Strafrecht

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus

Aktenzeichen  6 KLs 402 Js 31878/20

Datum:
20.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 35894
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Traunstein
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 63

 

Leitsatz

1. Zur Annahme der „Erheblichkeit“ i.S.d. § 63 S. 1 StGB genügt die drohende Störung des Rechtsfriedens im Bereich der mittleren Kriminalität, da solche Taten geeignet sind, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen (Bestätigung von BGH BeckRS 2017, 106307).                                                  (Rn. 224) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Erheblichkeit von Straftaten im Sinne des § 63 StGB wird bei Gewalt- und Aggressionsdelikten regelmäßig bejaht (Bestätigung von BVerfG BeckRS 2011, 56806), wobei jedoch stets auch die Umstände des konkreten Einzelfalles zu prüfen sind. Verbrechen sind nach der Wertung des Gesetzgebers stets erheblich im Sinne von § 63 StGB (Bestätigung von BGH BeckRS 2014, 15881). (Rn. 225) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Angeklagte S.pitzauer ist schuldig der versuchten Nötigung in 6 tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung.
II. Die Angeklagte wird deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 1 Jahr 3 Monaten verurteilt.
III. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wird angeordnet.
IV. Die Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
angewandte Vorschriften: §§ 240 I, III, 22, 23, 223 I, 230, 53, 63 StGB

Gründe

A. Prozessgeschichte:
Am 25.02.2021 hat die Staatsanwaltschaft Traunstein, Zweigstelle Rosenheim, bei Gericht am 02.03.2021 eingegangen, gegen .. S.pitzauer Anklage wegen Bedrohung in 6 tatmehrheitlichen Fällen und vorsätzlicher Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1; 230 Abs. 1; 241 Abs. 1; 53 StGB gestellt.
Mit Eröffnungsbeschluss vom 22.03.2021 hat das Landgericht – 6. Strafkammer – Traunstein die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen und Termin zur Hauptverhandlung bestimmt auf 20.05.2021 nebst Folgetermin.
Eine Verständigung hat weder vor noch in der Hauptverhandlung stattgefunden (§§ 202 a, 212, 257 c, 267 Abs. 3, 273 Abs. 1 a StPO).
Nach erteiltem rechtlichen Hinweis war die Angeklagte wie tenoriert zu verurteilen.
B. Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse der Angeschuldigten:
I. Bisherige Lebensentwicklung der Angeklagten:
Die Angeklagte wurde am 26.05.1995 in München geboren; sie ist ledig, hatte auch keine Partnerschaften in ihrem Leben, und kinderlos.
Bei ihrer Geburt war die Mutter der Angeklagten 17 Jahre alt; bereits mit 15 hatte sie einen Sohn zur Welt gebracht. Mütterlicherseits hat die Angeklagte noch 3 jüngere Halbgeschwister, väterlicherseits 5.
Zu ihrem Vater, der Alkoholiker und immer aggressiv gewesen ist, hat die Angeklagte keinen Kontakt; 16-jährig ist sie ihm einmal begegnet, seitdem wünscht sie aber keinen Kontakt mehr. Die Mutter bezeichnet sie als „Hure“, die überfordert war und zu der sie auch keinen Kontakt unterhält. Als die Angeklagte 12 Jahre alt war, hat sie ihre leibliche Mutter kennengelernt, danach brach die Mutter allerdings den Kontakt wieder ab und die Angeklagte begann, sich selbst zu verletzen (s. nachfolgend II.).
Wichtigste Bezugspersonen waren für die Angeklagte ihre Patentante und die Oma. Mit der Patentante hat sie sich nunmehr aber zerstritten, mit der Oma, die in München lebt, telefoniert sie etwa 4 x pro Monat.
Die ersten Lebensmonate verbrachte die Angeklagte bei den leiblichen Eltern, wobei die Mutter überfordert war und ebenso, wie der Säugling, vom Vater geschlagen wurde.
In der Folge wurde die Angeklagte zur Adoption freigegeben. Obwohl sie zweimal vermittelt wurde, wurde sie jedoch nicht adoptiert, kam vielmehr bis zu ihrem 4. Lebensjahr im Säuglings- und Kinderheim in Putzbrunn unter.
Anschließend wuchs sie bis zu ihrem 14. Lebensjahr in dem Kinderhaus „Buchberg“ im Schwarzwald auf, wo sie auch regulär eingeschult wurde und ihre Schullaufbahn 2010 mit dem Hauptschulabschluss (Durchschnitt 2,1) beendete.
Eine Ausbildung oder Ähnliches hat sie in der Folgezeit nicht begonnen. Perspektivisch äußerte sie als Berufswunsch, Polizistin zu werden; als sie 16 Jahre alt war, hat sie bei der Polizei einmal ein Praktikum gemacht.
Ab 2008 (s. i.E. nachfolgend II.) befand sich die Angeklagte (fast) durchgängig in stationär psychiatrischer Behandlung bzw. geschlossener Unterbringung, auch stand sie seit dem unter gesetzlicher Betreuung; ihre Betreuerin in allen Bereichen ist derzeit Frau C. W. , B. weg …, … L..
Seit 2013 war sie zivilrechtlich im EHRKO-Wohnheim in Neumarkt-St.-Veit untergebracht. Es besteht ein langfristiger Unterbringungsbeschluss zur geschlossenen Unterbringung durch das Amtsgericht Mühldorf am Inn (Az.: XVII 286/14). Dieser Unterbringungsbeschluss gilt sowohl für eine geschlossen geführte sozialpsychiatrische Einrichtung, als auch für das Krankenhaus und umfasst ausdrücklich auch die Genehmigung einer mechanischen Beschränkung der Angeklagten; gemäß dem letzten Beschluss zur Verlängerung der Unterbringung vom 19.10.2016 wird das Gericht spätestens zum 18.10.2023 über eine Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung entscheiden.
Die Angeklagte hat weder Schulden noch Vermögen, auch kein Einkommen.
Die Angeklagte mag ausgesprochen gerne Tiere.
II. Krankheitsgeschichte:
1.) Im Alter von 12 Jahren (2008) wurde die Angeklagte erstmals in einem psychiatrischen Krankenhaus, der Luisen-Klinik in Bad Dürrheim, aufgrund der Borderline-Problematik aufgenommen und behandelt.
Ab 2008 war der weitere Lebenslauf der Angeklagte überwiegend durch die stationäre bzw. teilstationäre psychiatrische Versorgung, sowie die geschlossene Unterbringung geprägt; Jugendhilfemaßnahmen in einem Auslandsprojekt in Italien scheiterten bereits nach 2 Monaten aufgrund der rezidivierenden Selbstverletzungen.
Wegen der selbst zugefügten Verletzungen verbrachte sie dann ab dem 14. Lebensjahr (2009) längere Zeit (2 Jahre) in der H–Klinik in M- und im I–A–Klinikum T..
Von 2010-2011 erfolgte eine Unterbringung der Angeklagten in der geschlossen geführten Jugendhilfeeinrichtung Haasenburg in Brandenburg, wo sie allerdings bald durch alte Verhaltensmuster auffiel, was eine rund um die Uhr Einzelbetreuung erforderlich machte. Im weiteren Verlauf gelangte sie von der offenen Intensivgruppe Gesima in I. nach I. und dann in die Jugendpension N. straße.
Es folgte vom 19.11.2011 – 11.10.2012 ein Aufenthalt in der H.-Klinik; neben der Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen mit erhöhter Impulsivität und Stimmungslabilität fiel die Angeklagte, insbesondere, wenn ihr Grenzen gesetzt werden sollten, mit wiederholtem, massivem auto- und fremdaggressivem Verhalten (Gewaltandrohung gegenüber Personal) auf.
Nach einem fraglichen Suizidversuch durch Ingestion einer Flasche Levomepromazin-Tropfen wurde die Angeklagte dann vom 22.06.2012 – 09.07.2012 im I.-A.-Klinikum M. aufgenommen, wo sie sich auch – nach zwischenzeitlich erneutem kurzen Aufenthalt in der H.-Klinik – nochmals vom 20.08.2012 – 23.08.2012 befand.
In der Zeit vom 11.10.2012 – 22.02.2013 hat sie sich wiederum im I.-A.-Klinikum M. befunden, wo sie am 13.11.2012 in der Nacht einer Krankenschwester, die sie an der Flucht hindern wollte, mehrere wuchtige Faustschläge gegen den Rücken und die rechte Schulter versetzt hat.
Aus dem Gutachten von Dr. O. vom 19.02.2013 geht hervor, dass die Angeklagte nach einer Morddrohung gegen eine Betreuerin in der H. Klinik (sie hatte einer Mitarbeiterin einen Brief geschrieben, dass sie diese umbringen wolle) und tätlichem Angriff auf diese am 10.10. 2012 (die Angeklagte hatte der Mitarbeiterin eine eiserne Schöpfkelle auf den Kopf geschlagen) zur weiteren Krisenintervention nach rezidivierendem und massivem selbstschädigendem Verhalten bei vordiagnostizierter Störung der Emotionen mit erhöhter Impulsivität und Stimmungslabilität zum dritten Mal im I.-A.-Klinikum M. aufgenommen wurde.
Unter dem 19.06.2013 erstellte Dr. G. ein weiteres Gutachten, dementsprechend die Angeklagte ein noch diffuses, von einer gewissen Orientierungslosigkeit geprägtes Persönlichkeitsbild mit naiven Denkschablonen, einer allgemeinen Hilflosigkeit, einer Störung der Selbstwahrnehmung mit Insuffizienzgefühlen, gemindertem Selbstwerterleben bei eher spielerischer Einstellung zur Arbeits- und Berufswelt bei leicht auftretender Langeweile und einer Störung der Affektreaktion zeigt. Laut diesem Gutachten zeigte sich zudem mangelnde Empathie, unzureichende Schuldgefühle und eine gewisse Rücksichtslosigkeit gegenüber den Gefühlen anderer Menschen. Insgesamt kam der Gutachter zu dem Ergebnis, dass bei der Angeklagten im Vordergrund Symptome einer Borderline-Persönlichkeit mit selbstschädigendem Verhalten, suizidalen Handlungen und aggressiven, sowie fremdgefährlichen Impulsdurchbrüchen standen. Zwischenmenschliche Beziehungen wirkten instabil, seit dem 14. Lebensjahr führte die Angeklagte ein sehr konfliktreiches Leben, wobei sie auch regelmäßig in Konflikt mit gesetzlichen Vorgaben geriet. Soziale Beziehungen waren von häufigen Missverständnissen, sowie zahlreichen Beziehungsabbrüchen bei negativem Selbstbild geprägt; bereits bei sehr geringen Auslösern reagierte die Angeklagte mit heftigsten negativen Gefühlen wie Angst, Verzweiflung, Wut und Selbstverachtung; die Rückbildung dieser heftigen emotionalen Reaktionen zu einem ausgeglichenen emotionalen Niveau ging nur langsam vonstatten; hohe innere Anspannung hat die Angeklagte gelernt, durch selbstverletzende Verhaltensweisen abzubauen.
Die Angeklagte hat aber selbst auch eine Neigung zur erhöhten Gewaltbereitschaft gegenüber anderen Menschen offen bejaht.
In dem genannten Gutachten haben sich zudem Hinweise darauf ergeben, dass die Angeklagte über imperative Stimmen berichtete, die ihr befohlen hätten, sich zu verletzen.
Aus dem Bericht des I.-A.-Klinikum T. anlässlich des Aufenthalts der Angeklagten vom 22.02.2013 – 21.08.2013 gemäß § 126 a StPO, sowie erneut ab dem 19.09.2013 als sog. Fehlliegerin geht die Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen und dissozialen Anteilen mit rezidivierender vorsätzlicher Selbstschädigung hervor. Dem Bericht ist weiter zu entnehmen, dass die Angeklagte kein Krankheitsgefühl und keine Krankheitseinsicht aufweist.
Im Rahmen der Hauptverhandlung am 21.08.2013 (Beiakte 1034 Ls 468 Js 111135/13 jug.) wurde gegen die Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung eine Woche Dauerarrest verhängt, allerdings eine Unterbringung im Maßregelvollzug abgelehnt, da sie am Tag der Urteilsverkündung durch Beschluss zivilrechtlich untergebracht und davon ausgegangen wurde, dass dahinter die strafrechtliche Unterbringung nach § 63 StGB zurückzutreten hatte.
Aufgrund wiederholter Ingestion von Glasscherben und Plastikteilen erfolgte eine Verlegung in das Krankenhaus Erding; die Umsetzung des strengen Verhaltensplans aus der Forensik war nicht möglich, sodass am 19.09.2013 eine Wiederaufnahme als Fehlliegerin erfolgte. Insgesamt wurde das Krankheitsbild der Angeklagten damals als durch emotional instabile Teile mit einer fehlenden Impulskontrolle und daraus resultierendem selbstverletzendem Verhalten neben dissozialen, teilweise hebephrenen Komponenten, beschrieben.
Vom 23.03.2015 – 30.03.2015 erfolgte dann erneut im I.-A.-Klinikum T. eine stationäre Behandlung nach suizidalen Äußerungen im Krankenhaus V., wo die Angeklagte nach Fremdkörperingestion in suizidaler Absicht aufgenommen wurde.
In der Folgezeit war die Angeklagte überwiegend im EHRKO-Wohnheim in N. (geschlossen geführte sozialpsychiatrische, beschützende Einrichtung) untergebracht, es kam aber weiter auch immer wieder zu kurzzeitiger stationärer bzw. teilstationärer psychiatrischer Versorgung der Angeklagten in den bereits genannten Einrichtungen, aber auch im I.-S.-Klinikum W. am I..
Im gegenständlichen Verfahren wurde die Angeklagte am 06.11.2020 gemäß § 126 a StPO im I.-A.-Klinikum T. aufgenommen.
Die Angeklagte beschrieb, sich darüber zu freuen. Bei der Aufnahme waren eine eher labile Emotionalität, ein parathymer Affekt bei einfach strukturiertem Gedankengang ohne Hinweis auf Wahnerleben, Sinnestäuschungen und Ich-Störungen aufgefallen. Die Angeklagte schilderte, dass sie aus dem I.-S.-Klinikum in W. weg wollte, weshalb sie dort Feuer gelegt habe. Sie sprach auch über die Selbstverletzungen, insbesondere das Beißen in die Brust, was bereits zweimal zu einer Sepsis geführt hatte. Im Verlauf der einstweiligen Unterbringung äußerte sie mehrfach, dass sie mittels der Brandlegung die Leute in der Einrichtung habe schädigen wollen; auch sprach sie davon, die Polizei zu lieben, weshalb sie einen Einsatz provoziert habe.
Im Stationsalltag fiel die Angeklagte oft läppisch und distanzlos auf, sprach von ihrer Tat und davon, dass sie Leute habe vergasen wollen. Sie wirkte aufmerksamkeitssuchend, befand sich stark in der Regression und in einer Lösungen vermeidenden Haltung, drohte immer wieder indirekt mit Selbstverletzung, wie sich die Naht aufzubeißen und gab lebensmüde Gedanken an im Sinne der Verursachung einer Wunde und dann einer Sepsis.
Während der einstweiligen Unterbringung wurden zahlreiche besondere Vorkommnisse dokumentiert (etwa am 12.11.2020, 16.11.2020, 27.11.2020, 01.12.2020, 03.12.2020, 05.12.2020, 06.12.2020, 07.12.2020, 12.12.2020, 14.12.2020, 15.12.2020, 18.12.2020, 19.12.2020, 20.12. 2020, 21.12.2020, 23.12.2020, 26.12.2020, 27.12.2020, 28.12.2020, 30.12.2020, 31.12.2020, 02.01.2021, 10.01.2021, 23.01.2021, 26.01.2021, 27.01.2021, 06.02.2021 und 11.02.2021, eine Frequenz, die sich nach den Angaben der forensischpsychiatrischen Sachverständigen Dr. K. bis zur Hauptverhandlung fortsetzte):
Bei diesen besonderen Vorkommnissen ging es zum einen immer wieder um Selbstverletzungen in Form des Aufbeißens der Brust bzw. des Herausbeißens der Fäden, wobei die Angeklagte dann Gegenstände (Kugelschreiber, Tackernadel, Zahnbürstenstücke) in die Wunde einführte. Zum anderen fiel die Angeklagte aber auch durch fremdaggressives Verhalten auf (etwa am 12.12.2020, wo sie nach dem Pflegepersonal trat und schlug, dieses auch beißen wollte und anspruckte; am 30.12.2020, wo sie das Personal bedrohte, trat und bespuckte, weshalb die Polizei hinzugezogen werden musste; am 02.01.2021, wo sie immer wieder die Fixierung ihrer linken Hand löste und anfing, nach dem Personal zu treten und zu schlagen, auch spukte sie das Personal an; am 27.01.2021, wo sie Wasser über eine Pflegekraft schüttete), sodass mehrfach 9-Punkt-Fixierungen erforderlich waren. Zum Teil verweigerte sie aber auch die Medikation (etwa am 21.12.2020).
Derartige Vorkommnisse setzten sich letztlich bis zur Hauptverhandlung fort.
Insgesamt hat die Angeklagte auch im Rahmen der vorläufigen Unterbringung trotz engmaschiger Begleitung und 1 zu 1 Betreuung keine Stabilisierung erfahren können; auch konnte bisher mit ihr nicht die erforderliche verhaltenstherapeutische Behandlung begonnen oder gar eine Perspektive im Hinblick auf die Vorbereitung eines sozialen Empfangsraums entwickeln werden.
2.) Zur Suchtanamnese der Angeklagten war festzustellen, dass sie im Alter von 13 Jahren in der Clique erstmals vor dem Jugendhaus Alkohol probiert hat, sie nahm insbesondere Alcopops zu sich. In der Folgezeit traf sie sich nach eigenen Angaben jeden Freitag mit den falschen Freunden und zog umher. Den Alkoholrausch hat sie als „cool“ empfunden, er rief bei ihr Glücksgefühle hervor. Während alle anderen – so ihre Aussage – besoffen gewesen seien, hätte sie andauernd lachen müssen, was gut getan habe. Nach ca. 2 Jahren, etwa seit dem Zeitpunkt der ersten Unterbringung, verzichtete die Angeklagte auf Alkoholkonsum.
Ab dem 14. Lebensjahr konsumierte sie auch Cannabis und Speed, ebenso Lösungsmittel, allerdings nach eigenen Angaben „nur einige Male“. Anlässlich der wiederholten Vorstellungen in der Notfall-Ambulanz der H.r-Klinik M. wurde seit 08.01.2012 neben der Diagnose einer Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen mit erhöhter Impulsivität und Stimmungslabilität auch ein schädlicher Konsum von Cannabis, ein Zustand nach schädlichem Gebrauch von Stimulanzien, sowie ein Zustand nach schädlichem Gebrauch flüchtiger Lösungsmittel (Schnüffeln von Lösungsmitteln bzw. Deo, wobei die Angeklagte beschrieb, dass dies gut getan habe, nachdem es direkt ins Gehirn gelangt sei) und eine expressive und rezeptive Sprachstörung beschrieben.
III. Keine Vorstrafen:
Die Angeklagte ist nicht vorbestraft, auch sind keine weiteren Verfahren gegen sie anhängig.
III. Unterbringung nach § 126 a StPO:
Die Angeklagte befindet sich seit 06.11.2020 aufgrund Unterbringungsbefehls des Amtsgerichts Traunstein vom 02.11.2020 (Gz.: 5 Gs 4169/20) in einstweiliger Unterbringung nach § 126 a StPO im I.-A.-Klinikum T..
C. Festgestellte Sachverhalte:
I.
1.) a) Die Angeklagte befand sich mit einer kleinen Unterbrechung seit 21.08.2020 auf der geschlossenen psychiatrischen Station KS 2, Haus 24, im I.-S.-Klinikum, … W. am I., G..
Aufgrund einer früheren einstweiligen Unterbringung in der forensischen Abteilung in T. anlässlich der Verletzung einer Krankenschwester im Bezirksklinikum H. entstand bei ihr der Wunsch, dort erneut untergebracht zu werden, weil es ihr dort gefallen hatte.
Am 19.09.2020 um ca. 23:00 Uhr häufte die Angeklagte auf der Damentoilette im 1. Obergeschoss des I.-S.-Klinikums, Station KS 2, Papiertücher auf dem Fußboden unter dem Waschbecken auf und zündete dies an, um auf diese Weise ihre erneute Unterbringung in der Forensik zu erreichen. Die Flammen schlugen bis zum Waschbecken hoch.
Als die Mitpatientin Helminger den Rauch bemerkte und zur Toilette eilte, sah sie die Angeklagte dort lachend und rufend vor dem Feuer stehen: „Jetzt kommt die Feuerwehr, jetzt kommt die Feuerwehr!“. Die Mitpatientin Helminger holte ein Bettuch und warf dieses über das Feuer, um es zu ersticken. Die verständigte Krankenpflegerin Ackelbein löschte den Rest des Feuers mittels eines Feuerlöschers.
Außer an dem Betttuch wurde kein Schaden verursacht. Da das Feuer auf dem Fliesenboden des WCs unterhalb des Waschbeckens gelegt wurde, bestand auch keine Gefahr einer Ausbreitung, eines Übergreifens auf wesentliche Gebäudebestandteile, einer relevanten Beschädigung des Gebäudes oder von ernsthaften Rauchgasvergiftungen.
Sie tat dies, um eine Verlegung in die Forensik zu erzwingen.
In der Folge äußerte die Angeklagte immer wieder, dass sie ein weiteres Feuer legen werde, wenn sie nicht in der Forensik untergebracht werde.
b) So äußerte sie unmittelbar nach dem 1. Vorfall vom 19.09.2020 noch am selben Tage gegenüber der diensthabenden Ärztin H., dass sie die Klinik in Brand setzen würde, wenn sie nicht verlegt werden würde.
c) Am 22.09.2020 erklärte die Angeklagte gegenüber dem Chefarzt der Station KS 2, dem Zeugen Dr. R., dass sie ansonsten – wenn sie nicht in die Forensik käme – „die ganze Station abfackele“.
Auf die Gefährlichkeit ihres Vorgehens angesprochen, gab sie an, dass ihr das egal sei. Von den Pflegerinnen und Pflegern auf die Gefährlichkeit angesprochen, fand die Angeklagte den Vorfall sogar lustig und lachte darüber. Gegenüber der Zeugin G., einer Krankenschwester der Station KS 2, äußerte sie mehrfach, dass sie bei der nächsten Gelegenheit wieder etwas anzünden würde und dann nicht mehr so dumm wäre, es so zu machen, dass es gleich bemerkt werde.
d) Zudem äußerte sie am 25.09.2020 um ca. 08:00 Uhr gegenüber der Krankenschwester G., dass sie einen Brandanschlag verüben werde, um in die Forensik verlegt zu werden.
e) Auch im Rahmen ihrer psychiatrischen Exploration zu den Voraussetzungen einer einstweiligen Unterbringung gemäß § 126 a StPO am 29.09.2020 gab die Angeklagte gegenüber … an, dass sie einen großen Brand legen werde, wenn sie nicht in die Forensik komme. Es tue ihr auch nicht leid, wenn hierdurch Menschen zu Tode kämen.
f) Am Vormittag des 01.10.2020 gegen 09:20 Uhr sprach sie sogar mit Mitpatienten und der Krankenschwester G. über die Brandbelegung, lachte und kündigte eine erneute Brandtat an.
Die Drohungen wurden, insbesondere vor dem Hintergrund der Brandbelegung am 19.09.2020, von den jeweils beteiligten Gesprächspartnern ernst genommen.
Mit allen Drohungen verfolgte die Angeklagte das Ziel, in die Forensik verlegt zu werden, eine Verlegung im Hinblick auf die Drohungen erfolgte jedoch nicht
2.) Am 31.08.2020 gegen 22:50 Uhr wurde die Angeklagte aufgrund einer vorangegangenen Selbstverletzung zur Behandlung in das RoMed Klinikum W. am I., K. straße …, … W. a. I. verbracht.
Dort schlug die Angeklagte der Geschädigten …, die sie in ihrer Funktion als Krankenpflegerin der Station KS 2 im I.-S.-Klinikum W. a. I. begleitete, mehrfach mit den Händen gegen den Oberkörper und trat ihr gegen die Beine und Füße.
Hierdurch erlitt die Geschädigte …, wie von der Angeklagten vorhergesehen und zumindest billigend in Kauf genommen, Hämatome am rechten Oberarm und beiden Fußrücken, sowie Schmerzen.
Strafantrag wurde von der Geschädigten … am 09.09.2020 form- und fristgerecht gestellt. Im Übrigen hält die Staatsanwaltschaft aufgrund des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.
II.
Die Angeklagte leidet an einer emotionalinstabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderliner-Typ mit unreifen und dissozialen Zügen (ICD-10: F 60.31).
Sie war zwar noch in der Lage, das Unrecht der Taten einzusehen; allerdings war ihre Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln (Steuerungsfähigkeit) zu den jeweiligen Tatzeitpunkten und damit ihre Schuldfähigkeit erheblich gemindert (§ 21 StGB).
Die geschilderten Tathandlungen beruhten auf der Erkrankung der Angeklagten und sind symptomatischer Ausdruck derselben.
III.
Auf diesem krankheitsbedingten und persistierenden Zustand ist aber nicht nur das Handeln der Angeklagten am 19.09.2020, 22.09.2020, 25.09.2020, 29.09.2020, 01.10.2020 (Ziffer C. I. 1.)) und 31.08.2020 (Ziffer C. I. 2.)) zurückzuführen, vielmehr sind deshalb von ihr in der Zukunft – wäre sie unbehandelt außerhalb des Maßregelvollzuges in Freiheit – mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ähnlich erhebliche, weitere rechtswidrige Taten im Bereich von Brandlegungs-, Bedrohungs-/Nötigungs- und Körperverletzungsdelikten zu erwarten, also Taten der mittleren bis schweren Kriminalität, die nicht nur bestimmte Einzelpersonen oder einen abgrenzbaren Personenkreis, sondern jedermann betreffen und eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben können, weshalb die Angeklagte für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Mildere geeignete Mittel zur fachgerechten Behandlung der Angeklagten und damit zur hinreichenden Reduzierung oder Abwendung der von ihr ausgehenden Gefahr sind derzeit nicht verfügbar, weshalb die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus geeignet, erforderlich und auch verhältnismäßig ist.
D. Beweiswürdigung:
I. Hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten:
Eigene Einlassung der Angeklagten zu ihrer lebensgeschichtlichen Entwicklung ergänzt durch die Angaben der insoweit als Zeugin einvernommenen Sachverständigen Dr. V. K2., – auszugsweise verlesene Beiakte 1034 Ls 468 Js 111135/13 jug., – auszugsweise verlesene Betreuungsakte Az.: XVII 286/14, insbesondere verlesener Unterbringungsbeschluss des Amtsgerichts Mühldorf am Inn vom 19.10.2016 und Gutachten von L.D. Kellner vom 25.08.2020, – verlesenen Auskunft aus dem Bundeszentralregisterauszug vom 24.03.2021.
II. Betr. die festgestellten Sachverhalte:
Die jeweiligen Taten entsprechend Ziffer C. I. stehen nach Überzeugung der Kammer fest aufgrund der Angaben der Angeklagten selbst, soweit sie geständig war und sich an die Taten erinnern konnte, im Übrigen aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme, im Einzelnen aufgrund – der glaubhaften und glaubwürdigen Aussagen der uneidlich einvernommenen Zeugen … – der im Einverständnis mit allen Verfahrensbeteiligten verlesenen polizeilichen Aussagen der Zeugen R3. B3. und Brigitte Schwed, – der mit allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommenen Lichtbilder (Sonderband „Lichtbilder“) der Station KS 2 im 1. Obergeschoss des I.-S.-Klinikums und der dortigen Tatörtlichkeit vom 19.09.2020 in der Damentoilette, – der auszugsweise verlesenen Dokumentation aus dem Sonderband „Krankendokumentation“ betreffend die Angeklagte, – der verlesenen Strafanträge der Geschädigten … vom 09.09.2020 (Bl. 134 d.A.) sowie des Geschäftsführers des I.-S.-Klinikums W. a. I., Dr. D., vom 22.09. 2020 (Bl. 31 d.A.), Dazu im Einzelnen:
1.) Angaben der Angeklagten:
Die Angeklagte selbst äußerte sich zunächst über eine Verteidigererklärung, die sie als zutreffend bezeichnete, dahingehend, dass sie den Vorfall vom 19.09.2020 einräume. Grund dafür sei gewesen, dass sie im Inn-Salzach-Klinikum immer wieder fixiert und dort immer wieder mit Medikamenten abgespritzt worden sei, weshalb sie wieder in die Forensik nach Taufkirchen gewollt habe, wo alles viel besser gewesen sei.
An die übrigen ihr vorgeworfenen Geschehnisse könne sie sich nicht erinnern.
Nach Einvernahme der Zeugin … (Vorfall vom 31.08.2020) äußerte die Angeklagte allerdings, dass sie … wieder erkenne, jetzt auch wisse, dass sie sie geschlagen habe. Weiterhin äußerte sie, dass sie sich nicht entschuldigen wolle und, dass sie nichts falsch gemacht habe.
Die unter Ziffer C. I. dargestellten Sachverhalte stehen jedoch nach Überzeugung der Kammer, auch soweit die Angeklagte sich nicht geständig eingelassen hat, aufgrund des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere der glaubhaften und glaubwürdigen Aussagen der uneidlich einvernommenen Zeugen fest:
Dazu im Einzelnen:
2.) Zeugen:
2.1. Betr. Tat vom 19.09.2020, 23:00 Uhr:
Die geständige Einlassung der Angeklagten betreffend die Tat vom 19.09.2020 deckt sich mit den glaubhaften und glaubwürdigen Aussagen der uneidlich einvernommenen Zeugen A1. M1. A., S. H., S. A. und POK R. P..
Zuerst bemerkt hat den Brand die Zeugin S1. H., Mitbewohnerin auf der Station KS2 zum damaligen Zeitpunkt.
Sie schilderte, dass sie ungefähr gegen 22:30 Uhr Qualm auf dem Gang festgestellt habe, der ihrer Meinung nach aus dem Bereich der Damentoilette gekommen sei. Sie sei dort hingegangen und habe ein Feuer gesehen, das sei schon etwa 80 cm hoch gewesen. Die Angeklagte sei darum herum gelaufen, habe sich gefreut und geäußert, dass jetzt die Feuerwehr komme und sie evakuiert würden. Die Angeklagte habe auch noch Papier in die Flammen nach geworfen.
Der Rauch sei bereits außerhalb des Toilettenbereichs gewesen. Sie sei schnell in ihr Zimmer zurückgelaufen und habe ein Betttuch geholt, habe dann versucht, damit den Brand zu löschen. Als sie den Brand bemerkt habe, habe sie auch den Namen der Krankenschwester Ackelbein gerufen. Diese sei dann auch gekommen und habe geholfen, den Brand zu löschen.
Die Zeugin A1. M1. A. bestätigte, dass sie gegen 22:30 Uhr eine Patientin (H.) ihren Namen habe rufen hören. Sie sei in den 1. Stock gerannt, habe das Feuer im Toilettenbereich gesehen, auch die Angeklagte sei noch da gewesen und habe gelacht. Es sei eine starke Rauchentwicklung gewesen, aus ihrer Sicht habe für sie und die Mitbewohnerin H. dadurch die Gefahr einer gesundheitlichen Beeinträchtigung bestanden. Während die Mitbewohnerin H. versucht habe, die Flammen mit einem Betttuch zu ersticken, habe sie zunächst versucht, die Flammen mit Wasser zu löschen; als dies nicht gelungen sei, habe sie einen Feuerlöscher geholt.
Auch die Zeugin S2. A2. hatte an am 19.09.2020 Spätschicht; während die Kollegin A. und die Mitbewohnerin H. das Feuer gelöscht hätten, hätte sich die Angeklagte ins Erdgeschoss begeben. Die Zeugin A2., die sie nach Weisung der Kollegin A. suchen sollte, habe sie im Erdgeschoss vor dem Feuermelder angetroffen. Sie beschrieb, dass die Angeklagte verbal aggressiv gewesen sei, mehrfach geäußert habe, sie würde, wenn sie die Möglichkeit habe, erneut Feuer legen, um aus dem I.-S.-Klinikum heraus in die Forensik zu kommen. Auch habe sie/Angeklagte versucht, den Feueralarm auszulösen, sei kaum davon abzubringen gewesen. Dabei habe die Angeklagte immer wieder gerufen: „Jetzt kommt die Feuerwehr!“.
Alle drei Zeuginnen (…) schilderten übereinstimmend, dass die Angeklagte während der Geschehnisse am 19.09.2020 gegen 23:00 Uhr wiederholt äußerte, dass sie das Feuer gelegt habe, um aus dem Inn-Salzach-Klinikum heraus zu kommen.
Ebenso äußerten alle drei Zeuginnen übereinstimmend, dass die Angeklagte, nachdem sie jeweils von den Zeuginnen auf die Gefährlichkeit ihres Tuns angesprochen worden sei, kein Gefahrbewusstsein gezeigt habe, vielmehr zum Ausdruck gebracht habe, dass ihr die Gefahren (insbesondere für andere Mitbewohner im Hinblick auf die Bauweise des Gebäudes – altes Gebäude, Holztreppenhaus – und die Tatumstände – Nachtzeit, zum Teil sedierte Mitbewohner) egal seien.
Der polizeiliche Sachbearbeiter und Zeuge POK R. P. bekam die Sachbearbeitung erst am 21.09.2020 übertragen, zuvor hatten bereits seine Kollegen am 20.09.2020 den Vorfall aufgenommen und vor Ort auch eine Lichtbildtafel (Sonderband „Lichtbilder“) gefertigt, die mit dem Zeugen und den Verfahrensbeteiligten noch mal in Augenschein genommen wurde. Der Zeuge erläuterte hierzu, dass er sich die Tatörtlichkeit in der Damentoilette angeschaut habe; der Toilettenbereich sei vollständig gefliest; der in der Toilette befindliche Korb für Plastikmüll sei nicht in Brand gesetzt worden. Auch sei es nicht zum Übergreifen des auf dem Fliesenfußboden entfachten Feuers auf andere Gebäudeteile, etwa die Tür oder den Fußboden in Gang gekommen. Der Zeuge schilderte dann weiter, dass er auch mit der Angeklagten über den Vorfall gesprochen habe, die die Feuerlegung eingeräumt und als Grund dafür angegeben habe, dass sie ihre Verlegung in die Forensik habe erzwingen wollen.
2.2. Betr. Tat vom 19.09.2020, nach 23:00 Uhr und vom 22.09.2020 gegen 13:00 Uhr:
Die Feststellungen zu diesen beiden Taten ergeben sich für die Kammer ohne jeden Zweifel aufgrund der glaubhaften und glaubwürdigen Aussagen des Zeugen Dr. M2. R2., sowie ergänzend der Patientendokumentation (vgl. Ziffer D. II. 2.7.).
Der Zeuge Dr. M2. R2. (behandelnder Arzt, ISK W.) schilderte, dass die Angeklagte auch nach dem Vorfall vom 19.09.2020 gegen 23:00 Uhr mehrfach gedroht habe, ein weiteres Feuer zu legen, um so in die Forensik verlegt zu werden. Sie habe hierbei auch geäußert, dass es ihr gleichgültig sei, ob dabei Menschen zu Tode kämen.
Bereits unmittelbar nach dem Vorfall vom 19.09.2020 gegen 23:00 Uhr, als die Angeklagte in der Toilette im 1. Stock Feuer gelegt habe und dies schließlich durch herbeieilendes Personal bzw. Mitpatienten gelöscht werden konnte, habe die Angeklagte zu der diensthabenden Ärztin, Fr. H. geäußert, dass sie die Klinik in Brand setzen würde, was auch von dieser sehr ernst genommen worden sei.
Konkret am 22.09.2020 habe die Angeklagte dann auch ihm gegenüber gegen Mittag die Absicht geschildert, erneut ein Feuer zu legen und damit die vollständige Station „abzufackeln“. Als Grund habe sie wieder angegeben, dass sie dies tun würde, da sie unbedingt in die Forensik verlegt werden wolle. Er habe die Angeklagte dann auch auf die Gefährlichkeit einer Brandlegung angesprochen, woraufhin sie ihm gegenüber geäußert habe, dass „es ihr egal sei, wie gefährlich das ist!“.
Für ihn habe die Angeklagte betreffend ihr „Verlegungsziel“ einen regelrechten Tunnelblick gehabt; ihr sei es aus seiner Sicht tatsächlich egal gewesen, wenn andere verbrennen würden.
Sie sei nicht in der Lage gewesen, dass konkrete Gefahrpotenzial für die anderen Mitbewohner zu erkennen, auch nicht, nachdem er sie darauf hingewiesen habe, dass das Gebäude, in dem sich die Station KS 2 befinde, aus dem 19. Jahrhundert stamme, viel Holz verbaut sei. Er habe die Drohungen und Äußerungen der Angeklagten äußerst ernst genommen, insbesondere im Hinblick darauf, dass sie ihre Drohungen am 19.09.2020 ja auch bereits in die Tat umgesetzt habe.
Die Angeklagte leide an einer emotional instabilen Persönlichkeit vom Borderline-Typ. Kleine Anlässe von außen oder Frustrationen führten bei ihr zu extremen Anspannungen und Ausbrüchen, die sich in der Regel zwar in schweren Selbstverletzungen (welche sogar chirurgische Interventionen erforderlich machten) ein Ventil verschaffen würden; es seien aber auch aggressive Entgleisungen zum Nachteil anderer Personen (verbale Aggressionen, aber auch Treten und Spucken) vorgefallen und nicht auszuschließen. Die Angeklagte habe ein starkes Bedürfnis, versorgt und umsorgt zu werden; sie liebe es, nach den gesetzten Selbstverletzungen chirurgisch versorgt zu werden, aber etwa auch die dann immer wieder notwendigen Narkosen, welche sie als Flucht von der inneren Anspannung erlebe.
2.3. Betr. Tat vom 25.09.2020, 08:00 Uhr und vom 01.10.2020, 09:20 Uhr:
Die Feststellungen zu diesen beiden Taten ergeben sich zweifelsfrei für die Kammer aufgrund der glaubhaften und glaubwürdigen Aussagen der Zeugin P. G., sowie ergänzend der Patientendokumentation (vgl. Ziffer D. II. 2.7.).
Die Zeugin P. G., Krankenpflegerin auf der Station KS 2, schilderte zunächst, dass sie die Angeklagte bereits seit Jahren kennt; aus ihrer Sicht sei die Angeklagte eine schwierige Patientin, da sie dann, wenn sie etwas durchsetzen wolle, ihrer Ansicht nach „über Leichen gehen würde“. Dabei sei es so, dass sie sich nicht nur selbst verletze, sondern auch die Verletzung anderer in Kauf nehme, ohne mit der Wimper zu zucken. Die Angeklagte ziehe konsequent durch, was sie sich in den Kopf setze.
Nach dem Vorfall vom 19.09.2020, der natürlich auch im Team besprochen worden sei, habe die Angeklagte ihr gegenüber wiederholt geäußert, dass sie jederzeit wieder Feuer legen werde, um in die Forensik zu kommen; sie werde so lange Feuer legen, bis sie dorthin komme, allerdings in Zukunft acht geben, dass dies nicht wieder so schnell entdeckt würde, wie am 19.09.2020 (“dann bin ich nicht so dumm, dass es gleich bemerkt wird“). Konkret habe die Angeklagte ihr gegenüber diese Äußerungen u.a. am 25.09.2020 und am 01.10.2020 gemacht, das habe sie auch entsprechend dokumentiert.
Sie habe diese Äußerungen/Androhungen der Angeklagten auch sehr ernst genommen.
2.4. Betr. Tat vom 29.09.2020, 08:00 Uhr:
Die Feststellungen zu dieser Tat ergeben sich zweifelsfrei für die Kammer aufgrund der glaubhaften und glaubwürdigen Aussagen des Sachverständigen …, sowie ergänzend der Patientendokumentation (vgl. Ziffer D. II. 2.7.).
Der insoweit als Zeuge ein vernommene Sachverständige … schilderte, dass die Angeklagte im Rahmen der Exploration zur Frage der Voraussetzungen einer einstweiligen Unterbringung nach § 126 a StPO am 29.09.2020 ihm gegenüber geäußert habe, sie werde einen großen Brand legen, wenn sie nicht in die Forensik, und es tue auch nicht leid, wenn hierdurch Menschen zu Tode kämen.
Im Rahmen dieser Exploration habe die Angeklagte ihm gegenüber auch angegeben, dass sie am 19.09.2020 die Bude habe abbrennen wollen, weil sie es hasse, mit Tabletten vollgepumpt und fixiert zu werden. Ihre Mitpatienten/innen seien Gestörte, die sie psychisch fertig machen wollten.
Die Angeklagte habe gemeint, dass sie an diesem Tag auf der Toilette der Station im 1. Stock gewesen sei, als sie sich zunächst überlegt habe, sich einen Gegenstand in eine offene Wunde ihrer Brust nach vormaliger Selbstverletzung zu stecken, sich selbst zu beißen oder zu schneiden. Während sie unter großer Anspannung gestanden habe, habe sie sich Erleichterung verschaffen wollen. Plötzlich sei ihr dann der Gedanke gekommen, ein Feuer zu legen. Erst habe sie neben sich liegende Plastiktüten anzünden wollen, allerdings habe sie Abstand von diesem Gedanken genommen, da das Plastik nur verschmoren würde. Stattdessen habe sie dann einen in der Toilette stehenden, mit Papier gefüllten Eimer ausgeleert, das Papier zu einem Kreis geformt und angezündet. Durch die Rauchentwicklung habe sie nur noch schwer Luft bekommen können, deshalb die Toilettentür geöffnet. Eine Mitpatientin habe das Feuer gesehen, versucht mit einem Tuch zu ersticken; auch sei eine Krankenschwester gekommen, die zusätzlich mit Wasser gelöscht habe.
Weiter – so Gerth – habe die Angeklagte angegeben, dass sie besser die Tür hätte zulassen sollen, dann hätte es geklappt, dann wären jetzt alle tot; auch wäre die Feuerwehr und Polizei gekommen und sie in die Forensik nach T. gekommen. Dieser Wunsch sei der Grund für die Brandlegung gewesen, sie habe einfach wieder in die Forensik nach Taufkirchen gewollt.
Er – G. – habe die Angeklagte dann schon gefragt, ob es ihr nicht zusetzen würde, wenn durch ihr Handeln Menschen zu Schaden gekommen wären, woraufhin die Angeklagte geäußert habe, dass es ihr nicht leid täte, wären alle zu Tode gekommen, die Menschen seien ihr egal, sie sei der Mittelpunkt, ihr müsse es gut gehen, die anderen würden sie nur fertig machen.
Der Sachverständige … führte weiter aus, dass die Angeklagte in der Untersuchungsituation kindlich, naiv gewirkt und immer wieder an unpassenden Stellen (situationsinadäquat) gelacht habe; sie sei sich seiner Einschätzung nach der Ernsthaftigkeit der Situation und des potentiellen Schadensumfanges ihres Handelns kaum bewusst gewesen. Ohne dass ein psychotisches Erleben festzustellen gewesen sei, habe die Angeklagte im Affekt bei deutlich geminderter Kritik- und Urteilsfähigkeit, sowie kaum vorhandenen Problembewusstseins, eingeschränkt schwingungsfähig imponiert. Sie habe sich in keiner Weise als krank erlebt, sondern angegeben, im Vergleich zu ihren Mitpatienten psychisch völlig gesund zu sein. Auch habe sie geäußert, dass sie sich dann, wenn sie jetzt nicht in die Forensik verlegt würde, etwas einfallen lassen, einen großen Brand legen müsse.
Für den Sachverständigen … hat sich im Rahmen der Begutachtung vom 29.09.2020 zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 126 a StPO diagnostisch das Bild einer Persönlichkeitsstörung mit vor allen deutlich emotional instabilen Zügen ergeben.
Ein deutlich eingeschränktes intellektuelles Leistungsvermögen im Sinne einer wirklichen Intelligenzminderung hat Gerth demgegenüber verneint: Das Leistungsvermögen der Angeklagten läge zwar im unteren Bereich, jedoch sei zu sehen, dass die Angeklagte nur sehr eingeschränkt beschult und aufgrund ihrer biografischen Entwicklung auch an einer eher sozialen Leistungseinschränkung leide.
Zum Untersuchungszeitpunkt habe die aus Sicht der Angeklagten frustrierende Situation auf der Station KS 2 im Vordergrund gestanden; dieser Situation habe sie entfliehen wollen, wieder in die von ihr idealisierte Forensik in Taufkirchen zurück, wobei sie spontan dafür Selbstverletzungen – aufgrund derer sie perspektivisch wieder in chirurgische Behandlung, jedenfalls aus dem ISK weg gekommen wäre – vornehmen wollte, oder dann – einer plötzlichen Eingebung folgend – einen Brand legen wollte. xy geht davon aus, dass sie insoweit eine Art Tunnelblick entwickelt hat, nur noch eingeschränkt fähig gewesen sei, diesen Handlungsimpulsen etwas entgegen zu setzen. Daher sei er unter medizinischem Blickwinkel von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit i.S.d. § 21 StGB und dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 126 a StPO ausgegangen, auch eine deutlich vorliegende Wiederholungsgefahr sei gegeben.
Die glaubhaften und glaubwürdigen Angaben der nach genannten Zeugen B3., S. und H. dokumentieren die auch nach dem 19.09.2020 bei der Angeklagten im Sinne eines Tunnelblickes bestehende Zielsetzung, für sich die Verlegung in die Forensik zu erreichen und zwar mit den Mitteln der Brandlegung und „ohne Rücksicht auf Verluste“; mehrfach schilderte die Angeklagte A3. diesen Zeugen gegenüber, dass es ihr egal sei, ob andere Menschen dadurch in eine Gefahrensituation gebracht oder gar zu Tode kommen würden, auch drohte sie mit umbringen/ zerstören.
2.5. Im Einverständnis mit allen Verfahrensbeteiligten verlesenen polizeilichen Aussagen der Zeugen R3. B3. und B. S.:
Die polizeilichen Aussagen des Krankenpflegers und Zeugen
R.
B.,
sowie der Krankenpflegerin und Zeugin B. S. wurden im Einverständnis mit allen Verfahrensbeteiligten verlesen.
Der Zeugen R. B3. gab u.a. an, dass er seit 2019 im ISK Wasserburg tätig sei und die Angeklagte im Laufe des Jahres 2020 kennengelernt habe.
Am 19.09.2020 habe er frei gehabt, daher von dem Feuer nichts mitbekommen.
Ihm gegenüber habe die Angeklagte auch danach nicht geäußert, dass sie gerne noch mal Feuer legen würde.
Er könne sich allerdings an einen Vorfall erinnern, als die Angeklagte danach einmal fixiert worden sei, dass sie zu ihm gesagt habe: „Ich werde eine Kollegin (von ihm dem Zeugen) umbringen, zerstören“. Im Rahmen dieser Fixierung habe die Angeklagte ihn auch angespuckt, er habe wirklich viel Spucke im Auge gehabt.
Zur Person der Angeklagten schilderte der Zeuge B3. zudem, dass sie sehr viel Aufmerksamkeit suche. Es komme vor, dass sie total ausflippe, zum Beispiel wenn sie fixiert werden müsse, da sie sich selber verletzt habe und man sie nicht anders beruhigen könne. Da habe er auch schon mal Kratzer abbekommen. Für ihn sei es mit der Angeklagten auch deshalb schwierig, weil er recht jung sei und die Angeklagte ihm gegenüber respektlos.
Die Zeugin B4. S3., ebenfalls Krankenschwester im Haus 24 auf der Station KS 2 im I.-S.-Klinikum W., äußerte, dass die Angeklagte ihr gegenüber nach dem Vorfall vom 19.09.2020 gegen 23:00 Uhr geäußert habe: „Wenn es nicht ausreicht, was ich/Angeklagte da gemacht habe am 19.09.2020 mit dem Brand, um in die Forensik zu kommen, dann werde ich eine erneute Brandstiftung begehen“. Die Angeklagte habe ihr gegenüber – so die Zeugin S3. weiter – auch geäußert, dass sie Gefallen an dem Brand gehabt habe und, dass einmal eine Pati entin dagewesen sei, die auch einen Brand gelegt habe und dann in die Forensik gekommen sei; diese bedrohlichen Äußerungen habe sie sehr ernst genommen und daher auch mehrfach in die Patientendokumentation eingetragen.
Von den Geschehnissen am 19.09.2020 gegen 23:00 Uhr habe sie erst am 21.09.2021 erfahren. Die Androhungen der Angeklagten seien sehr ernst genommen worden.
Der Zeuge
2.6. Zeuge
H.
H.:
H.
H.,
ebenfalls Krankenpfleger im Inn-Salzach-Klinikum, schilderte, dass er die Angeklagte bereits seit einigen Jahren, da sie öfter im ISK gewesen sei, kenne.
Am 19.09.2020 habe er frei gehabt, habe also nicht unmittelbar etwas von der Brandlegung mitbekommen.
Er sei häufig für die 1 zu 1 Betreuung der Angeklagte zuständig gewesen, so auch in der Zeit nach dem 19.09.2020. Die Angeklagte sei unberechenbar, schwer einschätzbar gewesen und falle oft durch kindliches Verhalten in dem Sinne auf, dass sie, wenn sie etwas unbedingt wolle, davon nicht abzubringen sei. Nach dem Vorfall vom 19.09.2020 sei sie der Vorstellung verhaftet gewesen, unbedingt in die Forensik nach T. verlegt werden zu wollen. Sie habe dann danach auch immer wieder von Brandstiftung gesprochen, dass sie etwas anzünden möchte.
Auf seinen Hinweis dahingehend, dass das ziemlich gefährlich sei, da noch etwa 20 andere Bewohner im Haus lebten, habe sie gesagt; „Ja, dafür ist dann die Feuerwehr zuständig“, und, „dass ihr das egal ist, wichtig sei nur, dass sie nach Taufkirchen komme, weil es dort schöner ist“; deshalb werde sie auch wieder Feuer legen. Sie habe auch immer gelächelt, so als wenn sie eine Freude empfinde, wenn sie von Brandstiftung gesprochen habe.
Er schätze die Angeklagte als brandgefährlich ein. Er habe, da der Angeklagten die Auswirkungen einer Brandlegung egal gewesen seien, Sorge gehabt, dass tatsächlich etwas passieren würde; insgesamt habe er ihre Ankündigungen und Drohungen sehr ernst genommen.
2.7. Auszugsweise verlesenen Dokumentation aus dem Sonderband „Krankendokumentation“ betreffend die Angeklagte:
Aus der auszugsweise verlesenen Dokumentation aus dem Sonderband „Krankendokumentation“ betreffend die Angeklagte, ergibt sich betreffend die ausgesprochenen Drohungen zum Zwecke des Erreichens einer Verlegung die Forensik in Taufkirchen beginnend am 19.09.2020 bis zum 01.10.2020 Folgendes:
19.09.2020, 23:00 Uhr Aggressionsereignis (Vorfall entsprechend Ziffer C. I. 1.))
21.09.2020, 08:00 Uhr Patientin ist weiterhin angespannt, äußert SMG, Drohungen erneut Feuer auf der Station zu liegen, kann sich nicht davon distanzieren
22.09.2020, 13:00 Uhr Patientin ist weiterhin angespannt, äußert SMG, Drohungen erneut Feuer auf der Station zu liegen, kann sich nicht davon distanzieren
22.09.2020, 13:40 Uhr Patientin ist nach der Brandstiftung durchgehend überwacht oder fixiert, da sie weitere Brände ankündigt, um in die Forensik zu kommen. Dort habe sie die beste Zeit ihres Lebens gehabt, da sie dort nicht fixiert werde. Keinerlei kritische Introspektion vorhanden. Auf alles angesprochen, lacht die Patientin parathym
23.09.2020, 08:00 Uhr Patientin bleibt weiterhin in der Isolation und unter 1 zu 1 Betreuung, da weiterhin über Selbst- und Fremdgefährdung; gibt klar an, dass sie weiterhin die Absicht hat, auf Station Feuer zu legen
23.09.2020, 10:27 Uhr fehlende Einsicht bezüglich Feuer legen, weiter Drohungen, Feuer zu legen, starker Selbstverletzungsdruck, fehlende Therapiemotivation
24.09.2020, 08:00 Uhr Patientin kann sich nicht von selbst- und Fremdgefährdung distanzieren
25.09.2020, 08:00 Uhr Patientin weiterhin suizidal und Selbstverletzungstendenzen. Zudem droht Patientin mit Brandanschlag
26.09.2020, 21:45 Uhr Patientin wird unter 1 zu 1 Betreuung zum Rauchen und auf die Toilette begleitet; spricht dabei über ihre Vergangenheit, kann sich weiterhin nicht von Brandstiftung Gedanken distanzieren
27.09.2020, 20:08 Uhr Patientin geht unter ständiger Aufsicht von ex. PP zum Rauchen und auf die Toilette, sieht dann zufällig beim Rauchen die Ausgabe von der Wasserburger Zeitung vom 23.09.2020, auf der Rückseite ist ein brennendes Haus zu sehen, Patientin sagt: „Das Feuer hätte ich machen sollen“; fragt PP aus, welche Materialien gut brennbar sind
28.09.2020, 00:00 Uhr Patientin ist in einem gereizten psychischen Zustand. Sie ist eine Gefahr für sich selbst (Selbstmord, Selbstverletzung) sowie für andere (die Station in Brand zu setzen)
28.09.2020, 08:38 Uhr Patientin wird unter 1 zu 1 Betreuung zum Rauchen begleitet. Erzählt, dass sie sich sehr auf die Forensik freue, schon einmal dort war und unbedingt wieder hin wolle. Unter anderem erzählt sie, dass sie, falls das mit einer Verlegung auf eine forensische Station nicht klappe, nicht ausschließen könne, nicht doch noch einen massiven Blödsinn zu begehen
28.09.2020, 21:15 Uhr Patientin wird von PP zum Rauchen und auf die Toilette begleitet, erzählt viel, sagt im Gespräch weiterhin, dass sie zündeln würde und unbedingt auf die Forensik möchte
29.09.2020, 08:00 Uhr Patientin ist massiv angespannt, äußert SMG, Drohungen erneut Feuer auf der Station zu legen, ist nicht auslenkbar
29.09.2020, 09:26 Uhr Patientin droht weiterhin massiv damit, dass sie erneut ein Feuer legen will. Die Feuerwehr sei ja schließlich dann dafür da, um die Mitpatienten zu retten. Zudem sei es ja so lustig, wenn die Polizei auf Station komme. Patientin versucht alles, um in die Forensik zu kommen. Vollkommen parathym. Findet alles sehr lustig. Patientin ist aktuell hoch gefährlich und vollkommen unberechenbar
30.09.2020, 08:00 Uhr Patientin drückt Absicht aus, die Station in Brand zu setzen. Sie ist bereit, alles zu tun, um in die Forensik verlegt zu werden. Zum Fremdschutz wurde sie im Zimmer isoliert.
01.10.2020, 08:00 Uhr Patientin ist immer wieder angespannt und gereizt. Das Risiko, dass sie droht, in der Station Feuer zu legen, besteht weiterhin. Sie ist aggressiv und bedrohlich gegenüber PP. Die Isolierung im Zimmer muss zum Fremd- und Eigenschutz fortgesetzt werden. Distanziert sich nach wie vor nicht von der Absicht, durch erneute Brandstiftung in die Forensik zu kommen. Sie bleibt dabei, einen Brand legen zu wollen.
01.10.2020, 09:20 Uhr Patientin spricht mit Mitpatienten über den Brandvorfall und lachte darüber und versteht keinerlei Konsequenz. Sagt erneut eine erneute Brandtat auszuüben, sobald sie die Gelegenheit dazu hätte, da sie unbedingt in die Forensik möchte. Macht sich darüber lustig, dass sie Mitpatienten/Personal verletzen könnte.
01.10.2020, 20:08 Uhr Patientin geht unter 1 zu 1 Betreuung zum Rauchen. Wirkt dabei manisch, redeflüssig und sehr neugierig. Sagt zu PP, dass heute im Raucherzimmer ein gelbes Feuerzeug auf dem Tisch gelegen war. Aber das es jetzt anscheinend weg ist. Patientin sagt, dass sie bei sich kein Feuerzeug hat, und dass sie selber nicht weiß, wie das weggebracht ist
02.10.2020, 08:00 Uhr Patientin wieder massiv angespannt. Sie droht ständig, die Station in Brand zu setzen. Zum Fremdschutz wurde sie im Zimmer isoliert
03.10.2020, 08:00 Uhr Patientin weiterhin selbst- und fremdgefährdend aufgrund von Brandstiftung. Spricht beim Rauchen immer wieder davon, etwas anzünden zu wollen, damit sie endlich in die Forensik komme.
03.10.2020, 10:41 Uhr Patientin kann sich nach wie vor nicht von Brandstiftung Gedanken distanzieren. Schreckt auch laut eigenen Angaben nicht davor zurück, sich selbst und andere Menschen damit zu verletzen.
04.10.2020, 00:00 Uhr Patientin droht weiterhin damit, etwas anzuzünden, um endlich in die Forensik zu kommen. Lächelt bei diesen Aussagen vor sich hin.
05.10.2020, 11:24 Uhr Patientin wird beim Duschen unterstützte, Wunde an der Brust wird frisch verbunden und Patientin geht zum Rauchen, anschließend wird Patientin wieder im Zimmer isoliert und Monitor überwacht. Patientin äußert, wenn sie nicht in der Isolierung wäre, würde sie wieder auf Station anzünden, damit sie auf Forensik kommen kann Aus der auszugsweise verlesenen Dokumentation aus dem Sonderband „Krankendokumentation“ ist zudem zu entnehmen, dass ab 19.09.2020 neben der Isolierung zahlreiche Fixierungen der Angeklagten medizinisch geboten waren (etwa am 20.09.2020, 08:54 Uhr, 09:00 Uhr; 09:13 Uhr; 11:31 Uhr; 21.09.2020, 22:00 Uhr; 22.09.2020, 00:44 Uhr; 04:00 Uhr; 07:44 Uhr; 23:34 Uhr), ebenso eine 1 zu 1 Betreuung (etwa 20.09.2020, 06:06 Uhr; 08:54 Uhr; 09:00 Uhr; 11:32 Uhr; 13:00 Uhr; 15:59 Uhr; 19:03 Uhr; 19:57 Uhr; 22.09.2020, 13:00 Uhr; 16:15 Uhr; 23.09.2020, 08 Uhr; 25.09.2020, 08:00 Uhr; 19:00 Uhr; 26.09.2020, 11:17 Uhr; 19:31 Uhr; 21:44 Uhr; 23:11 Uhr; 27.09.2020, 00:00 Uhr; 08:30 Uhr; 08:47 Uhr; 12:14 Uhr; 19:20 Uhr; 20:55 Uhr; 28.09.2020, 8:38 Uhr; 12:11 Uhr; 14:56 Uhr; 16:10 Uhr; 18:36 Uhr; 29.09.2020, 08:38 Uhr; 11:57 Uhr; 14:51 Uhr; 16: 32 Uhr; 18:00 Uhr; 18:53 Uhr; 21:30 Uhr; 30.09.2020, 00:48 Uhr; 07:52 Uhr; 08:30 Uhr; 09:53 Uhr; 11:55 Uhr; 14:33 Uhr; 16:06 Uhr; 21:00 Uhr; 01.10.2020, 03:30 Uhr; 14:45 Uhr; 16:12 Uhr; 17: 00 Uhr; 20:08 Uhr; 21:30 Uhr; eine Frequenz die sich bis zum 06.10.2020 fortsetzte).
Ab 06.10.2020 erfolgte dann aufgrund Unterbringungsbefehls des Amtsgerichts Rosenheim vom 02.11.2020 die einstweilige Unterbringung der Angeklagten gemäß § 126 a StPO im Isar-AmperKlinikum Taufkirchen.
2.8. Polizeiliche Sachbearbeiterin, KHM`in Krüger: (betr. Ziffer C. I. 1.)
KHM`in
J.
K.,
polizeiliche Sachbearbeiterin in dem Sachverhaltkomplex ZifDie Zeugin fer C. I. 1.) schilderte den Gang der Ermittlungen.
Sie berichtete zudem aber insbesondere über polizeilich erfasste Vorgänge betreffend die Angeklagte im Zeitraum 2010-2020:
Am 21. und 23.01.2010 sei die Angeklagte jeweils wegen eines Ladendiebstahls aufgefallen, am 23.01.2010 zudem wegen eines BtM-Verstoßes im Zusammenhang mit Cannabis.
Am 29.01.2010 sei es zur Anzeige betreffend eine gefährliche Körperverletzung gekommen (Angeklagte habe der Geschädigten, einer Mitarbeiterin der Jugendschutzstelle in M., einen Salzsteuer an den Hinterkopf geworfen; Grund dafür sei gewesen, dass die Angeklagte die Geschädigte verdächtigt habe, falsche Dinge in die Akte der Jugendschutzstelle zu schreiben).
Am 08.02.2012 sei die Angeklagte dann aus der H.-Klinik, wo sie in der geschlossenen Abteilung untergebracht gewesen sei, entwichen, einige Stunden später aber wieder selbst auf Station erschienen.
Am 03.11.2012 habe es eine Anzeige wegen vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil einer Krankenschwester aus dem IAK München-Ost gegeben; dieser Vorfall sei Gegenstand des Verfahrens 1034 Ls 468 Js 111135/13 jug. (Beiakte) gewesen.
Unter dem 04.05.2017 sei die Angeklagte, die zu diesem Zeitpunkt geschlossen im Ehrko-Wohnheim (beschützendes Wohnzentrum) untergebracht gewesen sei, entwichen; sie habe später am Bahnhof Mühldorf am Inn aufgegriffen und in das Wohnheim zurückgebracht werden können.
Weiterhin seien von Oktober 2017 bis Ende 2020 immer wieder, wenn die Angeklagte ins Krankenhaus habe verbracht werden müssen, um dort ihre selbst Verletzungen chirurgisch zu behandeln, polizeiliche Streifen angefordert worden, um ein erneutes Flüchten zu verhindern und die Angeklagte während der medizinischen Behandlung zu beaufsichtigen.
2.9. Betr. Tat vom 31.08.2020, 22:50 Uhr:
Die schlussendlich geständige Einlassung der Angeklagten betreffend die Tat vom 31.08.2020 deckt sich mit den glaubhaften und glaubwürdigen Angaben der uneidlich einvernommenen Geschädigten und Zeugin ….
Diese schilderte, dass sie „abgeordnet“ gewesen sei, um die Angeklagte am 31.08.2020 nach vorangegangener massiver Selbstverletzung zur Behandlung in das RoMed Klinikum W. zu begleiten. Die Angeklagte sei dann aggressiv geworden, als ihr die in Aussicht gestellte Narkose im Krankenhaus nicht verabreicht worden sei (der in Selbstverletzungsabsicht in die Wunde an der Brust eingeführte Gegenstand habe ohne Narkose entfernt werden können). Die Angeklagte habe die Notaufnahme verlassen wollen; daran habe sie, die Zeugin, allerdings die Angeklagte durch Festhalten gehindert.
Daraufhin habe die Angeklagte ihr mehrmals mit den Händen gegen den Oberkörper geschlagen und auch gezielt gegen ihre Beine getreten, besondere auch gezielt auf ihre beiden Fußrücken. Ihr habe zunächst niemand geholfen, erst nach Alarmauslösung seien Mitarbeiter gekommen. Allein sei es ihr nicht gelungen, die auf sie einschlagende und eintretende Angeklagte zu bändigen, dies sei erst gemeinsam mit den dann schließlich helfenden Mitarbeitern, nach denen die Angeklagte auch getreten habe, gelungen. Die Angeklagte sei dann sediert und zurück ins ISK gebracht worden, wo sie, da sie weiter um sich treten und beißen wollte, fixiert worden sei.
Folge der Schläge und Tritte durch die Angeklagte seien Schmerzen am rechten Oberarm und den beiden Fußrücken gewesen, aber auch Hämatome am rechten Oberarm und den beiden Fußrücken. Das Geschehen habe sie psychisch stark belastet, auch, weil ihn niemand geholfen habe.
Nach Einvernahme der Zeugin … äußerte die Angeklagte, dass sie … wieder erkenne, jetzt auch wisse, dass sie sie geschlagen habe. Weiterhin äußerte sie, dass sie sich nicht entschuldigen wolle und, dass sie nichts falsch gemacht habe.
III. Bezüglich der Feststellungen zur aufgehobenen Steuerungs- und damit Schuldfähigkeit der Angeschuldigten zu den Tatzeitpunkten:
Betreffend die Angeklagte und die relevanten Tatzeitpunkte ist davon auszugehen, dass aufgrund der bei ihr zu diagnostizierenden emotional instabilen Persönlichkeit vom Borderline-Typ mit unreifen und dissozialen Zügen (ICD-10: F 60.31) ihre Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert (§ 21 StGB) war.
Zu dieser Überzeugung gelangt das Gericht unter Berücksichtigung der Darlegungen der psychiatrischen Sachverständigen Dr. K. die dem Gericht seit vielen Jahren als fundierte Gutachterin mit großer forensischer Erfahrung bekannt ist.
Die Kammer hat keinen Zweifel an ihrer Sachkunde und schließt sich ihren überzeugenden Ausführungen auch aufgrund des eigenen Eindrucks von der Angeklagten hinsichtlich der medizinischen Bewertung an.
Die Sachverständige hat dabei zunächst die Ergebnisse der psychologischen Testung der Angeklagten, durchgeführt durch Diplom-Psychologen G. T., dargestellt, wonach die Angeklagte im Test zur Erhebung der (bildungsabhängigen) kristallisierten Intelligenz mittels des sprachlichen Verfahrens „Wortschatztest“ einen Wert von 79 IQ Punkten erzielte, einer unterdurchschnittlichen Intelligenz entsprechend. Das Verfahren CFT-20-R zur Erfassung von logisch schlussfolgerndem Denken im Umgang mit abstrakten Symbolen brach die Angeklagte mit der Begründung, dass es zu schwer sei, ab. Im Zahlverbindungstest, einem Verfahren zur Erfassung der Leistungsgeschwindigkeit, erzielte sie wiederum Ergebnisse (IQ Wert 79), die für eine im unterdurchschnittlichen Bereich liegende Intelligenzstruktur sprechen. Dabei betonte die Sachverständige allerdings, dass die errechneten Werte wegen der sedierenden Wirkung der eingenommenen Medikation nicht für eine klinisch relevante Intelligenzminderung sprechen und zu berücksichtigen ist, dass die Angeklagte keine intensive Beschulung erfahren hat, zudem bei ihr von einer sozialen Intelligenzeinschränkung auszugehen ist.
Die Beurteilung von Persönlichkeitsmerkmalen mittels des Testverfahrens (Freiburger Persönlichkeitsinventar (FPI-R) zeigte bei der Angeklagten eine hohe Ausprägung in den Skalen Erregbarkeit, Aggressivität und Emotionalität, sowie einen niedrigen Wert für Lebenszufriedenheit, soziale Orientierung und Leistungsorientierung.
Weiter stellte die Sachverständige Dr. K. zunächst allgemein heraus, dass es sich bei Persönlichkeitsstörungen um tief verwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster, die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigen, handelt. Sie verkörpern gegenüber der Mehrheit der betreffenden Bevölkerung deutliche Abweichungen im Wahrnehmen, Denken, Fühlen, der Impulskontrolle und in Beziehungen zueinander. Solche Verhaltensmuster sind meistens stabil und beziehen sich auf vielfältige Bereiche des Verhaltens und der psychologischen Funktionen. Häufig gehen sie mit einem unterschiedlichen Ausmaß persönlichen Leidens und gestörter sozialer Funktionsfähigkeit einher.
Die Zustandsbilder sind nicht auf eine Hirnbeschädigung, -erkrankung oder andere psychiatrische Erkrankungen zurückzuführen.
Bei der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung besteht die Tendenz, Impulse ohne die Berücksichtigung von Konsequenzen auszuagieren. Dabei kommt es zu wechselnden, launenhaften Stimmungen. Während die Fähigkeit voraus zu planen gering ist, treten Ausbrüche intensiven Ärgers auf, die zu gewalttätigem explosivem Verhalten führen können. Beim Borderline-Typ fallen zudem eine Unklarheit und Störung des eigenen Selbstbildes (keine eigene, stabile Identität), eine Neigung zu intensiven und unbeständigen Beziehungen mit emotionalen Krisen und Suiziddrohungen (massive Labilität und erhebliche Stimmungsschwankungen), sowie selbstschädigenden Handlungen auf. Als ursächlich hierfür werden u.a. Traumatisierungen und negative psychosoziale Einflüsse in der kindlichen Entwicklung erachtet. Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist durch Besonderheiten der Affektivität mit einer unangemessenen, starken Wut oder Schwierigkeiten, Wut oder Ärger zu kontrollieren, mit einer affektiven Instabilität, mit einer ausgeprägten Orientierung an der aktuellen Stimmung und einem chronischen Gefühl der Leere (einhergehend damit einem Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, um die Leere zu füllen), durch eine Impulsivität mit selbstschädigendem Verhalten in den Bereichen Sexualität, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Verhalten, Fressanfällen, sowie wiederkehrenden Suiziddrohungen, -andeutungen oder – versuchen bzw. selbstschädigendem Verhalten, durch Besonderheiten im Bereich der Kognition mit vorübergehenden stressabhängigen paranoiden Vorstellungen oder schweren dissozialen Symptomen, sowie eine Identitätsstörung bzw. ausgeprägte Instabilität des Selbstbildes, durch Besonderheiten im interpersonellen Bereich mit einem verzweifelten Bemühen, reales oder imaginäres Alleinsein zu verhindern, sowie mit einem Muster von instabilen und intensiven zwischenmenschlichen Beziehungen (die oft zunächst idealisiert und dann schnell entwertet werden) gekennzeichnet. Die Ambivalenz von Idealisierung und Entwertung wird insbesondere auch bei der den Taten zugrunde liegenden Zielvorstellung der Angeklagten deutlich: Im September 2020 machte sie die Brandlegung und Bedrohungsäußerungen, da sie unbedingt in die Forensik nach Taufkirchen wollte; seit sie nun seit 06.11.2020 dort wieder untergebracht ist, gefällt es ihr dort nicht mehr, sie möchte dorthin nicht zurück.
Im Hinblick auf die Angeklagte geht die Sachverständige Dr. K., die die Angeklagte im Rahmen der einstweiligen Unterbringung ab November 2020 mehrfach explorierte, sowie unter Berücksichtigung und Einbeziehung der anamnestischen Befundlage (insbesondere der vorliegenden, im Rahmen der vorangegangenen stationären psychiatrischen Behandlungen bzw. geschlossenen Unterbringungen erstellten Gutachten Dr. O. vom 10.02.2013, Dr. G. vom 19.06.2013 und den gutachterlichen Stellungnahmen Dr. R2. vom 24.09.2020 und xy vom 29.09.2020), der erhobenen Untersuchungsbefunde und der im Rahmen der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse, davon aus, dass die biografische Entwicklung der Angeklagten zunächst hoch problematisch ist (keine positiven Elternidentifikationsfiguren, Geschlagenwerden durch Eltern, Freigabe zur Adoption, keiner wollte die Angeklagte haben, auch nicht in einer Pflegefamilie, Selbstverletzungen, nachdem die Angeklagte 12-jährig ihre leibliche Mutter kennengelernt hatte, die dann jedoch den Kontakt wieder abbrach (Absturz), Suizidversuche etwa in Form des bewussten Auslösens einer Sepsis durch Einführen von Gegenständen in die aufgebissene Brust). Das Leben der Angeklagten war seit dem 12. Lebensjahr durch stationäre psychiatrische Behandlungen sowie geschlossene Unterbringungen geprägt, bei ihr waren ausgeprägte Stimmungsschwankungen, schwerwiegende Selbstverletzungen (Ingestion verschiedener Gegenstände, Zufügung von Bissverletzungen an der Brust mit Hereinstecken operativ zu entfernender Dinge), Suizidversuche (Tablettenintoxikationen, Schnittverletzungen) bei erheblich reduzierter Frustrationstoleranz und Impulskontrolle neben einem sehr instabilen Selbstbild, sowie zusätzlichen unreifen und dissozialen Persönlichkeitsmerkmalen festzustellen. Die Angeklagte konnte zudem bislang beruflich nicht Fuß fassen und hatte keine tragfähigen Beziehungen.
Auch während der gegenständlichen vorläufigen Unterbringung nach § 126 a StPO imponierte die Angeklagte mit affektiv stark schwankenden Zustandsbildern und bedurfte bei wiederkehrenden, massiven Selbstverletzungen einer sehr engmaschigen Überwachung, sowie wiederholten mechanischen Beschränkungen und chirurgischen Interventionen (operative Entfernung von in Wunden hineingesteckten Gegenständen), zuletzt Anfang Mai 2021 im Krankenhaus in L..
Aus der Anamnese ist – so Dr. K. weiter – zu entnehmen, dass die Angeklagte seit dem 14. Lebensjahr permanent in einer Krise lebte; die erheblich beeinträchtigte psychosoziale Leistungsfähigkeit mit ausgeprägten Auffälligkeiten der Affektregulation, den Beeinträchtigungen der Beziehungsgestaltung, der Einengung der Lebensführung mit einer Stereotypisierung des Verhaltens, sowie die Störung der Selbstwertregulation begründet aus forensischpsychiatrischer Sicht die Annahme, dass die bei der Angeklagten zugrunde liegende emotional instabilen Persönlichkeit vom Borderline-Typ mit unreifen und dissozialen Zügen sich im Längsschnittverlauf derart ausgeprägt zeigt, dass sie ohne Einschränkungen dem ersten Merkmalskriterium der Schuldfähigkeitsparagrafen, der sog. „schweren anderen seelischen Abartigkeit/Störung“, zugerechnet werden kann.
Die Diagnose deckt sich mit der Einschätzung des Sachverständigen xy und des Zeugen Dr. M2. R2., wie im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt.
Zudem ist laut Dr. K2. von einem sekundär schädlichen Gebrauch multipler Substanzen im Vorfeld (ICD-10: F 19.1) auszugehen. Im Tatzeitraum war die Angeklagte nach eigenen Angaben jedoch länger abstinent, auch haben sich keine Hinweise auf einen Konsum von Alkohol und/oder Drohungen im Tatzeitraum ergeben, sodass diese sekundär zu stellende Diagnose für den Tatzeitraum nicht von Relevanz war.
Differenzialdiagnostisch haben sich für die Sachverständige auch keine Hinweise auf andere psychische Erkrankungen, die einem der weiteren biologischen Eingangsmerkmale der §§ 20, 21 StGB zuzuordnen wären, bei der Angeklagten feststellen lassen (keine neurologischen Beeinträchtigungen oder hirnorganischen Erkrankungen; keine Phasen mit einer deutlich gehobenen Stimmungslage oder einem massiv gesteigerten Antrieb im Sinne einer Manie bzw. keine einzelnen, abgrenzbaren, über längere Zeiträume hinweg beobachtbare schwere depressive Episoden; kein Schwachsinn oder ausgeprägte intellektuelle Minderbegabung; keine anderen gravierenden Persönlichkeitsauffälligkeiten vom Ausmaß einer Persönlichkeitsstörung).
Dies gilt auch für den Hinweis in der Vorbegutachtung vom 19.06.2013 durch Dr. G., wonach sich Hinweise darauf ergaben, dass die Angeklagte über imperative Stimmen berichtet habe, die ihr befohlen hätten, sich zu verletzen. Dr. K. weist insoweit darauf hin, dass dies nicht zwingend die Diagnose etwa einer hebephrenen Schizophrenie erlaubt, vielmehr bei Borderline-Erkrankungen zur Symptomatik dazu gehören kann; besondere das Kontaktverhalten der Angeklagten, die gerade nicht kontaktarm und antriebsgestört ist, vielmehr Kontakte und Bestätigung sucht, spricht gegen die Diagnose einer hebephrenen Schizophrenie.
Betreffend die Frage der tatzeitbezogenen Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit der Angeklagten ist die forensischpsychiatrische Sachverständige in wertender Gesamtschau aus medizinischer Sicht der Überzeugung, dass eine Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit nicht vorlag, d.h. das generelle Wissen der Angeklagten, dass man keinen Menschen verletzen und keine Brände legen darf, auch nicht damit Drohen darf, um das Gegenüber zu einer bestimmten Handlung zu nötigen, sowie das Verständnis für die insoweit geltenden Regeln war zu den jeweiligen Tatzeitpunkten nicht gestört.
Demgegenüber ist zu den jeweiligen, verfahrensgegenständlichen Tatzeitpunkten bei bestehender stationärerpsychiatrischer Behandlungsbedürftigkeit mit den beschriebenen, wiederholten und massiven selbstschädigenden Verhaltensweisen, die wiederholt chirurgische Interventionen in Polizeibegleitung neben mechanischen Beschränkungen erforderlich machten, von einer ausgeprägten psychischen Destabilisierung der Angeklagten mit einer weiteren Akzentuierung emotional instabiler Persönlichkeitsmerkmale auszugehen.
Nachdem ihr nicht die gewünschte Behandlung durch das Personal im I.-S.-Klinikum zuteil wurde, sie sich von Mitpatienten psychisch fertig gemacht sah, was bei dem, bei ihr vorliegendem instabilen Selbstbild mit einhergehender innerer Leere und besonderem Bedürfnis nach Aufmerksamkeit zu massiver innerer Anspannung führte, hat sie einem Impuls folgend – statt sich selbst zu verletzen – ein Feuer verursacht, ohne dass ein Anhalt für ein sicherndes Nachtatverhalten bestand, ohne dass sie sich die Konsequenzen vor Augen führte.
Dabei bewirkte die affektive Labilität, die verstärkte Impulsivität mit unzureichender Berücksichtigung der Konsequenzen des eigenen Handelns, die reduzierte Frustrationstoleranz, die eingeschränkte Empathiefähigkeit, die Selbstbezogenheit und eine unzureichende Verantwortungsübernahme für eigenes Handeln neben einer reduzierten Überblicksfähigkeit im Kontext der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung mit dem ihr immanenten, von ständiger Dekompensation bedrohten Selbstwertgefühl, mit einem veränderten Erleben der Welt, einer Werteverschiebung und defizitären Bewältigungsmechanismen, sowie folgender Kritikminderung eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit. Aus psychiatrischer Sicht hatte die Angeklagte somit dem Tatanreiz, durch eine Brandlegung Entlastung bei ausgeprägter Anspannung zu finden, Aufmerksamkeit bei innerer Leere zu erlangen, sowie möglicherweise eine Verlegung in die idealisierte forensische Klinik T. bei gleichzeitiger Abwertung des Inn-Salzach-Klinikums zu erreichen, wenig Widerstand entgegen setzen können. Dabei kamen zudem die unreifen Persönlichkeitsaspekte der regredierten Angeklagten mit der kindlich wirkenden Freude an dem Feuer, sowie dissoziale Merkmale mit der niedrigen Schwelle gegen regelwidriges Handeln und der zusätzlich beeinträchtigten Empathiefähigkeit zum Tragen.
Aus psychiatrischer Sicht ist jedoch – da Hinweise für psychotische Störungen des Realitätsbezugs oder zusätzliche Konstellationen für Faktoren wie eine suchtmittelbedingte Enthemmung fehlen – keine aufgehobene Steuerungsfähigkeit festzustellen; die Angeklagte drohte vielmehr im weiteren Verlauf, zunächst die Feuermelder einzuschlagen und später erneut einen Brand zu legen, wobei sie eher stolz imponierte.
E. Rechtliche Einordnung:
Durch die zur Überzeugung der Kammer feststehenden und unter Ziffer C. dargelegten Sachverhalte hat sich die Angeklagte wegen versuchter Nötigung in 6 tatmehrheitlichen Fällen und vorsätzlicher Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1; 230 Abs. 1; 240 Abs. 1 und Abs. 3; 22; 23 Abs. 1; 53 StGB schuldig gemacht.
Es bestehen insbesondere auch keine Zweifel am Vorliegen des für die verwirklichten Delikte jeweils erforderlichen Vorsatzes, da ein solcher im Sinne des zielgerichteten Handelns, d.h. eines natürlichen Handlungsvorsatzes, ausreichend ist.
Insoweit ist lediglich auszuführen, dass etwaige Irrtümer über das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes, weil sie sich lediglich auf die (Vorsatz-) Schuld auswirken können, nicht weiter zu diskutieren waren.
Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die Angeklagte ihr Ziel, nämlich eine Verlegung aus dem I.-S.-Klinikum in die Forensik in T. durch die von ihr ausgesprochenen Drohungen durchzusetzen, nicht erreicht hat, auch nicht zum Zeitpunkt der Verlegung nach Taufkirchen Anfang November 2020: Denn die Verlegung dorthin war nicht Folge der von der Angeklagten angedrohten Brandlegungen, vielmehr Folge des schließlich am 02.11.2020 vom Amtsgericht Traunstein erlassenen vorläufigen Unterbringungsbefehls gemäß § 126 a StPO.
In rechtlicher Hinsicht ist zudem auszuführen, dass die durch die Handlungsweisen/Äußerungen der Angeklagten entsprechend Ziffer C. I. 1.) verwirklichten Bedrohungen (§ 241 Abs. 1 StGB) hinter § 240 StGB, auch wenn die Nötigungen nicht vollendet wurden, zurücktreten (BGH NStZ 2004,137; Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 240 Rn. 63).
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Tat vom 19.09.2020 rechtlich nicht als Brandstiftung einzuordnen war, da durch das Anzünden der Papiertücher keine wesentlichen Gebäudeteile in Brand gesetzt wurden und dies auch im Hinblick auf den Umstand, dass die Damentoilette gefliest war, nicht unmittelbar zu erwarten stand.
F. Rechtsfolgenausspruch:
I. Strafausspruch:
1.) Strafrahmen:
Für die Verwirklichung des Straftatbestandes der Nötigung sieht § 240 Abs. 1 StGB die Verhängung von Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe vor.
§ 223 Abs. 1 StGB sieht für die Verwirklichung des Tatbestandes der vorsätzlichen Körperverletzung die Verhängung von Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe vor.
2.) Strafrahmenverschiebung:
Wie im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, waren die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten zu den jeweiligen Tatzeitpunkten im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert, weshalb bezüglich aller der Angeklagten anzulastenden Taten eine Strafrahmenverschiebung über §§ 21,49 Abs. 1 StGB vorzunehmen war.
Betreffend die 6 tatmehrheitlichen Fälle der versuchten Nötigung war zudem eine Strafrahmenverschiebung über §§ 22; 23 Abs. 1; 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen.
Daraus ergibt sich, dass betreffend die 6 Fälle der versuchten Nötigung Ausgangspunkt der Strafzumessung der (doppelt) gemilderte Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr 8 Monaten oder Geldstrafe ist, bezüglich der vorsätzlichen Körperverletzung der gemilderte Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren 9 Monaten oder Geldstrafe.
Mangels Vorliegens weiterer gesetzlich vertypter Strafmilderungsgründe, schied eine weitere Strafrahmenverschiebung aus.
3.) Strafzumessung im engeren Sinne:
Zugunsten der Angeklagten S. pitzauer sprachen aus Sicht der Kammer folgende Erwägungen:
– geständige Einlassung der Angeklagten bezüglich der versuchten Nötigung durch Brandlegung am 19.09.2020 und auch betreffend die Körperverletzung zum Nachteil der … am 31.08.2020;
– die Geschädigte … hat keine bleibenden Verletzungsfolgen davongetragen;
– die Angeklagte blickt auf eine – nicht selbstverschuldete – äußerst schwierige Biografie zurück;
– die Angeklagte ist nicht vorbestraft.
Zulasten der Angeklagten S. hat die Kammer demgegenüber Folgendes berücksichtigt:
– hohe Qualität des am 19.09.2020 eingesetzten Nötigungsmittels in Form der Brandlegung – nicht unerhebliche Gefährlichkeit auch im Hinblick auf die hölzerne Bauweise des Gebäudes und für die Mitbewohner, die zum Teil sediert sind, zum Teil während der Tatzeit/Nachtzeit schliefen; es war bereits zu einer nicht unerheblichen Rauchentwicklung gekommen (vgl. Zeugenaussagen Ackelbein und Helminger, Ziffer D. II. 2.1.).;
– Steigerung der zu Nötigungszwecken eingesetzten Bedrohungsäußerungen in den Fällen C. I. 1.) b) – f)) (Klinik in Brand setzen – die ganze Station abfackeln – Brandanschlag verüben – einen großen Brand legen, wobei es ihr nicht leid tue, wenn hierdurch Menschen zu Tode kämen – es in Zukunft besser zu machen, um unentdeckt zu bleiben), ohne dass die jeweils vorangegangenen Geschehnisse und ihre Folgen seitens der Angeklagten als Warnung verstanden worden wären;
– Verwirklichung von 7 Straftatbeständen innerhalb kurzer Zeit (1 Monat), d.h. bei hoher Rückfallgeschwindigkeit.
Unter Berücksichtigung des für die einzelnen Taten jeweils zugrunde zu legenden, genannten Strafrahmens, der Ausgangspunkt der Strafzumessung ist, sowie sämtlicher Strafzumessungskriterien ist die Kammer der Überzeugung, dass die Verhängung folgender Einzelstrafen tat- und schuldangemessen, aber auch erforderlich ist, um auf die Angeklagte S.pitzauer einzuwirken und dem Schuldausgleich gerecht zu werden:
-> Ziffer C. 1.)
* versuchte Nötigung vom 19.09.2020, 23:00 Uhr Freiheitsstrafe von 6 Monaten
* versuchte Nötigung vom 19.09.2020, kurz nach 23:00 Uhr (gegenüber der diensthabenden Ärztin Heidbreder)
Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 5,- €
* versuchte Nötigung vom 22.09.2020, Uhr (gegenüber dem Chefarzt der Station KS 2, Dr. Rentrop)
Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 5,- €
* versuchte Nötigung vom 25.09.2020, 08:00 Uhr (gegenüber der Krankenschwester G.)
Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 5,- €
* versuchte Nötigung vom 29.09.2020 (gegenüber xy)
Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 5,- €
* versuchte Nötigung vom 01.10.2020, 09:20 Uhr (gegenüber der Krankenschwester G. und Mitpatienten)
Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 5,- €
Im Hinblick darauf, dass die Angeklagte über kein Einkommen verfügt, wurde die Tagessatzhöhe gemäß § 40 Abs. 2 StGB auf 5,- € festgesetzt.
-> Ziffer C. 2.)
* Körperverletzung vom 31.08.2020, 22:50 Uhr (zum Nachteil der Geschädigten …)
Freiheitsstrafe von 6 Monaten
Aus den genannten Einzelstrafen war gemäß § 54 StGB (insb. § 54 Abs. 3 StGB) eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden.
Dabei war die Einsatzstrafe von 6 Monaten angemessen zu erhöhen. Die Kammer hat neben den für und gegen die Angeklagte S. sprechenden Gesichtspunkten nochmals abgewogen, dass zwischen den Taten ein enger motivationaler, raumzeitlicher und situativer Zusammenhang bestand.
Im Ergebnis hielt die Kammer daher unter Berücksichtigung des Gesamtstrafübels, aber auch der gesetzlichen Strafzwecke sowie der Vollstreckungsfolgen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr 3 Monaten für tat- und schuldangemessen, erforderlich, aber auch ausreichend, also verhältnismäßig.
Nach Überzeugung der Berufungskammer konnte diese Gesamtfreiheitsstrafe nicht zur Be währung ausgesetzt werden.
Denn gemäß § 56 Abs. 1 – Abs. 3 StGB kann das Gericht die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von über 1 Jahr, die 2 Jahre nicht übersteigt, (nur) zur Bewährung aussetzen, wenn zum einen zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird, zum anderen nach der Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit besondere Umstände vorliegen und die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung nicht gebietet.
Diese Voraussetzungen liegen betreffend die Angeklagte S.pitzauer nach Überzeugung der Kammer aus folgenden Erwägungen nicht vor:
Nach Auffassung des Gerichts ist bereits die nach § 56 Abs. 1 StGB zu prüfende Sozial- und Legalprognose bei der Angeklagten S. aus folgenden Erwägungen negativ zu beurteilen: Die Angeklagte hat innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes (ein Monat) 7 Straftaten verwirklicht, sich zudem mit ihrem strafrechtlich relevanten Verhalten nicht ernsthaft auseinandergesetzt, vielmehr etwa im Rahmen der Vernehmung der Geschädigten … dann zwar abweichend von ihrer primären Einlassung zur Sache eingeräumt, diese zu erkennen und auch zu wissen, dass sie sie geschlagen habe; sie erklärte allerdings ausdrücklich, dass sie sich nicht entschuldigen wolle. Auch betreffend die angedrohten Brandlegungen hat die Angeklagte keine Einsicht entwickelt, dass dieses Verhalten nicht akzeptabel ist (sie äußerte etwa, dass es ihr schon gefalle, wenn alle „herumliefen“). Das hohe Maß an Gefährlichkeit bzgl. einer Brandlegung war ihr egal. Auf Vorhalt im Rahmen der Exploration durch die forensisch psychiatrische Sachverständige Dr. K. äußerte sie etwa, dass sie einen großen Brand liegen werde, wenn sie nicht in die Forensik käme, und die sie auch nicht leid tue, wenn hierdurch Menschen zu Tode kämen. Eine Distanzierung davon zeigte die Angeklagte auch im Rahmen der Hauptverhandlung nicht, weshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass sie in Anspannungs- oder Frustrationssituationen auch künftig ihre Ziele mit Nötigungsmitteln oder Brandlegungen versuchen wird, durchzusetzen.
Zudem verfügt die Angeklagte über keinerlei sozialen Empfangsraum (keine Wohnung, keine Angehörigen oder Freunde, bei denen sie wohnen könnte), auch hat sie keinerlei berufliche Perspektive.
Bereits mangels positiver Sozial- und Legalprognose verbietet sich daher die Gewährung einer Bewährung.
Nur ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass ebenso Anhaltspunkte für das Vorliegen sog. „besonderer Umstände“ i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB fehlen, vielmehr demgegenüber auch die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung (§ 56 Abs. 3 StGB) der gegen die Angeklagte S. festgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe gebietet.
II. Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB):
1.) Zudem war gemäß §§ 63 S. 1 n.F. i.V.m. 71 Abs. 1 StGB war nach Überzeugung der Kammer die Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen, weil sie rechtswidrige Taten im Zustand der (sicher feststehenden) verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen hat und die Gesamtwürdigung ihrer Person und der Taten ergibt, dass in der Zukunft infolge ihres Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten von ihr zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden und sie deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.
a) Der Voraustatbestand des § 63 StGB, nämlich die Begehung einer oder mehrerer rechtswidriger Taten im Zustand zumindest sicher festgestellter erheblich verminderter Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB, ist gegeben, da die Angeklagte sich rechtlich der versuchten Nötigung in 6 tatmehrheitlichen Fällen und vorsätzlicher Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1; 230 Abs. 1; 240 Abs. 1 und Abs. 3; 22; 23 Abs. 1; 53 StGB schuldig gemacht hat (s.o. Ziffer E.).
Es bestehen insbesondere auch keine Zweifel am Vorliegen des für die verwirklichten Delikte erforderlichen (bedingten) Vorsatzes, da ein solcher – wie bereits angesprochen – im Sinne des zielgerichteten Handelns, d.h. eines natürlichen Handlungsvorsatzes, ausreichend ist.
Ebenfalls ist davon auszugehen, dass die Angeklagte die ihr zur Last liegenden Taten im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit damit verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB begangen hat; insoweit wird auf die Beweiswürdigung Ziffer D. III. Bezug genommen.
Die Taten beruhen auch auf dem Zustand der Angeklagten in Form der bei ihr zu diagnostizierten emotional instabilen Persönlichkeit vom Borderline-Typ mit unreifen und dissozialen Zügen (ICD-10: F 60.31), d.h. diese Störung ist ursächlich für die Beeinträchtigung ihrer psychischen Funktionsfähigkeit bei allen ihr zur Last liegenden Taten.
Konkretisierend ist klarzustellen, dass sich die Störung in den konkreten Tatsituationen auf die Handlungsmöglichkeiten und damit die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten ausgewirkt hat. Beurteilungsgrundlage dafür ist nach der hergebrachten höchstrichterlichen Rechtsprechung das konkrete Tatgeschehen, wobei neben der Art und Weise der Tatausführung die Vorgeschichte, der Anlass zu den Taten, die Motivlage der Angeklagten und ihr Verhalten nach der Tat von Bedeutung sein können, wobei festzuhalten ist, dass eine Mitursächlichkeit genügt.
Die erhebliche Herabsetzung der Selbstkontrolle ließen der Angeklagten zu den jeweiligen Tatzeitpunkten keine andere Wahl, als durch die Drohungsäußerungen, welche sich graduell steigerten, ihrer Unzufriedenheit über den Aufenthalt im Inn-Salzach-Klinikum, die bei ihr zu massiver an Spannung führte, Ausdruck zu verleihen und so nach ihrer Vorstellung eine Verlegung in die Forensik in Taufkirchen zu erreichen, wo „alles besser ist“.
b) Unter Zugrundelegung der Ausführungen der Sachverständigen Dr. K. ist zudem bei Gesamtwürdigung der Täterin (d.h. der festgestellten Störung) und ihrer Taten (d.h. der Anlasstaten als Symptomtaten) eine negative Gefährlichkeitsprognose i.S.d. Gesetzes zu bejahen.
Die Sachverständige hat überzeugend dargelegt, dass aufgrund der diagnostizierten emotional instabilen Persönlichkeit vom Borderline-Typ mit unreifen und dissozialen Zügen nicht nur mit weiterem unangemessenem Verhalten sowie ähnlichen Delikten, wie sie dem gegenständlichen Verfahren zugrunde liegen, zu rechnen ist, sondern mit einer Steigerung, wie etwa ihre Bemerkungen dokumentieren: „Es tue ihr nicht leid, wenn hierdurch Menschen zu Tode kämen“ oder „das nächste Mal sei sie nicht so dumm, dass das Feuer gleich bemerkt werde“.
In die Gefährlichkeitsprognose einzustellen sind dabei die konkrete Krankheits- und Kriminalitätsentwicklung, sowie die auf die Person der Angeklagten und ihre konkrete Lebenssituation bezogenen Risikofaktoren, die eine individuelle krankheitsbedingte Disposition zur Begehung von Straftaten jenseits der Anlasstaten belegen.
Krankheitsbefund und -entwicklung:
Hinsichtlich des Krankheitsbefunds bei der Angeklagten S. war zunächst unter Zugrundelegung der überzeugenden Ausführungen der forensischpsychiatrischen Sachverständigen Dr. K. davon auszugehen, dass nach wie vor die Diagnose der emotional instabilen Persönlichkeit vom Borderline-Typ mit unreifen und dissozialen Zügen (ICD-10: F 60.31) Bestand hat, also eine länger andauernde psychische Erkrankung besteht.
Prognostisch ungünstig ist, dass die Angeklagte sich bereits seit 2008 weitgehend durchgängig in stationärer bzw. teilstationärer psychiatrischer Behandlung bzw. geschlossener Unterbringung befindet.
Dabei kam es über all die Jahre bislang zu keiner anhaltenden psychischen Stabilisierung. Stattdessen dominierten eine labile Affektivität, ein oft parathymer Affekt, eine Suche nach Aufmerksamkeit, eine distanzlose Kontaktaufnahme bei eher repressivem Verhalten und häufigen lebensmüden Gedanken, eine deutliche Kritikminderung neben Manipulationen an der Wunde an der Brust mit Stecken verschiedenster Gegenstände in die Brust, was teilweise chirurgische Interventionen erfordert. Die Angeklagte hat wiederholt mechanisch beschränkt werden müssen, teilweise hat sie in der Fixierung noch nach Personal getreten oder geschlagen, durchgängig bedurfte es einer sehr engmaschigen Überwachung.
Lediglich in der Zeit der vorläufigen Unterbringung im Jahr 2013 in der Forensik Taufkirchen-Vils gelang es der Angeklagten im Verlauf zu einzelnen Personen des Pflegepersonals und zu Mitpatientinnen einen tiefergehenden Kontakt aufzunehmen, sich ihren Pulsbezugspersonen bei Stimmungsschwankungen anzuvertrauen, sich in geringem Umfang mit Hilfe von Skills aus affektiv negativ besetzten Situationen zu befreien, sodass ihre Bewegungsfreiheit auf Station letztlich nicht mehr eingeschränkt werden musste.
Im Zeitraum nach 2013 bis zur gegenwärtigen Unterbringung ab 06.11.2020 fiel die Angeklagte jedoch bei fortbestehenden psychopathologischen Auffälligkeiten mit ausgeprägten Stimmungsschwankungen, massiven selbstschädigenden Handlungen und unzureichenden Copingstrategien auf. In der Dokumentation des Aufenthaltes sind zahlreiche besondere Vorkommnisse erwähnt (s.o.), zum einen immer wieder in Form von Selbstverletzungen (Aufbeißen der Brust bzw. des Herausbeißen der Fäden), wobei die Angeklagte dann Gegenstände in die Wunde einführte; zum anderen fiel die Angeklagte aber auch durch fremdaggressives Verhalten auf, trat und schlug nach Pflegepersonal, wollte dieses auch beißen, spukte es an, sodass mehrfach Fixierungen (bis zur 9-Punkt-Fixierung; vgl. Ziffer D. II. 2.7.) erforderlich waren. Zum Teil verweigerte sie aber auch die Medikation; gegenüber den Sachverständigen Dr. K. und xy äußerte sie, dass sie die Medikamente nicht nehme, weil sie das nicht brauche, eine Einstellung, die sich etwa auch aus dem auszugsweise verlesenen Gutachten L.D. Kellner vom 25.08.2020 (Betreuungsakte Az.: XVII 286/14) ergibt.
Die ärztlich mehrfach bejahte Notwendigkeit von Fixierungen im Rahmen einer stationären Unterbringung ist anerkanntermaßen für die Beurteilung des Maßes der von einem Betroffenen ausgehenden Gefährlichkeit und damit auch für die Prognose über die künftig von ihm ausgehende Gefährlichkeit unabhängig davon von Bedeutung, ob das Geschehen zu einem Straf- oder Ermittlungsverfahren geführt hat (vgl. etwa BGH, Urteil vom 21.05.2014 – 1 StR 116/14, Rn. 4).
Die forensischpsychiatrische Sachverständige betont, dass die Behandlungsmöglichkeiten einer emotional instabilen Persönlichkeit vom Borderline-Typ mit unreifen und dissozialen Züge wie bei der Angeklagten im Wesentlichen zunächst in einer psychischen Stabilisierung bei unterstützender medikamentöser Behandlung, des Aufbaus von Copingstrategien bei innerer Anspannung und Verletzungsdruck, sowie Frustration, neben einer Nachreifung mit einem Aufbau eines stabileren Selbstwertes mit eigenen Interessen, Zielen für die Zukunft, einer adäquaten Beziehungsgestaltung, der therapeutischen Beschäftigung mit der eigenen Biografie, im weiteren Verlauf einer Erprobung der Stabilität unter steigenden Belastungen, sowie der Vorbereitung eines sozialen Empfangsraumes mit einer selbstwertstabilisierenden Tagesstruktur, einer erfüllenden Freizeitgestaltung und möglicherweise gewissen beruflichen Perspektiven besteht.
Zum jetzigen Zeitpunkt – darauf wies die Sachverständige ausdrücklich hin – sind aber solche Erfolge bei der Angeklagten noch nicht vorhanden. Ihr fehlt – wohl auch krankheitsbedingt – Krankheitseinsicht, eine Feststellung, die bereits im Rahmen der Vorbegutachtungen, insbesondere im Jahr 2013, durch L.D. Kellner am 25.08.2020 (Betreuungsakte) oder durch xy getroffen wurde.
Die Angeklagte neigt immer noch zur Externalisierung ihrer Probleme. Sie hält sich nicht für krank, sondern gibt die Schuld für die Vorfälle, aber auch die Probleme im Zusammenleben mit Mitpatienten, jeweils anderen Personen und ist nicht bereit, hierfür eigene Verantwortlichkeit zu erkennen und zu übernehmen.
Es ist jetzt – so Dr. K. – vorrangiges Ziel der weiteren therapeutischen Einwirkung auf die Angeklagte, zunächst Krankheitseinsicht und Mitwirkungsbereitschaft zu wecken, um dann überhaupt erst verhaltenstherapeutisch mit ihr arbeiten zu können. Dementsprechend ist derzeit gerade im Falle neuerlicher Frustrations- und Kränkungserlebnisse wieder mit einer Realisierung des Persönlichkeitsdefekts zu rechnen und damit einhergehend wieder mit erheblicher Aggressivität, die sich auch gegen Mitmenschen richtet. Dass von der Angeklagten dabei nicht nur mit Worten gedroht, sondern sie auch Gewalt gegen Personen ausübt wird, ergibt sich schon aus den begangenen Taten, aber auch aus ihrem Nachtatverhalten (s. besondere Vorkommnisse während der vorläufigen Unterbringung).
Positiv erwähnt die forensischpsychiatrische Sachverständige, dass die Angeklagte sich nunmehr in den letzten Wochen mit der Verabreichung einer Depotspritze einverstanden erklärt und sich auch prinzipiell bereit gezeigt hat, an Therapien mitzuarbeiten; zu einer Umsetzung dieser Bereitschaft ist es allerdings bisher noch nicht gekommen, auch nicht zu einem Beginn, geschweige denn ersten Erfolgen bei einer Verhaltenstherapie.
Kriminalprognose:
Auch die Kriminalprognose ist nicht als günstig einzustufen.
Das Gericht ordnet die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, durch welche u.a. die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Die Kammer verkennt zwar nicht, dass die verlesene Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 24.03.2021 für die Angeklagte keine Eintragung beinhaltet. Allerdings ist betreffend die Kriminalprognose insoweit besonders zu berücksichtigen, dass die Angeklagte seit 2008 durchgängig – nach Anordnung der zivilrechtlichen Unterbringung und Betreuung – in stationärer psychiatrischer Behandlung bzw. geschlossener Unterbringung war und es trotz der Versorgung und Betreuung durch medizinisch geschultes Personal in diesen Einrichtungen und der beschützenden Atmosphäre immer wieder zu „Vorfällen“ (auf diese wird nachfolgend im Einzelnen nochmals eingegangen) kam.
Die forensischpsychiatrische Sachverständige Dr. K. hat sich insoweit zunächst mit den im konkreten Fall festzustellenden Prognosekriterien, anhand derer eine Beurteilung der Wiederholungsgefahr vorzunehmen ist, betreffend die Anlassdelikte auseinandergesetzt.
Die Angeklagte hat im Zeitraum 31.08.2020 – 01.10.2020 sieben Straftatbestände erfüllt, d.h. eine hohe Rückfallgeschwindigkeit an den Tag gelegt.
Betreffend die Körperverletzungstat zum Nachteil der Geschädigten … am 31.08.2020 ist anzuführen, dass die statistische Rückfallwahrscheinlichkeit für Gewalt-/Körperverletzungsdelikte bei 25-50% liegt .
In ihrem Leben ist die Angeklagte auch vor der Körperverletzung zum Nachteil der … immer wieder durch Angriffe auf die körperliche Integrität anderer aufgefallen (29.01.2010, Angeklagte schmiss einer Mitarbeiterin der Jugendschutzstelle in München einen Salzsteuer an den Hinterkopf; 10.10.2012, als sie einer Mitarbeiterin eine eiserne Schöpfkelle auf den Kopf schlug; 13.11.2012, als sie in der Nacht einer Krankenschwester, die sie an der Flucht hindern wollte, mehrere wuchtige Faustschläge gegen Rücken und Schulter versetzte), aber auch nach dem 31.08.2020 – fremdaggressives Verhalten im Rahmen der einstweiligen Unterbringung nach § 126 a StPO ab 06.11.2020, mehrfaches Treten und Schlagen nach dem Personal; vgl. Ziffer B. II. 1.) und 2.8.).
Auch betreffend die ausgesprochene Drohungen sind neben den Vorfällen vom 19.09.2020, 22.09.2020, 25.09.2020, 29.09.2020 und 01.10.2020 – die zudem eine „Steigerung“ erkennen lassen (Klinik in Brand setzen – die ganze Station abfackeln – Brandanschlag verüben – es tut mir nicht leid, wenn hierdurch Menschen zu Tode kämen) – bereits in der Vergangenheit massive Drohungen durch die Angeklagte ausgesprochen worden (Brief an die Betreuerin in der H. Klinik, dass sie diese umbringen wolle, vgl. Ziffer B. II. 1.), und auch danach (Aussage des Zeugen B., die Angeklagte habe geäußert, eine Kollegin von ihm umzubringen/zu zerstören, Ziffer D. II. 2.5., bzw. gegenüber der Gutachterin Dr. K., dass ihr/der Angeklagten es letztendlich egal ist, wenn durch ihre Handlungen andere Menschen geschädigt werden). Auch insoweit handelt es sich um ein bereits verfestigtes Muster, wie sich etwa auch aus dem Gutachten Dr. G. vom 19.06.2013 ergibt, dem zu entnehmen ist, dass die Angeklagte selbst auch eine Neigung zu erhöhter Gewaltbereitschaft gegenüber anderen Menschen offen bejaht, ein Umstand, der sich aktuell auch im Rahmen der durchgeführten psychologischen Testung der Angeklagten bestätigt hat (Ziffer D. III. – hohe Ausprägung in den Skalen Erregung, Aggressivität und Emotionalität).
Im Rahmen der Hauptverhandlung ist insoweit konkretisierend aus der Beiakte der Staatsanwaltschaft München I, Az.: 468 Js 111135/13, das Urteil des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – München vom 21. 08.2013, rechtskräftig seit 29.08.2013, auszugsweise verlesen worden. Daraus ergibt sich u.a., dass der Angeklagten am 05.11.2009 durch die Staatsanwaltschaft Konstanz, Az.: 26 Js 22772/09, eine Sachbeschädigung (Datum der Tat: 30.09.2009) zur Last gelegt wurde; von der Verfolgung wurde gemäß § 45 Abs. 2 JGG abgesehen. Am 23.08.2010 hat das Amtsgericht Strausberg die Angeklagte im Verfahren 223 Js 16258/10 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (Datum der Tat 13.01.2010) ermahnt; das Verfahren wurde nach § 47 JGG eingestellt; am 08.03.2011 hat das Amtsgericht Strausberg die Angeklagte im Verfahren 295 Js 24950/10 wegen Diebstahls geringwertiger Sachen in 2 Fällen und Körperverletzung (Datum der letzten Tat: 29.01.2010) nochmals ermahnt, ihr Arbeitsleistungen auferlegt und das Verfahren nach § 47 eingestellt.
Betreffend die Tat vom 03.11.2013, die Gegenstand der Beiakte war, ist im Urteil vom 21.08.2013 ausgeführt, dass die Angeklagte in ihrem Patientenzimmer im I.-A.-Klinikum M. in der R4. straße in H. mit den Fäusten wiederholt auf den rechten Rückenbereich und die Schulterpartie der Krankenschwester J. S. einschlug, damit diese eine ärztlich angeordnete Fixierung nicht vornehmen konnte. Hierdurch erlitt die Geschädigte – wie von der Angeklagten zumindest vorhergesehen und billigend in Kauf genommen – Prellungen im Rücken- und Schulterbereich sowie ein Schmerzsyndrom, auch litt sie vorübergehend an Problemen beim Einatmen und war vom 05.11.2012 – 14.11.2012 arbeitsunfähig krankgeschrieben.
Dieser Sachverhalt ist mit den verfahrensgegenständlichen Geschehnissen vom 31.08.2020 durchaus vergleichbar.
Situative (etwa vorangegangener Streit) oder vorübergehende (etwa Intoxikation zur Tatzeit) Faktoren lagen zu keinem der Tatzeitpunkte vor, die Taten sind vielmehr ausschließlich auf die diagnostizierte emotional instabile Persönlichkeit vom Borderline-Typ mit unreifen und dissozialen Zügen zurückzuführen.
Als weiterer ungünstiger Faktor ist anzuführen, dass bei der Angeklagten zudem ein sekundär schädlicher Gebrauch multipler Substanzen im Vorfeld (ICD-10: F 19.1) zu diagnostizieren war (vgl. Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen, Suchtanamnese Ziffer B. II. 2.) und Darlegungen der Sachverständigen Dr. K., Ziffer D. III.). Die Angeklagte kam im Alter von 13 Jahren in der Clique zum Alkoholkonsum, hatte auch mehrfach einen Alkoholrausch, den sie als „cool“ empfand. Sie begann in dieser Zeit auch Cannabis und Speed zu konsumieren, ebenso Lösungsmittel. Anlässlich der wiederholten Vorstellungen in der Notfall-Ambulanz der H.-Klinik München wurde seit 08.01.2012 neben der Diagnose einer Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen mit erhöhte Impulsivität und Stimmungslabilität u.a. auch ein schädlicher Konsum von Cannabis, ein Zustand nach schädlichem Gebrauch von Stimulanzien sowie ein Zustand nach schädlichen Gebrauch flüchtiger Lösungsmittel (Schnüffeln von Lösungsmitteln bzw. Deo, wobei die Angeklagte beschrieben, dass dies gut getan hat, nachdem es direkt ins Gehirn gelangt ist) festgestellt.
Die Sachverständige hat zwar dargelegt, auch die Kammer verkennt diesen Umstand nicht, dass die Angeklagte nicht widerlegbar seit einigen Jahren abstinent lebt und sich auch keine Hinweise auf den Konsum von Alkohol und/oder Drogen zu den Tatzeitpunkten ergeben haben; allerdings besteht aufgrund der bei der Angeklagten im Vordergrund stehenden emotional instabilen Persönlichkeit vom Borderline-Typ mit unreifen und dissozialen Zügen, welche auch ein geringes Selbstwertgefühl beinhaltet, – so die Sachverständige – die Gefahr, dass die Angeklagte außerhalb des Maßregelvollzuges wieder in solche Kreise und Mechanismen rutschen kann, um eine gewisse Selbstaufwertung zu erfahren.
Hinsichtlich der in die Prognose einzustellenden sog. statistisch unveränderbaren Faktoren, welche sich damit beschäftigen, was in der Vergangenheit war, hat die Sachverständige angeführt, dass bei der Angeklagten als Negativfaktor festzustellen ist, dass sie zwar über einen, wenn auch durchschnittlichen, Schulabschluss verfügt, es ihr aber in der Folgezeit nicht gelang, eine berufliche Ausbildung auch nur zu beginnen oder einer Arbeit nachzugehen Zudem hatte die Angeklagte in ihrem bisherigen Leben keine vertiefte, intime Beziehung aufbauen können.
Auch hat sie Freundschaften nicht längerfristig aufrecht erhalten können und es fehlt jeglicher familiärer Rückhalt. Soweit sie ihre Patentante früher als Bezugsperson empfand, hat sie im Rahmen der Hauptverhandlung angegeben, nunmehr mit dieser zerstritten zu sein; einzige verbliebene Bezugsperson ist die in M. lebende Oma, zu der sie Kontakt lediglich in Form von Telefonaten (etwa 4x pro Monat) hat.
Laut den überzeugenden Ausführungen der forensischpsychiatrischen Sachverständigen Dr. K. ist aber das entscheidendste Kriterium für die Frage der Gefährlichkeitsprognose bzw. die Frage der Wiederholungsgefahr die sog. postdeliktische Persönlichkeitsentwicklung.
Diesbezüglich ist betr. die konkrete Person der Angeklagten S. aus medizinischer Sicht von Folgendem auszugehen: Die Angeklagte hat im Rahmen der einstweiligen Unterbringung und der am 29.09.2020 erfolgten psychiatrischen Exploration weiterhin gedroht, dass sie einen großen Brand legen werde, wenn sie nicht in die Forensik käme und es ihr nicht leid tue, wenn hierdurch Menschen zu Tode kämen. Es ist während der einstweiligen Unterbringung zu zahlreichen, besonderen Vorkommnissen gekommen, zum einen im Bereich der Selbstverletzungen, zum anderen im Bereich fremdaggressiven Verhaltens, woraus sich letztendlich eine fehlende Krankheitseinsicht und mangelnde Veränderungsbereitschaft der Angeklagten ergibt. Hinsichtlich der massiven Selbstverletzungen gab er die Sachverständige Dr. K. ergänzend an, dass deren Ausmaß für ein erhebliches Gewaltpotenzial bei der Angeklagten sprechen würden, das sich auch gegen andere Menschen richten kann..
Auch ist es postdeliktisch noch nicht – und damit ungünstig – zu einer Deliktsbearbeitung betreffend die verfahrensgegenständlichen Vorfälle bzw. zu einer Distanzierung gekommen. Betreffend die Brandlegung vom 19.09.2020 und die Körperverletzung zum Nachteil der … am 31.08.2020, also die beiden Taten, die sie eingeräumt hat, hat die Angeklagte auch im Rahmen der Hauptverhandlung keine Einsicht gezeigt, dass sie insoweit etwas falsch gemacht haben könnte. Betreffend die Brandlegung äußerte sie, dass sie unbedingt zurück in die Forensik nach Taufkirchen gewollt habe, da es ihr dort besser gegangen sei. Betreffend die Körperverletzung zum Nachteil der … räumte sie diese nach Einvernahme der Geschädigten zwar ein, äußerte aber, dass sie sich nicht entschuldigen wolle, dass sie nichts falsch gemacht habe.
Bezüglich der übrigen Taten gab sie an, sich nicht erinnern zu können.
In die Beurteilung des Grades der gegebenen Wiederholungsgefahr muss auch die Tatsache einfließen, dass die bei der Angeklagten diagnostizierte psychische Grunderkrankung fortbesteht und gemäß den Ausführungen der Sachverständigen bereits langjährig besteht, was zu einer Verfestigung geführt hat.
Damit bejaht die Sachverständige, dass von der Angeklagten infolge ihres Zustandes, d.h. der bei ihm diagnostizierten emotional instabilen Persönlichkeit vom Borderline-Typ mit unreifen und dissozialen Zügen im Sinne der Kausalität weitere Straftaten zu erwarten sind. Es ist eine Verknüpfung zwischen den Anlasstaten und den für die Zukunft zu erwartenden Taten „durch den Zustand“ gegeben, durch den die Anlasstaten ausgelöst wurden und als dessen Folgewirkung sich die zukünftig zu erwartenden Taten darstellen würden.
Ebenso sind die Tathandlungen, die die Angeklagte begangen hat und die weiterhin von ihr zu erwarten sind, „erheblich“ i.S.d. § 63 StGB. Dafür genügt die drohende Störung des Rechtsfriedens im Bereich der mittleren Kriminalität.
Dabei ist zunächst zu betonen, dass für „Erheblichkeit“ i.S.d. § 63 S. 1 StGB die drohende Störung des Rechtsfriedens im Bereich der mittleren Kriminalität genügt, da solche Taten geeignet sind, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen (BGH, 24. 01.2017, 3 StR 421/16, NStZ 2017, 694/695).
Die Erheblichkeit von Straftaten im Sinne des § 63 StGB wird bei Gewalt- und Aggressionsdelikten regelmäßig bejaht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.12.2011, Az.: 2 BvR 2181/11, NJW 2012, 513 (514); BGH, Beschlüsse vom 22.02.2011, Az.: 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; und vom 25.04.2012, Az.: 4 StR 81/12, juris Rn. 5), wobei jedoch stets auch die Umstände des konkreten Einzelfalles zu prüfen sind. Verbrechen sind nach der Wertung des Gesetzgebers stets erheblich im Sinne von § 63 StGB (vgl. etwa BGH Beschluss vom 16.06.2014, Az.: 4 StR 111/14, NStZ 2014, 571 Rn. 19).
Bei allen Anlasstaten handelt es sich um Gewalt- und Aggressionsdelikte.
Im Rahmen der Tatbegehung war die Affekt- und Impulskontrolle, sowie die Empathiefähigkeit der Angeklagten mindestens erheblich beeinträchtigt; neben der psychosomatischen Erregung ergibt sich dies nach Überzeugung der Kammer auch aus dem wiederholt inadäquaten, die Drohungen begleitenden Verhalten der Angeklagten, etwa in Form des Lachens, wenn sie davon sprach, dass es ihr egal sei, wie gefährlich das Bandlegen ist oder, sie das nächste Mal nicht so dumm sein werde, dass das Feuer gleich bemerkt werde.
Die Kammer verkennt zwar nicht, dass § 240 StGB für die Verwirklichung des Tatbestandes der Nötigung (Ziffer C. I. 1.)) als Rechtsfolge (“nur“) die Verhängung einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe vorsieht, auch für den verwirklichten Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung (Ziffer C. I. 2.) als Rechtsfolge Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren vorgesehen ist und die Rechtsprechung insoweit formuliert hat, dass Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter 5 Jahren bedroht sind, nicht ohne weiteres dem Bereich der Straftaten von erheblicher Bedeutung zuzurechnen sind.
Allerdings ist ebenso anerkannt, dass zu erwartende Gewalt- und Aggressionsdelikte, soweit es sich nicht um bloße Bagatellen handelt, regelmäßig zu den erheblichen Taten zu rechnen sind; gleichfalls allgemein anerkannt ist, dass auch gemeinhin als Taten aus dem Bereich der unteren Kriminalität einzustufende Delikte durch ihr konkretes Gepräge in den Bereich der mittleren Kriminalität rücken können (denn das Gesetz und § 63 StGB hat keine Beschränkung auf bestimmte Tatbestände vorgenommen; vgl. Schönke/Schröder-Stree, StGB, 24.Aufl., § 63 Rn. 15).
Generell ist daher auf die konkreten Umstände und Besonderheiten des Einzelfalles abzustellen, wobei neben der konkreten Art/Ausgestaltung der drohenden Taten und dem Gewicht der jeweils bedrohten Rechtsgüter auch die zu erwartende Häufigkeit und Rückfallfrequenz von Bedeutung sein können (vgl. etwa BGH, Urteil vom 01.09.2020 – 1 StR 371/19, Rn. 19).
Die Angeklagte hat die Tat vom 19.09.2020 in einer geschlossenen Einrichtung und zur Nachtzeit (23.00 Uhr) begangen, einer Einrichtung in der sich auch Menschen befinden, die aufgrund ihrer Erkrankung oder einer erfolgten Sedierung einem Feuer kaum entkommen könnten; das Gebäude, in dem die Angeklagte am 19.09.2020 untergebracht war und in dem Brand gelegt wurde, stammt aus dem 19. Jahrhundert, es ist viel Holz, etwa auch im Treppenhaus, verbaut. Zudem ist im konkreten Fall zu sehen, dass die Angeklagte nach der Brandlegung am 19.09.2020 gegen 23:00 Uhr nicht nur mehrmals weitere Brandlegungen angedroht hat (also konkret innerhalb eines kurzen Zeitraumes vom 19.09. – 01.10.2020 sechs Mal – häufig und bei hoher Rückfallfrequenz -), sondern zum einen konkret angab, wenn sie wieder etwas anzünde, sich dann aber nicht mehr so dumm anstelle, dass es gleich bemerkt werde und zum anderen deutlich machte, dass es ihr „egal sei, wie gefährlich das ist“. Gegenüber xy äußerte sie, „Ich hätte die Tür zulassen sollen, dann hätte es geklappt, dann wär`n jetzt alle tot!“ oder darauf angesprochen, dass durch ihr Handeln Menschen zu Schaden kommen könnten: „Es täte mir nicht leid, wenn alle tot wären,, die Menschen sind egal, ich bin der Mittelpunkt, mir muss es gut gehen, die anderen machen mich nur fertig“.
Unabhängig davon, dass im Hinblick auf die Hochwertigkeit des betroffenen Grundrechtes (Art. 2 Abs. 2 GG) Körperverletzungen (§§ 223 ff. StGB) (fast) immer als erheblich angesehen werden und zu berücksichtigen ist, dass der/die psychisch beeinträchtigte Täter/in es oft nicht in der Hand hat, die Verletzungsfolgen seines/ihres aggressiven Verhaltens zu steuern, d.h. der Umfang der Verletzungen dem Zufall überlassen bleibt (Müko/van Gemmeren, 4.Aufl. 2020, § 63 Rn 54 ff.), bei den Opfern auch oft – auch bei Fehlen gravierender physischer Folgen – nicht unerhebliche psychische Beeinträchtigungen wie Angst oder Verunsicherung eintreten, sowie es nach dem Wesen der Maßregel nicht um eine Bestrafung des Täters, dem bei leichteren Körperverletzungen ggf. nur Geldstrafen drohen, geht, sondern um den Schutz der Allgemeinheit vor neuen Taten, damit also die von der Angeklagten zu erwartenden weiteren Körperverletzungsdelikte bereits die Voraussetzung der Erheblichkeit i.S.d. § 63 StGB erfüllen, ist die Kammer der Überzeugung, dass dies auch hinsichtlich der weiterhin zu erwartenden Bedrohungen und/oder Nötigungen gilt:
Die von der Angeklagten ausgesprochenen Drohungen, erneut Brand zu legen und zwar egal, ob dabei Menschen zu Tode kommen, wenn sie nicht in die Forensik verlegt werde, sind geeignet, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen und stellen damit eine schwerwiegende Störung des Rechtsfriedens dar (vgl. etwa BGH, Urteil vom 21.05.2014 – 1 StR 116/14, Rn. 1); diese Bedrohungen/Nötigungsversuche bergen auch in Bezug auf die konkrete Person der Angeklagten die naheliegende Gefahr ihrer Verwirklichung (objektiv begründete Furcht der Bedrohten vor einer Realisierung, nicht rein gefühlsgeleitete Furcht), was die Angeklagte durch die tatsächlich erfolgte Brandlegung am 19.09.2020 gegen 23:00 Uhr bereits dokumentiert hat, wobei nochmals darauf zu verweisen ist, dass sie im Rahmen der einstweiligen Unterbringung sowohl gegenüber dem Sachverständigen xy als auch gegenüber der Sachverständigen Dr. K. wiederholt angab, dass sie es beim nächsten Mal so dumm macht, dass das Feuer gleich bemerkt wird und es ihr auch egal ist, ob Menschen dabei zu Tode kommen; dies rechtfertigt die Schlussfolgerung, dass die zukünftig zu erwartenden Taten von ihrem Gewicht her gravierender als die verfahrensgegenständlichen sein werden.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände bestehen für die Kammer keine Zweifel daran, dass die von der Angeklagten begangenen und in Zukunft von ihr zu erwartenden Taten als erheblich einzuordnen sind.
Weitere Taten würden auch nicht nur möglicherweise, sondern wahrscheinlich begangen, wenn nicht durch die Maßregel vorgebeugt würde, so der Sachverständige Dr. K..
Die Kammer geht dabei sachverständig beraten von einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades (vgl. BGH NStZ-RR 2015, 306 (307); NStZ-RR 2006, 265) und nicht nur von der einfachen Möglichkeit künftiger schwerer Störungen des Rechtsfriedens aus.
Insoweit betont Dr. K., dass außerhalb des Maßregelvollzuges mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Angeklagte sich erneut im Kontext von massiver Anspannung, innerer Wut bzw. Aggression, innerer Leere, Beziehungsgestaltung mit Idealisierung und Entwertung bei reduzierter Frustrationstoleranz und Impulskontrolle durch Brandstiftungen Entlastung verschaffen wird, d.h. es sind mit hoher Wahrscheinlichkeit Straftaten zumindest entsprechend der Anlassdelinquenz zu erwarten. Zusätzlich ist eine Gefahr von impulshafter Gewaltdelinquenz gegenüber Personen in Form von Körperverletzungen aus dem näheren Umfeld in kränkend erlebten Situationen mit zunehmendem Wutempfinden bzw. bei einer Einschränkung des Handlungsspielraumes bei der Angeklagten zu erkennen.
Das Risiko für erhebliche rechtswidrige Taten (im Sinne von Gewalttaten) bei der Angeklagten – bei unbehandeltem Fortlauf der Erkrankung – ist somit als ausgesprochen hoch einzuschätzen.
In soweit ist auch nochmals zu berücksichtigen, dass die Angeklagte im Nachgang zu der Tat vom 19.09.2020 nicht nur die Androhung, Brand zu legen, wiederholt hat, vielmehr insoweit eine Gefahrssteigerung zu registrieren war (bei nächster Gelegenheit wieder etwas anzuzünden, dann aber nicht so dumm zu sein, es so zu machen, dass es gleich bemerkt werde und auch mehrfach explizit angab, dass es ihr egal ist, wenn dabei andere Menschen zu Schaden kommen würden). Eben so ist sie im Rahmen der vorläufigen Unterbringung gemäß § 126 a StPO wiederholt – wie dargelegt – durch fremd aggressives Verhalten selbst im Rahmen von Fixierungen aufgefallen.
Der Kammer ist dabei bewusst, dass in der Rechtsprechung des 1. Senates des Bundesgerichtshofs die höhergradige Wahrscheinlichkeit verneint wird, wenn sich die (Anlass -) Taten gegen Personal einer Einrichtung oder Polizisten richten, mithin gegen Personen, die im Umgang mit psychisch auffälligen Personen besonders geschult wurden.
Diese Rechtsprechung ist allerdings im konkret zu entscheidenden Fall nach Überzeugung der Kammer nicht einschlägig, da die Drohungen mit Brandlegung und eine gegebenenfalls stattfindende Umsetzung der angedrohten Brandlegung nicht nur das Personal beträfen, sondern auch Mitpatienten, die z.T. infolge der Medikation sediert und damit in ihrer Abwehrfähigkeit erheblich eingeschränkt sind.
Die Wahrscheinlichkeit höheren Grades für weitere erhebliche Straftaten ist auch nicht dadurch entkräftet, dass die Angeklagte seit geraumer Zeit eine Medikation in Form von Depotspritzen nimmt. Insoweit ist zum einen zu sehen, dass gegen Ende des Wirkungszeitraumes die Wirkung nachlässt und zum anderen im Hinblick auf die konkrete, bei der Angeklagten diagnostizierte emotional instabile Persönlichkeitsstörung im Vordergrund der Behandlung die Notwendigkeit einer Verhaltenstherapie steht, mit welcher noch nicht begonnen werden konnte.
Die Angeklagte ist daneben auch als gefährlich für die Allgemeinheit einzustufen, da sich die von ihr verwirklichten Anlasstaten und die von ihr in Zukunft zu erwartenden Taten nicht nur gegen eine Person oder einen vorhersehbar eingegrenzten Personenkreis richten.
Im Falle der Umsetzung von ihr angekündigter Brandlegungen wären neben Personal und Mitpatienten auch etwaige Besucher oder zu Hilfe gerufene Feuerwehrleute erheblich gefährdet. Auch betreffend die in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Körperverletzungsdelikte sind, sollten sich ihr etwa bei einem erneuten Fluchtversuch unbeteiligte Personen in den Weg stellen, Geschädigte zu erwarten, mit denen sie zuvor keinerlei Beziehung gehabt hat.
Aus den genannten Gründen ist die ausgesprochene Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus damit geboten.
Die Unterbringung ist auch verhältnismäßig i.S.d. § 62 StGB.
Die Kammer ist sich dabei zum einen bewusst, dass die Anlasstaten von ihrer Gewichtigkeit her zwar noch dem Bereich mittlerer Kriminalität zuzuordnen sind, daher aber an die Erheblichkeit der in Zukunft zu erwartenden Taten besondere Anforderungen zu stellen sind, welche allerdings, wie bereits erwähnt, im Hinblick darauf, dass die Angeklagte selbst erklärte, bei nächster Gelegenheit wieder etwas anzuzünden, dann aber nicht so dumm zu sein, es so zu machen, dass es gleich bemerkt werde und auch mehrfach explizit angab, dass es ihr egal ist, wenn dabei andere Menschen zu Schaden kommen, sterben würden, gegeben sind.
Zum anderen sind (derzeit) keine weniger stigmatisierenden, alternativen Maßnahmen, die einen gleich ausreichenden und zuverlässigen Schutz der Allgemeinheit vor der Angeklagten bieten, ersichtlich. Dieser Annahme steht auch nicht entgegen, dass die Angeklagte im Verfahren XVII 286/14 vom Amtsgericht Mühldorf am Inn bereits zivilrechtlich untergebracht ist, da diese Unterbringung eine andere Zweckbestimmung hat. Die zivilrechtliche Unterbringung verlangt keine akute unmittelbar bevorstehende Gefahr, sondern nur eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Betroffenen, sie muss zum Wohl des Betroffenen erforderlich sein. Ein allgemeiner Schutz Dritter oder der Allgemeinheit reicht für die Unterbringung nach § 1906 BGB nicht aus, weshalb anerkanntermaßen beide Unterbringungen (zivilrechtliche – strafrechtliche nach § 63 StGB) nebeneinander bestehen können (vgl. Müko/van Gemmeren, a.a.O. § 63 Rn. 127 f.).
Unter Abwägung des Freiheitsanspruches der Angeklagten einerseits und des Sicherheitsbedürfnisses der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsgutsverletzungen andererseits ist es aufgrund der Schwere der zu erwartenden Delikte und des hohen Wahrscheinlichkeitsgrades der Wiederholung unerlässlich, die Angeklagte unterzubringen.
Weniger belastende (mildere) Mittel sind (derzeit) nicht ersichtlich.
2.) Die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung nach § 67 b StGB liegen nach Überzeugung der Kammer nicht vor.
Eine Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung ist derzeit schon gemäß § 67 b Abs. 1 S. 2 StGB nicht möglich, da die zugleich verhängte Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt werden konnte (s.o.).
Im Übrigen liegen unter Berücksichtigung der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. K., aber derzeit auch keine besonderen Umstände vor, die die Erwartung rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel auch bei Aussetzung zur Bewährung erreicht werden kann.
Insoweit kann zunächst auf die obigen Ausführungen zur Anordnung der Maßregel, insbesondere zum Fortbestand der Erkrankung, den Umstand, dass Krankheitseinsicht und Mitwirkungsbereitschaft bei der Angeklagten noch nicht ausreichend geweckt sind, um überhaupt verhaltenstherapeutisch mit ihr arbeiten zu können, Bezug genommen werden. Eine therapeutische Behandlung ist aber unverzichtbar; ob sie Erfolg zeigen wird, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Ein geeigneter sozialer Empfangsraum (sozialtherapeutische, geschützte Einrichtung oder Rückkehr ins familiären Umfeld) steht derzeit nicht zur Verfügung und muss längerfristig vorbereitet werden.
III. Keine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt:
Anhaltspunkte für eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) lagen zum Urteilszeitpunkt im Hinblick darauf, dass bei der Angeklagten derzeit keinerlei süchtige Fehlhaltung zu eruieren war, nicht vor.
G. Kosten:
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 464, 465 Abs. 1 StPO.

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