Strafrecht

Zurückstufung eines Schulleiters in das Eingangsamt wegen Veruntreuung des Schulkontos

Aktenzeichen  AN 13b D 17.2408

Datum:
7.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 17654
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 10, Art. 21, Art. 24 Abs. 1
StGB § 13, § 54, § 266 Abs. 1, Abs. 2, § 263 Abs. 3 Nr. 1
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

1 Die Verwaltungsgerichte sind nur dann berechtigt, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn sie ansonsten „sehenden Auges“ auf der Grundlage eines unrichtigen Sachverhalts entscheiden müssten (stRspr BVerwG BeckRS 9998, 171328). Bloße Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen reichen hierfür nicht. (Rn. 181 und 182) (redaktioneller Leitsatz)
2 Diese Bindung besteht auch, wenn ein Strafurteil auf einem Geständnis beruht, dem eine Verständigung nach § 257c StPO vorangegangen ist, sofern es sich nicht um ein inhaltsleeres Formalgeständnis handelt. (Rn. 184 und 185) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine vollständige Zerstörung des Vertrauens in die Zuverlässigkeit eines Beamten, die seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erforderlich macht, ist bei innerdienstlichen Betrugs- oder Untreuehandlungen in der Regel anzunehmen, wenn entweder das Eigengewicht der Tat besonders hoch ist oder eine zusätzliche Verfehlung mit erheblichem disziplinarischem Eigengewicht vorliegt und durchgreifende Milderungsgründe fehlen (stRspr BVerwG BeckRS 2015, 46531). (Rn. 213) (redaktioneller Leitsatz)
4 Die Zurückstufung in das Eingangsamt, nicht aber die Entfernung aus dem Dienst ist geboten, wenn ein Schulleiter wegen Untreue in 26 Fällen hinsichtlich des Schulkontos zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt wird und Umstände vorliegen, die in ihrer Gesamtheit einem anerkannten Milderungsgrunde vergleichbar sind. (Rn. 213 – 232) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird in das Amt eines Lehrers (BesGr. A 12) zurückgestuft.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Disziplinarklage führt in Anwendung des Art. 10 Abs. 1 BayDG zur Zurückstufung des Beklagten in das Eingangsamt eines Lehrers (BesGr. A 12).
I.
Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Solche werden auch nicht geltend gemacht. Der Beklagte wurde im Disziplinarverfahren ordnungsgemäß belehrt und angehört (Art. 22 BayDG). Er konnte sich gemäß Art. 32 BayDG abschließend äußern.
II.
Der dem Beklagten in der Disziplinarklage zur Last gelegte Sachverhalt steht fest auf Grund der tatsächlichen Feststellungen aus dem rechtskräftigen Strafurteil des Amtsgerichts … vom 23. November 2016 – …, mit welchem der Beklagte wegen Untreue in 26 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt worden ist, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist seit dem 1. Dezember 2016 rechtskräftig.
Entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten des Beklagten sind die tatsächlichen Feststellungen des Urteils gemäß Art. 55 BayDG i.V.m. Art. 25 Abs. 1 BayDG für das Disziplinarklageverfahren bindend, da die im Strafverfahren getroffenen Feststellungen nicht offensichtlich unrichtig sind (Art. 55 BayDG).
Die gesetzliche Bindungswirkung dient der Rechtssicherheit. Sie soll verhindern, dass zu ein- und demselben Geschehensablauf unterschiedliche Tatsachenfeststellungen getroffen werden. Der Gesetzgeber hat die Aufklärung eines sowohl strafrechtlich als auch disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalts sowie die Sachverhalts- und Beweiswürdigung den Strafgerichten übertragen.
Dementsprechend sind die Verwaltungsgerichte nur dann berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn sie ansonsten „sehenden Auges“ auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müssten. Dies ist etwa der Fall, wenn die Tatsachenfeststellungen des Strafurteils in Widerspruch zu Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen stehen oder aus sonstigen Gründen offenbar unrichtig sind. Darüber hinaus kommt eine Lösung in Betracht, wenn neue Beweismittel vorgelegt werden, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen und nach denen die Tatsachenfeststellungen jedenfalls auf erhebliche Zweifel stoßen. Die Bindungswirkung entfällt aber auch bei Strafurteilen, die in einem ausschlaggebenden Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind (BVerwG, U.v. 29.11.2000 – 1 D 13.99, BVerwGE 112, 243, v. 14.32007 – 2 WD 3.06, BVerwGE 128, 189 und v. 1.3.2013 – 2 B 78/12, NVwZ-RR 2013, 559; B.v. 24.7.2007 – 2 B 65.07, Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 4 Rn. und v. 26.8.2010 – 2 B 43.10, Buchholz 235.1 § 57 BDG Nr. 3 Rn. 5).
Bloße Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen oder die bloße Möglichkeit eines objektiv oder subjektiv anderen Geschehens reichen für eine Lösung von der Bindung an die strafgerichtlichen Feststellungen folglich nicht aus.
Die genannten Voraussetzungen für eine Lösung von der Bindungswirkung liegen nicht vor.
Zwar beruht das Urteil auf einem Geständnis des Beklagten, dem eine Verständigung nach § 257c StPO vorangegangen ist.
Bei dem Geständnis des Beklagten handelt es sich jedoch nicht um ein inhaltsleeres Formalgeständnis, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die richterliche Überzeugungsbildung nicht ausreicht und deshalb im Disziplinarverfahren keine Bindungswirkung entfaltet Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht … vom 23. November 2016 haben die Verständigungsgespräche zu dem Ergebnis geführt, dass im Falle eines Geständnisses sich das Gericht die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe zwischen mindestens 9 und höchstens 11 Monaten vorstellen könne, deren Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen sei.
Am gleichen Tag hatten die dortigen Bevollmächtigten des Beklagten eine schriftliche Erklärung für diesen vorgelegt, in welcher er unberechtigte Abhebungen von dem Schulkonto Nr. … bei der Sparkasse … durch seine Ehefrau eingeräumt hat.
Das Amtsgericht … hat sich in den Gründen des Urteils vom 23. November 2016, die gemäß § 267 Abs. 4 StPO abgekürzt wurden, inhaltlich in einer ausreichenden Weise mit dem Tatvorwurf auseinandergesetzt. Die Urteilsgründe zeigen, dass sich das Gericht unter vollständige Ausschöpfung des damals vorhandenen Materials eine Überzeugung zur Strafbarkeit des Beklagten gebildet hat. Der Sachverhalt wurde insbesondere durch die Einvernahme von Zeugen weiter aufgeklärt, in den Gründen dargelegt und rechtlich gewürdigt. Das abgelegte Geständnis war auch ohne weiteres mit dem Ermittlungsergebnis zu vereinbaren, in sich stimmig und hat auch die getroffenen Feststellungen getragen. Eine Abweichung besteht nur insoweit, als das Urteil auch den Tatvorwurf Nr. 19 (Abhebung von 2.700.- EUR durch den Beklagten) ahndet, dieser in der schriftlichen Erklärung vom 23. November 2016 jedoch nicht ausdrücklich erwähnt wird. Dies ist jedoch unschädlich, da der Beklagte in dem genannten Schreiben seines Bevollmächtigten vom 23. November 2016 die Abhebung vom 23. November 2016 jedenfalls nicht in Abrede gestellt und auch nicht eine geplante dienstliche Verwendung des Betrages geltend gemacht hat, obwohl der Tatvorwurf Nr. 19 Gegenstand der Anklage war und die betragsmäßig auch die betragsmäßig höchste Abhebung darstellte.
Die Landesanwaltschaft Bayern weist zu Recht darauf hin, dass der Beklagte – sofern er das Urteil des Strafgerichts wegen der Berücksichtigung des Tatvorwurfs Nr. 19 für fehlerhaft hält – Berufung hätte einlegen können.
Auch in den ersten Stellungnahmen der Bevollmächtigten des Beklagten im Disziplinarverfahren vom 30. März 2017 und vom 25. September 2017 wurde nicht vorgetragen, dass die Abhebung von 2700.- am 7. März 2014 durch den Beklagten aus dienstlichen Gründen erfolgt sei. Entsprechender Sachvortrag erfolgt erstmals mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2017.
Das nunmehrige Bestreiten der Richtigkeit der Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts … vom 23. November 2016 reicht jedoch nicht aus, um die Bindungswirkung nach Art. 55 BayDG aufzuheben. Denn insoweit hätte der Beklagte bereits bei der Verständigung nach § 257c StPO entsprechende Einschränkungen bzw. Klarstellungen machen können. Wenn er dies unterlassen hat, um eine Verurteilung unterhalb der Grenze zu erreichen, die gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG zwingend den Verlust der Beamtenrechte zur Folge gehabt hätte, geht dies zu seinen Lasten und führt nicht dazu, dass die die Feststellungen des Strafgerichts offensichtlich unrichtig wären.
Die Bindungswirkung entfällt auch nicht auf Grund der Ausführungen der Stadt … in der Stellungnahme vom 23. August 2017. Denn das genannte Schreiben enthält keine neuen Tatsachen oder Beweismittel, die dazu führen würden, dass sich die Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts … nunmehr als offensichtlich unrichtig erweisen würden. Eine offensichtliche Unrichtigkeit folgt insbesondere nicht aus dem Hinweis der Stadt …, durch das Verhalten des Beklagten sei ihr kein Schaden entstanden.
In den Gründen des Strafurteils wird ausgeführt, dem Beklagten seien aufgrund der ihm eingeräumten Kontovollmacht die finanziellen Interessen anvertraut worden und er sei für den Schutz des Vermögens der Schule verantwortlich gewesen. Durch die Abhebungen in Höhe von 12.400.- EUR sei ein Schaden in gleicher Höhe entstanden.
Für die Bejahung eines Schadens ist es im Anwendungsbereich des § 266 StGB ausreichend, dass der Beklagte (zumindest) geduldet hat, dass Gelder, die ausschließlich für schulische Zwecke auf dem Handkassenkonto der Stadt … vorhanden waren, unberechtigt durch seine Ehefrau für private Zwecke verwendet wurden, und er in einem Fall selbst eine derartige Abhebung vorgenommen hat. (vgl. BayVGH, U.v. 28.6.2017 – 16a D 15.1484, juris Rn. 74). Auf die konkreten Eigentumsverhältnisse an den auf das Handkassenkonto eingezahlten Geldern kommt es nicht an, ebenso wenig darauf, ob durch die Abhebungen öffentliches Vermögen beeinträchtigt wurde (VGH BW, U.v. 3.5.2017 – DL 16 S 23/06, juris Rn. 30).
Der Beklagten hat im Übrigen den ihm zur Last gelegten Sachverhalt auch im Disziplinarverfahren mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 30. März 2017 insoweit eingeräumt, dass er durch mangelnde Überwachung seiner Ehefrau dieser ermöglicht hat, über die EC-Karte von dem Handkassenkonto Abhebungen zu tätigen.
III.
Der Beklagte hat, wie durch das Amtsgericht … im Urteil vom 23. November 2016 zutreffend festgestellt worden ist, sich durch das ihm in der Disziplinarklage zur Last gelegte Verhalten wegen Untreue in 26 Fällen gemäß § 266 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
Untreue i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB begeht, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt.
Gemessen daran erfüllen die dem Beklagten zu Last gelegten Abhebungen von Bargeld vom Handkassenkonto der Mittelschule … in … und die Verwendung des Geldes zu privaten Zwecken den Treubruchtatbestand des § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB (vgl. BayVGH, U.v. 28.6.2017 – 16a D 15.1484, juris; SächsOVG, U.v. 7.3.2014 – D 6 A 555/10, juris).
Dem Beklagten war durch die Stadt … als Aufwandsträger gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BaySchFG, § 41 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 KommHV-Doppik die Verfügungsbefugnis über das Handkassenkonto übertragen worden, wozu dieser eine EC-Karte für das Konto erhielt. Damit oblag dem Beklagten eine Vermögensbetreuungspflicht hinsichtlich der auf dem Handkassenkonto verwahrten Gelder (vgl. Leipziger Kommentar zum StGB, 12. A. 2012, Rn. 129 zu § 266 m.w.N.; BGH, U.v. 6.5.1986 – 4 StR 124/86, juris; VGH BW, U.v. 3.5.2007 – DL 16 S 23/06, juris Rn. 30).
Der Beklagte hat die ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht dadurch verletzt, dass er es 25 Fällen pflichtwidrig geduldet hat, dass seine Ehefrau unter Verwendung der dem Beklagten von der Stadt … überlassenen EC-Karte von dem Handkassenkonto Bargeldbeträge abgehoben hat sowie in einem Fall selbst einen Betrag in Höhe von 2.700.- EUR abgehoben hat und nach den bindenden Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts … vom 23. November 2016 diese Gelder privat vereinnahmt, also einer privaten Verwendung zugeführt worden sind.
Soweit es die Abhebungen durch seine Ehefrau betrifft, hat er seine Vermögensbetreuungspflicht hinsichtlich der auf dem Handkassenkonto verwahrten Gelder durch Unterlassen (§ 13 StGB) verletzt. Denn ein Vermögensverwalter ist auch dann nach § 266 StGB verantwortlich, wenn er einer Schädigung des anvertrauten Vermögens durch andere nicht entgegentritt (Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 29. A. 2014, Rn. 31 zu § 13; BGH, U.v. 21.7.1989 – 2 StR 214/89, juris). Dies hat der Beklagte im Strafverfahren über seinen Bevollmächtigten auch selbst eingeräumt.
Durch die Vereinnahmung und zumindest vorübergehende private Nutzung der für schulische Zwecke bestimmten Geldbeträge auf dem Handkassenkonto der Stadt … ist ein Vermögensnachteil im Sinne des § 266 StGB eingetreten. Dieser liegt – wie bereits ausgeführt – in der unberechtigten privaten Nutzung von Geldern, die dem Beklagten über das Handkassenkonto dienstlich anvertraut worden waren. Auf die konkreten Eigentumsverhältnisse an den auf das Handkassenkonto eingezahlten Geldern kommt es nicht an, ebenso wenig darauf, ob öffentliches Vermögen beeinträchtigt wurde (VGH BW, U.v. 3.5.2017 – DL 16 S 23/06, juris Rn. 30).
Die Absicht, die Gelder zu einem späteren Zeitpunkt wieder vollständig auf das Handkassenkonto zu überweisen, beseitigt den eingetretenen Vermögensnachteil nicht (BayVGH, U.v. 28.6.2017 – 16a D 15.1484, juris Rn. 74).
Der Beklagte hat bei der Begehung des einheitlichen Dienstvergehens vorsätzlich und schuldhaft gehandelt. Dies ergibt sich aus den auch insoweit die Disziplinarkammer bindenden Feststellungen des Amtsgerichts … im Urteil vom 23. November 2016 (BVerwG, B.v. 25.2.2016 – 2 B 1/15, juris Rn. 9).
Durch sein Verhalten hat der Beklagte vorsätzlich und schuldhaft gegen die ihm obliegenden Dienstpflichten verstoßen und dadurch ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen begangen (Art. 84 Abs. 1 Satz 1 BayBG a.F., § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG). Das Handeln bzw. Unterlassen des Beklagten war in sein Amt als Rektor und in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden, weil er dienstlich gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 3 BaySchFG die Verfügungsbefugnis und damit auch die Vermögensbetreuungspflicht für die auf dem Handkassenkonto verwahrten Gelder übertragen erhalten hatte.
Der Beklagte hat gegen die Pflichten verstoßen, die Gesetze zu beachten (§§ 266 Abs. 1 StGB, Art. 62 Abs. 1 Satz 2 BayBG a.F., § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG), den Dienst ordnungsgemäß zu erfüllen (Art. 64 Abs. 1 Satz 1 BayBG a.F., § 34 Satz 1 BeamtStG), das ihm übertragene Amt uneigennützig und nach bestem Gewissen auszuüben (Art. 64 Abs. 1 Satz 2 BayBG a.F., § 34 Satz 2 BeamtStG) sowie sich im Dienst achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (Art. 64 Abs. 1 Satz 3 BayBG a.F., § 34 Satz 3 BeamtStG).
Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayDG. Es hat jedoch nicht zur Folge, dass der Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat und deshalb auf die Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erkennen wäre.
Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss daher unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem angemessenen und gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14, juris Rn. 12).
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen schuldhafter Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amts erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (BVerwG, U.v. 10.12.2015, a.a.O., Rn. 13).
Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der jeweiligen Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, U.v. 10.12.2015, a.a.O., Rn. 16).
Auf die Einstufung des Dienstvergehens als Zugriffsdelikt oder einem gleichgestellten Delikt kommt es vorliegend nicht an. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 10. Dezember 2015 – 2 C 6.14 ausdrücklich klargestellt, dass es seine bisherige Rechtsprechung zu den Zugriffsdelikten aufgibt; Hieraus lässt sich schließen, dass sich jede schematische Betrachtung – insbesondere an Hand von Schwellenwerten – verbietet (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2017 – 16a D 15.2758, juris Rn. 46; U.v. 3.5.2017 – 16a D 15.1777, juris Rn. 31). Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, ist vielmehr auch bei innerdienstlichen Straftaten auf den gesetzlich bestimmten Strafrahmen zurückzugreifen (BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16, juris Rn. 14; BayVGH, U.v. 28.6.2017 – 16a D 15.1484, juris Rn. 83).
Für Untreue ist gemäß § 266 Abs. 1 StGB ein gesetzlicher Strafrahmen von bis zu fünf Jahren vorgesehen. Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetzbuch als Strafrahmen bis zu drei Jahren vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 10.12.2015, a.a.O., Rn. 20; BayVGH, U.v. 28.6.2017, a.a.O., Rn. 83; U.v. 11.5.2016 – 16a D 13.1540, juris Rn. 70, 72).
Die volle Ausschöpfung des Orientierungsrahmens ist vorliegend wegen der konkreten Umstände des Einzelfalls jedoch weder geboten noch verhältnismäßig, weil der Beklagte durch sein Dienstvergehen das Vertrauen seines Dienstherrn oder der Allgemeinheit (noch) nicht endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 BayDG).
Eine vollständige Zerstörung des Vertrauens in die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit eines Beamten, die seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erforderlich macht, ist bei innerdienstlichen Betrugs- oder Untreuehandlungen in der Regel anzunehmen, wenn entweder das Eigengewicht der Tat besonders hoch ist oder eine zusätzliche Verfehlung mit erheblichem disziplinarischem Eigengewicht vorliegt und durchgreifende Milderungsgründe fehlen. Erschwernisgründe können sich z.B. aus der Anzahl und Häufigkeit der Taten, der Höhe des Gesamtschadens und der missbräuchlichen Ausnutzung der dienstlichen Stellung oder dienstlich erworbener Kenntnisse ergeben (BVerwG, B.v. 6.5.2015 – 2 B 19.14, juris Rn. 11).
Die vollständige Ausschöpfung des Orientierungsrahmens ist vorliegend wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens nicht geboten. Zwar hat sich der Beklagte der Untreue in 26 Fällen schuldig gemacht. Auch ist die vom Strafgericht festgestellte Schadenshöhe durch die zumindest vorübergehende Verwendung von auf dem Handkassenkonto verwahrten Geldern in Höhe von 12.400.- erheblich.
Allerdings bestehen vorliegend Besonderheiten, die es rechtfertigen, von der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis abzusehen, und (nur) auf die Zurückstufung in das Eingangsamt zu entscheiden.
Dem Kläger ist zunächst zuzugeben, dass sog. anerkannte Milderungsgründe wie „Handeln in einer unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage“, „Vorliegen einer schockartigen psychischen Ausnahmesituation“ oder „einer einmaligen persönlichkeitsfremden Augenblickstat“ zu Gunsten des Beklagten nicht vorliegen.
Der Milderungsgrund einer unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage greift im vorliegenden Fall schon deshalb nicht ein, weil es sich hier jedenfalls nicht um ein vorübergehendes, zeitlich und zahlenmäßig eng begrenztes Fehlverhalten gehandelt hat. Wiederholte Zugriffs- oder zugriffsähnliche Handlungen über einen längeren Zeitraum erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. BVerwG, U.v. 23.10.2002 – 1 D 5.02 – juris Rn. 17; BayVGH, U.v. 3.5.2017 – 16a D 15.2087). Der Beklagte hat in einem Zeitraum von fast zwei Jahren Abhebungen durch seine Ehefrau geduldet. Aus den gleichen Gründen liegen die Voraussetzungen einer „schockartigen psychischen Ausnahmesituation“ oder „einer einmaligen persönlichkeitsfremden Augenblickstat“ nicht vor.
Der Milderungsgrund der tätigen Reue greift ebenfalls nicht, da vor der Entdeckung der Untreuehandlungen nur 6.300.- EUR wieder auf das Handkassenkonto eingezahlt worden waren.
Auch der Milderungsgrund der „Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase“ liegt nicht vor. Dieser setzt außergewöhnliche Verhältnisse voraus, die den Beamten während des Tatzeitraums oder im Tatzeitpunkt „aus der Bahn geworfen“ haben. Die mildernde Berücksichtigung liegt vor allem dann nahe, wenn sich der Pflichtenverstoß als Folge dieser Verhältnisse darstellt. Allerdings muss der Beamte diese Lebensphase in der Folgezeit überwunden haben. Dies ist anzunehmen, wenn sich seine Lebensverhältnisse wieder soweit stabilisiert haben, dass nicht mehr davon die Rede sein kann, er sei weiterhin „aus der Bahn“ geworfen. Eine derartige Stabilisierung indiziert, dass weitere Pflichtenverstöße gleicher Art nicht zu besorgen sind (stRspr; vgl. BVerwG, U.v. 18.4.1979 – 1 D 39.78, BVerwGE 63, 219, vom 23.8.1988 – 1 D 136.87, NJW 1989, 851, v. 27.1.2011 – 2 A 5.09, Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 17, v. 28.2. 2013 – 2 C 3.12 – NVwZ 2013, 1087 und v. 10.12.2015 – 2 C 6.14, NVwZ 2016, 722).
Danach muss es sich um eine persönlich besonders belastende Situation gehandelt haben, die so gravierend ist, dass die Pflichtverletzung des Beamten in einem milderen Licht erscheint, weil ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten vom Beamten nicht mehr erwartet und damit nicht mehr vorausgesetzt werden kann. Wenn aber das Verhalten des Beamten zum Tatzeitpunkt in keiner Hinsicht auffällig gewesen ist, bestehen auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Beamte sei aufgrund von außergewöhnlichen Umständen „zeitweilig aus der Bahn geworfen“. So liegt der Fall hier:
Der Beklagte war im Tatzeitraum in der Lage, seinen dienstlichen Pflichten nachzukommen. Dies zeigt sich in seiner guten dienstlichen Beurteilung vom 2. Januar 2015 für den Beurteilungszeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2014 und den positiven Ausführungen in dem für den Beklagten erstellten Persönlichkeitsbild vom 13. Juli 2017.
Ebenso bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Schuldfähigkeit des Beklagten im Tatzeitraum erheblich vermindert war. Hiervon ist auch das Amtsgericht … im Urteil vom 23. November 2016 ausgegangen.
Allerdings ist bei Fehlen sog. anerkannter Milderungsgründe stets auch zu prüfen, ob sonstige Umstände vorliegen, die in ihrer Gesamtheit dem Gewicht eines anerkannten Milderungsgrundes vergleichbar und deshalb geeignet sind, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen (vgl. BVerwG, U.v. 23.2.2012 – 2 C 38/10, juris; U.v. 20.12.2013 – 2 B 35/13, juris).
Dies ist hier der Fall:
Zunächst kann in analoger Anwendung des § 13 Abs. 2 StGB mildernd berücksichtigt werden, dass der Beklagte nur in einem Fall selbst eine Abhebung für private Zwecke von dem Handkassenkonto vorgenommen hat und in den übrigen 25 Fällen (nur) Abhebungen durch seine Ehefrau pflichtwidrig nicht verhindert hat. Das Unterlassen solcher gebotener Maßnahmen durch den Beklagten wiegt weniger schwer als ein aktives Tun (vgl. BGH, U.v. 21.7.1989 – 2 StR 214/89, juris).
Weiter hat die Stadt … in ihrem Schreiben vom 23. August 2017 eingeräumt, dass das pflichtwidrige Bewirtschaften nicht städtischer Mittel auf dem Handkassenkonto nur möglich war, weil eine Überwachungslücke existiert hatte. Wäre eine Überprüfung des Handkassenkontos erfolgt, hätte unschwer festgestellt worden können, dass im großen Umfang nicht städtischer Mittel auf dem Konto vorhanden waren. Bei einer daraufhin durchzuführenden näheren Prüfung hätten auch die hier relevanten Bargeldabhebungen auffallen müssen. Hinzu kommt, dass die Stadt … zwar den Höchstbetrag verfügbarer Mittel für die Handkassenkonten der Mittelschulen auf 500.- EUR festgelegt, gleichwohl aber mit der Stadtsparkasse … ein „ZV-Tageslimit“ von 10.000.- EUR vereinbart hatte, wodurch die Begehung des Dienstvergehens erleichtert wurde.
Hinzu kommt, dass der damalige Konrektor der Hauptschule … spätestens seit Mai 2010 durch entsprechende Hinweise von Frau … und Frau … eine Überprüfung der Handkassenkontos hätte veranlassen oder aber die Schulaufsichtsbehörden informieren können.
Schließlich ist zugunsten des Beklagten, auch wenn die Voraussetzungen einer unverschuldeten, ausweglosen wirtschaftlichen Notlage nicht vorlagen, zu berücksichtigen, dass dieser sich im Tatzeitraum infolge der von ihm nicht zu vertretenden Probleme im Zusammenhang mit dem Kauf eines Hauses im Jahr 1985 nach der Insolvenz des Bauträgers und der Notwendigkeit, das Haus zur Vermeidung einer Zwangsversteigerung zu verkaufen, weiterhin in einer wirtschaftlich angespannten Situation befunden hat.
Besonders zu berücksichtigen ist aber, dass die persönlichen Umstände in der Familie durch die Krebserkrankung der Ehefrau des Beklagten im Jahr 2009 mit nachfolgendem Eintritt der Erwerbsunfähigkeit und die Erkrankung des Beklagte am Herzen, die 2013 eine Operation notwendig machte, zu einer zusätzlichen besonderen Belastung des Beklagten geführt haben, die als Milderungsgrund zu werten ist.
Weiter ist zu Gunsten des Beklagten zu berücksichtigen, dass er die ihm zur Last gelegten Taten zur Überzeugung der Kammer nachträglich aufgearbeitet hat (vgl. BVerwG, B.v. 5.5.2015 – 2 B 31/14). Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, dass er sich nunmehr selbst um die finanziellen Angelegenheiten der Familie kümmert und es ein Fehler war, dies zuvor nicht getan zu haben, wodurch auch die Abhebungen durch seine Ehefrau möglich geworden seien.
Schließlich spricht auch das vom Dienstherrn erstellte positive Persönlichkeitsbild vom 13. Juli 2017 zu Gunsten des Beklagten.
In der Gesamtschau ist es deshalb weder geboten noch verhältnismäßig, den Beklagten aus dem Dienst zu entfernen. Ausreichend, zur Pflichtenmahnung aber auch unbedingt erforderlich, ist die Herabstufung des Beklagten in das Eingangsamt. Eine weitere Tätigkeit als Rektor mit der Verantwortung für das Schulvermögen (Art. 14 BaySchF) ist damit ausgeschlossen. Demgegenüber ist das Vertrauen des Dienstherrn oder Allgemeinheit angesichts der geschilderten besonderen Umstände noch nicht in einem solchen Umfang beeinträchtigt, dass ein weiterer Einsatz des Beklagten als Lehrer nicht vertretbar wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.


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