Strafrecht

Zeugnisverweigerungsrecht, Beschwerdeführer, Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluß, Zeugnisverweigerungsberechtigten, Durchsuchung und Beschlagnahme, Ermittlungsrichter, Mitgliedschaft, Beschlagnahmeverbot, Nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit, Grundrechtsbeeinträchtigung, Durchsuchungsanordnung, Terroristische Vereinigung im Ausland, Kosten des Beschwerdeverfahrens, Verfahrensordnung, Kostenentscheidung, Beschwerdebegründung, Vertraulichkeitszusage, Wissenschaftliches Fehlverhalten, Durchsuchungsbeschluss, Erweiternde Auslegung

Aktenzeichen  8 St ObWs 5/20

Datum:
28.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 50235
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beschwerde des Durchsuchungsbetroffenen Prof. Dr. … gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München – Ermittlungsrichter – vom 23. Januar 2020 und der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von Durchsuchung, Beschlagnahme und Datensicherung werden zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer Prof. Dr. … trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Die Generalstaatsanwaltschaft M. führt gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland sowie der unerlaubten Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe, da er verdächtig ist, in Syrien der Organisation IS angehört und dabei nach einer Ausbildung zum Scharfschützen ein Scharfschützengewehr des Typs. Dragunov besessen zu haben.
Während der Beschuldigte S. in der JVA B. wegen mehrerer Betäubungsmitteldelikte verbüßte, wurde am Lehrstuhl des Beschwerdeführers für Psychologische Diagnostik, Methodenlehre und Rechtspsychologie der Fr.-Al.-Universität E.-N. (FAU) ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertes Studienprojekt zum Thema „Islamistische Radikalisierung im Justizvollzug – Radikalisierungspotentiale und -prozesse“ durchgeführt. Im Zuge dieses Vorhabens sollen von Behörden Daten von Häftlingen mit Terrorismusbezug an Projektmitarbeiter übermittelt worden sein. Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin des Lehrstuhls befragte den Beschuldigten in der JVA B. zu den mit der Studie zu untersuchenden Themen und fertigte dabei Audioaufzeichnungen.
Als dies den Ermittlungsbehörden im Rahmen der Ermittlungen gegen den Beschuldigten bekannt wurde, beantragte die Generalstaatsanwaltschaft M. am 21.01.2020 den Erlass eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses gegen den Beschwerdeführer, räumlich bezogen auf Räume seines Instituts bzw. Lehrstuhls an der FAU E.-N. und gegenständlich auf Tonbandaufnahmen, schriftliche Unterlagen nebst Gesprächsprotokoll, die Angaben des Beschuldigten enthielten, sowie dazugehörigen Speichermedien. Zuvor hatte der Beschwerdeführer auf eine Anfrage des BayLKA die Herausgabe von Daten oder Gesprächsinhalten unter Hinweis auf eine Zusicherung an den Beschuldigten, diese unterlägen einer Schweigepflicht, verweigert und erklärt, er werde sie nur bei richterlicher oder staatsanwaltschaftlicher Anordnung herausgeben.
Die Ermittlungsrichterin des Oberlandesgerichts München erließ am 23.01.2020 antragsgemäß den vorgenannten Beschluss.
Das BayLKA vollzog diesen Beschluss am 31.01.2020, stellte dabei einen Datenträger mit Audio-Dateien sicher, fertigte Kopien zweier Schriftstücke und wertete diese aus. Die Auswertung ist abgeschlossen, von den als relevant eingestuften Audio-Dateien wurden Kopien gefertigt und der Datenträger wieder herausgegeben.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 30.06.2020, eingegangen am selben Tag, beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses, hilfsweise die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchung und Beschlagnahme.
Er macht u.a. geltend, dass er als publizierender Wissenschaftler zeugnisverweigerungsberechtigt i.S.d. § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO sei, jedenfalls ein unzulässiger Eingriff in sein Grundrecht auf Wissenschafts- und Forschungsfreiheit vorliege, zudem verstoße der Beschluss gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Die Ermittlungsrichterin hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet. Der Durchsuchungsbeschluss und die darauf gestützten Maßnahmen sind rechtmäßig.
A. Nachdem der Beschluss vollzogen wurde und auch die Durchsicht abgeschlossen ist, der sichergestellte Datenträger zudem zurückgegeben wurde, ist die Beschwerde nur dann statthaft, wenn eine fortwirkende Beeinträchtigung vorliegt. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Beschwerde bei erledigten Durchsuchungsanordnungen für zulässig erklärt, sofern Grundrechte, insbesondere aus Art. 13 GG bei der Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen, betroffen sind und deren Inhaber somit einer fortwirkenden schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung ausgesetzt wurden (BVerfG. 2 BvR 1660/02 vom 18.12.2002 Rn. 5 zit. nach juris).
Es kann dahinstehen, ob der Beschwerdeführer als ordentlicher Professor der FAU E.-N., der somit in einem Dienstverhältnis steht, hinsichtlich der ihm von der Universität zugeteilten und durchsuchten Räume als Inhaber anzusehen ist und eine tiefgreifende Grundrechtsbeeinträchtigung aus Art. 13 GG geltend machen kann, oder vielmehr wie auch sonst etwa bei Durchsuchungen von Arbeitsplätzen und Geschäftsräumen nur der jeweilige Eigentümer oder etwa kraft Mietvertrages Besitzberechtigte (vgl. BVerfG 2 BvR 2279/13 v. 16.04.2015 Rn. 13 ff. zit. nach juris), hier etwa der Präsident der FAU E.. Die bloße Nennung des Beschwerdeführers im Durchsuchungsbeschluss ändert nichts daran, dass nicht jeder tatsächliche Nutzer von Räumen auch in seinem Grundrecht aus Art. 13 GG betroffen ist.
Ebenso kann dahinstehen, ob die behauptete Beeinträchtigung der Forschungsfreiheit oder des Gleichheitssatzes nach Maßgabe der vorgenannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts so schwerwiegend sind, dass ein Antrag auf nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit zulässig ist.
B. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. Dem Beschwerdeführer steht weder ein einfachgesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht zu, aufgrund dessen die Anordnung einer Durchsuchung rechtswidrig sein könnte oder die sichergestellten und ausgewerteten Unterlagen bzw. Datenträger einem Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 5 S. 1 StPO unterliegen, noch ein unmittelbar aus der Verfassung abgeleitetes, zur Unzulässigkeit von Durchsuchung und Beschlagnahme führendes Forschungsgeheimnis.
1. Die Anordnung der Durchsuchung war rechtmäßig und die sichergestellten Unterlagen sind nicht beschlagnahmefrei, da der Beschwerdeführer nicht zum Kreis der zeugnisverweigerungsberechtigten Personen des § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO gehört und somit auch die Unterlagen und Dateien nicht dem Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 5 S. 1 StPO unterfallen.
a) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, dass Forscher aufgrund des Umstandes, dass sie Forschungsergebnisse veröffentlichen und uU hierzu verpflichtet seien, somit an der Herstellung periodisch oder nichtperiodisch erscheinender Druckerzeugnisse i.S.d. § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO berufsmäßig mitwirken, ist diese Sichtweise bei einer am reinen Wortlaut der Norm orientierten Auslegung zwar möglich, ungeachtet der Frage, ob dies bei Wissenschaftlern bereits generell berufsmäßig erfolgt. Diese Auffassung wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur durchaus vertreten (vgl. ausführlich Greitemann, NStZ 2002, 572 insbesondere im Hinblick auf sozialwissenschaftliche Forschung; eher kritisch Bertheau/Ignor in: Löwe-Rosenberg StPO 27.A. § 53 Rn. 50 aE und Rn. 3), die dort angeführten Gründe greifen jedoch nicht durch; insbesondere war auch eine Einbeziehung wissenschaftlicher Arbeiten vom Gesetzgeber ersichtlich nicht gewollt.
Dahinstehen kann auch, ob im konkreten Fall tatsächlich der Beschwerdeführer hinsichtlich einer berufsmäßigen Mitwirkung an einer Publikation betroffen ist, denn gegenüber dem BayLKA trat als Projektbetreuerin eine Frau … auf, während der Beschwerdeführer auf der Webseite https://cris.fau.de/converis/portal/proiect/126370269?lang=de_DE als Projektleiter genannt und … als Projektbeteiligte aufgeführt ist.
(1) Jedenfalls ist die Norm des § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO aufgrund des in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Willens des Gesetzgebers und aus teleologischen Gründen dahingehend auszulegen, dass sie die Mitwirkung bei der Erstellung wissenschaftlicher Publikationen im Rahmen von Forschungsvorhaben nicht erfasst. Zutreffend ist, dass im Rahmen der Neufassung des § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO aufgrund des Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung vom 15.02.2002 eine Erweiterung auf die Mitwirkung an nichtperiodischen Publikationen erfolgt ist. Wie bereits bei Greitemann (a.a.O. S. 574) konzediert wird, lässt sich den Gesetzgebungsmaterialien jedoch entnehmen, dass die damalige Erweiterung des § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO ausschließlich von dem Kerngedanken des Schutzes der Presse- und Rundfunkfreiheit getragen ist, hingegen wissenschaftliche Publikationstätigkeit gar nicht erwähnt wird. Dies ergibt sich bereits aus den einleitenden allgemeinen Ausführungen, in denen nur von Pressefreiheit und freier Berichterstattung in Film und Fernsehen die Rede ist, und von den „in diesem Bereich tätigen Personen und Unternehmen“, welchen Freiheit von staatlichem Zwang gewährleistet werden soll. Hierzu gehörten der Schutz der Informationsbeschaffung und der Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit (BTDrs. 14/5166 S. 6). Auch in der Einzelbegründung zur Erweiterung des Kreises der zeugnisverweigerungsberechtigten Personen wird zentral auf berufsmäßige Befassung abgestellt, die im Bereich der Medienerzeugnisse erfolgt und auf Unterrichtung und Meinungsbildung gerichtet ist (a.a.O. S. 7). Wissenschaftliche Forschungstätigkeit, auch wenn sie in Publikationen mündet, wird hierbei nicht explizit erwähnt.
(2) Wissenschaftliche Publikationen als Ergebnis von Forschungstätigkeit fallen auch aus teleologischen Gründen nicht unter den Anwendungsbereich des § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO. Denn die wissenschaftliche Forschung unterliegt auch und gerade im Bereich der Publikation grundlegend anderen Kriterien als die Medienberichterstattung; der Schutzzweck des § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO ist für wissenschaftliche Publikation von Forschungsergebnissen nicht einschlägig. Während die Medienveröffentlichung der Unterrichtung eines breiten Publikums und der Meinungsbildung der Öffentlichkeit dient, ist das Ziel wissenschaftlicher Publikation die Verbreitung wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts. Wissenschaftliche Publikationen sind, wie es im Memorandum „Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ der DFG ausgeführt wird (abgerufen am 16.07.2020 unter https://www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/reden_stellungnahmen/download/empfehlung_wiss_praxis_1310.pdf) „Medium der Rechenschaft über ihre (scil.: der Forscher) Arbeit“.
Während Medien für eine freie Berichterstattung ggf. darauf angewiesen sind, anonyme Quellen zu schützen, ist wissenschaftliche Forschung und Publikation darauf gerichtet, mit höchstmöglicher Transparenz zu arbeiten, um die Nachvollziehbarkeit und ggf. Reproduzierbarkeit der publizierten Erkenntnisse zu gewährleisten. Hierzu gehören korrekte und vollständige Quellenangaben, korrektes Zitieren, die Nachvollziehbarkeit von Forschungsdesigns u.a.. Häufig unterliegen Publikationen vor ihrer Veröffentlichung einem „peer review“, also einer Durchsicht und Überprüfung durch fachkundige Dritte. Dieses umfassende Transparenzgebot bei der Darstellung wissenschaftlicher Erkenntnisse gilt für Medienvertreter zu Quellen und Methoden der Informationsgewinnung gerade nicht. Von daher greift der Zweck des § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO, die Informationsbeschaffung und Quellen journalistischer Arbeit und dort den redaktionellen Teil der Herstellung von Medienprodukten zu schützen, für den Bereich wissenschaftlicher Publikationstätigkeit nicht; insbesondere handelt es sich entgegen der Beschwerdebegründung somit nicht um gleichartige und daher gleich zu behandelnde Sachverhalte und Interessenlagen, sondern um wesentlich Ungleiches.
Dies wird auch dadurch nicht relativiert, dass einzelne Forschungsbereiche, etwa die empirische Sozialforschung oder Kriminologie, methodisch unter anderem auf Interviews mit Personen zurückgreifen, denen an Anonymität oder an Geheimhaltung der von ihnen gemachten Angaben gelegen ist und denen gegenüber möglicherweise Vertraulichkeitszusagen abgegeben wurden. Eine Differenzierung des Schutzes aus § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO danach, ob die wissenschaftliche Publikation auf einer bestimmten Forschungsmethode beruht, die möglicherweise den Gesichtspunkt eines presseähnlichen Informantenschutzes tangieren könnte, ist nicht geboten. Ebenso wenig wie sich ein Wissenschaftler etwa beim Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten gegenüber Untersuchungsgremien auf ein Forschungsgeheimnis und Informantenschutz berufen kann, kann dies gegenüber Strafverfolgungsorganen gelten.
(3) Dass Wissenschaftler hinsichtlich etwaiger Interviews trotz Vertraulichkeitszusagen gegenüber den Interviewpartnern nicht Journalisten gleichzustellen sind und sie insoweit nicht dem Schutz des Art. 10 EMRK unterliegen, folgt auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. So hat er einem Wissenschaftler, der sich auf den Schutz anonymer Quellen wie ein Journalist berufen hat, diesen versagt und entschieden, dass die vertraulichen Informationen nicht dem Wissenschaftler gehörten, sondern vielmehr der Öffentlichkeit (EGMR Gillberg vs. Sweden 41723/06 Urteil vom 03.04.2012 Tz. 95).
Im vorliegenden Fall ist ausweislich der Webseite https://cris.fau.de/converis/portal/project/126370269?lang=en_GB das gegenständliche Forschungsprojekt mittels Einzelförderung-Sachbeihilfe der DFG gefördert. Nach den einschlägigen Richtlinien der DFG (Vordruck 50.01.09/19 S. 4 f.) ist Voraussetzung für die Gewährung der Sachbeihilfe die Verpflichtung zur Einhaltung der Grundsätze der guten wissenschaftlichen Praxis und die Anerkennung der Verfahrensordnung zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten. Forschungsdaten sind demnach grds. aufzubewahren, ihre unbefugte Beseitigung stellt ein wissenschaftliches Fehlverhalten dar (Ziff. II. 1 Absatz 1 S. 2 Nr. 1 b i. der Verfahrensordnung der DFG bei Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten). Bereits dies zeigt, dass ein irgendwie gearteter Quellen- oder Informantenschutz schon innerhalb des Wissenschaftsbetriebes nicht einschlägig ist, sondern vielmehr – jedenfalls im Bereich geförderter Forschung – Transparenz, Dokumentation und Nachvollziehbarkeit die wissenschaftliche Tätigkeit prägen.
b) Die Freiheit von Wissenschaft und Forschung gemäß Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gebietet weder eine Auslegung des § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO dahingehend, dass Publikationen im Rahmen wissenschaftlicher Forschung erfasst werden müssten, noch folgt hieraus ein unmittelbar aus der Verfassung abzuleitendes Forschungsgeheimnis mit der Folge eines strafprozessualen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeverbotes. Zutreffend führt die Beschwerde aus, dass dieses Grundrecht ohne Schrankenvorbehalt gewährleistet ist. Allerdings kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in die Wissenschafts- bzw. hier die Forschungsfreiheit, wie bei anderen vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten, mit Rücksicht auf kollidierendes Verfassungsrecht eingegriffen werden, wobei es grundsätzlich auch insoweit einer gesetzlichen Grundlage bedarf (BVerfGE 126,1 Rn. 54). Erforderlich ist bei einem Eingriff eine Abwägung am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsprinzips.
Kollidierendes Verfassungsrecht ist vorliegend die Verpflichtung des Staates zu einer funktionierenden Strafrechtspflege und zur Verfolgung schwerer Straftaten (vgl. Grzeszik in Maunz/Dürig GG Art. 20 90. EL Rn. 143 m.w.N.). Gesetzliche Grundlagen – nicht spezifisch die Forschungsfreiheit betreffend – für einen Eingriff sind die strafprozessualen Normen über die Durchsuchung und Beschlagnahme bei nicht tatverdächtigen Dritten, hier §§ 103 und 97 StPO. Eine Einschränkung dieser Eingriffsnormen dahingehend, dass sie bei Forschern keine Anwendung finden dürften, ist weder durch entsprechende Auslegung des § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO geboten noch aus dem Gesichtspunkt eines unmittelbaren Eingriffsverbots aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG.
Eine Ausweitung der strafprozessualen Zeugnisverweigerungsrechte ist Sache des Gesetzgebers und kann idR nicht durch analoge Anwendung oder erweiternde Auslegung erfolgen (Meyer-Goßner/Schmitt StPO 63.A. § 53 Rdn. 2, Ignor/Bertheau a.a.O. Rdn. 3).
Sofern dennoch eine Abwägung zwischen Forschungsfreiheit einerseits und Strafverfolgungsauftrag des Staates andererseits im vorliegenden Fall geboten sein sollte, wäre aus folgenden Gründen nicht von einem Zeugnisverweigerungsrecht nebst korrespondierendem Beschlagnahmeverbot auszugehen, da das Interesse an einer Sicherung der Strafverfolgung überwiegt:
Tatvorwurf ist u.a. die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland, somit ein Verbrechenstatbestand, der auch angesichts der konkreten Ausrichtung und Aktivitäten der Vereinigung „Islamischer Staat“ der Schwerstkriminalität zuzurechnen ist, was – verfassungsrechtlich unbedenklich – umfassende strafprozessuale Maßnahmen ermöglicht. Dies gilt für Ermittlungsbefugnisse und beispielsweise auch für Eingriffe in das ansonsten umfassend geschützte Verteidigungsverhältnis etwa durch Anordnungen nach § 148 Abs. 2 StPO. Bei Verbrechenstatbeständen ist außerdem das Zeugnisverweigerungsrecht aus § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO durch § 53 Abs. 2 S. 2 StPO eingeschränkt, zumal es verfassungsrechtlich nicht geboten war, selbst recherchierte Materialien dem Anwendungsbereich dieser Norm zu unterstellen (BVerfG Beschluss vom 01.10.1987 2 BvR 1434/86 Rdn. 16 zit. nach juris zu § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F.).
Auf Seiten des Beschwerdeführers ist zu berücksichtigen, dass es sich um ein gefördertes Forschungsvorhaben handelt, bei dem er sich im Rahmen der gewährten Einzelförderung der DFG den oben genannten Beschränkungen unterworfen hat.
Die Forschungstätigkeit des Beschwerdeführers im Rahmen der hier gegenständlichen Studie wurde zudem nicht behindert, da das betreffende Interview mit dem Beschuldigten abgeschlossen war; insofern steht auch allenfalls die Befürchtung im Raum, dass künftige anderweitige nicht konkretisierte Projekte mit gleichartiger Forschungsmethodik beeinträchtigt werden könnten, falls potentielle Interviewpartner aufgrund des Risikos, Ermittlungsbehörden könnten auf Befragungsinhalte zugreifen, eine Teilnahme verweigern würden. Dies stellt aber eine bloße nicht konkretisierte Erwartung dar.
Aus diesen Gründen träte die Forschungsfreiheit des Beschwerdeführers, die hier lediglich unerheblich beeinträchtigt wurde, gegenüber dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse zurück, falls methodisch ein unmittelbar aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG abgeleitetes Zeugnisverweigerungsrecht oder eine erweiternde Auslegung des § 53 Abs. 1 StPO auf Forschungstätigkeit generell oder in Bezug auf die Erarbeitung von Publikationen im Raum stünde.
c) Aus den oben unter B. 1. a (2) genannten Gründen gebieten die wesentlichen Unterschiede zwischen wissenschaftlichem Publikationswesen und sonstigen Publikationen insbesondere journalistischer Art entgegen der Beschwerde keine Gleichbehandlung von auf Publikation gerichteter Forschungstätigkeit dahingehend, dass hieraus über Art. 3 Abs. 1 GG Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmefreiheit abgeleitet werden könnten.
d) Der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss war auch verhältnismäßig, da die Aufklärung eines Verbrechenstatbestandes im Raum stand, die konkrete Forschungstätigkeit nicht beeinträchtigt wurde und mildere Mittel aufgrund der Weigerung des Beschwerdeführers, die gegenständlichen Unterlagen und Dateien herauszugeben, nicht zur Verfügung standen.
2. Soweit die Beschwerde geltend macht, die Ermittlungsrichterin habe eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts durch Richtervorlage herbeiführen müssen, und in ihrem ergänzenden Schreiben vom 14.7.2020 erneut auf diese Norm „als Stützpfeiler einer dem Grundgesetz verpflichteten Justiz“ verweist, verkennt sie grundlegend, dass Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG den Richter einzig und alleine dann zu einer Vorlage verpflichtet, wenn er selbst von der Verfassungswidrigkeit einer Norm überzeugt ist (vgl. Dederer in Maunz/Dürig a.a.O. Art. 100 GG Rdn. 128 f. m.w.N.), nicht aber schon dann, wenn er hieran bloße Zweifel hat oder aber diese Zweifel von Beschwerdeführern oder etwa in der Fachliteratur geäußert werden.
Auch der Senat sieht keinen Anlass zu einer etwaigen Vorlage, da er von der Verfassungsmäßigkeit des § 53 Abs. 1 StPO überzeugt ist. Dies gilt ungeachtet der Frage, ob § 53 Abs. 1 StPO als eine Norm des nachkonstitutionellen Rechts anzusehen ist, das alleine Gegenstand einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG sein kann.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.


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