Aktenzeichen  3 ZB 15.419

Datum:
24.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 54936
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3
BeamtVG § 22
BayBeamtVG Art. 38 S. 1, S. 2
SGB XII § 2 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

Die Anrechnung von Erwerbsersatzeinkommen auf den Unterhaltsbeitrag des nachgeheirateten Witwers ist „angemessen“ (Art. 38 S. 2 BayBeamtVG), wenn das Gesamteinkommen sogar höher berechnet wurde als das Witwengeld, das der Gesetzgeber im Fall eines voll versorgungsberechtigten Witwers als angemessene Alimentation ansieht. Eine Berücksichtigung der höheren oder geringeren individuellen finanziellen Bedürftigkeit für die Bestimmung der Höhe der Versorgung ist dem Beamtenversorgungsrecht fremd. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 K 12.01968 2015-01-21 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 9.576,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) und § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Dieser Zulassungsgrund wäre begründet, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgericht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (z. B. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/547) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B. v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – DVBl. 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (BVerfG, B. v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Der Kläger verfügt über ein Erwerbsersatzeinkommen in Höhe von insgesamt 2.458,03 Euro, das sich aus einer Rente der Deutschen Rentenversicherung Rheinland in Höhe von 165,26 Euro und aus einer eigenen Beamtenpension Landes Nordrhein-Westfalen in Höhe von 2.292,77 Euro zusammensetzt. Nach dem Tod der zweiten Ehefrau des Klägers hat der Beklagte einen beantragten Unterhaltsbeitrag gemäß Art. 38 BayBeamtVG auf 0,- Euro festgesetzt.
Das Verwaltungsgericht ist in seinem Urteil zum Ergebnis gelangt, dass dem Kläger kein Anspruch gemäß Art. 38 BayBeamtVG auf Unterhaltsbeitrag in Höhe der geforderten 399,- Euro zusteht. Der Beklagte habe im Rahmen der Entscheidung über einen Unterhaltsbeitrag dem unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Anrechnung von Erwerbersatzeinkommen in Art. 38 Satz 1 BayBeamtVG dadurch Rechnung getragen, dass er von dem anrechenbaren Erwerbsersatzeinkommen des Klägers in Höhe von insgesamt 2.459,58 Euro gemäß Nr. 38.2.6.2 der Bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Versorgungsrecht – BayVV-Versorgung – vom 20. September 2012 (FMBl. 2012, 394) einen Freibetrag in Höhe von 300,- Euro abgezogen habe. Für den Abzug weiterer Ausgaben habe keine Veranlassung bestanden, insbesondere sei der Beklagte nicht gehalten gewesen, vom Erwerbsersatzeinkommen des Klägers den von diesem aufgrund der Scheidung von seiner ersten Ehefrau zu leistenden familienrechtlichen Versorgungsausgleich in Höhe von 908,- Euro in Abzug zu bringen. Ein Unterhaltsbeitrag sei nicht zu gewähren, da das der Berechnung gemäß Art. 38 BayBeamtVG zugrunde gelegte Erwerbsersatzeinkommen des Klägers in Höhe von 2.159,58 Euro ein vergleichbares Witwengeld in Höhe von 1750,- Euro, bis zu welchem Betrag ein Unterhaltsbeitrag nach Art. 38 BayBeamtVG zu gewähren sei, deutlich übersteige. Gegen diese Berechnung wendet sich der Kläger nicht.
1.1. Soweit er vorbringt, im Rahmen der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des „angemessenen Unterhaltsbeitrags“ im Sinne von Art. 38 BayBeamtVG wäre § 2 Abs. 2 SGB XII zu berücksichtigen gewesen, da dem Kläger mindestens der Sozialhilfesatz verbleiben müsse, vermag dies nicht zu überzeugen.
§ 2 Abs. 2 Satz 2 SGB XII, wonach auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer nicht deshalb versagt werden dürfen, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind, ist vorliegend ersichtlich nicht einschlägig. Es fehlt nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, das insofern dem Beklagten folgt, bereits an einem Anspruch des Klägers auf Unterhaltsbeitrag gemäß Art. 38 S. 1 und 2 BayBeamtVG. Bei der Auslegung des Begriffs der Angemessenheit ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass im Rahmen des Unterhaltsbeitrags keine individuelle Bedarfsprüfung des nachgeheirateten Witwers erfolgt. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U. v. 21.10.1999 – 2 C 41/98 – juris Rn. 17) ist dies hinreichend geklärt. Danach soll der dem nachgeheirateten Witwer einer Ruhestandsbeamtin eingeräumte Rechtsanspruch auf einen Unterhaltsbeitrag lediglich gewährleisten, dass die nach dem Tod der Versorgungsberechtigten für seinen Lebensunterhalt zur Verfügung stehenden Mittel wirtschaftlich nicht hinter der Höhe der Versorgungsbezüge zurückbleiben, die er als Witwer mit (alleinigem) Anspruch auf Witwergeld erhielte (st. Rspr.; vgl. U. v. 15.3.1988 – 2 C 16.87; U. v. 9.3.1989 – 2 C 8.87 – jeweils in juris).
Die Vorschrift des Art. 38 BayBeamtVG muss zudem im Gesamtzusammenhang der beamtenrechtlichen Versorgung gesehen werden, innerhalb der der Unterhaltsbeitrag eine nachrangige, nicht zur verfassungsrechtlich gesicherten Alimentation des Beamten und seiner Familie zählende Leistung darstellt. Von daher besteht – vorbehaltlich von Besonderheiten, die sich aus der Art der anzurechnenden Einkünfte ergeben – kein Grund, eine Anrechnung im Hinblick auf das sich ergebende Gesamteinkommen als nicht angemessen anzusehen, solange dieses Gesamteinkommen – wie vorliegend mit 2.159,- Euro – sogar höher berechnet wurde als das Witwengeld (1.750,- Euro), das der Gesetzgeber im Fall eines voll versorgungsberechtigten Witwers als Witwengeld und damit als angemessene Alimentation ansieht. Eine Berücksichtigung der höheren oder geringeren individuellen finanziellen Bedürftigkeit für die Bestimmung der Höhe der Versorgung ist dem Beamtenversorgungsrecht fremd (vgl. BVerwG, U. v. 9.3.1989 a. a. O. Rn. 14 zur vergleichbaren bundesgesetzlichen Regelung des § 22 BeamtVG).
1.2 Die Argumentation des Klägers, der Beklagte könne den Unterhaltsbeitrag nicht mit 0,00 Euro ansetzen, da der Kläger damit auf Sozialhilfeleistungen verwiesen werde, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Abgesehen vom fehlenden Anspruch auf Unterhaltsbeitrag ist für einen etwaigen Leistungsanspruch nach dem SGB XII bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers keine Grundlage ersichtlich.
2. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht auch davon ausgegangen, dass sich mangels Verpflichtung des Beklagten, einen Unterhaltsbeitrag zu leisten, die Frage der Nachrangigkeit nach § 2 Abs. 2 SGB XII nicht stellt. Mangels Entscheidungserheblichkeit kann sich der Kläger insofern nicht auf einen Zulassungsgrund nach § 124 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) berufen.
3. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 GKG i. V. m. Nr. 10.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Teilstatus, 24 x 399,- Euro – wie Vorinstanz).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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