Aktenzeichen AN 13b D 15.02473
Leitsatz
1 Eine im Dienst begangene vorsätzliche gefährliche Körperverletzung (ungerechtfertigter Schlagstockeinsatz), die mit der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung bestraft wird, stellt ein schweres innerdienstliches Dienstvergehen dar. Da Polizeibeamte Straftaten zu verhüten und zu verfolgen haben, genießen sie in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung. Eine in Ausübung des Dienstes begangene vorsätzliche Körperverletzung beeinträchtig dieses Vertrauen so erheblich, dass sich regelmäßig die Frage stellt, ob der Polizeibeamte noch tragbar ist. (redaktioneller Leitsatz)
2 Ist das Vertrauen des Dienstherren und der Allgemeinheit noch nicht endgültig verloren, ist die Zurückstufung in das Eingangsamt die angemessene Disziplinarmaßnahme. So wenn erhebliche Entlastungsgründe bestehen, weil der Polizeibeamte sich in einer außergewöhnlichen Einsatz- und Stresssituation befand und sein dienstlichen Verhalten vor und nach der Tat tadellos ist, der abgeurteilten Vorfall also ein einmaliges, persönlichkeitsfremdes Fehlverhalten war. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Beklagte wird in das Amt eines Polizeimeisters (BesGr. A 7) zurückgestuft.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Das von dem Beklagten begangene Dienstvergehen führt in Anwendung des Art. 10 Abs. 1 Satz 1 BayDG zur Zurückstufung des Beklagten in das Amt eines Polizeimeisters (BesGr. A 7).
I.
Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf, solche sind von dem Beklagten auch nicht geltend gemacht worden.
II.
Die Kammer legt der disziplinarrechtlichen Würdigung die tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils des Landgerichts … vom 27. Juni 2014 – …, zugrunde, mit welchem der Beklagte wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt gemäß §§ 340 Abs. 1, 3, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4, 25 Abs. 2, 53, 56 ff. StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden ist. Die Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Die strafgerichtlichen Feststellungen sind gemäß Art. 55 BayDG i. V. m. Art. 25 Abs. 1 BayDG für das Disziplinarklageverfahren bindend. Wie sich durch Augenscheineinnahme des von dem Vorfall am …2012 gefertigten Polizeivideos in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, enthält das Strafurteil keine offenkundig unrichtigen Feststellungen im Sinne des Art. 55 BayDG.
Nach den Feststellungen im strafgerichtlichen Urteil schlug der Beklagte am … 2014 nach dem Heimspiel des … gegen den … (…) einer nicht mehr zu ermittelnden Person vorsätzlich dreimal schuldhaft und ohne rechtfertigenden Grund mit dem Einsatzstock in den Rückenbereich. Wegen der Einzelheiten des festgestellten Sachverhalts wird auf die wörtliche Wiedergabe der Feststellungen aus dem Strafurteil im Tatbestand unter Ziffer II. verwiesen.
III.
Der Beklagte hat durch die vom ihm begangene gefährliche Körperverletzung gegen seine Pflicht, die Gesetze zu beachten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) sowie sich seinem Beruf entsprechend achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen und damit ein innerdienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen.
Die Bindungswirkung des strafgerichtlichen Urteils im Disziplinarverfahren umfasst auch die Feststellung, dass der Beklagte vorsätzlich und schuldhaft gehandelt hat (BVerwG, B. v. 25.2.2016 – 2 B 1/15, juris).
Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die erforderliche Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßen Ermessen, insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, U. v. 10.12.2015 – 2 C 6/14, juris; U. v. 29.10.2013 – 1 D 1.12, BVerwGE 148, 192). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (BVerfG, B. v. 8.12.2004 – 2 BvR 52/02, BVerfGK 4, 243). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U. v. 20.10.2005 – 2 C 12.04, BVerwGE 124, 252).
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 BayDG). Das Beamtenverhältnis wird auf Lebenszeit begründet und kann vom Dienstherrn nicht einseitig aufgelöst werden. Pflichtverletzungen des Beamten machen daher Reaktions- und Einwirkungsmöglichkeiten des Dienstherrn erforderlich. Das Disziplinarrecht stellt hierfür Maßnahmen zur Verfügung, um den Beamten im Falle des Dienstvergehens zur Pflichterfüllung anzuhalten oder ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn das notwendige Vertrauen endgültig verloren ist. Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden (BVerwG, U. v. 23.1.1973 – 1 D 25.72, BVerwGE 46, 64; U. v. 25.7.2013 – 2 C 63.11, BVerwGE 147, 229; U. v. 27.2.2014 – 2 C 1.13, BVerwGE 149, 117; U. v. 10.12.2015 – 2 C 6/14, juris). Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden.
Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt.
Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG hat die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zwingend den Verlust der Beamtenrechte zur Folge. Aus der Höhe der verhängten Strafe hat der Gesetzgeber unwiderleglich auf das Ausmaß der Vertrauensbeeinträchtigung geschlossen (vgl. zur Berücksichtigung der Höhe der gegen den Beamten verhängten Strafe auch BVerwG, U. v. 18.6.2015 – 2 C 9.14, NVwZ 2015, 1680). Umgekehrt vermag ein außerdienstliches Verhalten, das keinen Straftatbestand erfüllt, die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht zu rechtfertigen (BVerfG, B. v. 14.6.2000 – 2 BvR 993/94, ZBR 2001, 208; B. v. 8.12.2004 – 2 BvR 52/0, BVerfGK 4, 243).
Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs “Schwere des Dienstvergehens” ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z. B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z. B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, U. v. 20.10.2005 – 2 C 12.04, BVerwGE 124, 252).
Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, hat das Bundesverwaltungsgericht zunächst bei außerdienstlichen Dienstvergehen auf den Strafrahmen zurückgegriffen. Mit der Strafandrohung hat der Gesetzgeber seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht. Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von außerdienstlich begangenen Straftaten. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen (BVerwG, U. v. 19.8.2010 – 2 C 5.10, Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 22, und 2 C 13.10, Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 25; U. v. 18.6.2015 – 2 C 9.14, NVwZ 2015, 1680). Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind.
Die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der Disziplinarmaßnahmen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 BayDG am gesetzlich bestimmten Strafrahmen ist auch bei innerdienstlich begangenen Dienstvergehen geboten. Auch bei diesen Dienstvergehen gewährleistet die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen. Soweit das Bundesverwaltungsgericht bisher in bestimmten Fallkonstellationen, z. B. bei Zugriffsdelikten, maßgeblich auf andere Kriterien, wie z. B. die Schadenshöhe abgestellt hat, hält das Bundesverwaltungsgericht an dieser Rechtsprechung nicht mehr fest (U. v. 10.12.2015 – 2 C 6/14, juris).
Der Beklagte ist wegen des ihm im Disziplinarverfahren zur Last gelegten Tatvorwurfs wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden. Die im Falle des Beklagten zur Anwendung gekommenen Strafnormen der §§ 340 Abs. 1, 3, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 sehen einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor.
Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren – hier sind es sogar bis zu zehn Jahre – vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
Im Falle des Beklagten ist weiter zu berücksichtigen, dass ein Polizeivollzugsbeamter, der in Ausübung seines Dienstes eine vorsätzliche Körperverletzung begeht, ohne dass ein Fall der Notwehr oder Putativnotwehr vorliegt, in grober Weise gegen seinen gesetzlichen Auftrag zur Gefahrenabwehr verstößt und den Kernbereich seiner Dienstpflichten verletzt. Denn er missbraucht die ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben verliehenen Machtbefugnisse, erschüttert das in ihn vom Dienstherrn gesetzte Vertrauen in seine dienstliche Zuverlässigkeit und beeinträchtigt in erheblichem Maße das Ansehen der Polizei. Polizeibeamte haben Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen, sie genießen in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung. Das zur Ausübung dieser Ämter erforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte selbst erhebliche Straftaten begehen (BVerwG, U. v. 18.6.2015 – 2 C 9/14, juris Rn. 22).
Körperverletzungsdelikte von Polizeibeamten haben deshalb ganz erhebliches Gewicht und werfen – jedenfalls bei Versagen im Amt – regelmäßig die Frage auf, ob der Beamte für den Polizeivollzugsdienst noch tragbar ist. Ein Polizeibeamter hat unter anderem die Aufgabe, Gefahren abzuwehren, die Leben, Gesundheit oder Freiheit von Personen bedrohen. Begeht ein mit solchen Aufgaben und Befugnissen betrauter Beamter in Ausübung seines Dienstes eine vorsätzliche Körperverletzung, ohne dass diese durch Notwehr oder Putativnotwehr gerechtfertigt ist, so handelt er in grober Weise seinem gesetzlichen Auftrag zuwider. Der Achtungsverlust, den ein Polizeibeamter erleidet, der sich in Ausübung seines Amtes einer vorsätzlichen Körperverletzung schuldig macht, strahlt auf die Polizei insgesamt aus. Die Allgemeinheit kann und darf mit Recht erwarten, dass das allgemeine strafgesetzliche Verbot, Andere körperlich zu verletzen, gerade von Polizeibeamten befolgt wird, zu deren Kernpflichten es gehört, die Einhaltung dieses Verbots zu überwachen und Verstöße hiergegen zu unterbinden und zu verfolgen. Das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) besitzt einen besonders hohen Rang (vgl. zum Ganzen: BayVGH, U. v. 5.3.2008 – 16a D 07.1368, juris).
Wie bereits ausgeführt ergeht die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme gemäß Art. 14 Abs. 1 BayDG nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, des Persönlichkeitsbildes des Beamten und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit. Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass diese Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (BVerwG, U. v. 20.10.2005 – 2 C 12.04, BVerwGE 124, 252; U. v. 18.6.2015 – 2 C 9.14, NVwZ 2015, 1680). Bei der Ausübung des den Gerichten nach Art. 14 Abs. 1 BayDG eröffneten Ermessens, bei dem sie nicht an die Wertungen des Dienstherrn gebunden sind, ist jede Schematisierung zu vermeiden (BVerwG, U. v. 20.10.2005 – 2 C 12.04, BVerwGE 124, 252 und U. v. 18.6.2015 – 2 C 9.14, NVwZ 2015).
In Hinblick auf die oben dargestellte aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommen statusberührende Disziplinarmaßnahmen auch bei Polizeibeamten deshalb nur bei besonders schwerwiegenden Verfehlungen in Betracht (vgl. Sächsisches OVG, B. v. 11.1.2016 – 6 B 357/15.D, juris Rn. 12), wobei nach neuerer Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei der disziplinarrechtlichen Ahndung indiziell auch an die vom Strafgericht konkret ausgesprochene Sanktion angeknüpft werden kann (vgl. BVerwG, U. v. 18.6.2015 – 2 C 9/14, BVerwGE 152, 228, Rn. 38 f., m. w. N.).
Hiervon ausgehend ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass das Fehlverhalten des Beklagten zwar schwer i. S. v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG wiegt, der Beklagte – insbesondere unter Berücksichtigung seines Persönlichkeitsbilds und seines bisherigen dienstlichen Verhaltens – das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit jedoch noch nicht endgültig verloren hat und eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis vorliegend weder als angemessen (verhältnismäßig) noch als erforderlich anzusehen ist. Die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens ist vorliegend wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens nicht geboten.
Zulasten des Beklagten spricht zunächst, dass er dreimal mit dem Einsatzstock vorsätzlich und ohne rechtfertigenden Grund auf den Rücken einer anderen Person geschlagen hat, von der zum Zeitpunkt der Anwendung des Einsatzstockes keine Gefahr mehr ausgegangen ist, und der Beklagte nach den Feststellungen des Landgerichts … vom … von seinem Kollegen … von weiteren Schlägen abgehalten werden musste.
Andererseits bestehen erhebliche Entlastungsgründe, die zugunsten des Beklagten sprechen.
Die Körperverletzung erfolgte nicht gegenüber einer Person im polizeilichen Gewahrsam (vgl. hierzu: BayVGH, U. v. 5.3.2008 – 16a D 07.1368), sondern in einer außergewöhnlichen, sich weiter eskalierenden Situation, in welcher sich der Beklagte während des Einsatzes beim Heimspiel des … gegen den … am … 2012 befunden hat.
Wie sich den nachfolgend nochmals zusammengefasst wiedergegeben strafgerichtlichen Feststellungen entnehmen lässt wurde der Beklagte mit anderen Beamten in den Bereich …, …Straße und …Straße beordert, wo sich mehrere Dutzend gewaltbereite Fans des …, sogenannte …, versammelt hatten. Es wurde seitens der Polizei die Gefahr gesehen, dass zwei … Fans, welche bereits zum Zwecke der Identitätsfeststellungen angehalten worden waren, von diesen befreit werden könnten.
Um einer drohenden Eskalationsgefahr entgegenzuwirken, bildeten zehn bis zwölf Beamte des Einsatzzuges der Polizeiinspektion …, unter Ihnen der Beklagte, eine Polizeikette, um die Beamten, welche beide oben genannten Personen zur Identitätsfeststellung in Gewahrsam genommen hatten, zu schützen. Aufgrund dieser Abschirmung steigerte sich nunmehr die Stimmung der genannten …-Fans. Es ertönten Rufe wie „scheiß Bullen… für das SEK hat es nicht gereicht … jetzt hauen wir den Bullen auf die Fresse…“.
In dieser Situation kam es durch den Polizeibeamten R., der im oben bezeichneten Strafverfahren als Mitangeklagter zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist, zu einem massiven Übergriff auf den Geschädigten … Bereits aufgrund des ersten Schlages durch den Beamten R. hatte sich die Gruppe gewaltbereiter Fußballfans, welche bis zu diesem Zeitpunkt zunächst eine Distanz von ca. vier bis fünf Metern zur von Polizeibeamten gebildeten Einsatzkette eingehalten hatte, in einer Weise über das nunmehrige Geschehen erregt, dass ca. 30 bis 40 Personen in Form einer ungeordneten Meute nunmehr in Richtung der Polizeikette drängten, was nachfolgend zu einem großflächigen Einsatzes von Pfefferspray durch mehrere Polizeibeamte im Bereich der gesamten Länge der genannten Polizeikette führte. Es näherte sich nunmehr eine männliche Person, deren Personalien nicht mehr festgestellt werden konnten, welche eine dunkle Jacke trug und eine Kapuze über den Kopf gezogen hatte, dem direkt rechts neben dem Beamten R. befindlichen Beklagten, wobei diese Person eine Wurfbewegung vollführte. Die Strafkammer ging zugunsten des Beklagten und seinem Kollegen R. davon aus, dass diese unbekannte Person einen kleineren Gegenstand in Richtung der Polizeibeamten warf.
Unmittelbar nach dem geschilderten Wurf wandte sich die unbekannt gebliebene männliche Person, erkennbar unter dem Eindruck eines Pfeffersprayeinsatzes, aus Sicht dieser Person nach rechts ab, so dass sie dem Beklagten und dem Beamten R. jeweils den Rücken zukehrte. Obwohl der Beklagte nach den Feststellungen der Strafkammer erkannte, dass von dieser Person keinerlei Gefahr für die eingesetzten Polizeibeamten mehr ausging, begab er sich einige Schritte nach vorne in Richtung des Unbekannten und schlug diesem mit seinem in der rechten Hand gehaltenen, polizeilichen Einsatzstock bewusst und gewollt mit voller Wucht in den Rückenbereich. Während der Unbekannte sich nunmehr in gebückter Haltung und mit erhobener Hand, welche bedeutete, dass von ihm nunmehr keinerlei Angriffe mehr zu befürchten seien, in der Nähe eines dort stehenden kleinen Baumes befand, hatte der Beamte R. den Schlag des Beklagten in den Rückenbereich dieses Unbekannten bemerkt, begab sich daraufhin zu diesem mit seiner fast kauernden Körperhaltung und schlug dem Unbekannten ebenfalls einmal mit voller Wucht gezielt in den Rückenbereich. Während der Beamte R. nunmehr wieder den übrigen Fußballfans nacheilte, schlug der Beklagte, welcher in unmittelbarer Nähe zu dem Unbekannten stehen geblieben war, noch zweimal gezielt und mit voller Wucht mit seinem Einsatzstock gegen den Rückenbereich dieses Unbekannten, welcher immer noch sich in kauernder Abwehrhaltung befand.
Die Kammer geht auf Basis der strafgerichtlichen Feststellungen zugunsten des Beklagten davon aus, dass er sich in einer für ihn bisher einmaligen, außergewöhnlichen Einsatz- und Stresssituation befunden hat. Die Stimmung war bereits zu Beginn des hier relevanten Einsatzes aufgeheizt, da die Gefahr bestand, dass sog. … zur Identitätsfeststellung festgehaltene Personen befreien würden. Es ist für die Kammer deshalb nachvollziehbar, dass sich der Beklagte – wie auch andere Beamte – nach der durch das völlig überzogene Vorgehen des Beamten R. gegen den geschädigten Wagner ausgelösten weiteren Eskalation der Situation, die zu einem Vordringen einer Gruppe von 30 bis 40 gewaltbereiten … gegenüber den Polizeibeamten führte, massiv bedroht gefühlt und situationsbedingt – möglicherweise auch angespornt durch das Fehlverhalten seines Kollegen R. – überreagiert hat und sich zur Verwendung des Einsatzstockes hat hinreißen lassen. Zugunsten des Beklagten ist auch zu berücksichtigen, dass der Unbekannte zuvor einen Gegenstand in Richtung des Beklagten geworfen hat und nicht auszuschließen ist, dass der Beklagte, wie von seinem Bevollmächtigten vorgetragen, mit der Möglichkeit rechnete, es könnte zu einem weiteren Wurf durch den Unbekannten kommen.
Weiter ist zugunsten des Beklagten zu würdigen, dass es vor seinem Fehlverhalten zu groben Beleidigungen und bedrohlichen Gesten durch Mitglieder der … gegenüber den eingesetzten Beamten gekommen ist (BayVGH, U. v. 26.5.1982, VGH n. F. 36, 47; U. v. 5.3.2008 – 16a D 07.1368).
Unter besonderer Berücksichtigung des positiven Persönlichkeitsbildes des Beklagten und seiner vor und nach dem Vorfall tadellosen Dienstführung geht die Kammer deshalb davon aus, dass es sich bei dem Vorfall vom … 2012 um ein einmaliges, nicht der Persönlichkeit des Beklagten entsprechendes, also persönlichkeitsfremdes Fehlverhalten gehandelt hat.
Das Fehlverhalten des Beklagten hat im Hinblick auf die bezeichneten Besonderheiten des Einzelfalls nicht zu einer Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums geführt, die bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wieder gutzumachen wäre (vgl. BVerwG, U. v. 29.05.2008 – 2 C 59/07, juris). In der Presse wurde ausführlich über den Polizeieinsatz am … 2014 und die Situation, in der sich die Einsatzkräfte befunden hatten, berichtet. So schilderten die … beispielhaft in ihrer Ausgabe vom 27. Juni 2014 die damals von den eingesetzten Beamten empfundene Drohkulisse und ihre Angst, ob sie unverletzt nach Hause kommen würden. Auch in der Öffentlichkeit waren deshalb die besonderen Umstände des Einsatzes bekannt und machen die Handlungsweise des Beklagten auch in der Öffentlichkeit in gewisser Weise nachvollziehbar.
Schließlich ist zugunsten des Beklagten zu berücksichtigen, dass sich das verhängte Strafmaß von acht Monaten nur wenig oberhalb der gesetzlichen Mindeststrafe für gefährliche Körperverletzung im Amt von sechs Monaten bewegt.
Weitere anerkannte oder sonstige (vgl. BVerwG, B. v. 2.3.2012 – 2 B 8/11) Milderungsgründe von beachtlichem Gewicht liegen nicht vor.
Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Schuldfähigkeit des Beklagten zum Tatzeitpunkt erheblich im Sinne des § 21 StGB gemindert war. Dies wird vom Beklagten auch selbst nicht behauptet. Im strafgerichtlichen Verfahren wurden ebenfalls keine dahingehenden Feststellungen getroffen.
In der Gesamtbewertung der den Beklagten be- und entlastenden Umstände ist unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beklagten deshalb zwar eine deutliche Pflichtenmahnung in Form der Herabstufung des Beklagten in das Eingangsamt als geboten, aber auch als ausreichend anzusehen. Diese Disziplinarmaßnahme ist schuldangemessen und im Hinblick auf die Schwere des Dienstvergehens verhältnismäßig.
Für eine Entscheidung nach Art. 10 Abs. 3 Satz 2 BayDG zugunsten des Beklagten bestand kein Anlass.
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.