Verkehrsrecht

Berichtigung einer offenbaren Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils durch das Berufungsgericht im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO

Aktenzeichen  10 U 3404/17

Datum:
20.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 50173
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 319 Abs. 1, § 522 Abs. 2

 

Leitsatz

Eine offenbare Unrichtigkeit des Ersturteils i.S.v. § 319 Abs. 1 ZPO steht der Bejahung der Aussichtslosigkeit der Berufung im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht entgegen und kann mit der Berufungszurückweisung durch das Berufungsgericht korrigiert werden. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

10 U 3404/17 2017-12-29 Hinweisbeschluss OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Das „Grundurteil“ des Landgerichts Passau vom 11.09.2017 wird wie folgt berichtigt:
TEILENDUND GRUNDURTEIL
I. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägern sämtliche künftige Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 19.06.2014 gegen 11.30 Uhr auf der Staatsstraße 2138 bei Kilometer … im Gemeindegebiet von … L. zu ersetzen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen. Hinsichtlich materieller Schäden gilt dies zu zwei Dritteln, hinsichtlich immaterieller Schäden unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Verstorbenen B. W. von einem Drittel.
II. Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt, soweit die Beklagten als Gesamt schuldner verpflichtet sind, den Klägern aufgrund des vorgenannten Unfalls Ersatz für Sach-, Vermögens- und Personenschäden zu leisten. Hinsichtlich materieller Schäden beschränkt sich die Ersatzpflicht auf zwei Drittel, hinsichtlich immaterieller Schäden ist ein Mitverschuldensanteil des Verstorbenen von einem Drittel zu berücksichtigen.
2. Die Berufung der Beklagten vom 09.10.2017 gegen das Teilend- und Grundurteil des Landgerichts Passau vom 11.09.2017 wird zurückgewiesen.
3. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Berufungsverfahrens.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 232.220,81 EUR.

Gründe

A.
I.
Die Kläger sind die Erben des bei dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall am 19.06.2014 gegen 11.30 Uhr schwer verletzten und am 08.04.2016 verstorbenen B. W. Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche der Kläger als Erbengemeinschaft sowie der Klägerin zu 1), der Klägerin zu 3) und der Klägerin zu 4) persönlich gegen den Beklagten zu 1) als Unfallbeteiligten und der Beklagten zu 2) als Haftpflichtversicherung wegen Sach-, Vermögens- und Personenschäden aus diesem Verkehrsunfall. Zudem machen die Beklagten die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend. Der Verkehrsunfall ereignete sich auf der Staatsstraße 2138 bei … L. B. W. gehörte dabei einer dreiköpfigen Motorradgruppe an, die die Staatsstraße entlangfuhr. Neben ihm selbst handelte es sich um den Beklagten zu 1) und den Zeugen K., wobei der Beklagte zu 1) voran-, der Zeuge K. in der Mitte und B. W. am Ende fuhr. Nachdem der Beklagte zu 1) gemerkt hatte, dass er versehentlich eine falsche Route eingeschlagen hatte, drosselte er die Geschwindigkeit und setzte den Fahrtrichtungsanzeiger rechts. Da aber aufgrund Gegenverkehrs ein Wenden nicht möglich war, fuhr der Beklagte zu 1) mit verlangsamter Geschwindigkeit mit rechts gesetztem Fahrtrichtungsanzeiger gerade am rechten Fahrbahnrand entlang weiter bis er eine gegenüberliegende Parkplatzzufahrt erreichte. Die Einfahrt in den gegenüberliegenden Parkplatz war nicht gestattet, ein Verkehrszeichen 209-30 ordnete an, dass geradeaus zu fahren war. B. W. hatte zunächst zu beiden vorausfahrenden Motorrädern einen größeren Abstand, schloss dann aber auf und wollte seine fast stehenden, am rechten Fahrbahnrand sehr langsam fahrenden Mitfahrer überholen, als der Beklagte zu 1) den linken Fahrtrichtungsanzeiger setzte und ein Wendemanöver begann, indem er sein Motorrad von der rechten Fahrbahnseite nach links zur Fahrbahnmitte zog. B. W. versuchte zu bremsen, kam linksseitig zu Sturz, löste sich von seinem Motorrad und rutschte parallel zu diesem in das querende Fahrzeug des Beklagten zu 1). Der Verstorbene lag vom Unfalltag bis zu seinem Versterben aufgrund der Schwere der bei dem Unfall erlittenen Hirnschädigung im Koma ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des „Grundurteils“ des Landgerichts Passau vom 11.09.2017, durch welches festgestellt wurde, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, jeweils 2/3 des Schadens der Kläger aus dem Verkehrsunfall vom 19.06.2014 bezüglich des verstorbenen B. W. zu ersetzen (Bl. 70/77 d.A.), Bezug genommen.
II.
Gegen dieses Urteil legten die Beklagten mit Schriftsatz vom 09.10.2017 Berufung ein (Bl. 81/82 d.A.), welche mit Schriftsatz vom 13.12.2017 (Bl. 87/93 d.A.) unter Vertiefung des erstinstanzlichen Parteivortrags begründet wurde.
Die Beklagten beantragen,
Das Grundurteil des Landgerichts vom 11.09.2017 wird aufgehoben und die Klage durch Endurteil abgewiesen.
Die Kläger verteidigen das Ersturteil.
III.
Der Senat wies die Beklagten mit Beschluss vom 29.12.2017 darauf hin, dass der Senat beabsichtige, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen (Bl. 94/106 d.A.).
Hierzu wurde von den Beklagten keine Stellungnahme abgegeben.
Mit diesem Beschluss vom 29.12.2017 wies der Senat zugleich beide Parteien darauf hin, dass er beabsichtige, das angegriffene Urteil wie aus Ziffer 1. des Tenors dieses Beschlusses zu berichtigen.
Die Kläger teilten mit Schriftsatz vom 29.01.2018 mit, dass gegen die beabsichtigte Berichtigung des Ersturteils keine Einwände bestünden.
Von den Beklagten wurde auch hierzu keine Stellungnahme abgegeben.
B.
I.
Die Berichtigung des Tenors des landgerichtlichen Urteils beruht auf § 319 Abs. 1 ZPO. Die offenbare Unrichtigkeit des Ersturteils steht der Bejahung der Aussichtslosigkeit der Berufung nicht entgegen, sie kann vielmehr mit der Berufungszurückweisung durch das Berufungsgericht korrigiert werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Darlegungen des Senats zu der beabsichtigten Berichtigung im Beschluss vom 29.12.2107, Ziffer 2. des dortigen Tenors und Ziffer II. 2. der dortigen Gründe, Bezug genommen, gegen die die Parteien keine Einwendungen erhoben haben.
II.
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat nach einhelliger Überzeugung des Senats in der Sache keine Aussicht auf Erfolg und ist deshalb, da die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung erfordert, gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Zur Begründung wird zunächst gemäß § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO auf den Hinweis des Senats vom 29.12.2017 Bezug genommen. Nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage bleibt der Senat bei der im Hinweisbeschluss mitgeteilten Rechtsauffassung. Eine Gegenerklärung der Beklagten ist auch nach Verlängerung der Frist zur Stellungnahme mit Verfügung vom 31.01.2018 bis 13.02.2018 nicht eingegangen.
Ergänzend ist zu bemerken, dass es sich, soweit auf S. 11 des Hinweisbeschlusses des Senats vom 29.12.2017 von dem an der Unfallstelle aufgestellten „Richtzeichen 290-30“ die Rede ist, um ein offenkundiges Schreibversehen handelt. Gemeint ist das an der Unfallstelle unstreitig aufgestellte Verkehrszeichen 209-30 (vgl. S. 3, erster Absatz des landgerichtlichen Urteils sowie auch S. 6 oben der Berufungsbegründung).
II.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 2 ZPO.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 4 ZPO.
IV.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 40, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ff. ZPO.


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