Verkehrsrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis, Kokain, Behauptung unbewussten Konsums

Aktenzeichen  11 CS 21.2215

Datum:
19.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 36686
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV § 11 Abs. 7, 46 Abs. 1
Anlage 4 Nr. 9.1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RN 8 S 21.551 2021-08-06 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Entziehung ihrer Fahrerlaubnis der Klassen A und B (mit Unterklassen) und der Verpflichtung zur Abgabe ihres Führerscheins.
Durch Mitteilung der Staatsanwaltschaft Regensburg erhielt die Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts Kelheim Kenntnis davon, dass bei der Antragstellerin, die am 8. November 2020 gegen 17:35 Uhr als Fahrzeugführerin von der Polizei kontrolliert worden war, nach einem positiven Drogenvortest eine Blutuntersuchung durchgeführt wurde. Im Blutserum wurden 6,9 μg/l Kokain und mehr als 1.000 μg/l Benzoylecgonin (Hauptmetabolit von Kokain) festgestellt.
Im Rahmen der Anhörung zur Entziehung der Fahrerlaubnis gab die Antragstellerin an, das Kokain sei ihr in ein Getränk gemischt worden und sie habe davon nichts gewusst. Den Kontakt zu den Personen, mit denen sie an dem Abend zu tun gehabt habe, habe sie sofort abgebrochen.
Nach einem Aktenvermerk des Landratsamts vom 24. Februar 2021 hat der Polizeibeamte, der die Antragstellerin am 8. November 2020 kontrolliert hatte, in einem Telefongespräch erklärt, diese habe bei der Verkehrskontrolle glaubhaft angegeben, ihr sei das Kokain bei Bekannten, die in großem Umfang mit Betäubungsmitteln handeln würden, per Getränk verabreicht worden. Eine telefonische Nachfrage des Landratsamts beim Labor, das die Blutuntersuchung durchgeführt hat, ergab, der hohe Abbauwert von Kokain (Benzoylecgonin) weise darauf hin, dass eine sehr hohe Menge an Kokain aufgenommen worden sei. Bei oraler Aufnahme gelange nur wenig Wirkstoff in den Blutkreislauf, was mit dem hohen Wert nicht in Einklang zu bringen sei.
Mit Bescheid vom 5. März 2021 entzog das Landratsamt der Antragstellerin unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis und verpflichtete sie unter Androhung eines Zwangsgelds zur Ablieferung des Führerscheins. Durch den nachgewiesenen Konsum von Kokain habe sie ihre Fahreignung verloren.
Der Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins kam die Antragstellerin am 10. März 2021 nach.
Gegen den Bescheid ließ die Antragstellerin Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg erheben, über die das Gericht noch nicht entschieden hat. Zur Begründung ihres Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat die Antragstellerin angegeben, sie habe am 8. November 2020 einen Bekannten besucht, der ihr Redbull angeboten habe. Die Getränkedose sei bereits offen gewesen. Dies habe ihr nicht behagt. Der Bekannte habe dies bemerkt und gesagt, er habe bereits einen Schluck genommen und hoffe, das mache ihr nichts aus. An diesem Abend sei der Bekannte anders als sonst sehr forsch und aufbrausend gewesen und immer zudringlicher geworden. Sie habe Angst bekommen und vorgegeben, dringend fahren zu müssen, woraufhin ihr Bekannter sehr wütend geworden sei. Sie habe allen Mut zusammen genommen und sei aus der Wohnung gestürmt. Die Redbull-Dose habe sie in ihrem Fahrzeug ausgetrunken. Etwas geschmacklich Auffälliges habe sie nicht bemerkt. Ihr sei nicht bewusst gewesen, dass sie Drogen konsumiert habe. Der Bekannte habe Kokain in das Getränk gemischt, um sie gefügig zu machen. Die Staatsanwaltschaft habe das gegen sie eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Betäubungsmittelbesitzes gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Das Amtsgericht Kelheim habe sie am 30. April 2021 auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren vom Fahren unter Einfluss von Betäubungsmitteln freigesprochen. Als Leiterin einer von ihrer Wohnung 32 km entfernten Filiale eines Discounters sei sie auf die Fahrerlaubnis angewiesen. Mit der Entziehung drohe ihr die Arbeitslosigkeit. Eine negative Urinuntersuchung vom 26. April 2021 belege, dass ihre Einlassung richtig sei.
Mit Beschluss vom 6. August 2021 hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Die Schilderung der Antragstellerin, die Substanz nicht bewusst eingenommen zu haben, sei in sich nicht schlüssig und nicht glaubhaft. Sie lasse sich nicht mit den festgestellten Blutwerten in Einklang bringen. Außerdem hätten sich bei einer erstmaligen und unbewussten Einnahme von Kokain Ausfallerscheinungen einstellen müssen, die jedoch bei der Antragstellerin nicht festgestellt worden seien. Widersprüchlich und wenig plausibel sei auch der Vortrag, die Antragstellerin habe das Getränk, als sie nach Zudringlichkeiten aus der Wohnung gestürmt sei, mitgenommen und vor Fahrtantritt im Auto ausgetrunken.
Zur Begründung der hiergegen eingereichten Beschwerde, die sich nicht gegen die Entscheidung hinsichtlich der erledigten Zwangsgeldandrohung, sondern nur gegen den Sofortvollzug der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins richtet, lässt die Antragstellerin ausführen, das Landratsamt habe das öffentliche Interesse hinsichtlich des Sofortvollzugs nicht hinreichend begründet. Umstände, die auf eine Wiederholungsgefahr hindeuten würden, lägen nicht vor. Wesentliche Aspekte seien nicht in die Interessenabwägung eingeflossen. Sie habe durch den Entzug der Fahrerlaubnis ihren Arbeitsplatz verloren. Bei einem neuen Arbeitgeber könne sie eine Außendiensttätigkeit aufnehmen, sei hierfür aber zwingend auf die Fahrerlaubnis angewiesen. Eine Haaranalyse vom 7. September 2021 für einen Zeitraum von sechs Monaten vor der Probennahme habe ein negatives Ergebnis ergeben. Der Bescheid sei auch materiell rechtswidrig. Die Antragstellerin habe einen in sich schlüssigen und glaubhaften Sachverhalt vorgetragen, der den Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lasse und der einer Nachprüfung zugänglich sei. Sie sei unbewusst unter Drogen gesetzt worden. Ihr Verhalten bei der Polizeikontrolle belege, dass ihr die Aufnahme des Betäubungsmittels tatsächlich unbekannt geblieben sei. Sie sei kooperativ, unvoreingenommen und von den Feststellungen vor Ort überrascht gewesen. Trotz der Gefahr etwaiger Rachetaten der von ihr namentlich benannten Täter habe sie alles ihr Mögliche veranlasst, um die Nachprüfung zu ermöglichen. Sie habe das Getränk aufgrund ihrer emotionalen Lage ausgetrunken und sich bereits im Rahmen der Verkehrskontrolle geäußert, um die Angelegenheit aufzuklären. Von ihr gehe kein überdurchschnittliches Gefahrenpotential aus. Nach einer Stellungnahme des Toxikologen Dr. N. im Bußgeldverfahren würden im Bereich des Polizeipräsidiums Blutentnahmeröhrchen verwendet, die eine Veränderung der Blutwerte nach der Blutentnahme nicht unterbinden würden. So erhöhe sich unter anderem der Benzoylecgoninwert fortwährend in unbekanntem Ausmaß, was den festgestellten hohen Wert erklären könne. Eine orale Aufnahme von Kokain habe Einfluss auf den Zeitpunkt des Wirkungseintritts, führe aber nicht unbedingt zu niedrigeren Blutwerten. Außerdem sei die Blutprobe mit deutlicher Verzögerung zum Tatzeitpunkt entnommen worden, was ebenfalls zu einem weiteren Aufbau des Benzoylecgonin habe führen können. Eine eindeutige Beziehung zwischen der Konzentration des Wirkstoffs im Blut und dessen Wirkung könne nicht hergestellt werden. Einschlägige Auffälligkeiten im Zusammenhang mit Blutentnahmen nach Kokainkonsum seien nach einer statistischen Auswertung des Universitätsklinikums Bonn in weniger als 50% der Fälle zu verzeichnen. Daher sei die Unterstellung, die Antragstellerin müsse aufgrund der fehlenden Auffälligkeiten den Konsum von Kokain gewöhnt sein, unzutreffend. Aufgrund erst im Nachhinein gemachter Tests könne nicht darauf geschlossen werden, wie die Verfassung der Antragstellerin während der Fahrt gewesen sei.
Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen.
Der Senat hat das Sitzungsprotokoll des Amtsgerichts Kelheim, einen Sitzungsvermerk und das Urteil vom 30. April 2021 beigezogen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben wäre.
1. Soweit die Antragstellerin, wie bereits erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 23. März 2021, Einwendungen gegen die nach ihrer Auffassung nicht ausreichende Begründung der Vollzugsanordnung im Bescheid erhebt, führt dies nicht zum Erfolg ihrer Beschwerde. Zutreffend und ausführlich hat das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss ausgeführt, dass die Begründung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt, weil das Erlassinteresse bei Fahrerlaubnisinhabern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, aufgrund der damit verbundenen Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die erstinstanzlichen Ausführungen Bezug (vgl. im Übrigen auch BayVGH, B.v. 8.6.2021 – 11 CS 20.2342 – juris Rn. 17 m.w.N.). Außerdem kommt es auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung nicht an, da § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO eine hier erfüllte formelle und keine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung normiert.
2. Die Einwendungen der Antragstellerin gegen die materielle Rechtmäßigkeit des Bescheids sind ebenfalls nicht durchgreifend.
Bei der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs vorzunehmen. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt im Rahmen einer summarischen Prüfung als rechtswidrig und verletzt er den Betroffenen in seinen Rechten, ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts regelmäßig zu verneinen. Bestehen umgekehrt keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts und liegen ausreichende Gründe für die Anordnung des Sofortvollzugs vor, ist der Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs in aller Regel abzulehnen. (Nur) bei offenen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs sind die Vollzugsinteressen gegen die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen abzuwägen.
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klage der Antragstellerin keine Aussicht auf Erfolg bietet, weil der Bescheid des Landratsamts vom 5. März 2021 nach summarischer Prüfung rechtmäßig ist. Die Antragstellerin ist aufgrund des Kokainkonsums ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Von einem unbewussten Konsum ist nach derzeitiger Erkenntnislage nicht auszugehen.
a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 14.17 – BVerwGE 165, 215 Rn. 11; U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – NJW 2021, 1970 Rn. 12 m.w.N.) zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Dezember 2020 (BGBl I S. 2667) mit Wirkung zum 10. Dezember 2020, und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 11. März 2019 (BGBl I S. 218) mit Wirkung zum 1. Januar 2021, hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen oder wenn der Fahrerlaubnisinhaber erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen hat. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV).
Steht die Nichteignung der oder des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, unterbleibt gemäß § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) – hier Kokain (vgl. § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage III) – die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 11 ZB 17.2069 – juris Rn 10 m.w.N.). Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis grundsätzlich bereits dann gerechtfertigt, wenn – wie hier – einmalig harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder wenn der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 11 CS 20.1292 – juris Rn. 11; B.v. 26.3.2019 – 11 CS 18.2333 – juris Rn. 11 m.w.N.). Ein Ermessen steht der Behörde insoweit nicht zu (BayVGH, B.v. 24.4.2017 – 11 CS 17.601 – juris Rn. 13).
Zwar setzt die eignungsausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln grundsätzlich einen willentlichen Konsum voraus. Die unbewusste Einnahme von Betäubungsmitteln stellt jedoch nach allgemeiner Lebenserfahrung eine seltene Ausnahme dar. Daher muss, wer sich darauf beruft, einen detaillierten, in sich schlüssigen und glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt und der damit auch zumindest teilweise der Nachprüfung zugänglich ist (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 29.12.2020 – 11 CS 20.2355 – juris Rn. 14; B.v. 14.9.2020 – 11 CS 20.1292 – juris Rn. 14; B.v. 17.5.2019 – 11 CS 19.308 – juris Rn. 15; B.v. 13.2.2019 – 11 ZB 18.2577 – juris Rn. 18 jeweils m.w.N.).
b) Einen solchen in sich schlüssigen und glaubhaften Sachverhalt zur behaupteten unbewussten Kokaineinnahme hat die Antragstellerin nicht vorgetragen.
Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der im Beschlussverfahren entsprechend gilt (§ 122 Abs. 1 VwGO), entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Erwägungen, mit denen das Verwaltungsgericht die Einlassungen der Antragstellerin für nicht glaubhaft erachtet hat, sind nachvollziehbar und lassen insbesondere keinen Verstoß gegen die Denkgesetze erkennen. Auch dem Senat erscheint die im Beschwerdeverfahren vertiefte Darstellung der Antragstellerin konstruiert und widersprüchlich.
Auffällig ist bereits, dass die Antragstellerin zunächst bei ihrer Befragung als Beschuldigte am Tattag einen Äußerungsbogen unterzeichnet hat, wonach sie sich nicht äußern wolle. Zu einem späteren Zeitpunkt erhielt das Landratsamt von der Polizei eine „Abverfügung an die Kriminal-/Aktenstelle“ vom 26. November 2020, wonach die Antragstellerin glaubhaft geäußert habe, ihr sei das Kokain per Getränk bei Bekannten verabreicht worden. Aus Angst vor Rache der Bekannten, die in großem Umfang mit Betäubungsmitteln handeln würden, wolle sie sich erst mit ihrem Anwalt absprechen, bevor sie deren Identität preisgebe. Nach diesem Vermerk hat sich die Antragstellerin ihren Angaben zufolge nicht bei einem, sondern bei mehreren Bekannten aufgehalten. Auch in ihrer Stellungnahme vom 19. Februar 2021 gegenüber dem Landratsamt im Rahmen der Anhörung zur Entziehung der Fahrerlaubnis behauptet die Antragstellerin ausdrücklich, sie habe „absolut keinen Kontakt mehr mit den Personen, mit denen sie an dem Abend zu tun gehabt habe.“ Hiermit ist ihre spätere Einlassung, sie sei bei einer Person namens J* … in dessen Wohnung gewesen, der ihr das mit Kokain versetzte Getränk angeboten habe, nicht in Einklang zu bringen. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob sich die Antragstellerin bei einer Person oder bei mehreren Personen aufgehalten und dort das Getränk zu sich genommen hat. Zu diesem unauflöslichen Widerspruch fehlt bisher jede plausible Erklärung.
Unstimmig ist des Weiteren, dass die Antragstellerin den Besuch bei ihren Bekannten in ihrem Schreiben vom 19. Februar 2021 auf den „Abend“ datiert, obwohl sie von dort nach dem Vorfall noch eine weite Strecke mit dem Auto gefahren ist und um 17:35 Uhr von der Polizei angehalten wurde. Nachdem sie zuletzt vorgibt, bei einem Freund in Dachau gewesen zu sein, die Polizei sie aber auf der Autobahn A 93 an der Anschlussstelle Mainburg kontrolliert hat, dürfte sie etwa eine Stunde vor der Kontrolle in Dachau aufgebrochen sein, was kaum als „Abend“ zu bezeichnen ist.
Völlig unplausibel und unglaubhaft erscheint jedenfalls die Darstellung, die Getränkedose beim Verlassen der Wohnung mitgenommen und vor Fahrtantritt noch ausgetrunken zu haben, obwohl ihr von vornherein nicht behagt habe, dass die Dose bereits offen gewesen sei und sie vorgibt, aus Angst vor Zudringlichkeiten aus der Wohnung gestürmt zu sein. Ein solches Verhalten widerspricht jeder Lebenserfahrung und genügt nicht den Anforderungen an einen in sich schlüssigen und glaubhaften Sachverhalt zur behaupteten unbewussten Kokaineinnahme. Der von der Polizei übermittelten Abverfügung vom 26. November 2020 und dem Schriftsatz des Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 26. August 2021 ist zu entnehmen, dass aufgrund ihrer Behauptung polizeiliche Ermittlungen gegen den oder die potentiellen Täter wegen gefährlicher Körperverletzung und Abgabe von Betäubungsmitteln eingeleitet wurden (Az. …*). Dieser Frage und dem Ergebnis der Ermittlungen kann das Verwaltungsgericht gegebenenfalls im Klageverfahren nachgehen. Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist jedenfalls nicht von einer glaubhaften Schilderung der Antragstellerin zum behaupteten unbewussten Kokainkonsum auszugehen.
c) Damit kommt es auf die vom Bevollmächtigten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren angesprochenen Fragen der Wirkungsweise und der Blutwerte bei oraler Kokainaufnahme und deren Veränderung nach der Blutentnahme (vgl. hierzu auch Möller in Hettenbach/Kalus/Möller/Pießkalla/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 3. Auflage 2016, § 3 Rn. 88 ff.) nicht an. Wie bereits ausgeführt ist ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer (mindestens) einmal harte Drogen konsumiert hat, unabhängig davon, ob er dadurch eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2, Abs. 3 StVG begangen hat oder nicht. Somit kommt der Antragstellerin auch der Freispruch des Amtsgerichts Kelheim mit Urteil vom 30. April 2021, das im Übrigen keine Gründe enthält und von dem daher auch keine Bindungswirkung hinsichtlich der Feststellungen des Sachverhalts gemäß § 3 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 StVG ausgeht, für das fahrerlaubnisrechtliche Verfahren nicht zugute.
d) Gleiches gilt für das Ergebnis der nach Bescheiderlass eingeholten und vorgelegten Haaranalyse vom 7. September 2021, das wegen des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis weder im noch anhängigen Klageverfahren noch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes berücksichtigt werden kann. Abgesehen davon ist allein eine nachgewiesene Drogenabstinenz für den erforderlichen Zeitraum, der bei harten Drogen durchaus länger als sechs Monate sein kann (vgl. Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV), zwar notwendige, aber noch nicht ausreichende Voraussetzung für die Wiedererlangung der Fahreignung.
e) Da die Klage der Antragstellerin nach bisheriger Erkenntnislage keine Aussicht auf Erfolg hat, können auch die von ihr geschilderten beruflichen Belange nicht dazu führen, dass ihrem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Wege einer Interessenabwägung stattgegeben wird.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47, § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1, 46.1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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