Verkehrsrecht

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Aktenzeichen  12 C 4467/20

Datum:
19.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 55852
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 804,89 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08.06.2020 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 78,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.08.2020 zu bezahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 21 %, die Beklagte 79 %.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.016,40 € festgesetzt.  

Gründe

Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
I. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus dem Unfall vom 17.12.2019 in Höhe von noch 804,89 € gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, 823, 249 BGB, 115 VVG, 1 Pflichtversicherungsgesetz zu.
Die Haftung dem Grunde nach ist unstreitig.
1. Die Beklagte hat der Klägerin weitere Reparaturkosten von 666,40 € zu erstatten.
Die Klägerin hat das Fahrzeug tatsächlich repariert, wofür ihr Kosten in Höhe von 7.828,96 € brutto entstanden sind. Im Falle einer tatsächlichen Reparatur sind grundsätzlich die vollen Kosten gemäß Reparaturrechnung zu erstatten, es sei denn, dass diese für den Geschädigten erkennbar überhöht sind. Hier stimmte die Rechnung mit dem zuvor erholten Gutachten überein, so dass für die Geschädigte keine Anhaltspunkte für eine Überhöhung des Reparaturkostenrechnungsbetrages bestanden.
Darüber hinaus hat die Beklagte Einwände gegen die Reparaturkosten nicht innerhalb der Klageerwiderungsfrist vorgebracht. Erst im Schriftsatz vom 22.09.2020, bei Gericht eingegangen am 22.09.2020 kurz vor dem Gerichtstermin vom 29.09.2020, trug die Beklagte vor, dass sie dem Vortrag der Klägerseite, dass ein Abzug von 666,40 € brutto ungerechtfertigt sei, durch Vorlage der Anlage B4, dem Prüfbericht, entgegengetreten sei. Eine Bezugnahme auf eine Anlage sei als Prozessvortrag ausreichend.
Die Beklagte hat jedoch tatsächlich in der Klageerwiderung vom 31.8.20, dem einzigen vorausgehenden Schriftsatz, in keiner Weise zu den Reparaturkosten Stellung genommen. Es erfolgte keinerlei Sachvortrag. Auch eine Bezugnahme auf die Anlage B4 fehlte. Diese wurde lediglich (kommentarlos) mit den sonstigen Anlagen, welche im Text erwähnt waren (B1 – B3) vorgelegt. Allein die Vorlage einer Anlage ohne jeglichen Sachvortrag und ohne Bezugnahme im Schriftsatz genügt nicht für ein Bestreiten der Reparaturkosten durch die Beklagte. Die Beklagte ist daher mit etwaigen Einwänden gegen die Reparaturkosten gemäß § 296 Abs. 1 ZPO präkludiert, da bei deren Zulassung eine Verzögerung des Rechtsstreits durch die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme eintreten würde. Im Übrigen ist das Gericht der Auffassung, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, etwaige Einwände gegen die Reparaturkosten substantiiert bezüglich der einzelnen bestrittenen Positionen vorzutragen und nicht lediglich auf einen Prüfbericht Bezug zu nehmen.
Abgesehen davon spielen die pauschalen Einwände der Beklagten hier ohnehin keine Rolle, da tatsächlich repariert wurde und in diesem Fall nur ausnahmsweise eine Kürzung in Betracht kommt, anders als bei einer fiktiven Abrechnung.
2. Darüber hinaus hatte die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten in Höhe von insgesamt 288,49 €. Da die Beklagte bereits 150,00 € gezahlt hat, verbleibt ein offener Restanspruch in Höhe von 138,49 €.
a) Es bestand dem Grunde nach ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Mietwagenkosten. Die Beklagte hat eingewandt, dass ein Mietwagen wegen des geringen Fahrbedarfs nicht erforderlich gewesen sei.
Es fehlt an der Erforderlichkeit der Anmietung eines Mietwagens im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, wenn die Inanspruchnahme eines Mietwagens für einen wirtschaftlich denkenden Geschädigten aus der maßgebenden Sicht ex ante unternehmerisch geradezu unvertretbar ist (vgl. LG Wuppertal, Urteil vom 24.04.2012, Az: 16 S 69/11).
Dies war hier nicht der Fall. Die Klägerin war auf die ständige Verfügbarkeit eines Fahrzeuges angewiesen. Sie hat in der mündlichen Verhandlung plausibel dargelegt, dass sie in der Woche, in der der Mietwagen angemietet wurde, als Lehrerin ihre 22 Schüler, welche gerade ein Berufspraktikum ableisteten, einzeln in verschiedenen Firmen, wobei die einzelnen Orte im Vorhinein nicht genau bekannt waren, besuchen musste und hierfür ihr Fahrzeug benötigte. Darüber hinaus habe sie das Fahrzeug auch zu weiteren Erledigungen (Einkäufe für die Großmutter, eigene Einkäufe, Ausübung von Sport, Besuche) benötigt, so dass sie das Fahrzeug ca. 3 x am Tag verwendet habe. Aufgrund der im Anfang befindlichen Corona-Pandemie habe sie ihren regulären Fahrbedarf sogar unvorhergesehen etwas reduziert. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache erscheint auch trotz der geringen Fahrleistung von 84 km in 5 Tagen, welchen den von der Rechtsprechung angesetzten Durchschnittswert von 20 km pro Tag etwas unterschreiten, die Entscheidung der Klägerin, ein Mietfahrzeug anzumieten, aus wirtschaftlicher Sicher ex ante nicht unternehmerisch gerade unvertretbar oder grob unangemessen. Wie sich aus der Formulierung der Rechtsprechung ergibt, handelt es sich hierbei um Ausnahmefälle. Grundsätzlich sind die Mietwagenkosten zu ersetzen und es bestehen hier keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein grobes Missverhältnis. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Kosten hier nicht sehr hoch waren und sich nur auf wenige Tage bezogen.
b) Der Höhe nach sind die erstattungsfähigen Mietwagenkosten allerdings gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Das Gericht stützt sich hierbei auf die Schwackeliste, die eine geeignete Schätzgrundlage darstellt. Auch nach Auffassung des BGH muss das Gericht lediglich eine geeignete Schätzgrundlage verwenden und nicht die geeignetste. Maßgebend ist hier die Schwackeliste 2019, da sich der Unfall am 17.12.2019 ereignete. Bei der Mietwagengruppe 2, PLZ-Gebiet 904 und der Zeile „Modus“ ergibt sich eine 3-Tagespauschale von 250,00 €. Hochgerechnet auf 5 Tage (2. – 6.3.20) ergibt sich ein Betrag von 358,33 €, so dass sich abzüglich 3% Eigenersparnis (ständige Rechtsprechung des Landgerichts Nürnberg-Fürth) Mietwagengrundkosten von 347,58 € errechnen. Davon ist nach der Rechtsprechung des Landgerichts Nürnberg-Fürth ein pauschaler Abzug von 17% vorzunehmen, so dass sich ein Endbetrag von 288,49 € ergibt.
Aufgrund des pauschalen Abzugs von 17% sind die anderweitigen Angebote, die die Beklagte aus dem Internet recherchiert hat, nicht mehr gesondert zu berücksichtigen. Abgesehen davon beziehen sich die von der Beklagten recherchierten Angebote auf einen späteren Zeitpunkt, nämlich August 2020.
Da die Beklagte bereits 150,00 € auf die Mietwagenkosten gezahlt hat, verbleibt ein offener Restbetrag von 138,49 €.
3. Der Anspruch auf Zinsen ergibt sich aus Verzug §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
Es besteht auch ein Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten, da die Einschaltung eines Rechtsanwalts bei einem Verkehrsunfall grundsätzlich zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich ist. Da die Beklagte zusätzlich zu den vorgerichtlichen Zahlungen von 8.451,72 € aufgrund des Klageerfolges nunmehr weitere 804,89 € zu zahlen hat, ergibt sich ein gesamter berechtigter Gegenstandswert von 9.256,61 €. Die zu erstattenden Rechtsanwaltskosten betrugen daher 878,03 €. Nachdem die Beklagte bereits 808,13 € gezahlt hat, verbleibt ein offener Restbetrag von 78,90 €.
II. Kosten: § 92 Abs. 1 ZPO.
III. Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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