Verkehrsrecht

Abschleppmaßnahme wegen Parkens in mobiler Haltverbotzszone

Aktenzeichen  M 7 K 16.5855

Datum:
5.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2017, 116941
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
PAG Art. 9, Art. 25 Nr. 1
BayKG Art. 16 Abs. 5
StVO StVO § 41 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Verkehrszeichen für den ruhenden Verkehr wirken unabhängig von ihrer tatsächlichen Wahrnehmung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, wenn sie gut sichtbar aufgestellt oder angebracht und insbesondere durch einfache Umschau beim Aussteigen ohne Weiteres erkennbar sind. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Verkehrsteilnehmer muss mit Situationen rechnen, die kurzfristig eine Änderung bestehender Verkehrsregelungen verlangen und kann nicht darauf vertrauen, dass ein zunächst erlaubtes Parken auch noch vier Tage später erlaubt ist (ebenso: BayVGH BeckRS 2008, 36157). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zusätzlich zu dem Aufstellen von Verkehrsschildern besteht keine Unterrichtungspflicht gegenüber den Anwohnern und am Abschlepptag keine Pflicht der Polizei zu personal- und zeitaufwendigen Benachrichtigungsversuchen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5. April 2017 entschieden werden, obwohl der Kläger nicht erschienen ist; denn in der Ladung wurde darauf hingewiesen, dass auch bei einem Ausbleiben eines Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Der vom Kläger gestellte Antrag auf Aufhebung des Leistungsbescheides vom 23. November 2016 ist nach Ergehen des Abänderungsbescheides vom 20. Februar 2017 dahingehend auszulegen, dass er die Aufhebung des Leistungsbescheides vom 23. November 2016 in der Fassung des Bescheides vom 20. Februar 2017 begehrt (§ 88 VwGO). Weiter hat das Gericht die erhobene Klage dahingehend ausgelegt, dass sie nur für den Kläger als letzten Fahrer und Adressat des Leistungsbescheides gelten soll und dies auch der Klagepartei mitgeteilt. Diese zulässige Klage hat jedoch keinen Erfolg.
Der Leistungsbescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat zu Recht vom Kläger die Kosten für die veranlasste Abschleppmaßnahme erhoben.
Nach Art. 9 Abs. 2 Satz 1 PAG erhebt die Polizei für die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme von dem für die Störung Verantwortlichen Ersatz der Kosten (Auslagen- und Gebühren). Die Kostenerhebung setzt voraus, dass die Polizei erstens anstelle des Verantwortlichen eine Maßnahme unmittelbar ausgeführt hat bzw. ausführen hat lassen und dass zweitens die abgerechneten Kosten dafür angefallen sind. Aus dem Rechtsstaatsprinzip bzw. Art. 16 Abs. 5 KG ergibt sich zudem, dass die Kostenerhebung auch davon abhängt, dass die Polizeimaßnahme rechtmäßig gewesen ist (vgl. BayVGH, U.v. 17.4.2008 – 10 B 08.449 – juris Rn. 12).
Die Voraussetzungen der unmittelbaren Ausführung einer Sicherstellung des Kraftfahrzeugs (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 25 Nr. 1 PAG) lagen vor. Das Fahrzeug stand zur Überzeugung des Gerichts am 23. November 2016 verbotswidrig in der ordnungsgemäß ausgeschilderten absoluten Haltverbotszone (§ 41 Abs. 1 StVO i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 8 lfd. Nr. 62, Zeichen 283) und der verantwortliche Fahrzeugführer war nicht rechtzeitig erreichbar. Die von dem Kläger erhobenen Einwände gegen die Abschleppmaßnahme greifen nicht durch.
Verkehrszeichen für den ruhenden Verkehr äußern ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht, wenn sie so aufgestellt oder angebracht sind, dass ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt und ungestörten Sichtverhältnissen während der Fahrt oder durch einfache Umschau beim Aussteigen ohne Weiteres erkennen kann, dass ein Geh- oder Verbot durch ein Verkehrszeichen verlautbart wurde (vgl. BVerwG, U.v. 6.4.2016 – 3 C 10/15 – juris Rn. 21). Nach den in der Behördenakte vorhandenen Lichtbildern, den polizeilichen Skizzen und Feststellungen war der Abstellort gut sichtbar mit entsprechenden Haltverbotsschildern mit Richtungspfeilen und der Angabe über die Dauer des Haltverbotes entsprechend der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 15. November 2016 als absolute Haltverbotszone gekennzeichnet. Bild 4 in der Behördenakte belegt, dass sich ein mobiles Haltverbotsschild direkt rechts neben dem klägerischen Fahrzeug befand. Die Schilder wurden auch rechtzeitig aufgestellt. Aus der Behördenakte ergibt sich, dass die Haltverbotszone am 16. November 2016 eingerichtet wurde, am 21. November 2016 kontrolliert wurde und sich das klägerische Fahrzeug bereits zu diesen Zeitpunkten an dem Abstellort befand. Es ist unerheblich, dass beim Abstellen des Wohnmobils an der Örtlichkeit keine mobile Haltverbotszone ausgewiesen war. Der Verkehrsteilnehmer muss nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung mit Situationen rechnen, die kurzfristig eine Änderung bestehender Verkehrsregelungen verlangen. Er kann nicht darauf vertrauen, dass ein zunächst erlaubtes Parken an einer bestimmten Stelle des öffentlichen Straßenraumes auch noch vier Tage später erlaubt ist. Bei einer solchen „Vorlaufzeit“ ist es nicht unverhältnismäßig, das Abschlepp- und Kostenrisiko eines längerfristigen Parkens statt der Allgemeinheit demjenigen zuzuweisen, der die Sachherrschaft über das an der betreffenden Stelle geparkte Kraftfahrzeug hat und Vorsorge für den Fall einer Änderung der Verkehrsrechtslage treffen kann (vgl. BVerwG, U.v. 11.12.1996 – 11 C 15/95 – juris Rn. 13; BayVGH, U.v. 17.4.2008 – 10 B 08.449 – juris Rn. 15 ff.). Es ist nicht erforderlich, dass Anwohner zusätzlich zu dem Aufstellen von Verkehrsschildern über eine Maßnahme unterrichtet werden. Auch Benachrichtigungsversuche am Abschlepptag waren von Seiten des Beklagten nicht veranlasst. Nach ständiger Rechtsprechung kann, wer sich nicht in Ruf- oder Sichtweite seines Fahrzeugs aufhält, von der Polizei keine personal- und zeitaufwendigen Ermittlungen erwarten (vgl. BVerwG, B.v. 18.2.2002 – 3 B 149/01 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 28.11.2001 – 24 B 00.3140 – juris Rn. 20, B.v. 1.12.2009 – 10 ZB 09.2367 – juris Rn. 2). Wie die verantwortliche Polizeibeamtin mitgeteilt hat, wurde trotzdem versucht, die Halter der abgestellten Fahrzeuge telefonisch oder auch persönlich zu erreichen, was aber nicht in allen Fällen erfolgreich war. Konkrete Anhaltspunkte, dass eine Versetzung des Fahrzeugs möglich gewesen sei, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Abschleppmaßnahme war daher insgesamt ermessensgerecht und verhältnismäßig (Art. 4, 5 PAG). Der Kläger konnte als Verantwortlicher gem. Art. 7 Abs. 1 PAG in Anspruch genommen werden. Der Beklagte hat die Kostenhöhe überprüft und mit Bescheid vom 20. Februar 2017 um 54,74 € gemindert. Einwendungen gegen die Kostenhöhe wurden im Übrigen nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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