Aktenzeichen 23 Ks 1107 Js 15476/19
StPO § 257c
Leitsatz
Tenor
1. Der Angeklagte ist schuldig der gefährlichen Körperverletzung.
2. Er wird deswegen zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten verurteilt.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Angewandte Vorschriften:
§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB.
Gründe
Vorspann
Am 25.09.2020 eskalierte gegen 21:40 Uhr eine Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und seiner von ihm seit 2016 getrennt lebenden Ehefrau … dergestalt, dass der Angeklagte sie über einen mehrminütigen Zeitraum würgte und mindestens einmal mit der Faust ins Gesicht schlug. Dabei war dem Angeklagten bewusst, dass das Würgen für seine Ehefrau lebensgefährlich sein könnte, nahm dies sowie bei ihr aus dem Vorfall resultierende Verletzungen jedoch zumindest billigend in Kauf, um der Auseinandersetzung Herr zu werden. Selbst durch das couragierte Eingreifen von Passanten, die die Hilferufe der Geschädigten wahrgenommen hatten, konnte die Ehefrau erst nach einiger Zeit und Kraftanwendung aus dem Griff des Angeklagten befreit werden. Verbale Aufforderungen ließen ihn, ebenso wie tätliche Einwirkungen zunächst unbeeindruckt.
… erlitt durch den Vorfall erhebliche physische und psychische Verletzungen; sie befindet sich nach wie vor in einer Therapie zur Traumabewältigung.
Nach umfangreicher Beweisaufnahme wertete die Kammer das Tatgeschehen als gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung gem. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB und verurteilte den Angeklagten, der sich am Ende der Hauptverhandlung in Teilen geständig zeigte, zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten.
A. Persönliche Verhältnisse
I. Lebenslauf
Der Angeklagte, der eine jüngere Schwester hat, wurde in Kulmbach geboren und wuchs bei seinen Eltern in der dortigen Umgebung auf. Er besuchte regelgerecht die Schule und schloss seine Schullaufbahn 1991 mit Abitur ab. Zur Mutter wie auch zu seiner jüngeren Schwester hat der Angeklagte guten Kontakt; der Vater starb nach längerer Krankheit im Jahr 2017.
Nach erfolgreichem Ablegen des Abiturs begann der Angeklagte Mathematik und Philosophie in Freiburg zu studieren, brach das Studium jedoch ohne Abschluss im Jahr 1997 ab, um eine Arbeit aufzunehmen. Im Jahr 1999 verzog der Angeklagte berufsbedingt nach Bonn. Im Nachgang zu seinem Studium machte der Angeklagte eine Ausbildung zum Pharmareferenten und erwarb zudem im Jahr 2015 ein Online-Diplom im Bereich Marketing.
Im Rahmen seiner Freizeitaktivitäten ging der Angeklagte bereits während seiner Studienzeit insbesondere dem Schachspielen nach, das ihn unter anderem nach Ungarn reisen ließ. Dort lernte er seine spätere Frau, von der er seit 2016 getrennt lebt, kennen, mit der er 1996 zusammenzog und die er im Jahr 1998 heiratete. Der gemeinsame Sohn wurde im Jahr 2003 geboren. Zusammen mit ihm verzog das Ehepaar … im Jahr 2006 von Bonn nach Bamberg.
Der Angeklagte ging in den Jahren 1997 bis 2007 einer Erwerbstätigkeit in unterschiedlichen Bereichen und Firmen nach und unterstützte ab etwa 2007 nach einer längeren Krankheitsphase seine Ehefrau in ihrer Selbstständigkeit im Bereich Marketing, ohne selbst berufstätig zu sein.
Nach der Trennung im Jahr 2016 verblieb der gemeinsame Sohn bei der Mutter; der Angeklagte bewohnt seine Wohnung … seit nunmehr ca. 13 Jahren.
Im Jahr 2006 erlitt er einen Herzstillstand im Zuge dessen er reanimiert werden musste und für mehr als eine Woche im Koma lag. Zudem leidet der Angeklagte unter einer Vielzahl chronischer Krankheiten, darunter z.B. Herzinsuffizienz, Morbus Basedow sowie Schlafapnoe, wegen derer er nach seinen Angaben zur Nachtzeit auf ein Beatmungsgerät angewiesen ist.
Neben seinen körperlichen Krankheiten leidet der Angeklagte an einer passivaggressiven Persönlichkeitsstörung.
Nach der Trennung im Jahr 2016 wurde der Angeklagte weiterhin von seiner getrenntlebenden Ehefrau unterstützt, in dem sie für ihn beispielsweise Einkäufe erledigte, Fahrdienste übernahm und auch den Kontakt zwischen Vater und Sohn förderte, indem sie dem Angeklagten insbesondere ermöglichte, den gemeinsamen Sohn in ihrer Wohnung zu treffen.
Seit der Inhaftierung des Angeklagten ist seitens der getrenntlebenden Ehefrau und auch seitens des Sohnes ein Kontakt mit dem Angeklagten nicht gewünscht.
Der Angeklagte lebt in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen und hat keine Schulden.
II. Vorstrafenfreiheit
Bislang ist der Angeklagte strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.
III. Untersuchungshaft im vorliegenden Verfahren
Der Angeklagte wurde am 25.09.2020 vorläufig festgenommen. Seit seiner Inhaftierung aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Bamberg vom 26.09.2020, Gz.: 1 Gs 2810/19, befindet sich der Angeklagte durchgehend in Untersuchungshaft.
B. Sachverhalt
I. Vortatgeschehen
Trotz der Trennung der … von dem Angeklagten bereits im Jahr 2016 bestand zwischen beiden noch eine verhältnismäßig enge Verbindung, zum einen wegen des gemeinsamen Sohnes und zum anderen wegen des Gesundheitszustands des Angeklagten. … erledigte diverse Tätigkeiten für ihn, wie zum Beispiel Einkäufe. So kam es auch vor, dass sie ihren Ehemann an dessen Wohnung abholte, um ihn für ein Treffen mit dem Sohn in ihre Wohnung zu bringen und im Anschluss wieder zurück.
Zwei Tage vor dem gegenständlichen Vorfall, am 23.09.2020, verhielt es sich wiederum wie vorstehend geschildert: Der Angeklagte, der von seiner Ehefrau zunächst mit in ihre Wohnung zum Sohn genommen wurde, wurde von ihr auch zurückgebracht, wobei es bereits in der Wohnung (kurz vor deren Verlassen) zum Streit gekommen war, der sich im Auto fortsetzte und am … in Bamberg schließlich darin mündete, dass der Angeklagte ohne weitere Vorkommnisse das Auto verließ. Die genauen Hintergründe dieser Auseinandersetzung blieben ungeklärt, wobei Anlass (auch) dieser Streitigkeit wohl gewesen ist, dass die Ehefrau des Angeklagten mit der Gesamtsituation (Besuche beim Sohn, Fahrdienste, fehlende Dankbarkeit des Angeklagten etc.) zunehmend unzufrieden war und der Angeklagte seinerseits bestimmte Verhaltensweisen seiner Ehefrau nicht bereit war zu akzeptieren, insbesondere deren Telefonate mit ihrer Mutter, die sie in seinem Beisein jeweils über eine längere Dauer führte und von deren Inhalt er sich provoziert fühlte.
II. Tatgeschehen
Am 25.09.2020 wurde der Angeklagte zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt am späten Nachmittag/frühen Abend von …, die ihm zuvor einige Einkäufe gebracht hatte, im gemeinsamen Fahrzeug, einem älteren Opel Astra Kombi, mit zu deren Wohnung genommen, um dort den gemeinsamen Sohn zu treffen. Dort angekommen zeigte der Sohn – anders als vom Angeklagten, der extra für den Besuch auch Geschenke mitgebracht und an den Sohn überreicht hatte, erwartet – wenig Interesse an seinem Vater, sondern widmete sich weiter einer Fernsehserie. Vom Verhalten des Sohnes bereits verbittert, entwickelte sich zwischen dem Angeklagten und … in der Wohnung ein Streitgespräch, weil die Ehefrau des Angeklagten wiederum zum Telefon griff und der Angeklagte der Meinung war, sie würde (einmal mehr) ihre Mutter anrufen. Nachdem er mitteilte, jetzt zu gehen, forderte seine Ehefrau ihn auf, dann aber gleich zu gehen. Der Sohn zog sich indessen bereits zu Beginn des Streitgesprächs seiner Eltern in sein Zimmer zurück.
Der Streit zwischen den Noch-Eheleuten verlagerte sich sodann von der Wohnung der … in das gemeinsame Fahrzeug. Während der Angeklagte auf dem Beifahrersitz Platz nahm, fungierte … als Fahrerin. Auf dem etwa 2,5 km- 3 km langen Weg von ihrer Wohnanschrift in der Gönner straße in Bamberg über den … bis hin zum …, und schließlich auf dem dortigen Parkplatz, auf dem … in der Nähe der Wohnung des Angeklagten anhielt, spitzte sich die Auseinandersetzung zwischen beiden gegen 21:40 Uhr zu. … erklärte dem Angeklagten, nicht mehr als Bindeglied zwischen ihm und dem gemeinsamen Sohn fungieren zu wollen, stellte klar, dass es „so nicht gehe“ und teilte dem Angeklagten ihre Empfindungen mit. Nachdem die Auseinandersetzung sich einige Zeit lautstark verbal hingezogen hatte, äußerte der Angeklagte „Jetzt reicht’s“, woraufhin sich ein Handgemenge entwickelte, in dessen Verlauf der Angeklagte … mindestens einmal mit der Faust ins Gesicht schlug und sie würgte.
… gelang es während des Übergriffs des Angeklagten durch ihre Gegenwehr mehrfach, dessen Griff zu lockern und nach Hilfe zu rufen mit der Folge, dass der Angeklagte seinen Griff mehrfach neu ansetzte. Um sich aus der Auseinandersetzung, die insgesamt etwa 5 Minuten andauerte, zu befreien, löste … ihren Gurt aus dem Schloss, blieb aber bei dem Versuch auszusteigen aufgrund des anhaltenden Angriffs des Angeklagten mit dem Oberkörper seitlich im Gurt hängen. Auch ihr rechtes Bein verblieb zunächst noch im Fahrzeuginneren, bevor sie im weiteren Verlauf des Geschehens mit Blickrichtung zum Angeklagten weiter in Richtung Asphalt und an die Einstiegskante der Fahrerseite rutschte. Währenddessen beugte sich der Angeklagte, der die gesamte Zeitdauer nicht von … abließ, vom Beifahrersitz über die Mittelkonsole immer weiter auf den Fahrersitz über seine Frau, um diese am Aussteigen zu hindern, wobei er sie nach dem Eintreffen helfender Passanten für die Dauer von etwa 2 Minuten anhaltend würgte, in dem er seine beiden um ihren Hals gelegten Hände so fest zudrückte, dass sein Griff auch von den einschreitenden … und … zunächst nicht zu lösen war.
Erst nach tätlichem Einwirken der Zeugen …, … und … gelang es schließlich, … aus dem Griff des Angeklagten zu befreien. Jedwede verbale Aufforderung an den Angeklagten, von … abzulassen, blieb erfolglos.
Bei Beginn seiner Tätlichkeiten und während des gesamten Geschehensablaufs war sich der Angeklagte bewusst, dass die Folgen seines Würgens durch Zudrücken des Halses für ihn nicht steuerbar sind und hierdurch Lebensgefahr für seine Ehefrau eintreten könnte, ohne jedoch zugleich mit ihrem Tod zu rechnen und diesen zu billigen. … erlitt durch die körperlichen Übergriffe des Angeklagten, wie von diesem vorhergesehen und zumindest billigend in Kauf genommen, vorübergehende Atemnot, Hautrötungen mit oberflächlichen Defekten am Hals, Einblutungen an der linken Stirn, in der rechten Hinterhauptpartie, an der Nase sowie an der Unterlippe sowie kratzerartige Haudefekte an der rechten Unterarmbeugeseite, am rechten Handrücken sowie an der Rumpfrückseite. Darüber hinaus befindet sich …, die während des Würgens unter Todesangst litt und dachte, sie müsse sterben, wegen des Vorfalls in psychotherapeutischer Behandlung zur Traumabewältigung und leidet unter anderem an Panikattacken, massiven Albträumen und einer schweren depressiven Episode.
Erst als gegen 21:45 Uhr Passanten hinzugekommen waren, der Notruf vom Zeugen … abgesetzt worden war und … von dem Angeklagten unter erheblicher Kraftaufwendung weggezogen werden konnte, wurde die Situation beendet. Im weiteren Verlauf unternahm der Angeklagte keine weiteren Versuche, auf seine Frau einzuwirken.
Die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, war zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt.
C. Beweiswürdigung
In der Hauptverhandlung hat keine Verständigung zwischen den Verfahrensbeteiligten im Sinne des § 257c StPO stattgefunden. Die getroffenen Feststellungen der Kammer beruhen auf dem Ergebnis der umfangreichen Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung.
I. Zu den persönlichen Verhältnissen
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beruhen weitestgehend auf den Angaben des Angeklagten im Rahmen der Hauptverhandlung; hinsichtlich der bei ihm vorliegenden psychischen Erkrankung beruhen die Feststellungen auf den Angaben des psychiatrischen Sachverständigen Dr. … in der Hauptverhandlung.
Die Vorstrafenfreiheit des Angeklagten wurde durch Verlesung des von ihm als zutreffend anerkannten Bundeszentralregisterauszugs des Angeklagten vom 23.09.2020 in der Hauptverhandlung festgestellt.
Die Haftdaten wurden dem Akteninhalt entnommen und vom Angeklagten als zutreffend anerkannt.
II. Zum Vor- und Tatgeschehen
Der Sachverhalt steht zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der Einlassungen des Angeklagten, soweit ihnen gefolgt werden konnte, sowie aufgrund des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme.
1. Einlassung des Angeklagten
a) Zum Vortatgeschehen
Zum Verhältnis zu seiner (Noch-)Ehefrau gab der Angeklagte – ohne hierbei eine zeitliche Komponente herauszuarbeiten – an, es sei häufig zu Streitereien gekommen, die von … ausgegangen seien. Sie habe beispielsweise seinen Gesundheitszustand anderen gegenüber als negativer dargestellt als er zeitweise (nach erfolgter Reha) tatsächlich gewesen sei. Weiter habe sie zum Beispiel in Telefonaten in Anwesenheit ihres Arbeitskollegen so geredet, als interessiere ihn der gemeinsame Sohn nicht und während der Beziehung habe sie viel zu häufig und für eine viel zu lange Dauer ihre Mutter eingeladen, was er, der Angeklagte, aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme nicht gewollt habe.
Weiter war den Angaben des Angeklagten aber zu entnehmen, dass es nach der Trennung im Jahr 2016 nicht zu einem endgültigen Bruch zwischen beiden gekommen war, sondern … sich weiterhin um seine Belange (z.B. Einkäufe etc.) kümmerte und beide nach Lösungen suchten, die dem Angeklagten ein Treffen mit dem Sohn ermöglichten. So teilten sie sich nach Angaben des Angeklagten auch das Fahrzeug, einen älteren Pkw Opel Astra Kombi, wobei es häufig bei den Fahrten von seiner Wohnung zur Wohnung der … so gewesen sei, dass er gefahren sei. Bei den letzten beiden Fahrten am 23.09. und am 25.09.2020 sei seine Frau gefahren.
Zu dem ihm anlastenden Vorwurf ließ sich der Angeklagte dahingehend ein, dass es bereits am 23.09.2020 einen nahezu gleichgelagerten Vorfall wie am Tattag zwischen ihm und … gegeben habe. Sie sei auch am 23.09.2020 erst zu ihm gekommen, im Anschluss sei man gemeinsam in ihre Wohnung gefahren, damit er, der Angeklagte, den gemeinsamen Sohn habe besuchen können. Im „Kontext der Unterhaltung“ habe … ihr Handy genommen und ihre Mutter angerufen. Auch in der Vergangenheit habe sie regelmäßig ca. 45 Minuten mit ihrer Mutter telefoniert, um ihn – aus seiner Sicht – zu provozieren. Nachdem er, der Angeklagte, zunächst noch etwa 20 Minuten bei seinem Sohn in dessen Zimmer gewesen sei, habe er diesem dann gesagt, er solle seiner Mutter sagen, er sei bereits im Auto. Nach etwa 20 Minuten sei seine Frau dann nachgekommen und habe sich darüber aufgeregt, dass er schon unten gewartet habe. So sei ein Streit entstanden, der sich dann auf der gesamten Fahrt bis zum … hingezogen habe. Sie habe immer weiter auf ihn eingeschrien und er, der Angeklagte, habe dann das Auto einfach verlassen, weswegen es durch sein „Entziehen“ im letzten Moment nicht zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen sei. Der Angeklagte schilderte mehrfach, er hätte den Kontakt zu seiner Frau (schon nach der Reha) meiden und stattdessen den Fokus auf den Kontakt mit dem Sohn legen sollen.
b) Zum Tatgeschehen am 25.09.2020 Zum Tattag selbst schilderte der Angeklagte, … habe ihm Einkäufe gebracht und er habe für den Sohn Geschenke eingepackt. Im Anschluss seien beide gemeinsam in die Wohnung der … zum Sohn gefahren. Dort angekommen, habe dieser keine „enthusiastische Reaktion“ gezeigt und lieber seine „Mafiaschmonzette“ weitergeschaut, die er, der Angeklagte, zunächst mitgeschaut habe. Seine Frau habe ihm ein Sandwich angeboten, das er auch angenommen habe; sein Sohn habe weiter kein Interesse daran gehabt, die mitgebrachten Sachen auszupacken. Weiter gab der Angeklagte an, es wäre besser gewesen, sich „per pedes“ in die Stadt zu verabschieden. Spiegelbildlich zum Vorfall am 23.09.2020 habe seine Frau dann das Telefon in die Hand genommen. In der Annahme, sie würde wieder ihre Mutter anrufen, habe er, der Angeklagte, dann gesagt, er gehe jetzt lieber. Hierauf habe … geäußert, wenn, dann würden sie gleich gehen. Der Sohn habe sich, den sich entwickelnden Streit bemerkend, seine Kopfhörer aufgesetzt und sei in sein Zimmer gegangen, weswegen sich … und er, der Angeklagte, zunächst wieder ruhig verhalten hätten. Sobald beide im Auto gesessen hätten, sei der Streit nach Angaben des Angeklagten jedoch weitergegangen und habe sich wieder die komplette Fahrt von der Wohnung der … in der … (…) in Bamberg bis hin zum … hingezogen. Unter anderem habe sie hierbei geäußert, nicht länger als Bindeglied zwischen ihm und dem Sohn benutzt werden zu wollen. Sie habe gesagt, es gehe so nicht und habe ihre Empfindungen geschildert. Nachdem sie – so die Annahme des Angeklagten – ein Buch gefunden habe, das eigentlich für den Sohn bestimmt gewesen sei, das sie als Geschenk aber auf sich bezogen habe, habe sie „Du perverse Sau oder so“ gerufen und er, der Angeklagte, habe kurz danach Schmerzen in der rechten Gesichtshälfte verspürt und habe „dagegen geschoben“. Weil er seinen Arm auf der Mittellehne abgelegt gehabt habe, habe er mehrfach Schmerzen auch in der Schulterregion verspürt. Es sei ein Handgemenge entstanden, das zu beiderseitigen Verletzungen geführt habe.
Der Angeklagte beteuerte mehrfach, er habe keine Absicht gehabt, „das Ganze so eskalieren zu lassen“, dass ihr etwas zustoße und er habe zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt, sie zu töten. Er habe einen Biss abbekommen, dann „Es reicht!“ gesagt. Den Schilderungen des Angeklagten ist auch zu entnehmen, dass … „quasi aus dem Auto gerutscht“ sei und, als die Zeugen gekommen seien, auch lautstark gerufen habe, dass er, der Angeklagte ihr „nach dem Leben trachten“ würde oder sie es so empfinde. Zu diesem Zeitpunkt habe er noch mit einer Hand an ihr gehangen und seinen Griff auch nicht gelockert. Eventuell habe er mit der anderen Hand auch ein oder zweimal versucht zuzuschlagen. Er denke, es sei keine zufällige Situation gewesen, denn es sei nicht unrealistisch, dass wenn sich seine Frau habe trennen wollen, sie ihn, den Angeklagten, am besten vor Zeugen zu einer Handgreiflichkeit bewegen könne. Das rechtfertige sein Verhalten nicht und er schäme sich dafür. Es sei für ihn nach wie vor nicht nachzuvollziehen, warum er nicht früher aufgehört habe, könne sich dies nur mit der Tatsituation selbst (dunkler Wagen, Panikattacken, Gefühl der Enge) erklären und damit, dass er … irgendwann, als diese ganz aus dem Fahrzeug draußen gewesen sei „aus dem Blick verloren“ gehabt habe. Als er „über die Kante“ gekommen sei und sie wie auch seine Hand an ihr gesehen habe, habe er „ad hoc die Gewaltanwendung eingestellt“.
2. Angaben der Zeugen
Die Kammer konnte die Einlassungen des Angeklagten durch die Beweisaufnahme im Übrigen, insbesondere anhand der Angaben der unbeteiligten Zeugen, teilweise verifizieren und sich zudem von Umfang und Ausmaß der Gewaltanwendung wie auch von der zeitlichen Komponente des Tatgeschehens und dem Verhalten des Angeklagten einer- und … andererseits (sowohl während als auch nach der Tat) ein Bild machen. Dabei bestätigten sich die Angaben des Angeklagten zum Teil, zu einem wesentlichen Teil wurden sie jedoch widerlegt.
a) …
Die (Noch-) Ehefrau des Beschuldigten machte im Rahmen der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.
b) RiAG …
Die Kammer führte die Angaben der Zeugin … durch Einvernahme des Zeugen Richter am Amtsgericht (RiAG) …, der sie am 26.09.2020 im Beisein des vormaligen Pflichtverteidigers (Rechtsanwalt …) belehrt und aufgrund ihrer Aussagebereitschaft vernommen hat, ein.
RiAG …, der sich an das gesamte Verfahren wie auch die Vernehmung der Zeugin … noch gut erinnern konnte, bekundete, … habe ihre Angaben einleitend mit dem Hinweis begonnen, dass die Beziehung zu ihrem Mann schwierig sei. Er sei krank und pflegebedürftig, weswegen sie ihm trotz der Trennung helfe. Auch am Tattag habe sie für ihn eingekauft, die Einkäufe bei ihm abgegeben und ihn dann mitgenommen, weil ihr Mann den gemeinsamen Sohn habe sehen wollen, und im Anschluss wieder zurückgefahren. Weiter habe die Zeugin geschildert, es sei dann zum Streit gekommen und der Angeklagte habe ihr ins Gesicht gegriffen, sie geschlagen und gewürgt mit einer Hand hinten und mit einer Hand im vorderen Halsbereich. Weiter führte der Zeuge aus, … habe angegeben, sie habe aussteigen wollen, was ihr aber wegen des Gurts nicht gelungen sei, so dass sie versucht habe, den Gurt zu lösen. Im Anschluss sei sie aus dem Auto gekrochen, er sei hinter ihr her und auch weiter auf sie, habe sie weiter gewürgt und auch beide Enden ihres Schals zusammengezogen, wobei der Schal erst eingesetzt worden sein soll, als … sich bereits außerhalb des Fahrzeugs befunden habe. … habe zur Dauer befragt angegeben, der Vorfall habe etwa 4 bis 5 Minuten gedauert, innerhalb derer es ihr mehrfach gelungen sei, die Hände des Angeklagten zu lockern, so dass sie zeitweise wieder Luft bekommen habe. Die Folge wären Schläge durch den Angeklagten gewesen – mehrfach mit der Faust in ihr Gesicht. Der Zeuge RiAG … gab weiter an, dass … im Rahmen ihrer Vernehmung angegeben habe, sie habe Angst gehabt, dass er ihr die Augen ausdrücken werde, weil er ihr mehrfach mit den habe es Fingern in die Augen gedrückt habe. Aus Sicht des RiAG … … am meisten belastet, dass sie von dem Angeklagten mehrfach mit der Faust geschlagen worden sei, weil dies – so habe sie es geschildert – wie im Boxkampf gewesen sei. Aus seiner Sicht habe … es als am schlimmsten empfunden, dass der Angeklagte trotz ihrer Hilferufe nicht von ihr abgelassen, sondern einfach weitergemacht habe.
Befragt zu sichtbaren Verletzungen der … gab RiAG … an, sie sei im Gesicht verletzt gewesen und auch Rötungen am Hals seien zu sehen gewesen.
c) Dipl.-Psych. …
Der in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommene Dipl.-Psych. …, der als behandelnder Psychologe von … von ihr von seiner Schweigepflicht entbunden worden war, führte aus, dass diese zeitnah nach dem Vorfall, am 06.10.2020 um einen Termin gebeten habe und ihren hierauf folgenden ersten Gesprächstermin am 09.10.2020 wahrgenommen habe. Seither befinde sich … mit bislang 26 Terminen (von maximal 80 möglichen Therapieeinheiten) durchgehend bei ihm in Traumatherapie. Bereits im Telefonat am 06.10.2020 habe … von einem „schrecklichen Vorfall“ in Zusammenhang mit ihrem Ehemann berichtet, wobei dieser Vorfall, … auf 25.09.2020 datiert habe, der maßgebliche Gegenstand der gesamten Therapie sei. Mitgeteilt habe seine Patientin ihm, dass sie ihren Noch-Ehemann, von dem sie seit 2016 getrennt lebe, im Auto nach Hause zu seiner Wohnung gefahren habe. Dieser sei im Auto auf sie losgegangen, habe sie an den Haaren gezogen, geschlagen – seitlich und frontal gegen/auf den Kopf – und gewürgt, sowohl mit den Händen als auch mit einem Schal. Sie habe kaum eine Chance gehabt sich zu wehren, habe versucht sich abzuschnallen, habe sich dafür mehr Richtung Beifahrertür wenden müssen; er, der Angeklagte, habe – so habe es … geschildert – sie weiter geschlagen und versucht, ihr die Augen auszukratzen. Die Patientin habe weiter angeben, sie sei dann aus dem Fahrzeug „so halb“ draußen gewesen und der Angeklagte habe gleichwohl nicht von ihr abgelassen. Auch habe sie davon berichtet, Todesangst gehabt zu haben. Sie habe angegeben, sie sei sich sicher gewesen zu sterben und dass sie fast keine Luft mehr bekommen habe.
Am 25.09.2020 habe sie ihn abgeholt, um ihm die Möglichkeit zu geben, den gemeinsamen Sohn zu sehen, der den Angeklagten aber nicht habe sehen wollen, so dass eine merkwürdige angespannte Grundstimmung geherrscht habe. Hintergrund der dann folgenden Auseinandersetzung sei zunächst ein verbales Hin und Her gewesen, welches die Patientin, so habe sie es bekundet, nicht als ungewöhnlich empfunden habe. Sie habe ihn (auch am Tattag) mit Lebensmitteln versorgt und im Haushalt Tätigkeiten für ihn erledigt. Ihren Worten zufolge habe sie ihn nicht beleidigt, ihm aber gesagt, dass sie ihn als undankbar empfinde, weil sie so viel für ihn mache, während er sie die ganze Zeit beschimpfe. Der körperliche Angriff des Angeklagten auf … sei von ihr im Rahmen der Therapie als völlig „unerkennbar“ und „aus dem Nichts“ beschrieben worden.
Anhaltspunkte für ein nichterlebtes Geschehen schilderte der Zeuge … nicht. Er gab indes an, die Patientin neige nicht zu Dramatisierungen; zudem seien die Angaben betreffend den Vorfall bislang nicht voneinander abgewichen. Seine Patientin empfinde – trotz des Vorfalls – nach wie vor Mitleid für den Angeklagten. Tendenzen einer „Überspitzung“ des Geschehens durch die Patientin … seien nicht ersichtlich.
Die therapiebedürftigen Probleme der … seien traumaspezifische. So habe sie Flashbacks, massive Albträume, Panikattacken und eine schwere depressive Episode. Ihm gegenüber habe sie angegeben, sie funktioniere nur noch. Ihr Zustand habe sich im Laufe des gesamten Verfahrens teils verschärft, so zum Beispiel als … sich aufgrund der Zeugenladung einem Wiedersehen/Aufeinandertreffen mit dem Angeklagten ausgesetzt gesehen habe. Sie wolle – so habe sie es im Rahmen der Therapie bekundet – den Angeklagten nicht wiedersehen.
d) …
… bekundete, den Brauereigasthof „…“ gemeinsam mit … gegen 22 Uhr verlassen zu haben. …, der ebenfalls mit in der Gaststätte gewesen sei, habe noch austreten müssen, weswegen sich zunächst nur sie, die Zeugin …, mit … vor der Gaststätte am … befunden hätten. Dort wartend, habe sie Hilferufe einer Frau gehört, deren Richtung sie als „vom … aufwärts“ beschreiben konnte. Sie und … seien dann in diese Richtung gerannt. Nach kurzer Entfernung (etwa 70 Meter) sei auf dem dortigen Anliegerparkplatz ein Auto mit offener Fahrertür wahrzunehmen gewesen, vor dem – mit dem Oberkörper halb aus dem Ausstieg hängend – eine Frau (…) gelegen habe, mit den Füßen zappelnd, während über ihr ein Mann gewesen sei. Beide seien ihr bis zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannt gewesen.
Am Anfang habe sie die konkrete Situation nicht genau erfassen können, weswegen sie um das Auto zur Beifahrerseite gegangen sei. Sie habe sich auch nicht getraut, von vorne zu dem Geschehen hinzugehen. Von der Beifahrerseite aus habe sie dann wahrgenommen, dass die Frau von dem Mann gewürgt worden sei. Befragt zu den Lichtverhältnissen gab die Zeugin an, diese seien ausreichend gewesen, um bereits beim Hinlaufen feststellen zu können, dass „da etwas vor sich geh[e]“. Die Frau habe zu diesem Zeitpunkt noch um Hilfe geschrien. Nach dem Eindruck der Zeugin … habe sie aufgehört zu schreien, nachdem sie bemerkt habe, dass jemand da war.
Auf Vorhalt ihrer polizeilichen Vernehmung bestätigte …, dass der Angeklagte die Frau mit beiden Händen von oben gewürgt habe, während diese mit dem Rücken halb auf dem Boden und mit dem Hinterkopf im Bereich der Einstiegsleiste gelegen habe. Dabei hätten seine Hände den Hals der Frau, nahezu vollständig umschlossen. … schilderte auch, dass der Kopf nach oben in Richtung des Angeklagten, der bereits nahezu vollständig auf dem Fahrersitz gesessen und sich nach unten über die Frau gebeugt habe, gerichtet gewesen sei.
Auf jegliche Ansprache von ihr, …, von der Frau abzulassen, habe der Angeklagte ebenso wenig reagiert wie auf ihre Versuche, ihn von der Beifahrerseite aus von der Frau wegzuziehen. Sie habe ihn auch auf Schulter und Rücken geschlagen, um ihn zum Ablassen von der Frau zu bringen, aber auch das habe zu keinem Erfolg geführt. Schließlich habe sie, die Zeugin, laut um Hilfe gerufen habe, in der Art „Hilfe, hier wird jemand gewürgt“. … habe zwischenzeitlich den Notruf abgesetzt.
Nachdem die Frau unter Mithilfe eines ebenfalls hinzukommenden Anwohners und ihrer Bekannten (…) letztlich weggezogen worden sei, habe sie zu diesem Zeitpunkt auch sehen können, dass … zum Teil in dem aus dem Gurtschloss gelösten Gurt gehangen habe.
Auch einen Schal habe sie gesehen, aber wo genau, vermochte … sich nicht mehr zu erinnern.
Befragt zur Dauer des Geschehens gab die Zeugin … an, sie sei etwa 1,5 bis 2 Minuten am Tatort gewesen, zu dem sie mit … vom … aus hingerannt sei, wobei ihr weiterer Begleiter … etwa 1 Minute nach ihnen ebenfalls hinzugekommen sei.
Zum Zustand der … befragt, bekundete …, diese habe Angst gehabt, der Angeklagte würde wieder auf sie zukommen und sie habe schlecht Luft bekommen, weswegen sie, die Zeugin …, versucht habe, mit ihr Atemübungen zu machen. Während des Vorfalls habe die Frau mit den Beinen gezappelt, wobei sie dies – auf Nachfrage – im Nachhinein als den Versuch, sich mit den Beinen wegzuschieben, deute. Zu Verletzungen konnte … keine Aussagen treffen, weil sie mit … bis zum Eintreffen des Krankenwagens nicht allzu viel Zeit verbracht habe.
Der Angeklagte habe sich nach dem Vorfall ruhig verhalten; er sei einfach dagestanden.
e) …
… erläuterte, er wohne gegenüber des …, etwa 18 Meter entfernt, und habe am Abend des 25.09.2020 zwischen 21:30 Uhr und 21:45 Uhr Hilfeschreie vernommen, denen er zunächst aufgrund der örtlichen Nähe zur Brauerei „…“ keine tatsächliche Bedeutung beigemessen habe. Nachdem er diese Hilferufe („Hilfe! Hilfe!“) mehrfach, etwa 2 bis 3mal, vernommen habe, habe er die Jalousie geöffnet und draußen eine Passantin wahrgenommen, die um Hilfe gerufen habe. Er habe auch eine männliche Person in der Nähe dieser Passantin wahrnehmen können, nachdem er etwa eine halbe Minute später unten am Fahrzeug angekommen gewesen sei; beide hätten im Bereich der Beifahrerseite in etwa 5 Meter Abstand zum Fahrzeug gestanden. Später habe sich dann herausgestellt, dass es sich dabei um Gäste des „…“ gehandelt habe, die ebenfalls wegen der Hilfeschreie dahin gelaufen seien.
Am Fahrzeug selbst, wo er etwa eine halbe Minute später angekommen sei, habe er auf der Fahrerseite, die er vom Fenster aus nicht habe einsehen können, beobachtet, wie der Beifahrer über dem Fahrersitz gelehnt habe, aus der Fahrerseite schon nach draußen über einer Frau gebeugt, die er mit beiden Händen am Hals gewürgt habe. Hierbei sei der Mann nicht mehr mit dem Gesäß auf dem Beifahrersitz gewesen, sondern habe sich schon auf die Fahrerseite verlagert gehabt. Der rechte Fuß der Frau und ihr Gesäß hätten sich dabei noch im Fahrzeug befunden, rechter Arm-/Schulterbereich hätten noch im Gurt gehangen; sie habe „so schräg“ gelegen. … beschrieb seine Wahrnehmung dahingehend, dass er beide Hände des Mannes am Hals der Frau wahrgenommen habe. Teilweise habe er freien Blick auf den Hals der Frau gehabt, insbesondere bei Einwirkung durch ihn, …, auf den Angeklagten, weil er zu diesem Zeitpunkt über dem Angeklagten gebeugt gewesen sei, um ihn zum Ablassen zu bewegen.
Weiter schilderte …, er habe von der Fahrerseite aus versucht, auf den Angeklagten einzuwirken; dieser habe auf Ansprache, von der Frau abzulassen, überhaupt keine Reaktion gezeigt. Er meine aber, dass dieser die Aufforderung grundsätzlich verstanden habe. Er, der Zeuge …, habe dem Angeklagten dann in den Hals gezwickt und etwa dreimal mit der Faust auf den Kopf geschlagen. Dann habe dieser seinen Griff schließlich gelockert. Am Ende sei es ihm gemeinsam mit noch zwei bis drei anderen Passanten gelungen, die Frau wegzuziehen.
Geblickt habe die Frau nach oben in Richtung des Mannes, der sie gewürgt habe. Sie habe versucht, sich mit den Händen zu wehren und auch, ihren Arm dagegen zu halten. Mehrfach habe er die Frau sagen hören „Helfen Sie mir“. Auf Vorhalt seiner polizeilichen Vernehmung bestätigte … zunächst, er habe gehört, dass die Frau auch gesagt habe, sie werde gewürgt, wobei er nicht mehr sicher sagen konnte, ob die Äußerung des „Würgens“ von der Frau selbst oder der Passantin stammte.
Einen Schal, so bekundete …, habe er draußen liegen sehen. Im Nachgang habe er darüber nachgedacht, ob die Frau auch mit dem Schal stranguliert worden sei, aber nach seiner Erinnerung habe der Schal draußen gelegen und er habe die Hände des Mannes am Hals der Frau wahrgenommen.
Zur Dauer des Vorfalls konnte … keine genauen Angaben machen; er schätzte die Dauer von der Wahrnehmung des ersten Hilferufs bis zum Ende des Geschehens auf „etwas über 5 Minuten“.
Befragt zu Verletzungen schilderte …, er habe Verletzungen im Gesicht und auch am Hals wahrgenommen.
Der Angeklagte, so …, wäre nach dem Vorfall „total ruhig“ gewesen und „einfach nur dagestanden“.
Keiner der Beteiligten sei ihm, dem Zeugen …, vor dem Vorfall bekannt gewesen.
Etwa sechs Wochen nach dem Vorfall und auch nach seiner polizeilichen Vernehmung habe die Frau, … Kontakt zu ihm aufgenommen und sich im Rahmen eines etwa 15-minütigen Besuchs bei ihm für seine Hilfe bedankt. Hierbei habe sie ihm gegenüber angegeben, dem Angeklagten seien während einer verbalen Auseinandersetzung die „Sicherungen durchgebrannt“ und auch, dass sie während des Vorfalls gedacht habe, sie werde sterben und es sei alles vorbei. Detaillierte Kenntnisse zu den Hintergründen der Auseinandersetzung, insbesondere, ob diese wechselseitig erfolgt seien, habe er nicht. Er habe vorher weder den Angeklagten noch seine Ehefrau gekannt.
f) …
… führte aus, mit … und … in der Gaststätte „…“ zum Abendessen gewesen zu sein. Gegen 21:30 Uhr hätten er und … selbige bereits verlassen, … sei erst 1 bis 2 Minuten später nachgekommen. Vor der Gaststätte habe er Hilferufe gehört, in deren Richtung dann zuerst … gerannt sei und er, …, ihr hinterher. Er habe ein Fahrzeug gesehen und eine Frau, die auf dem Boden gewürgt worden sei von einem über ihr gebeugten Mann, der auf dem Beifahrersitz gesessen habe. Der Zeuge … beschrieb die Lage des Angeklagten im Auto als „quer“ und demonstrierte hierbei dessen Stellung so, dass das Gesäß vom Beifahrersitz erhoben über die Mittelkonsole und Fahrerseite gebeugt war. Er habe sowohl von der Fahrer- als auch von der Beifahrerseite das Geschehen beobachten können, wobei die Fahrerseite aus seiner Richtung zuerst wahrzunehmen gewesen sei. Auf der Beifahrerseite habe er das Geschehen zunächst nicht allzu lange beobachtet, nur für etwa 20 Sekunden, weil er dann sofort den Notruf aus etwa 2 bis 3 Metern Entfernung abgesetzt habe. Auf seine Aufforderung an den Angeklagten, von der Frau abzulassen, habe dieser nicht reagiert. Während er den Notruf abgesetzt habe, habe … von der Beifahrerseite aus als Erste versucht, auf den Angeklagten einzuwirken und es sei auch noch ein weiterer Mann, den er nicht gekannt habe, dazu gekommen.
Seine Wahrnehmung sei gewesen, dass die Blickrichtung der Frau während des Geschehens nach oben ausgerichtet gewesen sei. Nicht mehr sicher konnte … auf Vorhalt seiner polizeilichen Aussage bestätigen, ob … bereits vollständig außerhalb des Fahrzeugs und mit dem Kopf bereits auf dem Boden lag oder nicht, wobei er selbst die tatzeitnäheren Angaben im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung als gesichert betrachtete. Die Lichtverhältnisse, so führte … aus, seien schlecht gewesen, auf der Fahrerseite allerdings besser als auf der Beifahrerseite; diese sei „mehr im Licht“ gewesen aufgrund einer in der Nähe der Fahrerseite befindlichen Laterne. Es sei aber „deutlich zu sehen“ gewesen, dass der Angeklagte über der Frau gelegen und auf diese eingewirkt habe.
Auf Vorhalt seiner Angaben im Rahmen der polizeilichen Vernehmung bestätigte …, dass er habe sehen können, wie der Mann die Frau von vorne mit den Daumen im Bereich des Kehlkopfes gewürgt habe. Er habe sehen können, dass die Haut am Hals der Frau „nach innen“ gegangen sei. Dies habe er so gedeutet, dass mit einigem Druck zugedrückt worden sei.
Die Zeitdauer vom Absetzen des Notrufs bis zum Eintreffen der Polizei schätzte … auf etwa 4 Minuten.
Befragt zu Verletzungen der … bekundete …, er habe die Frau nicht aus der Nähe betrachtet; sie habe aber schlecht Luft bekommen und nach Luft gerungen. Er, …, habe den Eindruck gehabt, es sei „kurz vor 12“ gewesen und, dass … „den Kampf“ gewissermaßen schon aufgegeben gehabt habe.
Der Angeklagte habe nach dem Vorfall „relativ ruhig“ am Fahrzeug gestanden. Er habe nichts gesagt – weder während des Vorfalls noch im Anschluss.
Weder der Angeklagte noch … seien ihm, …, zum Tatzeitpunkt bekannt gewesen.
Einige Wochen oder Monate nach dem Vorfall und auch nach seiner Vernehmung bei der Polizei habe sich … mit ihm in Verbindung gesetzt, um sich zu bedanken. Der Vorfall sei während des etwa 30-minütigen Gesprächs nur am Rande zur Sprache gekommen. Hierzu habe … lediglich erwähnt, dass der Angeklagte im Auto auf sie losgegangen sei, wobei über Einzelheiten oder Hintergründe nicht gesprochen worden sei.
g) …
… bekundete, mit … und … zum Abendessen im „…“ gewesen zu sein. Er habe das Lokal später als seine beiden Begleiter verlassen, weil er noch habe austreten müssen. Bei Verlassen habe er sich zunächst gewundert, wo die beiden seien, als er aus Richtung … aufwärts Schreie gehört habe und sich unmittelbar in Richtung dieser Schreie begeben habe. Zunächst noch in der Annahme, der Mann würde der Frau, über die er gebeugt gewesen sei, helfen, habe er jedoch dessen Hände um den Hals der Frau wahrgenommen. … habe er einige Schritte von der Beifahrerseite aus telefonierend wahrgenommen und … auf der Beifahrerseite. Diese habe versucht, den Mann von der Frau wegzuziehen. Bei seiner Ankunft habe er die Fahrerseite einsehen können, die Tür sei offen gewesen. Die Frau habe aus dem Auto „herausgehangen“, der Gurt habe halb an deren Hals gehangen. Er könne nicht mehr sagen, so der Zeuge …, ob die Frau mit ihrem Gesäß auf dem Sitz gesessen habe oder schon außerhalb des Fahrzeugs gelegen habe; zumindest ein Teil des Oberkörpers sei nach seiner Erinnerung bereits außerhalb des Fahrzeugs gewesen. Den Mann habe er über der Frau wahrgenommen; dieser habe beide Hände am Hals der Frau gehabt und diese gewürgt.
Weiter führte der Zeuge … aus, … habe „ziemlich“ auf den Angeklagten „eingeschrien“ und auch sowas wie „Der erwürgt die!“ gerufen. Es sei auch noch ein weiterer Mann vor Ort gewesen. Er, …, habe mit noch zwei anderen im Bereich der Fahrerseite gestanden und man habe versucht, den Griff des Angeklagten zu lösen, indem man versucht habe, den Daumen wegzudrücken. Der Angeklagte habe erst aufgehört zu würgen, als sie (die Ersthelfer) Hände und Arme von ihm weggezogen hätten. Auf Vorhalt seiner polizeilichen Vernehmung bestätigte …, dass mit ihm noch ein weiterer Mann versucht habe, den Angeklagten wegzuziehen. Nachdem der Griff gelöst worden sei, habe es auch keinen Versuch des Angeklagten mehr gegeben, weiterzumachen. Er, …, habe den Eindruck gehabt, der Angeklagte habe „irgendwann aufgegeben“. Dieser habe, nachdem der Griff vom Hals der Frau gelöst worden sei, ruhig auf dem Beifahrersitz gesessen und habe sich nicht mehr gerührt. Ob die Frau dann weggezogen worden sei, war ihm nicht mehr erinnerlich. Insgesamt habe das Würgen in seiner Anwesenheit maximal 5 Minuten gedauert; die Polizei sei relativ schnell, nachdem die Situation beendet war, eingetroffen.
Einen Schal, so …, habe er nicht wahrgenommen.
Auf Vorhalt seiner polizeilichen Vernehmung bestätigte …, dass er eine weitere Druckausübung durch den Angeklagten auf die Frau mittels Gewichtverlagerung beim Würgen nicht wahrgenommen habe, sondern nur das Würgen mit beiden Händen am Hals der Frau. Befragt zu den Lichtverhältnissen bekundete er, es sei weder ganz hell noch ganz dunkel gewesen.
… schilderte weiter, er habe sich weder mit dem Angeklagten noch mit der Frau, die gewürgt worden sei, unterhalten. Er habe aber gesehen, dass diese nach dem Geschehen an einer Hauswand gelehnt und Wasser bekommen habe.
Vor dem Vorfall habe er außer seinen beiden Begleitern niemand der anderen Personen gekannt.
h) …
Die Anwohnerin Dr. …, bekundete im Rahmen ihrer (im gesamten Verfahren erstmaligen) Einvernahme in der Hauptverhandlung, von der Freundin des Zeugen … in Kenntnis dessen, dass sie als (Kinder-)Ärztin tätig ist, zu dem Vorfall hinzugerufen worden sei. Sie verfüge aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit auch über Kenntnisse im rechtsmedizinischen Bereich. Weder mit dem Angeklagten noch mit der Frau sei sie vor dem Unfall bekannt gewesen. Das Tatgeschehen selbst habe sie nicht mitbekommen, denn als sie am Tatort eingetroffen sei, habe die Frau bereits woanders gesessen, habe geatmet und gesprochen, weswegen sie, die Zeugin, feststellen habe können, dass die Geschädigte nicht akut vital gefährdet gewesen sei. Die Frau habe ihr gegenüber angegeben, ein Streit im Auto sei eskaliert und ihr Mann sei über sie hergefallen, habe sie ins Gesicht geschlagen und gewürgt. Zum Zustand der Geschädigten befragt, gab Dr. … an, diese sei immer wieder erleichtert gewesen, dass sie lebe; sie sei schockiert gewesen und sehr aufgeregt, ohne hierbei desorientiert zu sein.
Die Zeugin führte weiter aus, sie sei nur eine kurze Zeitspanne bei der Geschädigten gewesen und habe deshalb auch nur einen kurzen Eindruck von äußerlich wahrnehmbaren Verletzungen gewinnen können; eine weitergehende körperliche Untersuchung habe sie nicht durchgeführt. Als sie ihren Arztkoffer nachträglich geholt habe, wäre die Frau bereits von den zwischenzeitlich eingetroffenen Rettungskräften versorgt worden. Sie habe aber starke Stauungen im Hals- und Gesichtsbereich der Geschädigten wahrgenommen sowie mehrere Hämatome am Hals, Dekolleté und an den Wangen sowie diverse Kratzer. Insbesondere habe sie eine massive obere Einflussstauung gehabt, die sich durch eine Schwellung von Hals und Gesicht bemerkbar gemacht hätte. Auf Vorhalt der Lichtbilder der Rechtsmedizin, die in Augenschein genommen wurden, bekundete Dr. …, dass die Geschädigte dort „besser“ ausgesehen habe als zu dem früheren Zeitpunkt, zu dem die Zeugin sie gesehen habe. Insbesondere habe sie eine Vielzahl von Fingerdruckspuren im Halsbereich wahrgenommen, weswegen sie der (medizinischen) Ansicht sei, die Hand sei mehrfach gewechselt und umgesetzt worden.
Die unter 2 d – g) genannten Zeugen bestätigten, in der Gastwirtschaft zum Essen gewesen zu sein und auch Bier getrunken zu haben; keiner von ihnen sei jedoch auch nur angetrunken gewesen.
i) Polizeiliche Zeugen
Im Rahmen der Hauptverhandlung wurden auch PHM … und PHM … vernommen, die als Erst- und Zweitstreifenbesatzung jeweils mit weiteren Beamten am Tatort eintrafen. Beide bekundeten, aufgrund der Mitteilung über Funk, wonach am … ein Mann eine Frau würge, dorthin beordert worden zu sein. Das Tatgeschehen sei – so schilderten beide Beamten übereinstimmend – zum Zeitpunkt des Eintreffens bereits beendet gewesen. KOK … und KHK … berichteten der Kammer abrundend von der Durchführung der Spurensicherung sowie dem Gang der Ermittlungen.
aa) PHM … schilderte als zweite Streife am Tatort eingetroffen zu sein. Den Zustand des Angeklagten beschrieb er als relativ passiv, teilnahmslos und kooperativ, wobei er im Streifenwagen auf dem Weg zur Dienststelle mehr gesprochen habe, weinerlich gewesen sei und über Kratzer und Schulterschmerzen geklagt habe. Zur Tat habe er nichts erzählt, sondern über seinen allgemeinen Gesundheitszustand und wie schlecht dieser sei. Auf Vorhalt bestätigte PHM …, dass ein Atemalkoholtest bei dem Angeklagten 0,00 mg/l ergeben hätte.
bb) PHM … bekundete, mit seinem Kollegen als erste Streife am Tatort eingetroffen zu sein. Sein Kontakt zu dem Beschuldigten sei kurz gewesen; bei der Fesselung habe er passiv und teilnahmslos reagiert, zu einem späteren Zeitpunkt habe er gejammert, dass seine Frau in gekratzt habe und dergleichen.
cc) KOK … wurde zur Spurensicherung angehört. Er gab an, das Fahrzeug sei von ihm in der Position, wie auf den Lichtbildern der Spurensicherung vom 26.09.2019, die im Rahmen der Beweisaufnahme in Augenschein genommen wurden, ersichtlich, aufgefunden und von ihm auch nicht bewegt worden. Ob das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Tat auch so oder in anderer Position stand, konnte der Zeuge KOK … nicht angeben. Auf dem Rücksitz sei ein Schal vorgefunden worden. Auf Vorhalt bestätigte er das Ergebnis der spurentechnischen Vermessungen des Abstands Fahrersitz zum Bremspedal mit 0,56 m und Fahrersitz zum Lenkrad mit 0,83 m. Ebenso bestätigte er auf Vorhalt das Ergebnis der spurentechnischen Vermessungen des Abstands Beifahrersitz zum Fußraum mit 0,64 m und Kopfstütze bis Armaturenbrett mit 1 m. Weitere tatrelevante Ergebnisse konnte KOK … nicht schildern.
3. Rechtsmedizinische Gutachten
Im Rahmen der Hauptverhandlung wurden die Sachverständigen … und … zu ihren Feststellungen im Rahmen der rechtsmedizinischen Untersuchung des Angeklagten sowie … gehört, die im Anschluss von dem Sachverständigen Prof. … einer rechtsmedizinischen Bewertung unterzogen wurden.
a) Befunde der rechtsmedizinischen Untersuchung des Angeklagten Die Sachverständige … führte im Rahmen der Hauptverhandlung aus, sie habe den Angeklagten am Tag nach dem Vorfall des 25.09.2020 körperlich untersucht. Sie habe mehrere frische Auffälligkeiten feststellen können, die sich mit dem Tatablauf in Einklang bringen ließen. Im Einzelnen habe sie eine Unterblutung mit einem kleinfleckigen Hautdefekt an der rechten Ohrmuschel sowie eine Einblutung in der rechten Hinterohrregion feststellen können. Dies sei beispielsweise in Einklang zu bringen mit der Schilderung, er sei von einem der Passanten auf den Kopf geschlagen worden. Weiter erläuterte die Sachverständige …, dass an der rechten Gesäßhälfte und am rechten Knie Unterblutungen bestanden hätten, die als Folge stumpfer Gewalteinwirkung zu bewerten seien, wobei sie keine Anknüpfungspunkte dafür habe, wie eine solche Gewalteinwirkung konkret erfolgt sei. Am rechten Unterarm, am linken Knie und am rechten Zeigefinger seien oberflächliche Hautabschürfungen festgestellt worden. Solche Verletzungsbilder am Knie kämen hauptsächlich tangential zur Entstehung; die übrigen Verletzungsbilder könnten sich, so die Sachverständige, zum Beispiel auch durch Kontakt mit Fingernägeln zeigen. Soweit der Angeklagte im Rahmen der Untersuchung angegeben habe, er sei von seiner Frau in den Finger gebissen worden, sei anzumerken, dass es sich bei dem Befund am rechten Zeigefinger zwar nicht um eine klassische Bissverletzung handle, gleichwohl eine solche nicht ausgeschlossen sei.
Die im Rahmen der rechtsmedizinischen Untersuchung gefertigten Lichtbilder der von der Sachverständigen … aufgezeigten Verletzungen wurden im Zuge der Einvernahme der Sachverständigen in Augenschein genommen.
b) Befunde der rechtsmedizinischen Untersuchung der Geschädigten Der Sachverständige … zeigte im Rahmen der Hauptverhandlung auf, welche Feststellungen er im Rahmen der rechtsmedizinischen Untersuchung der … am 26.09.2020 ab 00:26 Uhr habe treffen können. So stellte er heraus, dass sich mehrere Befunde frischer, dem Vorfall gegen 21:45 Uhr des 25.09.2020 zuordenbarer, Verletzungen gezeigt hätten. Im Stirnbereich sei ein Unterblutungsareal mit mehreren dunklen lividen Akzentuierungen zu verzeichnen gewesen, das – wie der Sachverständige auf Nachfrage erläuterte – aufgrund seiner rötlichen Einblutung, die sich erfahrungsgemäß sehr schnell nach einer Gewalteinwirkung zeige, frisch gewirkt habe. Zudem seien Einblutungen im Bereich der linken Wange sowie der Nasen-Lippen-Falte wie auch der Nase selbst festzustellen gewesen und an der Innenseite der Unterlippe eine Schleimhautverletzung. Am Hals hätten sich Würgemale in Form von länglichkonfigurierten streifigen Hautrötungen mit oberflächlichen Defekten gezeigt, welche sich mit einem Greifen an den Hals erklären ließen. Im Bereich des Kehlkopfes sowie des rechten Großkopfwendemuskels seien ebenfalls Hautrötungen festzustellen gewesen und an der rechten Schulterrückenseite eine Unterblutung mit zahlreichen streifigen Defekten, die sich als sog. „Widerlagerverletzungen“ beispielsweise durch Kontakt mit einer rauen Struktur erklären ließen. Desweiteren seien kratzerartige Befunde in der Beugeseite des rechten Unterarms zutage getreten sowie ein kleinerer Defekt mit umliegender Rötung am Handrücken. Punktförmige Einblutungen in Form von Petechien seien nicht zu verzeichnen gewesen.
Mit Ausnahme der nach Angaben des Sachverständigen fotografisch nicht wiederzugebenden Verletzung in Form einer Einblutung an der rechten Hinterhauptpartie, seien sämtliche Befunde fotografisch dokumentiert worden. Die jeweiligen Lichtbilder wurden im Zuge der Einvernahme des Sachverständigen … im Rahmen der Beweisaufnahme in Augenschein genommen.
c) Rechtsmedizinische Bewertung der Tathandlung
Anhand der rechtsmedizinischen Bewertung der jeweils festgestellten Befunde konnten insbesondere die Verletzungen der … mit den Schilderungen der Zeugen zum wahrgenommenen Würgen wie auch zu den Versuchen, den Angeklagten zum Aufhören zu bringen, und zur letztlichen „Rettung“ der Geschädigten in Übereinstimmung gebracht werden.
Der Sachverständige Prof. Dr. … stellte zunächst heraus, dass jeder Angriff gegen den Hals, der mit einer Kompression der Halsweichteile einhergeht, potenziell lebensgefährlich sei. Anhaltspunkte für eine solche Kompression gebe es grundsätzlich drei, namentlich Stauungsblutungen, die vorliegend nicht festzustellen gewesen seien, sowie Bewusstlosigkeit oder Vorboten einer solchen (z.B. Einnässen), die ebenfalls nicht nachzuvollziehen gewesen seien, sowie Würgemale, wie sie vorliegend festzustellen gewesen seien.
Der Sachverständige führte hierzu aus, dass Verletzungen an der Halshaut, wie vorliegend, grundsätzlich für eine massive Kompression der Halsweichteile sprechen. Zwar seien die Verletzungen der Geschädigten in diesem Bereich im Wesentlichen Rötungen und oberflächliche Hautdefekte, die zunächst nicht den Schluss auf massiven Druck zulassen. Gleichwohl sei es häufig so, dass bei inneren Verletzungen nicht zwingend äußerliche Verletzungen zu sehen seien. Der Verletzungsbefund am Hals sei unter Berücksichtigung der Zeugenangaben, hier insbesondere der Angaben der Zeugin …, die schildert, die Geschädigte sei weggezogen worden, erklärbar. Ein Zug an den Füßen als Tangentialverschiebung des Halses gegen einen Würgegriff erkläre insbesondere den Befund der streifigen Rötungen, der nicht ohne weiteres nur durch Würgen erklärbar sei. Der Sachverständige konkretisierte, dass bei diesen Halsverletzungen von einem beidhändigen Würgen ausgegangen werden könne, wobei es aus seiner Sicht unter Zugrundelegung der Zeugenangaben nicht zu einem Würgen des Kehlkopfes im Schildknorpelbereich („der schlimmsten Variante des Würgens“) gekommen sei; naheliegender sei ein Würgevorgang von hinten um den Hals. Gleichwohl sei dieses Würgen abstrakt lebensgefährlich gewesen, weil der Angeklagte keinen Einfluss darauf habe nehmen können, wie sich diese Handlung auf den Organismus der Gewürgten auswirken würde; innere Reflexmechanismen des Opfers seien für den Würgenden nicht wahrzunehmen, weswegen die Auswirkungen des Drucks während des Würgens nicht kontrollierbar oder steuerbar seien.
Zu den Verletzungen im Übrigen erläuterte Prof. …, die festgestellte Einblutung am rechten Hinterhaupt und der rechten Schulter sei erklärbar mit den Zeugenaussagen, die Frau habe mit der rechten Körperseite bereits teilweise am Boden liegend außen am Fahrzeug gelehnt. Die Schulterverletzung sei insoweit als Widerlagerverletzung zu bewerten. Die anhand des Verletzungsbildes an Stirn und Lippe festgestellte stattgehabte stumpfe Gewalteinwirkung sei in Einklang zu bringen mit den Angaben der Geschädigten gegenüber dem Ermittlungsrichter hinsichtlich der Schläge und Einwirkungen des Angeklagten auf sie im Fahrzeug. Dies gelte ebenso für die im Übrigen dokumentierten Befunde an Wange, Nase, Unterarm und Handrücken, wobei diese Verletzungen auch durch eine andere Art stumpfer Gewalteinwirkung hervorgerufen worden sein könnten, so zum Beispiel während des geschilderten Handgemenges, bei dem Versuch sich zu wehren oder auch bei der von den Zeugen geschilderten Rettungsaktion.
Prof. Dr. … bekundete weiter, dass auch die bei dem Angeklagten festgestellten Verletzungen ohne Weiteres mit dem von den Zeugen geschilderten Geschehen in Einklang zu bringen sei. Insbesondere die Verletzung am rechten Ohr sei beispielswiese mit der Aussage des Zeugen … in Einklang zu bringen, dieser habe den Angeklagten durch Zwicken in das Ohr zum Aufhören bewegen wollen sowie mit der Schilderung des Angeklagten, er sei von … geschlagen worden. Die diversen Kratzer am Hals würden, so Prof. …, für ein Handgemenge sprechen und die Aussagen sowohl des Angeklagten als auch der Geschädigten stünden der Verletzung am Zeigefinger, wenngleich sie keine klassische Bissverletzung sei, nicht entgegen. Auch die Schürfungen seien so zu erklären, dass der Angeklagte möglicherweise mit den Knien auf dem Boden gewesen sein kann. Einzig das Hämatom am Gesäß sei im Gesamtkontext schlecht zu bewerten.
Aus Sicht des Sachverständigen seien die Zeugenangaben mit den Verletzungsbildern in Einklang zu bringen; eine potenzielle Lebensgefahr sei bei einem solchen Angriff gegen den Hals, auch wenn die konkrete Dauer nicht festzustellen sei, anzunehmen.
Zur konkreten Gefährlichkeit führte der Sachverständige Prof. Dr. … aus, dass ein gewaltsamer Angriff gegen den Hals im Sinne eines Würgens grundsätzlich zu einer akuten Gefährdung für den Gewürgten führen könne, zum Beispiel zu einem Verschluss der Atemwege bei längerer Kompression derselben für eine Dauer von etwa 3 Minuten. Zudem könne es durch den Druck auf die Halsgefäße und durch das damit einhergehende Komprimieren der Halsvenen zu einer Unterversorgung des Gehirns kommen mit der Folge punktförmiger Einblutungen, sog. Petechien, in der Netzhaut, wobei diese meist nur bis etwa 8 Stunden nach einem sie hervorrufenden Ereignis festzustellen seien. Bei Druck auf das glomus caroticum, einem Gefäßgeflecht an der Halsschlagader, könne es zum Blutdruckabfall bis hin zum Herzstillstand kommen oder, bei Druck unterhalb, zu einem Kammerflimmern. Auch bestehe die Gefahr einer Störung des Reflexmechanismus zwischen Sympatikus und Parasympatikus bei einer Kompression des Kehlkopfes, was zu einer Absenkung der Herzfrequenz führen könne. Dies könne auch als Folge einer Kehlkopfkompression bei Schwellung der Kehlkopfschleimhäute auftreten. Vorliegend sei – dies ergebe sich aus den Schilderungen, die Geschädigte habe um Hilfe geschrien – nicht davon auszugehen, dass es sich um eine so massive Kehlkopfkomprimierung gehandelt habe, als dass die Geschädigte in konkreter Lebensgefahr gewesen wäre. Petechien seien nicht festzustellen gewesen und es sei nicht von einem Einnässen, einer Ohnmacht oder ähnlichen Vorfällen berichtet worden. Auch bei dem beschriebenen Füßezappeln, möglicherweise als Fluchttendenz, habe sich kein Sauerstoffmangel manifestierend bemerkbar gemacht, so dass trotz vorliegender abstrakter Lebensgefahr der Handlung mangels zureichender Anhaltspunkte nicht von einer konkreten Lebensgefahr auszugehen sei.
4. Weitere Beweismittel
Abrundend konnte sich die Kammer durch Inaugenscheinnahme der polizeilichen Lichtbilder vom 25.09.2019, insbesondere eines Luftbildes, von der Lage des Tatorts, dem Fahrzeug, den Entfernungen und den sonstigen Gegebenheiten der Tatörtlichkeit ein Bild machen.
Ein Brief des Angeklagten an die Geschädigte vom 04.05.2020, im dem dieser sein Bedauern über die Tat zum Ausdruck bringt, wurde – ergänzend zu seiner Einlassung – verlesen.
5. Würdigung der Beweismittel
Die Kammer stützt ihre Feststellungen zum Vortatgeschehen im Wesentlichen auf die Angaben des Angeklagten, sowie, in Ergänzung hierzu, die Angaben des Zeugen …, der über seine Patientin … der Kammer deren Schilderungen zum Verhältnis zwischen beiden darstellen konnte.
Die Feststellungen zum unmittelbaren Tatgeschehen ergeben sich für die Kammer im Wesentlichen aus den Angaben der unbeteiligten Zeugen …, …, … und …, die – betreffend die Verletzungen – ergänzt werden durch die Angaben der Zeugin … sowie den Feststellungen der Sachverständigen Prof. Dr. …, … und … des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Erlangen und im Übrigen durch die Einlassung des Angeklagten, soweit ihr gefolgt werden konnte. Insbesondere hatte die Kammer bei Würdigung der Angaben des Angeklagten zu berücksichtigen, dass dieser sich zum Tatgeschehen erst nach Einvernahme sämtlicher Zeugen eingelassen hat und sich hierbei teilweise in einer Würdigung derselben verlor. Lediglich ergänzend wird die gewonnene Überzeugung der Kammer zu dem so festgestellten Sachverhalt gestützt durch die Angaben des Zeugen RiAG … über die Angaben der Zeugin …; wobei deren Angaben für die Überzeugungsbildung der Kammer nicht tragend waren.
a) Auslöser für den Übergriff war zur Überzeugung der Kammer ein Streit zwischen dem Angeklagten und seiner Frau, der sich – insoweit hat die Kammer keinen Anlass an den Angaben des Angeklagten zu zweifeln – in ähnlicher Weise, jedoch ohne Tätlichkeiten, bereits zwei Tage zuvor abgespielt hat. Dass es einen Streit als Auslöser des Übergriffs gegeben hat, berichtete auch … im Rahmen ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung, wie Richter am Amtsgericht … bekundet hat. Auch die übrigen Zeugen – soweit sie mit der Geschädigten gesprochen haben – gaben an, diese habe von einem Streit im Auto berichtet.
Zum Hintergrund dieser Streitigkeit brachte die Kammer über die Einlassung des Angeklagten, die Angaben des Zeugen …, den … von seiner Schweigepflicht entbunden hatte, und – ergänzend hierzu – über die Angaben des Zeugen RiAG … in Erfahrung, dass Streitigkeiten zwischen den getrennt lebenden Eheleuten keine Seltenheit waren und dass Thema an diesem Tag wiederum gewissermaßen die Ausgestaltung der Trennung (Geschädigte als Bindeglied zwischen Vater und Sohn) war sowie die Empfindungen der Geschädigten (Undankbarkeit für die entgegengebrachte Hilfe) hierzu. Den Angaben des Angeklagten hierzu war auch ein gewisser Frust darüber zu entnehmen, dass – den Angaben des Angeklagte folgend – der Sohn sich an diesem Abend keine Zeit für ihn genommen hat und auch, dass … zum Telefon gegriffen hat, als er noch vor Ort war, so dass die Kammer letztlich davon ausgeht, dass die Streitigkeit, die schließlich seitens des Angeklagten zu körperlichen Angriffen gegen … geführt hat, auf einer (für beide) angespannten Gesamtsituation beruhte, die letztlich darin mündete, dass der Angeklagte mit einem – wie er selbst einräumt – „Jetzt reicht’s“ dem Streit durch einen Angriff auf … Herr werden wollte, indem er – wie oben (B. II.) dargestellt – sie würgte und auch mindestens einmal mit der Faust ins Gesicht schlug. Über den Zeugen …, der auch darüber berichtete, wie … ihm, als ihren Psychologen, gegenüber den Vorfall geschildert hat, konnte die Kammer sich einen groben Einblick in die Situation verschaffen, die der tätlichen Auseinandersetzung vorausgegangen ist. Dabei gab es keinerlei Anlass an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen … zu zweifeln, der unvoreingenommen und sachlich seine ihm von seiner Patientin zugetragenen Kenntnisse schilderte und ruhig (teils sich wiederholende) Nachfragen des Angeklagten zu beantworten versuchte.
b) Aus den Vernehmungen der unbeteiligten Ersthelfer/Anwohner, namentlich den Zeugen …, …, … und …, resultiert die Überzeugung der Kammer zum konkreten Tatgeschehen selbst, insbesondere, dass der Angeklagte die Geschädigte über eine nicht unerhebliche Zeitdauer von etwa 5 Minuten immer wieder gewürgt hat, wobei das Würgen nicht durchgehend und nicht durchgehend mit gleichermaßen Druck ausgeführt werden konnte, weil sich die Geschädigte zur Wehr gesetzt hat, indem sie insbesondere versuchte, sich aus dem Griff des Angeklagten zu befreien und aus dem Fahrzeug zu flüchten, indem sie den Gurt löste. Wenigstens – und dies ergibt sich für die Kammer unzweifelhaft aus den übereinstimmenden Angaben der Zeugen zur geschätzten Dauer ihrer jeweiligen Anwesenheit sowie dem zeitlichen Eintreffen der Polizei wenige Minuten nach dem ca. um 21:45 Uhr abgesetzten Notruf – für eine Dauer von etwa 2 Minuten würgte der Angeklagte seine Ehefrau jedoch beidhändig, als die Zeugen … und …, zweitweise … und (jedenfalls zum Ende hin) auch … bereits verbal und tätlich versuchten, den Angeklagten zum Aufhören zu bewegen. Dabei gaben sämtliche Zeugen an, der Angeklagte habe nach ihrem Eindruck fest zugedrückt und insbesondere der Zeuge … schilderte eindrücklich, dass versucht worden sei, den Daumen wegzudrücken. Der Zeuge … beschrieb gesehen zu haben, wie die Haut am Hals der Geschädigten durch den Druck „nach innen“ gegangen sei.
Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass es zwischen den Eheleuten ein Handgemenge gegeben hat und auch, dass der Angeklagte die Geschädigte im Zuge dessen (mindestens einmal) mit der Faust geschlagen hat. Dies steht insbesondere aufgrund der rechtsmedizinischen Bewertung der festgestellten Verletzungen durch Prof. Dr. … fest und bestätigt sich (ergänzend) auch durch die Angaben des Zeugen ….
Weder hatte die Kammer Anlass an den Angaben der Zeugen zu zweifeln noch ergaben sich Umstände, die zur Beanstandung der Bewertung der Sachverständigen des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Erlangen hätten führen können.
aa) Sämtliche Zeugen waren glaubwürdig. Insbesondere die Zeugen …, …, … und …, die noch während der Tatausführung hinzukamen, schilderten ruhig, sachlich und ohne jeden Belastungseifer oder sonst festzustellendem Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens ihre Wahrnehmungen. Weder der Angeklagte noch die Geschädigte waren diesen Zeugen vor dem Vorfall am 25.09.2019 bekannt, vielmehr kamen die Zeugen als völlig Unbeteiligte hinzu, nachdem sie Hilferufe wahrgenommen hatten. Sämtliche dieser Zeugen gaben das Geschehen im Kern (Würgen des Angeklagten mit beiden Händen; kein Ablassen trotz Einschreiten; Luftnot der Geschädigten; ruhiges Verhalten des Angeklagten nach der Tat) im Wesentlichen übereinstimmend wieder, wobei die Kammer nicht verkennt, dass marginale Abweichungen der Zeugenangaben voneinander (Anzahl der Personen; wer war wann an welcher Stelle; Zuordnung einzelner Rettungsversuche u.ä.) sowohl der Schnelligkeit und Dynamik der Situation als auch der emotionalen Belastung in einer solchen Situation geschuldet sind, bei der es vorwiegend darum gegangen sein dürfte, möglichst schnell zu helfen. Die Zeugen konnten sich jeweils gut an den Vorfall erinnern, was nachvollziehbar ist, zumal sie sämtlich bekundeten, zum ersten Mal in einer solchen Situation gewesen zu sein.
An der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugen … und … ändert auch der Umstand nichts, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt in Kontakt mit der Geschädigten standen, zumal dieser Kontakt lediglich einmalig und zum Zwecke des Danks für den Einsatz der Ersthelfer zustande gekommen ist – noch dazu zu einem Zeitpunkt, als die Zeugen bereits polizeilich vernommen waren. Die Kammer ist indes davon überzeugt, dass der Vorfall lediglich am Rande Thema des insgesamt jeweils sehr kurzen Kontakts zwischen 15 und 30 Minuten war und eine Beeinflussung der Zeugen durch die Geschädigte nicht stattfand, zumal die Äußerungen der beiden Zeugen im Rahmen der Beweisaufnahme im Kern ihren Angaben gegenüber der Polizei entsprachen und in den wesentlichen Teilen des Kerngeschehens auch dem, was die Zeugen … und … berichteten, die beide angaben, nach dem 25.09.2020 keinen Kontakt mit der Geschädigten gehabt zu haben. Anhaltspunkte für einen Belastungseifer dieser und auch der übrigen Zeugen haben sich für die Kammer zu keinem Zeitpunkt ergeben. Im Gegenteil schilderten sämtliche Zeugen auch entlastende Umstände, zum Beispiel, dass ein weiterer Angriff auf die Geschädigte, nachdem die Situation sich aufgelöst hatte, nicht erfolgt sei und, dass der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt ihnen, den Zeugen, gegenüber aggressiv geworden sei.
bb) Zur Überzeugung der Kammer dauerte der Vorfall insgesamt mehrere Minuten (etwa 5) an, wobei der Angeklagte die Geschädigte während der Auseinandersetzung mindestens 2 Minuten lang beidhändig mit so festem Druck würgte, dass sich seine Finger nicht ohne Weiteres wegdrücken ließen.
(1) Die Kammer geht aufgrund der glaubhaften Angaben der Zeugen … und … davon aus, dass die Zeugin … als erste mit kurzem Abstand von wenigen Sekunden vor …, der hinter ihr lief, am Fahrzeug eingetroffen ist, unmittelbar nachdem sie, als sie die Gaststätte … gegen 21:45 Uhr verlassen hatten, Hilferufe wahrgenommen hatten. Dass … es während der Auseinandersetzung mit dem Angeklagten mehrfach schaffte, nach Hilfe zu rufen, ist auch durch die Angaben der Zeugen … und … belegt. Der Zeuge … wohnt in unmittelbarer Nähe zum Tatort am …, wo das Fahrzeug schräg geparkt stand. Er gab an, mehrfach Hilferufe gehört zu haben, die er zunächst Gästen aus dem … zugeordnet und erst nach wiederholtem Rufen ernst genommen habe. Beim Öffnen habe er eine blonde Passantin wahrgenommen, die um Hilfe gerufen habe. Im Anschluss sei er nach unten zum Ort des Geschehens gelaufen. Es kommt für die Kammer nicht darauf an, ob der Zeuge … nur die Hilferufe der Geschädigten oder – wie die Zeugin … beschreibt – auch ihre Hilferufe gehört hat, denn nachdem der Zeuge nachvollziehbar angegeben hat, es habe einige Zeit gedauert, bis er die Jalousie geöffnet und nach draußen gesehen habe, ist für die Kammer naheliegend, dass er beide – zunächst die Geschädigte und im Anschluss die Zeugin … – hat rufen hören. Dies deshalb, weil auch die Zeugen … und … von Hilferufen berichtet haben, die sie zum Einschreiten veranlasst haben. Nachdem wenigstens einige Sekunden verstrichen sein dürften, bis … und … die Entfernung von etwa 70 Meter vom Eingang … bis zum Tatort gerannt waren, liegt demnach in der Gesamtschau der Abläufe ebenfalls nahe, dass das Geschehen, das denknotwenig schon vor Wahrnehmung der Hilferufe durch die Zeugen … und … begonnen haben muss, nicht nur wenige Sekunden, sondern vielmehr einige Minuten gedauert hat.
(2) Übereinstimmend schildern die Zeugen … und … bei Eintreffen wahrgenommen zu haben, dass der Angeklagte die Geschädigte mit beiden Händen gewürgt habe. Der nach eigener Schätzung etwa eine halbe Minute später an der Fahrerseite eintreffende Zeuge … bekundete ebenfalls wahrgenommen zu haben, dass der Angeklagte die Geschädigte mit beiden Händen am Hals gewürgt habe und auch der noch später (ca. 1 bis 2 Minuten später) hinzukommende Zeuge … gab an, der Angeklagte habe seine Hände um den Hals der Frau gehabt. Dabei hat die Kammer keinen Zweifel daran, dass die Licht- und Sichtverhältnisse ausreichend waren, um diese Feststellungen treffen zu können. So konnte anhand der Lichtbilder und der Zeugenangaben der Standort des Fahrzeugs herausgearbeitet werden. Hiernach ist davon auszugehen, dass das Fahrzeug schräg unterhalb der Wohnung des Zeugen … stand, wobei die Fahrerseite in Richtung Parkplatz … „…“, der Lauf- und Ankunftsrichtung der Zeugen …, … und …, zeigte und schräg stand, was auf den polizeilichen Lichtbildern vom 25.09.2020, die in Augenschein genommen wurden, ebenfalls deutlich wurde. Dabei beträgt die Entfernung zwischen dem Eingangsbereich „…“ und der Tatörtlichkeit etwa 70 Meter. Zwar befindet sich der Tatort nicht in einem überaus gut ausgeleuchteten Bereich, allerdings – dies konnte durch die Angaben der Zeugen verifiziert werden – im Bereich vereinzelter Laternen. Zudem – und dies ist für die Kammer ausschlaggebend – befanden sich die vorgenannten Zeugen alle unmittelbar am Fahrzeug, wo sie (bei geöffneter Fahrertür) direkte Sicht auf den Vorgang hatten. Dabei geben die Zeugen übereinstimmend an, die Lichtverhältnisse seien nicht überaus gut gewesen, aber man habe deutlich erkennen können, was passiert. Hieran hat die Kammer aufgrund der unmittelbaren (körperlichen) Nähe der Zeugen zum Zeitpunkt ihrer Wahrnehmung keinerlei Zweifel, so dass durch die übereinstimmend geschilderten Wahrnehmungen der Zeugen für die Kammer belegt ist, dass der Angeklagte die Geschädigte mit beiden Händen am Hals im Sinne eines Umgreifens und Würgens attackiert hat.
(3) Ebenso ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte das Würgen der Geschädigten zunächst nicht beendet hat, obgleich sowohl die Zeugin … als auch der Zeuge … tätlich mittels Zwicken und Schlagen auf den Angeklagten eingewirkt haben. Erst nach einigen Versuchen und unter gemeinsamen Einsatz des Zeugen … und (mindestens) des Zeugen P … war der Griff des Angeklagten zu lösen. Dies ergibt sich insbesondere aus der Aussage des Zeugen …, der, weil er nach dem Gaststättenbesuch noch austreten musste, ohnehin zeitverzögert am Tatort eingetroffen war, als zumindest die Zeugin …, sehr wahrscheinlich auch der Zeuge …, bereits erfolglos auf den Angeklagten versuchten einzuwirken. Die Zeugen berichten übereinstimmend, es sei erst mithilfe mehrerer Personen gelungen, die Geschädigte von dem Angeklagten wegzuziehen und den Griff des Angeklagten zu lösen. Unerheblich ist für die Kammer insoweit, ob die Personenkonstellation …, …, … oder …, …, … und … zum Ende des Geschehens an der Fahrerseite des Fahrzeugs befindlich war, zumal jedenfalls alle vorgenannten Zeugen – die Zeugin … als erste und bis zum Ende – unmittelbar an der Rettung der … beteiligt waren und dies insbesondere im Sinne einer unmittelbaren körperlichen Nähe zum Geschehen, so dass letztlich kein Zweifel an den im Kern übereinstimmenden Angaben wie dargestellt besteht.
c) Aufgrund der Angaben der vorgenannten Zeugen sowie der ebenfalls mit den Beteiligten nicht bekannten weiteren Zeugin Dr. … konnte sich die Kammer ein Bild vom Zustand der Geschädigten unmittelbar nach der Tat machen. Alle Zeugen schildern sie als aufgelöst und aufgeregt, aber als bei vollem Bewusstsein und klar. Weiter gaben die Zeugen an, die Geschädigte habe nach Luft gerungen und ihr sei Wasser gebracht worden. Die Zeugin Dr. …, die angab, als Kinderärztin tätig zu sein und im Rahmen dessen teilweise auch mit rechtsmedizinischen Begutachtungen betraut zu sein, berichtete insbesondere von deutlichen Einblutungen, von deutlich sichtbaren Fingerabdruckspuren am Hals, von Kratzspuren und Schwellungen. Sichtlich erstaunt war die Zeugin bei Inaugenscheinnahme der Lichtbilder der rechtmedizinischen Untersuchung. Hierzu bekundete sie, dass die Bilder (was zutrifft) später gemacht worden sein müssen, denn die Geschädigte sehe darauf „deutlich besser“ aus, insbesondere habe sie am Hals eine Vielzahl von Fingerabdruckspuren wahrnehmen können und auch die Schwellung im Gesicht sei noch deutlicher zu sehen gewesen. Die Kammer hat insoweit keinen Anlass an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin zu zweifeln, die ebenfalls weder die Geschädigte noch den Angeklagten kannte und die zudem auch (entlastend) angab, die Geschädigte habe zum Zeitpunkt ihres Eintreffens keine Atemnot gehabt.
Auch die im Rahmen der Hauptverhandlung bei Einvernahme der rechtsmedizinischen Sachverständigen in Augenschein genommenen Lichtbilder konnten der Kammer einen Eindruck von den Verletzungen der Geschädigten verschaffen.
Aufgrund des Sachverständigengutachtens, das Prof. Dr. … im Rahmen der Beweisaufnahme erstattet hat, sieht es die Kammer als erwiesen an, dass die Geschädigte von dem Angeklagten aufgrund des sich im Gesicht (insbesondere Stirn und Innenlippe) zeigenden Verletzungsbildes als Ausfluss stumpfer Gewalteinwirkung mindestens einmal mit der Faust geschlagen wurde und auch, dass sie (beidhändig) von dem Angeklagten gewürgt wurde, wobei sich aus den Verletzungen sowohl des Angeklagten als auch der Geschädigten nach den Ausführungen des Sachverständigen, denen sich die Kammer nach eigener kritischer Prüfung und Würdigung umfassend anschließt, auch ein Handgemenge ergibt, im Rahmen dessen es zu wechselseitigen Verletzungen gekommen ist. Auch die Angaben der Zeugen sowie der Geschädigten, den Griff des Angeklagten versucht zu haben zu lösen, lassen sich aus rechtsmedizinischer Sicht in Einklang mit den Verletzungsbildern bringen (s.o.).
Weiter ist die Kammer davon überzeugt, dass der Würgegriff des Angeklagten nicht mit einem derart großen Druck erfolgt sein kann, als dass die Kompression bereits eine konkrete Lebensgefahr bei der Geschädigten hätte bewirken können. Die Kammer geht hier davon aus, dass aufgrund der Schnelligkeit der Abläufe, den Befreiungsversuchen der Geschädigten sowohl aus dem Gurt als auch aus dem Griff des Angeklagten sowie der gewichtsbedingt körperlichen Bewegungseinschränkung des Angeklagten im Fahrzeuginnenraum, dieser nicht durchgehend in derselben Position gewürgt hat, sondern seinen Griff mehrfach umlagern musste. Hierfür spricht auch die Aussage der Zeugin Dr. …, die unmittelbar nach dem Übergriff eine Vielzahl von Fingerabdrücken am Hals der Geschädigten wahrnehmen konnte. Gleichwohl lag dem Geschehen insgesamt und damit einhergehend auch dem Würgen eine nicht unerhebliche mehrminütige Zeitdauer zugrunde, wobei der Angeklagte jedenfalls für die Dauer der Anwesenheit der Zeugen … und … (etwa 2 Minuten) dauerhaft beide Hände am Hals der Geschädigten hatte und zwar mit einem solchen Druck, der es den Zeugen nicht ohne Weiteres möglich machte, den Griff zu lösen. Zuvor konnte die Geschädigte mehrfach um Hilfe rufen, was – und auch hier schließt sich die Kammer den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. … an – gegen eine konkret lebensgefährliche Kompression des Kehlkopfes spricht.
d) Nicht überzeugen konnte sich die Kammer davon, dass der Angeklagte einen Schal zu Strangulationszwecken verwendet hat. Keiner der Zeugen hat ein Strangulieren mit dem Schal kundgetan. Wenngleich der Schal zum Teil von den Zeugen wahrgenommen wurde, dann nicht während der Tatausführung, so dass offen bleibt, wann und zu welchem Zeitpunkt die Geschädigte diesen getragen bzw. nicht mehr getragen hat und ob er eine Rolle während des Übergriffs gespielt hat. Zwar berichtete der Zeuge RiAG …, die Geschädigte habe im Rahmen ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung von einer Verwendung des Schals gesprochen, gleichwohl genügt dies der Kammer für eine zweifelsfreie Überzeugung nicht, dass – selbst wenn man eine Verwendung annehmen würde – eine solche die Verletzungen der Geschädigten bedingt hat, die (siehe oben) zweifelsfrei mit Würgen mit den Händen und stumpfer Gewalteinwirkung zu erklären sind. In dubio pro reo geht die Kammer daher lediglich von einem Würgen der Geschädigten durch den Angeklagten mittels bloßen Händen ohne die Verwendung des Schals der Geschädigten aus.
e) Soweit über RiAG … die Angaben der Geschädigten im Rahmen ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung in die Beweisaufnahme eingeführt wurden, hatten diese für die Kammer keine eigenständige Bedeutung. Jedoch werden hierdurch die Angaben der unbeteiligten Zeugen …, …, … und …, soweit diese zeitlich während des Geschehens beteiligt waren, letztlich bestätigt. Dasselbe gilt für die Angaben des Zeugen … über die Angaben der … im Rahmen der Therapie zur Bewältigung des Vorfalls. Dieser schilderte, dass er im Rahmen der bisherigen Therapie keine Widersprüche in den Angaben seiner Patientin habe feststellen können, sie auch nicht zu Übertreibungen oder Dramatisierungen neige. Weiter gab der Zeuge … hierzu an, seine Patientin habe den Vorfall mehrfach geschildert habe, weil die Aufarbeitung desselben den Kern der Traumatherapie bilde, ohne dass sich Unstimmigkeiten ergeben hätten. Zu keinem Zeitpunkt habe sie das Geschehen überspitzt dargestellt; im Gegenteil empfinde sie trotz allem Mitleid für den Angeklagten.
Nachdem das Geschehen in der Schilderung der unbeteiligten Zeugen weitestgehend dem entspricht, was … hierüber sowohl im Rahmen ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung als auch (und das ist besonders hervorzuheben) gegenüber ihrem Therapeuten mehrfach und zeitlich schon über ein Jahr vor dessen Einvernahme, die erstmals in der Beweisaufnahme stattfand, überhaupt im Raum stand, geäußert hat, stützt dies zwar die Überzeugung der Kammer, dass sich der Übergriff des Angeklagten auf …, wie von den Zeugen berichtet, ereignet hat, war jedoch zur Gewinnung dieser Überzeugung aufgrund der Glaubwürdigkeit der Zeugen (siehe oben) nicht erforderlich.
f) Als Quintessenz der Zeugenaussagen der unbeteiligten Zeugen und unter Zugrundelegung der Feststellungen der Sachverständigen Prof. Dr. …, … und … hat die Kammer unter Berücksichtigung der sonstigen Beweismittel zu ihrer Überzeugung den Sachverhalt daher wie oben (B.II.) geschildert, festgestellt. Die Kammer ist hierbei davon überzeugt, dass der Angeklagte während des Würgens, dessen Lebensbedrohlichkeit für die Geschädigte ihm aufgrund der Dauer und Intensität des Würgens bewusst war, Verletzungen der … für möglich gehalten hat, die er aber zumindest billigend in Kauf genommen hat, um auf diese Weise der Situation habhaft zu werden und die Geschädigte (vorübergehend) zum Schweigen zu bringen. Im Ergebnis ist ergänzend festzustellen, dass es in Fällen, denen wie hier ein dynamisches Tatgeschehen zugrunde liegt, sehr selten derart gute Zeugen gibt, die das Kerngeschehen strukturiert, neutral und ohne jeden Belastungseifer wiedergeben können, die nicht beeinträchtigt durch Drogen oder Alkohol einer für sie unbekannten, sich ersichtlich in Bedrängnis befindlichen Person zu Hilfe kamen, denen im Übrigen der Angeklagte in der Hauptverhandlung selbst für ihr Einschreiten gedankt hat.
III. Feststellungen zur Schuldfähigkeit
Der Sachverständige Dr. … erstattete im Rahmen der Beweisaufnahme auf der Grundlage der durchgeführten Hauptverhandlung ein psychiatrisches Gutachten. An der ansonsten üblichen Exploration durch den Sachverständigen wirkte der Angeklagte trotz mehrfachen Angebots noch während der Hauptverhandlung nicht mit. Bereits zuvor musste der zunächst beauftragte Sachverständige Dr. … unverrichteter Dinge wieder aus der JVA abziehen, weil sich der Angeklagte trotz vorheriger Zusage weigerte, mit ihm zu sprechen. Ähnlich, wenn auch nicht die Frage der Schuldfähigkeit betreffend, erging es der LtdMedDir‘in Dr. … vom gerichtsärztlichen Dienst des OLG Bamberg, die den Angeklagten auf Antrag seiner Verteidiger wegen seiner von ihm in epischer Breite vorgebrachten gesundheitlichen Probleme und der damit verbundenen nahezu unerträglichen Beschwernisse der Untersuchungshaft untersuchen sollte. Auch sie musste die JVA wieder verlassen, ohne den Angeklagten untersucht zu haben.
Er führte aus, dass der Angeklagte an einer passivaggressiven Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.8) leide; sämtliche diagnostischen Kriterien für diese Diagnose seien erfüllt und wären im Rahmen der Hauptverhandlung klar zutage getreten. So würden im Zuge dieser Krankheit Verzögerungsmanöver gestartet; Fristen nicht eingehalten; der Angeklagte werde – auch das sei ein Kriterium der genannten Krankheit – mürrisch und reizbar, wenn von ihm etwas verlangt werde, das er selbst nicht tun wolle. Dies sei insbesondere dadurch zum Ausdruck gekommen, dass der Angeklagte immer wieder im Laufe der Verhandlung gegen die Regeln eines adäquaten Verhaltens verstoßen habe. Im Hinblick auf die bereits seit 15 Jahren bestehende Arbeitslosigkeit des Angeklagten sei auch das Kriterium 3 als erfüllt anzusehen, nämlich, dass Betroffene einer passivaggressiven Persönlichkeitsstörung häufig scheinbar vorsätzlich langsam arbeiten oder ihre Arbeit schlecht machen würden, die sie nicht tun wollen. Auch ein Beschweren ohne Grund darüber, dass an ihn unsinnige Forderungen gestellt würden, sei ein vorliegend erfülltes Kriterium der oben genannten Diagnose, ebenso der Glaube selber Tätigkeiten besser ausführen zu können als andere dies glauben, anderen nützliche Vorschläge übel zu nehmen und Bemühungen anderer zu behindern, indem der eigene Arbeitsbeitrag nicht geleistet werde sowie mit unmäßiger Kritik oder Verachtung Autoritätspersonen gegenüber zu reagieren. Alle vorgenannten Kriterien seien bei dem Angeklagten aus Sicht des Sachverständigen gegeben. So sei auch das Stilisieren der eigenen Person als Opfer, im Falle des Angeklagten als Opfer seiner (nun wohl endgültig beendeten) Partnerschaft und/oder als Opfer der Justiz, Ausdruck dieser Kriterien des Krankheitsbildes.
Der Sachverständige zeigte weiter auf, dass sich die bei dem Angeklagten vorliegende Störung insbesondere auch auf die Beziehung zu seiner Ehefrau ausgewirkt hat, denn Ausfluss der Krankheit sei zum Beispiel, dass relativ viel versprochen, aber nicht gehalten werde, dass man sich ewig hin und her drehe und keine offene Kommunikation geführt werde. Zudem würden Partnerschaften kaum dauerhaft tolerierbar sein, man trenne sich aber auch nicht. Die lange Zeit des Getrenntlebens zwischen dem Angeklagten und dessen Ehefrau, ohne eine tatsächliche Trennung vorzunehmen sei hierfür beispielhaft. Er könne sich nicht endgültig trennen, würde sie sich nicht trennen.
Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit führte der Sachverständige Dr. … aus, dass die bei dem Angeklagten vorliegende passivaggressive Persönlichkeitsstörung nicht die kognitive Intelligenz betreffe, weil sie keine wahnhaften Verhaltensweisen nach sich zöge. Wenngleich sie Störungen im Bereich Partnerschaft und Kommunikation verursache, wirke sie sich nicht auf die vorliegende Tätlichkeit aus, so dass weder die Einsichts- noch die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten durch seine psychische Erkrankung alteriert gewesen sei und mithin die forensischpsychiatrischen Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB nicht vorlägen.
Die Kammer macht sich die überzeugenden und in sich schlüssigen Ausführungen des gerichtsbekannt sehr sorgfältigen Sachverständigen Dr. …, der seit Jahren als psychiatrischer Sachverständiger in einer Vielzahl von Verfahren tätig war und an dessen Sachkunde keinerlei Zweifel bestehen, nach kritischer Prüfung und Würdigung insgesamt zu eigen. Seine Feststellungen zum Verhalten in der lang andauernden Verhandlung decken sich vollständig mit dem Eindruck, den die Kammer (aus nichtmedizinischer Sicht) vom Angeklagten gewonnen hat. Die Voraussetzungen für die Annahme verminderter (oder gar aufgehobener) Schuldfähigkeit liegen daher im Ergebnis nicht vor. Der Angeklagte war während der Tatausführung umfassend Herr seiner Sinne.
D. Rechtliche Würdigung
Der Angeklagte hat sich daher der gefährlichen Körperverletzung gem. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB schuldig gemacht.
Der von dem Angeklagten vorgenommene Angriff gegen den Hals der Geschädigten im Sinne eines zeitlich nicht unerheblichen Würgens bedeutete für diese eine abstrakte Lebensgefahr. Die Handlung des Angeklagten in ihrer konkreten Ausführung war generell geeignet, das Leben der … konkret zu gefährden, so dass darin eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu sehen ist. Es kommt aufgrund der Rechtsnatur der Vorschrift als „Eignungsdelikt“ indes nicht darauf an, dass sich die Geschädigte zwar in abstrakter, jedoch nicht nachweislich auch in konkreter Lebensgefahr befand (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl. 2020, § 224 Rn. 27 sowie beispielhaft BGH, Beschluss vom 16.01.2013 – 2 StR 520/1 in BeckRS 2013, 5414 und BGH, Beschluss vom 14. 10. 2004 – 4 StR 403/04 in BeckRS 2004, 11145).
Die Kammer konnte sich aufgrund der Beweisaufnahme indes nicht davon überzeugen, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tathandlung den Entschluss gefasst hatte, seine Ehefrau zu töten. Diesen Erfolg hatte er auch trotz der Gefährlichkeit seiner Tathandlung nicht billigend in Kauf genommen. Insoweit konnte das für das Vorliegen (auch) des Eventualvorsatzes erforderliche voluntative Element, das zumindest eine „Billigung“ des Todes der Ehefrau als tatbestandlichen Erfolg erfordert hätte, nicht festgestellt werden. Zwar kann grundsätzlich auch dann eine Billigung des Taterfolgs bei an sich unerwünschtem Erfolgseintritt zu bejahen sein (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 15. 12. 2010 – 2 StR 531/10 in NStZ-RR 2011, 110), gleichwohl ergab eine Gesamtbetrachtung aller (der Kammer zumindest bekannten) Umstände nicht, dass der Angeklagte sich zum Zeitpunkt des Würgens mit dem Tod seiner Ehefrau abgefunden und ihm dieser mindestens gleichgültig gewesen ist. Zum einen war in diese Betrachtung einzubeziehen, dass die Ehefrau des Angeklagten in gewisser Weise Bindeglied zwischen Vater und Sohn war, der (schon alleine aufgrund der Wohnsituation) eine engere Bindung an die Mutter als an den Angeklagten als seinen Vater hatte, weswegen ihr Tod (aus Sicht des Angeklagten) zugleich das Ende für die Vater-Sohn-Beziehung bedeutet hätte. Darüber hinaus vermochte die Kammer auch kein nachvollziehbares Motiv erkennen, das den Angeklagten, in Abkehr seines Verhaltens bei der (rein verbalen) Auseinandersetzung zwei Tage vor der Tat, dazu hätte bringen können, nunmehr den Tod der Ehefrau zumindest zu billigen. Vielmehr liegt nahe, dass dem Angeklagten aufgrund des anhaltenden Streitgesprächs gewissermaßen „der Kragen geplatzt“ ist („Jetzt reicht’s“) und er mittels Tätlichkeit die Überhand über das Streitgeschehen (zurück-)erlangen wollte, ohne … hierbei um ihr Leben zu bringen.
Unter Berücksichtigung der zutage getretenen vorsatzkritischen Elemente (Hilfebedürfnis durch die Ehefrau und damit einhergehende Bindung trotz Trennung; Verhältnis zwischen Vater und Sohn, das durch Mutter am Leben erhalten blieb) sowie unter Berücksichtigung der für die Annahme eines Tötungsvorsatzes auch zu prüfenden sog. Hemmschwellentheorie, die aufgrund des bisherigen straffreien Vorlebens und jedweden fehlenden Anhaltspunkten für gewalttätige Übergriffe in der Ehe oder danach umso mehr an Bedeutung gewinnt, geht die Kammer nicht davon aus, dass der Angeklagte den Tod seiner Ehefrau, wenngleich er diesen aufgrund der abstrakten Gefährlichkeit der Tathandlung für möglich gehalten hat, gebilligt und/oder sich mit diesem abgefunden hat. Der in der Anklage gegen den Angeklagten tateinheitlich zur gefährlichen Körperverletzung erhobene Vorwurf des versuchten Totschlags wird daher mangels Nachweises eines Tatentschlusses von der Kammer nicht bejaht.
E. Strafzumessung
I. Strafe
1. Strafrahmen
Der Strafrahmen war § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu entnehmen, der Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren vorsieht.
a) Anhaltspunkte, die die Annahme eines minder schweren Falls gem. § 224 Abs. 1 Hs. 2 StGB hätten rechtfertigen können, sind nicht ersichtlich.
Zugunsten war zwar zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bislang strafrechtlich nicht Erscheinung getreten ist, er sich zumindest teilweise geständig gezeigt und sich bei der Geschädigten entschuldigt bzw. dies versucht hat. Positiv hat die Kammer auch die Haftsituation berücksichtigt, weil aufgrund der gesundheitlichen Beschwerden des Angeklagten eine überdurchschnittliche Haftempfindlichkeit besteht, die die haftimmanenten Unannehmlichkeiten noch erschwert haben dürfte. Auch hat die Kammer zugunsten des Angeklagten dessen schwierige Lebenssituation in die Waagschale geworfen, die von seinen gesundheitlichen Beschwerden – körperlicher und psychischer Natur – geprägt ist und wegen derer er in diversen Bereichen (z.B. Einkäufe, Haushalt etc.) auf Hilfe angewiesen ist.
Zulasten hatte die Kammer allerdings zu werten, dass die Geschädigte durch den gegenständlichen Vorfall erhebliche Verletzungen körperlicher und (vor allem) psychischer Natur erlitten hat, deren Aufarbeitung noch eine Vielzahl von Therapiestunden zur Traumabewältigung erfordern wird. Die äußeren Verletzungen waren durchaus nennenswert und zeigten deutlich das Ausmaß der Gewaltanwendung, auch wenn sie inzwischen folgenlos verheilt sind – im Gegensatz zu den andauernden psychischen Beeinträchtigungen. Zudem fällt die Zeitdauer negativ ins Gewicht, die sich über mehrere Minuten erstreckte, sowie der Umstand, dass sich der Angeklagte auch vom Eingreifen hinzueilender Passanten zunächst gänzlich unbeeindruckt zeigte und diese die Geschädigte aus dem Griff des Angeklagten nur unter einiger gemeinsamer Anstrengung befreien konnten.
Im Rahmen einer Abwägung aller vorgenannten Umstände sind daher keine zureichenden Anhaltspunkte für die Annahme eines minderschweren Falles gegeben.
b) Vertypte Strafmilderungsgründe sind ebenso wenig ersichtlich. Die Voraussetzungen (weder des § 20 StGB noch) des § 21 StGB sind vorliegend gegeben, da die bei dem Angeklagten vorliegende psychische Erkrankung der passivaggressiven Persönlichkeitsstörung sich nicht auf dessen Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (siehe oben C. III.). Die Kammer schließt sich insoweit nach eigener kritischer Prüfung und Würdigung den Ausführungen des Sachverständigen Dr. … an.
c) Sonstige vertypte Milderungsgründe sind nicht ersichtlich.
2. Strafzumessung im engeren Sinn
Ausgehend von dem oben dargestellten Strafrahmen hat die Kammer bei der Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 46 StGB alle relevanten Strafzumessungskriterien herangezogen, geprüft, und bewertet.
Unter Berücksichtigung dieser für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände sowie sämtlicher weiterer sich aus § 46 Abs. 1, Abs. 2 StGB ergebenden Strafzumessungsgründe, insbesondere der krankheitsbedingt anzunehmenden erhöhten Haftempfindlichkeit des Angeklagten ist nach Überzeugung der Kammer eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten tat- und schuldangemessen und als Mindestmaß schuldgerechten Ausgleichs (§ 46 Abs. 1 StGB) geboten.
II. Keine Maßregeln der Besserung und Sicherung
Die Voraussetzungen für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 63 StGB liegen nicht vor. Die Kammer schließt sich nach eigener kritischer Prüfung und Würdigung auch insoweit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. … an, der ausführte, keinerlei Anhaltspunkte für eine Psychose oder sonstige Krankheitsbilder außerhalb der passivaggressiven Persönlichkeitsstörung zu haben, so dass – auch unter Berücksichtigung der Vorstrafenfreiheit – weitere erhebliche Straftaten des Angeklagten aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht zu erwarten seien. Es fehlt daher bereits an der für § 63 StGB erforderlichen Wahrscheinlichkeit höheren Grades (vgl. hierzu BeckOK StGB/Ziegler, 47. Ed. 1.8.2020, StGB § 63 Rn. 11 m. w. N.), dass der Angeklagte weitere erhebliche Straftaten begehen wird.
Anhaltspunkte für eine Suchterkrankung bestanden zu keinem Zeitpunkt und eine solche wurde auch nicht vorgetragen, so dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gem. § 64 StGB ebenso nicht gegeben sind. Auch insoweit schließt sich die Kammer nach eigener kritischer Prüfung und Würdigung der Ausführungen des Sachverständigen Dr. … an.
F. Kosten
Als Verurteilter hat der Angeklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 465 Abs. 1 StPO.