Verkehrsrecht

Einstweiliger Rechtsschutz gegen Anordnung des Führens eines Fahrtenbuchs

Aktenzeichen  11 CS 19.214

Datum:
1.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7150
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
StVZO § 31a

 

Leitsatz

1 Unterbleiben Angaben zur Person des Fahrzeugführers oder lehnt der Fahrzeughalter eine Mitwirkung erkennbar ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen nach dem Fahrzeugführer zu betreiben, zumal Ermittlungsbemühungen nur dann sinnvoll sind, wenn der Täter vor Ablauf der Verjährungsfrist so rechtzeitig bekannt ist, dass die Verkehrsordnungswidrigkeit noch mit Aussicht auf Erfolg geahndet werden kann. (redaktioneller Leitsatz)
2 Macht der Halter eines Kraftfahrzeuges, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen wurde, von seinem Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht im Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren Gebrauch, muss er gemäß § 31a StVZO die Auflage in Kauf nehmen, ein Fahrtenbuch zu führen, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind (Anschluss BVerwG BeckRS 1995, 22504 u.a.); dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 23 S 18.3369 2018-11-19 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.400,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, und die hierzu ergangenen Nebenverfügungen.
Am 10. Januar 2018 wurde mit einem auf die Antragstellerin zugelassenen Kraftfahrzeug die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h um 41 km/h überschritten. Auf ein Anhörungsschreiben des Polizeiverwaltungsamts vom 25. Januar 2018 teilte die Antragstellerin mit Schreiben vom 10. Februar 2018 mit, es kämen mehrere Personen als Fahrer in Betracht, da das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt wegen eines Umzugs verliehen gewesen sei. Sie könne anhand der Bildkopie keine sichere Zuordnung des Fahrers durchführen und bitte um einen Bildauszug, auf dem der Fahrer deutlicher erkennbar sei. Dass sie den Fahrer aufgrund der Bildqualität nicht sicher identifizieren könne, machte die Antragstellerin auch bei ihrer Zeugenvernehmung durch die Polizei am 28. Februar 2018 geltend und berief sich außerdem auf ein Zeugnisverweigerungsrecht.
Die Polizei konnte den verantwortlichen Fahrzeugführer nicht feststellen, da sie die auf dem Foto gezeigte männliche Person nicht identifizieren konnte. Nur der Ehemann der Antragstellerin konnte als Fahrer ausgeschlossen werden. Mit Verfügung vom 12. März 2018 wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt.
Im Rahmen der Anhörung zu einer beabsichtigten Fahrtenbuchauflage trug die Antragstellerin mit Schreiben vom 24. April 2018 vor, es habe sich um einen Fahrzeugverleih innerhalb der Familie gehandelt. Wegen der Unschärfe des Fotos seien zwei Familienmitglieder als Fahrer in Betracht gekommen, die aber den Verkehrsverstoß abgestritten hätten. Da sie niemanden zu Unrecht bzw. nicht mehrere Familienmitglieder habe beschuldigen wollen, was in der Familie kritisch gesehen worden wäre, habe ihr der sachbearbeitende Polizeibeamte geraten, von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen und ihre Aussage abgekürzt zu Protokoll genommen. Hätte Sie anhand des Fotos den Fahrer zweifelsfrei identifizieren können, hätte sie die gegebenen Umstände direkt mit diesem klären können.
Mit Bescheid vom 5. Juni 2018 verpflichtete die Antragsgegnerin die Antragstellerin gestützt auf § 31a StVZO und jeweils unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, bis zum 15. Juni 2019 ein Fahrtenbuch für das auf sie zugelassene Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … … und ein etwaiges Ersatzfahrzeug zu führen, dieses bis spätestens 14. Juli 2019 zur Prüfung vorzulegen und bis 14. Dezember 2019 aufzubewahren. Hinsichtlich der Vorlagepflicht drohte sie ein Zwangsgeld von 255,- EUR an. Die Schwere des begangenen Verkehrsverstoßes und das darauf beruhende Gewicht der Gefahr, dass es auch künftig zu gleichartigen Verstößen kommen könnte, die ungeahndet bleiben müssten, weil der Täter wiederum nicht ermittelt werden könne, bildeten die Beurteilungskriterien für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Fahrtenbuchauflage. Der Fahrzeughalter könne nicht verlangen, von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, wenn er in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren von einem Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht Gebrauch mache. Der vorliegende Verkehrsverstoß wäre mit einer Geldbuße von 160,- EUR zu ahnden gewesen und hätte zur Eintragung des Kraftfahrers in das Fahreignungsregister mit zwei Punkten sowie zu einem Fahrverbot von einem Monat geführt. Diese gesetzgeberische Bewertung der Ordnungswidrigkeit rechtfertige es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die Verkehrsübertretung als so gewichtig einzustufen, dass eine Fahrtenbuchauflage auch ohne zusätzliche Umstände verhältnismäßig sei. In Anbetracht der besonders eklatanten Geschwindigkeitsüberschreitung sei eine Auflage von sechs Monaten nicht mehr ausreichend gewesen, sondern eine Auflagedauer von einem Jahr angemessen.
Gegen den Bescheid ließ die Antragstellerin am 9. Juli 2018 durch ihren Bevollmächtigten Anfechtungsklage (M 23 K 18.3368) erheben und gleichzeitig beantragen, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen. Mit Urteil und Beschluss jeweils vom 19. November 2018, zugestellt am 9. Januar 2019, wies bzw. lehnte das Verwaltungsgericht München die Klage und den Eilantrag ab. In den Urteilsgründen, auf die zur Begründung der Eilentscheidung Bezug genommen wurde, wird ausgeführt, die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 31a StVZO seien gegeben. Mit dem Fahrzeug der Antragstellerin sei ein erheblicher Verkehrsverstoß begangen worden. Die Feststellung des Fahrzeugführers sei nicht möglich gewesen, obwohl die zuständige Behörde alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen habe. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit dürfe sich an der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehne dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so sei es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben. Der Umstand, dass die Behörde mit ihrem Anhörungsschreiben eine Frist von zwei Wochen überschritten habe, sei unerheblich, da ein zur Identifizierung ausreichendes Lichtbild vorliege und die Identifizierung somit keine Anforderungen an das Erinnerungs-, sondern nur an das Erkenntnisvermögen des Fahrzeughalters stelle. Nach Überzeugung des Gerichts sei das Tatbild auch von ausreichender Qualität, um der Antragstellerin dem Grund nach die Identifizierung des Fahrers zu ermöglichen. So sei sie auch zu der Erkenntnis gekommen, dass nur zwei Personen aus dem Familienkreis in Betracht kämen. Gleichwohl habe sie diese nicht namentlich benannt und damit zielführende Ermittlungen der Polizei unmöglich gemacht. Bei schlechter Qualität des Messfotos wäre die Polizei erst recht auf eine kooperative Mitwirkung der Antragstellerin angewiesen gewesen, die sich jedoch auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen habe. Die Inanspruchnahme des Zeugnisverweigerungsrechts führe nicht zu einem Nachteil für die Antragstellerin. Es entspreche der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung, dass der Fahrzeughalter nicht verlangen könne, von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, wenn er von einem Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch mache. Hierauf sei die Antragstellerin im Schreiben vom 25. Januar 2018 ausdrücklich hingewiesen worden. Eines erneuten Hinweises durch die Polizei habe es daher nicht bedurft. Nach Inanspruchnahme des Zeugnisverweigerungsrechts und dem Ausscheiden des Ehemanns als Fahrer aufgrund eines polizeilichen Personenabgleichs hätten aus Sicht einer verständigen und objektiven Ermittlungsperson keine realistischen Ermittlungsansätze mehr bestanden. Ferner begegne die Auferlegung eines Fahrtenbuchs für die Dauer von zwölf Monaten in Anbetracht des Gewichts des Verkehrsverstoßes keinen Bedenken. Die Antragsgegnerin habe in der mündlichen Verhandlung ihre nicht zu beanstandende Verwaltungspraxis dargelegt, wonach sie bei einem bepunkteten und mit Fahrverbot geahndeten Verkehrsverstoß regelmäßig eine zwölfmonatige Dauer anordne.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Nach antragsgemäßer Fristverlängerung durch den Berichterstatter wurde die Beschwerde mit Schriftsatz vom 25. Februar 2019 dahingehend begründet, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse am Vollzug zwar behauptet, aber weder gegeben noch dargelegt sei. Die Behauptung der Antragsgegnerin, das Tatfoto hätte eine Identifizierung zugelassen, sei ebenso wenig haltbar wie die Behauptung, dass alle angemessenen und zumutbaren Ermittlungen angestellt worden seien. Dabei werde außer Acht gelassen, dass die Antragsgegnerin durch Einsicht in die Einwohnermeldeunterlagen und die dort lagernden Fotos der Familienangehörigen der Antragstellerin weitere Ermittlungsmöglichkeiten gehabt habe. Diese der gängigen Praxis der Antragsgegnerin und der Polizei entsprechende Maßnahme oder die Befragung von Drittpersonen, u.a. Nachbarn, sei nicht unzumutbar. Darüber hinaus könne die gesetzlich garantierte Geltendmachung eines Zeugnis- und Aussageverweigerungsrechts nicht dazu führen, die Antragstellerin mit der Sanktion einer Fahrtenbuchauflage zu belegen. Weder die Antragsgegnerin noch die Polizei hätten die Antragstellerin ordnungsgemäß über ihr Zeugnis- und Aussageverweigerungsrecht belehrt. Allein aus der Wahrnehmung dieses Rechts dürfe dem Betroffenen kein Nachteil entstehen. Somit sei auch eine damit zusammenhängende oder nachfolgende Sanktion als Druckmittel oder Bestrafung nicht gerechtfertigt. Bei der Anordnung eines Fahrtenbuchs handele es sich zudem um ein niedrigeres, nicht im Verfassungsrecht stehendes Recht. Der Antragsgegnerin habe insoweit kein Ermessen zugestanden. Ein überwiegend öffentliches Interesse sei angesichts des Vorliegens nur einer Ordnungswidrigkeit, wenn auch von einigem Gewicht, in Abwägung mit dem in Verfassungsrang stehenden Zeugnis- und Aussageverweigerungsrecht nicht gegeben. Das Verfahren widerspreche europäischem Verfahrensrecht.
Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen und führt dazu im Wesentlichen aus, die Beschwerde sei wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist unzulässig, darüber hinaus aber auch unbegründet. Der ermittelnden Behörde sei es regelmäßig nicht zuzumuten, die gesamte Familie eines Fahrzeughalters auf einen unbegründeten Verdacht hin zu ermitteln und zu befragen. Auf die Anforderung von Lichtbildern habe daher verzichtet werden dürfen. Weder habe die Antragstellerin die Namen und den Aufenthaltsort etwaiger Familienmitglieder mitgeteilt noch seien diese melderechtlich nachvollziehbar. Ein „Familienverband“ werde mit der Volljährigkeit des Nachwuchses melderechtlich aufgelöst. Wenn die Antragstellerin für sich in Anspruch nehme, dass die Lichtbildqualität eine Identifizierung nicht zulasse, müsse dies erst recht für Dritte, hier ermittelnde Polizeibeamte, gelten. Der Fahrzeughalter könne nicht verlangen, von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, wenn er von einem Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe. Ein solches Recht widerspräche dem Zweck des § 31a StVZO. Die dem Fahrzeughalter auferlegte Pflicht, an der Aufklärung von Verkehrsverstößen mitzuwirken, sei als Maßnahme zum Schutz des Rechtsguts der Sicherheit und Ordnung im Straßenverkehr nicht zu beanstanden. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits klargestellt, dass durch die Anordnung eines Fahrtenbuchs ein etwaiges Zeugnisverweigerungsrecht nicht unzulässig unterlaufen werde. Die Fahrtenbuchauflage stelle keine Strafe dar, sondern lediglich im Interesse der Verkehrssicherheit sicher, dass die Ermittlung des Fahrers bei zukünftigen Verstößen nicht noch einmal an der mangelnden Mitwirkung des Fahrzeughalters scheitere. Es wirke sich positiv auf die Verkehrsdisziplin eines Fahrers aus, wenn er damit rechnen müsse, für jeden Verkehrsverstoß zur Verantwortung gezogen zu werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Der Antragstellerin ist von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO) zu gewähren, weil sie die antragsgemäße Verlängerung der durch richterliche Verfügung nicht verlängerbaren Beschwerdebegründungsfrist (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 224 Abs. 2 ZPO; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 18) trotz anwaltlicher Vertretung unverschuldet (§ 60 Abs. 1 VwGO) in einem Rechtsirrtum bestärkt hat und sie somit an der Einhaltung der am 11. Februar 2019 abgelaufenen (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB) Monatsfrist (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) verhindert war.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 1 bis 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern oder aufzuheben wäre.
Die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, setzt nach § 31a Abs. 1 Satz 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) vom 26. April 2012 (BGBl I S. 679), im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Verordnung vom 23. März 2017 (BGBl I S. 522), in Kraft getreten zum 20. Mai 2018, voraus, dass nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften die Feststellung des Fahrzeugführers nicht möglich war.
Das Verwaltungsgericht und die Antragsgegnerin sind zu Recht davon ausgegangen, dass die ermittelnde Behörde angesichts der erkennbar fehlenden Mitwirkungsbereitschaft der Antragstellerin mit ihrer Vorladung als Zeugin und dem Abgleich des Messfotos mit einem Lichtbild ihres Ehemanns ihren Pflichten genügt hat und nicht gehalten war, ihre in Betracht kommenden Familienmitglieder zu ermitteln und zu befragen. Art, Zeitpunkt und Umfang der angemessenen und zumutbaren Ermittlungen stehen im pflichtgemäßen Ermessen der Polizei (BVerwG, U.v. 13.10.1978 – VII C 77.74 – NJW 1979, 1054 = juris Rn. 16). § 31a StVZO verpflichtet die Polizei nicht zur Anwendung bestimmter Ermittlungsmethoden (vgl. BVerwG, B.v. 9.12.1993 – 11 B 113.93 – juris Rn. 4; U.v. 13.10.1978 a.a.O.). Art und Ausmaß der Ermittlungen hängen insbesondere von der Art des jeweiligen Verkehrsverstoßes und der Bereitschaft des Kraftfahrzeughalters zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrers ab (BVerwG, B.v. 23.12.1996 – 11 B 84.96 – juris Rn. 3). Die Behörde darf ihre Bemühungen um die Feststellung des Fahrzeugführers vorrangig an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten und aus seinem Verhalten im Ordnungswidrigkeitenverfahren auf fehlende Mitwirkungswirkungsbereitschaft schließen (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.1982 – 7 C 3.80 – juris Rn. 7). Der Fahrzeughalter ist für sein Fahrzeug verantwortlich und daher erster Ansprechpartner für die Ermittlungsbehörden (BayVGH, B.v. 16.4.2015 – 11 ZB 15.171 – VRS 128, 216 = juris Rn. 11; vgl. auch OVG NW, B.v. 15.3.2007 – 8 B 2746/06 – juris Rn. 11 f.). Auch wenn – wie hier – der Fahrer auf einer Lichtbildaufnahme nicht identifiziert werden kann, ist der Fahrzeughalter insoweit zur Mithilfe bei der Aufklärung verpflichtet, dass er zumindest den Personenkreis der möglichen Fahrzeugführer gegenüber der Straßenverkehrsbehörde einschränkt (BayVGH, a.a.O.). Unterbleiben dahingehende Angaben oder lehnt der Fahrzeughalter eine Mitwirkung erkennbar ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen nach dem Fahrzeugführer zu betreiben (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 9.12.1993 a.a.O.; U.v. 17.12.1982 – 7 C 3.80 – juris Rn. 7; BayVGH, a.a.O.); zumal Ermittlungsbemühungen nur dann sinnvoll sind, wenn der Täter vor Ablauf der dreimonatigen Verjährungsfrist (§ 26 Abs. 3 StVG) und deren in Betracht kommenden Unterbrechungen so rechtzeitig bekannt ist, dass die Verkehrsordnungswidrigkeit noch mit Aussicht auf Erfolg geahndet werden kann (vgl. VGH BW, B.v. 21.7.2014 – 10 S 1256/13 – juris Rn. 5). Schickt der Fahrzeughalter den ihm übersandten Anhörungsbogen unausgefüllt oder kommentarlos zurück oder reagiert auf diesen nicht oder lehnt er – wie hier – unter ausdrücklichem Hinweis auf sein Zeugnis- oder Aussagverweigerungsrecht pauschal jede Mitwirkung an der weiteren Aufklärung ab, darf die Ermittlungsbehörde nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich von einer fehlenden Bereitschaft ausgehen, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken (vgl. BVerwG, B.v. 1.3.1994 – 11 B 130.93 – VRS 88, 158 juris Rn. 4 m.w.N.; VGH BW, B.v. 10.8.2015 – 10 S 278/15 – VerkMitt 2015, Nr. 61 = juris Rn. 8 m.w.N.; OVG NW, B.v. 25.1.2018 – 8 A 1587/16 – juris Rn. 11). Dies gilt nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls auch und gerade in den Fällen, in denen – wie hier – der Fahrzeughalter in dem Anhörungsschreiben vorsorglich auch als Zeuge angesprochen worden ist, aber bis zuletzt jede sachdienliche Äußerung abgelehnt hatte (BVerwG, B.v. 1.3.1994 a.a.O.). Erst wenn sich im Einzelfall besondere Beweisanzeichen ergeben haben, die auf die Person des Fahrzeugführers hindeuten, oder wenn besondere Umstände des Einzelfalls es naheliegend erscheinen lassen, dass der Halter bei Kenntnis bestimmter Ermittlungsergebnisse doch mitwirkungsbereit sein könnte, muss die Behörde weiter ermitteln (Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 31a StVZO Rn. 39 m.w.N.; BayVGH, B.v. 15.10.2018 – 11 CS 18.1240 – juris Rn. 14). Solche Umstände lagen hier jedoch nicht vor.
Soweit die Antragstellerin die Annahme der Antragsgegnerin angreift, das Messfoto habe eine Identifizierung des verantwortlichen Fahrers zugelassen, war dies nicht entscheidungserheblich. Denn für das Verwaltungsgericht war maßgebend, dass die Antragstellerin anhand dieses Fotos erkennen konnte, dass zwei männliche Personen als Fahrzeugführer in Betracht kamen, und sodann an der Aufklärung nicht mitgewirkt hat, indem sie sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen hat. Ihr Beschwerdevortrag, es sei unstreitig, dass sie das Fahrzeug zwei Familienangehörigen überlassen habe, trifft im Übrigen nicht zu. Vielmehr ist ungeklärt, ob sie das Zeugnisverweigerungsrecht zu Recht in Anspruch genommen hat, da sie insofern lediglich nicht nachprüfbare Angaben gemacht hat. Dies ist jedoch ebenfalls nicht entscheidungserheblich.
Weiter ist das Verwaltungsgericht der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung folgend zutreffend davon ausgegangen, dass die Ausübung eines Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechts der Anwendbarkeit des § 31a StVZO nicht entgegensteht. Macht der Halter eines Kraftfahrzeuges, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen wurde, von seinem Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht im Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren Gebrauch, muss er gemäß § 31a StVZO die Auflage in Kauf nehmen, ein Fahrtenbuch zu führen, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind (BVerwG, B.v. 11.8.1999 – 3 B 96.99 – BayVBl 2000, 380 = juris Rn. 3; B.v. 22.6.1995 – 11 B 7.95 – DAR 1995, 459 = juris Rn. 3; OVG Hamburg, B.v. 28.6.2016 – 4 Bf 97/15.Z – VRS 130, 328 = juris Rn. 17 ff.; BayVGH, B.v. 28.1.2015 – 11 ZB 14.1129 – juris Rn. 24 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 4.8.2014 – 3 B 90/14 – LKV 2015, 39 = juris Rn. 5). Ein doppeltes „Recht“, nach einem Verkehrsverstoß im Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, besteht nicht, da es dem sicherheitsrechtlichen Zweck des § 31a StVZO widerspräche (BVerwG, B.v. 22.6.1995, a.a.O. Rn. 4 unter Hinweis auf BVerfG, B.v. 7.12.1981 – 2 BvR 1172/81 – NJW 1982, 568 = juris Rn. 7; BayVGH, a.a.O.). Es ist nicht dargelegt oder ersichtlich, welche rechtlichen Folgerungen insofern aus dem Einwand einer angeblich fehlenden ordnungsgemäßen Belehrung über ein Zeugnis- und Aussageverweigerungsrecht resultieren sollen. Ungeachtet dessen sind der Antragstellerin bereits mit Schreiben vom 25. Januar 2018 (Seite 2, Ziffer I. und III.) sämtliche erforderlichen Belehrungen zutreffend erteilt worden. Auch hat sie ein Formular mit entsprechenden Belehrungen anlässlich ihrer Zeugeneinvernahme am 28. Februar 2018 unterschrieben und selbst vorgetragen, auf den Rat des sachbearbeitenden Polizeibeamten hin von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht zu haben.
Ferner hat die Antragsgegnerin zu Recht darauf hingewiesen, dass die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage auch bei Inanspruchnahme eines Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrechts verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Allein durch die in erster Linie polizeilich begründete Mitwirkungspflicht, die der Gewährleistung der Freiheit und Sicherheit des Straßenverkehrs für alle zu dienen bestimmt ist, werden etwaige Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechte in Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren sowie auch mögliche entsprechende Rechte in verwaltungsbehördlichen Verfahren noch nicht berührt (BVerfG, B.v. 7.12.1981 – 2 BvR 1172/81 – NJW 1982, 568 = juris Rn. 7; OVG NW, B.v. 3.1.2006 – 8 B 1847/05 – juris Rn. 23 f.). Bei der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage handelt es sich der Zielsetzung nach nicht um eine Sanktion für die Inanspruchnahme eines Rechts, sondern um eine präventive Maßnahme im Interesse der Verkehrssicherheit (vgl. BVerwG, U.v. 28.5.2015 – 3 C 13.14 – BVerwGE 152, 180 = juris Rn. 19), deren Anknüpfungspunkt die verkehrsrechtliche Verantwortlichkeit des Halters für sein Fahrzeug ist. Bei der Betrachtung der beteiligten Interessen geht es entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht um ein „Recht“ der Antragsgegnerin, eine Fahrtenbuchauflage zu verhängen, sondern um den Schutz höchstrangiger Rechtsgüter, nämlich das Leben und die Gesundheit der Verkehrsteilnehmer, denen die Anordnung zu dienen bestimmt ist. Von Verfassungs wegen ist es nicht geboten, dass sich der Fahrzeughalter seiner verkehrsrechtlichen Verantwortung durch die Inanspruchnahme eines Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechts entziehen kann (vgl. BVerfG, B.v. 1.6.1989 – 2 BvR 239/88 u.a. -BVerfGE 80, 109 = juris Rn. 39 zur Kostenhaftung gemäß § 25a StVG). Auch schützt die Verfassung ohne entsprechende gesetzliche Verankerung nicht davor, dass aus – auf zulässigen Verpflichtungen zur Führung von Akten, Büchern oder Registern beruhenden – Aufzeichnungen Erkenntnisse über die Täter von Verkehrsordnungswidrigkeiten abgeleitet werden, auch wenn es sich dabei um den Aufzeichnenden selbst oder jemanden handelt, hinsichtlich dessen dem Aufzeichnenden ein Aussageverweigerungsrecht zusteht (BVerwG, B.v. 11.8.1999, a.a.O. Rn. 3). Die Buchführungs-, Vorlage- und Aufbewahrungspflichten, die mit der Anordnung eines Fahrtenbuchs verbunden sind, kommen auch keiner Sanktion gleich. Sie sind nicht derart einschneidend oder freiheitsbeschränkend, dass sie faktisch einen Zwang zur Selbstbezichtigung oder zum Verzicht auf das Zeugnisverweigerungsrecht bewirken könnten oder in Anbetracht der rechtlichen Folgen für den für die Verkehrsordnungswidrigkeit verantwortlichen Fahrzeugführer eine ernsthafte Konfliktsituation schaffen würden, die das Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht verhindern will (vgl. BVerfG, a.a.O. Rn. 36 ff. zu § 25a StVG).
Soweit die Antragstellerin einen Widerspruch gegen europäisches Verfahrensrecht bemängelt, genügt die Beschwerdebegründung nicht den Darlegungsanforderungen aus § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO, denn sie hat nicht ansatzweise erläutert, welche geltenden europäischen Verfahrensvorschriften sie als verletzt ansieht und woraus sich dieser Widerspruch ergeben soll. Dies ist auch nicht ersichtlich.
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG und den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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