignisse selbst gebunden hat, besteht für eine Verpflichtung, die Ausführung zu einem früheren Zeitpunkt auszuführen, daher kein Rechtsschutzbedürfnis.
Ausführungen zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit dienen dazu, aktiv den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs entgegenzuwirken und die Lebenstüchtigkeit der Gefangenen zu erhalten und zu festigen. Das Gebot, die Lebenstüchtigkeit des Gefangenen zu erhalten und zu festigen, hat ein umso höheres Gewicht, je länger die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe bereits andauert und greift nicht erst dann ein, wenn er bereits Anzeichen einer haftbedingten Depravation aufweist bzw. Einschränkungen in lebenspraktischen Fähigkeiten unter den Bedingungen der Haft konkret drohen (BVerfG, Beschluss vom 18.9.2019 – 2 BvR 1165/19). Damit steht die Grundlage der Gewährung derartiger Ausführungen zu Gunsten langjähriger Gefangener fest. Eine solche 5. Ausführung wurde dem Antragsteller indes bereits genehmigt.
Gefangene haben aber hinsichtlich der Art und Weise einer Ausführung als auch der konkreten Anzahl und des konkreten Zeitpunkts keinen individuellen Anspruch. Es besteht lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (Arloth/Krä. 5. Aufl., § 11 StVollzG, Rn. 5). Da der Vollzugsbehörde bei der Beurteilung ein Ermessensspielraum zusteht, kann das Gericht die Entscheidung nur eingeschränkt überprüfen und hat der Antragsteller deswegen nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Das von der Vollzugsbehörde ausgeübte und auszuübende Ermessen hat das Gericht nur dahin zu überprüfen, ob die Entscheidung der Behörde rechtswidrig ist, weil sie die gesetzlichen Grenzen des zustehenden Ermessensspielraums überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 115 Abs. 5 StVollzG) oder sie ihre Entscheidung nur einen unvollständigen Sachverhalt zu Grunde gelegt hat. Das Gericht darf dabei sein Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens der Vollzugsbehörde setzen. Bei der Prüfung der Notwendigkeit der Ausführung sind auch die personellen und organisatorischen Möglichkeiten der Anstalt zu berücksichtigen (Arloth/Krä, a.a.O.).
Das Interesse des Gefangenen, vor den schädlichen Folgen aus der langjährigen Inhaftierung bewahrt zu werden und seine Lebenstüchtigkeit im Falle der Entlassung aus der Haft zu behalten, hat ein umso höheres Gewicht, je länger die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe bereits andauert (BVerfG, a.a.O.). Bei langjährig Inhaftierten kann es daher, selbst wenn noch keine konkrete Entlassungsperspektive besteht, jedenfalls geboten sein, zumindest Lockerungen in Gestalt von Ausführungen zu ermöglichen. Der damit verbundene personelle Aufwand ist dann hinzunehmen (BVerfG, a.a.O.). Im Übrigen ist eine Vollzugsanstalt von Verfassungswegen nicht gehalten dem Strafgefangenen die Erreichung eines von ihm erstrebten Zieles auf einem Wege zu ermöglichen, der für sie außerordentliche Schwierigkeiten mit sich bringt und die Gewährleistung des Vollzugszweckes oder der Ordnung der Anstalt ernsthaft in Frage steht, wenn der Gefangene das gleiche Ziel ganz oder doch weitgehend auf einem ihm zumutbaren und für die Vollzugsanstalt mit wesentlich weniger Aufwand verbundenen Wege erreichen kann (BVerfG, 2 BvR 1753/14). Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die Art und Weise der Durchführung einer Ausführung (z. B. Kleidung, Fesselung, Durchsuchung, Ankündigung, Ziel) als auch die Anzahl im Ermessen der Anstalt steht. Bei der Prüfung der Notwendigkeit der Ausführungen sind auch die personellen und organisatorischen Möglichkeiten der Anstalt zu berücksichtigen (Arloth/Krä, StVollzG, 4. Aufl., § 11 StVollzG, Rnr. 5 m. w. N.). Zwar kann die Personallage der Anstalt der Gewährung von Ausführungen zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit nicht grundsätzlich entgegensetzt werden, jedoch können Gefangene andererseits nicht verlangen, dass unbegrenzt personelle Mittel und sonstige Mittel aufgewendet werden, um Beschränkungen der grundrechtlichen Freiheiten zu vermeiden (BVerfG, 2 BvR 1753/14). Gerade im Fall der Justizvollzugsanstalt Straubing, einer bekanntermaßen hochgesicherten Justizvollzugsanstalt, in welcher sich ca. 800 zumeist langjährig inhaftierte Strafgefangene und Sicherungsverwahrte befinden, sind bei der Art und Weise sowie dem Umfang der Gewährung von Ausführungen Gründe der Vollzugsorganisation zu berücksichtigen. Gerade bei der bestehenden Charakteristik der JVA Straubing mit der Vielzahl langjährig Inhaftierter sowie unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, welcher die Ausführung einer Vielzahl von Gefangenen erforderlich macht, kann der Vollzugsorganisation sowie der Berücksichtigung des personellen Aufwands bei der Frage des Umfangs der zu gewährenden Ausführungen ein erhebliches Gewicht nicht abgesprochen werden.
Darüber hinaus wird das Abstandsgebot gegenüber dem Vollzug der privilegierten Sicherungsverwahrten zu berücksichtigen sein, denen bereits gesetzlich vier Ausführungen im Jahr zustehen Art. 54 Abs. 3 BaySvVollzG. In Abs. 3 Satz 1 wird eine Ausführung als ein Verlassen der Einrichtung unter ständiger und unmittelbarer Aufsicht von Vollzugsbediensteten definiert. Um die Lebenstüchtigkeit der Sicherungsverwahrten zu erhalten und einer Isolierung von der Außenwelt entgegenzuwirken, erhalten Sicherungsverwahrte, auch wenn sie noch nicht für eine vollzugsöffnende Maßnahme nach Abs. 1 geeignet sind, nach Abs. 3 Satz 2 mindestens vier Ausführungen pro Jahr. Die Funktion der Ausführungen ist hier nicht auf die Vorbereitung einer konkret bevorstehenden Entlassung beschränkt; bei langjährig Untergebrachten erscheinen insbesondere Ausführungen auch ohne eine konkrete Entlassungsperspektive geboten (vgl. BVerfG, Beschluss v. 05.08.2010, 2 BvR 729/08). Die Regelung stellt eine Ausprägung der in Art. 3 Abs. 1 bis 3 genannten Grundsätze dar, indem sie einer Hospitalisierung entgegenwirkt und den Bezug der Sicherungsverwahrten zur Gesellschaft zu erhalten sucht. Die Sicherungsverwahrten haben unter den Voraussetzungen nach Abs. 3 Sätze 3 und 4 einen Rechtsanspruch auf vier Ausführungen im Jahr; darüber hinaus lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Die Ausführungen dienen neben der möglichen Vorbereitung weiterer vollzugsöffnender Maßnahmen oder der Erhaltung der Lebenstüchtigkeit auch der Motivierung der Sicherungsverwahrten und so der Förderung ihrer Bereitschaft zur Mitwirkung an Behandlungsmaßnahmen (Drucksache des Bayerischen Landtags 16/13834, S. 48). Bezüglich der Frage, ob Sicherungsverwahrte Anspruch auf mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen 4 Ausführungen pro Jahr haben, steht der Vollzugsbehörde ein Ermessensspielraum zu. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung sind die durch weitere Ausführungen erreichbaren Fortschritte hinsichtlich der Entwicklung des Sicherungsverwahrten einerseits und die organisatorischen Bedürfnisse der Einrichtung für Sicherungsverwahrung andererseits zu berücksichtigen. Bestehen allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass durch weitere Ausführungen derartige Fortschritte erreichbar sind, sind nach der gesetzlichen Wertung die vorgesehenen jährlich 4 Ausführungen regelmäßig ausreichend (bayerisches oberstes Landesgericht vom 26.03.2021, 203 StObWs 12/21).
Diesen Grundsätzen folgend, die sich im Wesentlichen auch auf langjährig inhaftierte Strafgefangene übertragen lassen, ergibt sich indes keine konkrete Höchstanzahl von Ausführungen zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit zu Gunsten grundsätzlich sonst nicht lockerungsfähiger langjähriger Gefangener. Andererseits lässt sich sowohl der gesetzgeberischen Intention als auch der Wertung der Obergerichte (für den Bereich der Sicherungsverwahrung) entnehmen, dass zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit jedenfalls grundsätzlich 4 Ausführungen im Jahr zu diesem Zweck als ausreichend zu erachten sind. Dieser Grundsatz lässt – zumindest bedingt – ebenso auf den Bereich des Strafvollzuges, indes nicht auf alle Gefangene in gleicher Art übertragen. Anders als privilegierte Sicherungsverwahrte haben Strafgefangene nämlich keinen gesetzlichen Anspruch auf eine bestimmte Anzahl von Ausführungen im Jahr. Auch hat es das Bundesverfassungsgericht ersichtlich bewusst unterlassen, eine bestimmte Anzahl vorzugeben. Bei dieser (Höchst) Anzahl im Jahr ist jeweils der individuelle Gefangene und seine konkreten Verhältnisse in den Blick zu nehmen. Dabei werden neben der bereits vollzogenen und der noch verbleibenden Haftdauer, u. a. der Gesundheitszustand, der Vollzugsstand, der Vollzugsverlauf, die Mitwirkung im Vollzug, die sozialen Kontakte und die Einbindung in Arbeit, Therapie und Freizeitmaßnahmen zu berücksichtigen sein. Gerade mit zunehmender Vollzugsdauer kann sich ein erhöhter Bedarf an Maßnahmen zu Erhalt der Lebenstüchtigkeit ergeben. Dies entbindend die Anstalt jedoch nicht von einer Prüfung im Einzelfall.
Die Anstalt hat in selbstbindender Weise eine Umsetzung der Ausführung noch im 1. Quartal 2022 zugesagt. Ermessensfehler bei der Bestimmung des Umsetzungstermins sind im konkreten Fall nicht ersichtlich. Die Anstalt hat über den erneuten Ausführungsantrag binnen weniger Tage positiv entschieden. Da zum Zeitpunkt der Antragstellung die letzte Ausführung erst kurz zurücklag, bedurfte es einer kurzfristigen erneuten Ausführung binnen weniger Wochen seit der letzten Ausführung nicht. Gründe die hierfür sprechen würden, sind nicht ersichtlich. Selbst wenn, wie der Antragsteller vorträgt, bereits Haftschäden eingetreten sein sollten, gebietet es dieser Umstand nicht, Ausführungen in einem derart engen zeitlichen Umfang und somit in einer derart hohen Anzahl durchzuführen, wie es der Antragsteller begehrt. Im Ergebnis ist es nicht zu beanstanden, wenn die Anstalt bei der Planung der Umsetzung der Ausführungen zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit auf die in den Stellungnahmen genannten Punkte abstellt. Ersichtlich hat die Anstalt die lange Haftdauer und das hohe Interesse des Antragstellers an der beantragten Ausführung berücksichtigt. Zulässigerweise durfte hinsichtlich des nächsten Zeitpunktes berücksichtigt werden, wie viele solcher Ausführungen in welchem Zeitraum der Gefangene bereits hatte und wann die letzte Ausführung (hier zum Antragszeitpunkt vor 1 Monat) stattfand. Es durften und mussten aus Gründen der Vollzugsorganisation und aus Gründen der Gleichbehandlung geplante Ausführungen und ähnliche Maßnahmen zu Gunsten anderer Gefangener in den Blick genommen werden, was bereits durch Art. 3 GG geboten ist. Da dies nur eines von mehreren zu berücksichtigenden Argumenten ist, kommt es auf die konkrete Anzahl der Gefangenen, welche ebenfalls in den Genuss solcher Ausführungen kommen, im Detail nicht an. Es ist jedoch gerichtsbekannt, dass eine außerordentlich hohen Anzahl von „Langstraflern“ in der JVA Straubing untergebracht sind, welche ebenfalls für Ausführungen in Betracht kommen. Vor allem die angedachte Verteilung mehrerer Ausführungen über den Jahresverlauf ist ausnehmend nachvollziehbar und nicht zu beanstanden, zumal dies dem Sinn und Zweck der Ausführungen am ehesten entspricht. Zudem sind die organisatorischen Möglichkeiten der Anstalt einzubeziehen, da die Planung derartiger Maßnahmen aufwändig ist, ebenso wie die Einbeziehung personeller Möglichkeiten. Ersichtlich wurde der personelle Aufwand nicht pauschal eingeführt, was unzulässig wäre. Er wurde jedoch in Zusammenhang gesetzt mit der Vollzugsorganisation, insbesondere der Umsetzung ähnlicher Maßnahmen zu Gunsten des Antragstellers als auch anderer Gefangener, was nicht zu beanstanden ist. Dies entspricht nämlich der verfassungsgerichtlichen Vorgabe, wonach Gefangene nicht verlangen können, dass unbegrenzt personelle Mittel und sonstige Mittel aufgewendet werden, um Beschränkungen der grundrechtlichen Freiheiten zu vermeiden (BVerfG, 2 BvR 1753/14). Es wäre nämlich schlechterdings nicht umsetzbar und verfassungsrechtlich nicht geboten, allen Gefangenen der JVA gleichzeitig eine Ausführung zu gewähren und das hierfür erforderliche Personal ständig vorzuhalten. Nicht zuletzt wurde die aktuelle Rechtsprechung des BayObLG benannt (sie betraf den Antragsteller), welche hinsichtlich der Modalitäten der Ausführungen geänderte Anforderungen beinhaltet. Diese hat die Anstalt nun zu Recht anzupassen.
Das von der Anstalt zur Umsetzung der genehmigten Ausführung herangezogene Ermessen ist, jedenfalls mit Benennung des geplanten Umsetzungszeitraums nicht zu beanstanden. Dieser Umsetzungszeitraum kann durch die Anstalt in der Genehmigung nicht offen gelassen werden, andernfalls ein „Schwebezustand“ bestünde, der für den Antragsteller nur durch eine Leistungsklage justiziabel wäre. Die von der Anstalt zur Bemessung des Umsetzungszeitraums herangezogenen Umstände sind zulässig in die Abwägung eingestellt worden und sind nicht zu beanstanden. Der Antrag hinsichtlich der Verpflichtung zur umgehenden Umsetzung der Ausführung war daher als unbegründet zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Absatz 1, Absatz 2 Satz 1 StVollzG.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf den §§ 60, 52 Absatz 1 bis 3 GKG.


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