Strafrecht

Verurteilung wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht

Aktenzeichen  203 StRR 414/20

Datum:
23.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 35129
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 77b, § 145a

 

Leitsatz

1. Mehrfache Verstöße gegen dieselbe Weisung ebenso wie Verstöße gegen verschiedene Weisungen gemäß § 145a StGB können nicht von vorneherein zu einer Tat zusammengefasst werden. Es beurteilt sich vielmehr nach allgemeinen Regeln, wann mehrere Verstöße als eine Tat anzusehen sind und wann mehrere Taten vorliegen.
2. Ein fortgesetzter Verstoß gegen dieselbe Weisung kann sich als Verwirklichung eines einheitlichen Täterwillens darstellen, der tatbestandlich zusammengefasst eine Bewertungseinheit bildet; Einzelakte der Ausführungshandlungen sind als unselbständige Teile der einheitlichen Tat zu behandeln.
3. Das Vorliegen eines wirksamen Strafantrages ist eine Prozessvoraussetzung, die der Senat im Wege des Freibeweises selbst überprüfen kann.

Verfahrensgang

14 Ns 203 Js 26891/19 2020-04-24 Urt LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

I. Die Revision des Angeklagten M Y B gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24.04.2020 wird als unbegründet verworfen.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Zur Begründung wird auf die auch unter Berücksichtigung der Gegenerklärung der Verteidigung vom 29.09.2020 zutreffende Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft München in ihrer Antragsschrift vom 01.09.2020 Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Es sind auch unter Berücksichtigung der in der Revisionsbegründung zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 19.02.2005, Az.: II-10/05-1 Ss 5/05, juris; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 21.01.2019, Az.: 1 OLG 2 Ss 76/18, juris; KG Berlin, Beschluss vom 02.09.2019, Az.: (2) 121 Ss 48/19 (16/19), juris) alle Voraussetzungen einer Strafbarkeit gemäß § 145a StGB in zwei Fällen erfüllt:
a) Die beiden verfahrensgegenständlichen Weisungen (Meldung beim Bewährungshelfer; Vorstellung und Meldung bei der Fachambulanz für haftentlassene Sexual- und Gewaltstraftäter) sind ausreichend bestimmt. Sie geben sowohl die Mindestfrequenz (einmal im Quartal) als auch die Höchstfrequenz (dreimal im Monat bzw. einmal im Monat) an, wobei es ausreicht, wenn der Richter nur diese Frequenzen selbst bestimmt und lediglich die näheren Modalitäten der Meldung bzw. Vorstellung dem Bewährungshelfer bzw. der Fachambulanz überlässt. Beide Weisungen wurden ausdrücklich als strafbewehrte Weisungen erlassen. Dem Angeklagten waren diese Weisungen auch bekannt; er war diesen nämlich zunächst nachgekommen. Das alles hat das Amtsgericht – nach Berufungsbeschränkung für die Strafkammer bindend – im Einzelnen festgestellt.
b) Das Amtsgericht hat ferner festgestellt, dass der Angeklagte gegen beide Weisungen (je nur einmal) verstoßen hat.
Grundsätzlich ist nach Wortlaut und Struktur des § 145a StGB die Konsequenz, dass der mehrfache Verstoß gegen dieselbe Weisung ebenso wie Verstöße gegen verschiedene Weisungen in § 145a StGB nicht von vorneherein zu einer Tat zusammengefasst werden können. Es beurteilt sich vielmehr nach allgemeinen Regeln, wann mehrere Verstöße als eine Tat anzusehen sind und wann mehrere Taten vorliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 25.03.2015, Az.: 4 StR 600/14, juris Rn. 4; BayObLG, Beschluss vom 08.05.1995, Az.: 5 StRR 9/95, BayObLGSt 1995, 84; KG Berlin, Beschluss vom 02.09.2019, Az.: (2) 121 Ss 48/19 (16/19), juris Rn. 28; Sternberg/Lieben in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 145a Rn. 13; LK-Roggenbuck, StGB, 12. Aufl., § 145 Rn. 39 ff.; MK-StGB/Groß, 3. Aufl., § 145a Rn. 21).
Hier hat der Angeklagte jeweils einmal gegen zwei Weisungen verstoßen, weshalb er zutreffend auch nur in zwei Fällen gemäß § 145a StGB verurteilt worden ist:
(1) Bezüglich der Meldeweisung beim Bewährungshelfer hat das Amtsgericht konkret festgestellt, dass der Angeklagte letztmals einen Termin am 17.06.2019 unentschuldigt nicht wahrgenommen hat. Dies ist die der Verurteilung zugrunde liegende konkrete Tat. Die vorausgehende Bemerkung, dass der Verurteilte generell seine Termine bei der Bewährungshilfe nicht regelmäßig wahrgenommen habe, dient lediglich der Illustration des unzuverlässigen Gesamtverhaltens des Angeklagten.
(2) Bezüglich der Melde- und Vorstellungsweisung bei der Fachambulanz hat das Amtsgericht konkret festgestellt, dass der Angeklagte letztmals am 20.12.2018 vorgesprochen, drei weitere Termine abgesagt bzw. unentschuldigt versäumt und auch seither – unabhängig vom Abbruch von Behandlungsangeboten durch die Fachambulanz zum 08.02.2019 – keinerlei Kontakt zur Fachambulanz mehr aufgenommen hat. Da die Führungsaufsicht nicht beendet war, bestand die Weisung aber unverändert bis zur Strafantragstellung am 26./28.08.2019 (dazu nachfolgend c)) fort. Damit steht fest, dass der Angeklagte im 1. und 2. Quartal 2019 seiner jeweils zumindest einmaligen Meldeverpflichtung bei der Fachambulanz nicht mehr nachgekommen war, im 1. Quartal sogar drei bereits festgesetzte Termine nicht wahrgenommen hat. Auch wenn es sich somit um mehrere Termine handelt, ist hier nur von einem einzigen Weisungsverstoß auszugehen und nicht nach verschiedenen Taten zu differenzieren. Das fortgesetzte Unterlassen der gebotenen Meldung stellt sich nämlich naheliegend als Verwirklichung eines einheitlichen Täterwillens dar, das tatbestandlich zusammengefasst eine Bewertungseinheit bildet; Einzelakte der Ausführungshandlungen sind als unselbständige Teile der einheitlichen Tat zu behandeln (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl., Vor § 52 Rn. 12 f.).
c) Schließlich hat das Amtsgericht festgestellt, dass die Führungsaufsichtsstelle des Landgerichts Nürnberg-Fürth form- und fristgerecht Strafantrag gestellt hat. Als Prozessvoraussetzung kann dies der Senat im Wege des Freibeweises auch selbst überprüfen. Ausweislich der Führungsaufsichtsakte des Landgerichts Nürnberg-Fürth erhielt die Führungsaufsichtsstelle erstmals aufgrund Schreibens der zuständigen Bewährungshelferin vom 12.06.2019 (Bl. 65), vorab per Telefax eingegangen bei der Führungsaufsichtsstelle am 14.06.2019 (Bl. 65), Kenntnis von den Weisungsverstößen des Angeklagten. Die Führungsaufsichtsstelle hat mit Verfügung vom 26.08.2019 (Bl. 96), eingegangen bei der Staatsanwaltschaft am 28.08.2019 (Bl. 98), Strafantrag gestellt.
Der Strafantrag ist deshalb fristgerecht binnen dreier Monate nach Kenntniserlangung gestellt worden (§§ 145a Satz 2, 77b StGB). Inhaltlich umschreibt er ausreichend konkret beide unter b) (1) und b) (2) dargestellten Verstöße gegen die Führungsaufsichtsweisungen.
2. Da nach den vorausgegangenen Ausführungen der Verstoß gegen die Meldeweisung bei der Bewährungshilfe auf den 17.06.2019 datiert und der Verstoß gegen die Meldeweisung bei der Fachambulanz das 1. und 2. Quartal 2019 umfasst und die Taten somit nicht vor dem 16.04.2019 beendet waren, kommt eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB mit dem Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 16.04.2019 (Az.: 405 Cs 358 Js 11131/19) nicht in Betracht.

Gründe


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