Verkehrsrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss, Verwertbarkeit einer länger zurückliegenden Straftat, Verwertbarkeit von Ordnungswidrigkeiten

Aktenzeichen  11 CS 21.2810

Datum:
24.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 957
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 8, 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. b, § 46 Abs. 1, Abs. 3
FeV Nr. 8.1 Anlage 4 zur

 

Leitsatz

Verfahrensgang

W 6 S 21.1325 2021-10-26 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen AM, A 79.03, 79.04, A1 79.03, 79.04, B, BE und L.
Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 9. April 2013 verurteilte ihn das Amtsgericht Würzburg wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe und entzog ihm die Fahrerlaubnis unter Festsetzung einer Sperrfrist von acht Monaten, nachdem er am 8. Februar 2013 mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,31 ‰ im öffentlichen Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug geführt hatte.
Am 9. Dezember 2013 erteilte das Landratsamt Würzburg dem Antragsteller erneut eine Fahrerlaubnis.
Im März 2021 wurde dem Landratsamt bekannt, dass der Antragsteller am 23. Oktober 2020 um 1:13 Uhr ein Fahrzeug mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,37 mg/l geführt und das Bayerische Polizeiverwaltungsamt dies mit Bescheid vom 4. November 2020, rechtskräftig seit 15. Januar 2021, mit einem Fahrverbot von drei Monaten und einem Bußgeld geahndet hatte. Weitere Ermittlungen ergaben, dass der Antragsteller auch am 4. Oktober 2019 gegen 1:10 Uhr ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss geführt hatte. Die festgestellte Atemalkoholkonzentration betrug 0,41 mg/l. Diese Tat wurde mit Bußgeldbescheid vom 6. November 2019, rechtskräftig seit 4. Dezember 2019, mit einem Fahrverbot von einem Monat geahndet.
Unter Bezugnahme auf diese Zuwiderhandlungen forderte das Landratsamt den Antragsteller mit Schreiben vom 11. März 2021 gestützt auf § 46 Abs. 3, § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV auf, bis 11. Juni 2021 ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu seinem Trennungsvermögen beizubringen.
Mit Formularerklärung vom 20. April 2021 erklärte sich der Antragsteller mit einer Begutachtung einverstanden. Mit Schreiben vom 6. Mai 2021 bat er um eine Fristverlängerung bis 31. August 2021, da er sich aktuell in der Vorbereitung zur Ableistung der noch nicht abgeschlossen medizinisch-psychologischen Untersuchung befinde. Dies lehnte das Landratsamt mit Schreiben vom 28. Mai 2021 ab
Nach Anhörung entzog das Landratsamt dem Antragsteller, der kein Gutachten vorgelegt hatte, mit Bescheid vom 30. August 2021 die Fahrerlaubnis und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgelds auf, seinen Führerschein unverzüglich, spätestens eine Woche seit Zustellung des Bescheids, abzugeben. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an. Am 6. September 2021 gab der Antragsteller seinen Führerschein beim Landratsamt ab.
Am 30. September 2021 ließ er Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben, über die nach Aktenlage noch nicht entschieden ist, und zugleich vorläufigen Rechtsschutz beantragen.
Den Eilantrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 26. Oktober 2021 als teilweise unzulässig und im Übrigen als unbegründet ab. Soweit der Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners zur unverzüglichen Herausgabe des Führerscheins begehre und sich der Antrag gegen die Androhung des Zwangsgelds richte, fehle ihm ein Rechtsschutzbedürfnis. Das Landratsamt habe die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in ausreichender Weise begründet. Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 8 FeV lägen mit hoher Wahrscheinlichkeit vor. Auf die Gründe des angefochtenen Bescheids werde gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug genommen. Ergänzend werde ausgeführt, der Antragsteller habe das gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV zu Recht geforderte Gutachten nicht vorgelegt. Anders als § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV setze diese Vorschrift keine Mindestalkoholkonzentration voraus. Entgegen seiner Ansicht sei die fahrlässige Trunkenheitsfahrt vom 8. Februar 2013 verwertbar. Die Tilgungsfrist für diese Eintragung betrage gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. a StVG zehn Jahre. Sie habe gemäß § 29 Abs. 4 Nr. 1 StVG in der bis 30. April 2019 geltenden Fassung (a.F.) mit dem Tag der Unterzeichnung durch den Richter, d.h. am 9. April 2013, begonnen. Die bis 1. Mai 2019 nur teilweise abgelaufene Tilgungsfrist von damals ebenfalls zehn Jahren (§ 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVG a.F.) werde gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a StVG angerechnet, ändere jedoch im Ergebnis nichts an der Gesamtdauer der Tilgungsfrist von zehn Jahren. Im Fahreignungsregister sei für die Tat vom 8. Februar 2013 als Tilgungsdatum zutreffend der 10. Dezember 2023 eingetragen. Gegen die Heranziehung der Alkoholfahrt bestünden demnach keine Bedenken. Gleiches gelte für die Ordnungswidrigkeiten vom 4. Oktober 2019 und 23. Oktober 2020, die aufgrund der Tilgungsfrist von je fünf Jahren (§ 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b StVG) eindeutig noch verwertbar seien. Mit dem Argument, zwischen den Fahrten aus den Jahren 2013, 2019 und 2020 bestehe kein zeitlicher Zusammenhang, könne der Antragsteller nicht gehört werden. Zwischen zwei Trunkenheitsfahrten könnten mehrere Jahre liegen, solange keine Tilgungsreife eingetreten sei. In der Rechtsprechung würden sogar noch deutlich längere Zeiträume (so z.B. zwölf Jahre) zwischen zwei relevanten Alkoholfahrten akzeptiert, ohne dass sie einer Gutachtensaufforderung entgegenstünden. Die Fahrerlaubnisbehörde habe zwingend ein Gutachten anordnen müssen. § 13 FeV eröffne kein Ermessen. Die zutage getretenen Eignungszweifel seien aufzuklären. Auch bei Abwägung der gegenseitigen Interessen sei deshalb kein überwiegendes Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage festzustellen.
Mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, macht der Antragsteller geltend, die Voraussetzungen für die Beibringungsanordnung hätten nicht vorgelegen. Das Verwaltungsgericht und der Antragsgegner hätten den Vorfall vom 8. Februar 2013 nicht heranziehen dürfe. Dabei komme es nicht auf die Frage der Tilgung an. Dem Antragsteller sei wegen des Vorfalls die Fahrerlaubnis entzogen worden. Das Landratsamt habe ihm diese anschließend neu erteilt. Es erscheine undenkbar, dass der sowohl straf- und verwaltungsrechtlich geprüfte Vorgang zur Begründung der Beibringungsanordnung herangezogen werde. Dies stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach eine strafrechtlich geahndete Trunkenheitsfahrt nicht zum Anlass einer medizinisch-psychologischen Untersuchung bei der Frage der Neuerteilung gemacht werden könne. Folge man der Auffassung des Verwaltungsgerichts, so wäre diese Rechtsprechung komplett sinnentleert. Durch die Möglichkeit, strafrechtlich rechtskräftig entschiedene und verwaltungsrechtlich geprüfte Vorgänge zum Gegenstand einer Beibringungsanordnung zu machen, würde das vom Bundesverwaltungsgericht gerade als nicht erforderlich angesehene Verfahren gleichsam durch die Hintertür eingeführt. Bei antragsgemäßer Neuerteilung der Fahrerlaubnis habe das Landratsamt entschieden, dass keine Bedenken im Hinblick auf den Alkoholkonsum und das Trennungsvermögen des Antragstellers bestanden hätten. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass dies mit zeitlichem Abstand von über sechs Jahren anders zu beurteilen sei. Der vom Verwaltungsgericht zitierte Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 31. Oktober 2014 sei nicht einschlägig. Die beiden Ordnungswidrigkeiten vom 4. Oktober 2019 und vom 23. Oktober 2020 – mit einem Abstand von mehr als einem Jahr – könnten nicht in Zusammenhang gebracht werden. Die Promillegrenzen seien nur um 0,12 mg/l und 0,16 mg/l überschritten worden. Diese Fahrten könnten nicht die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung rechtfertigen. Jedenfalls sei aber die vorgenommene Interessenabwägung fehlerhaft. Das Verwaltungsgericht benenne keine Gründe, die gegen die Teilnahme des Antragstellers am öffentlichen Straßenverkehr sprächen. Das Argument, er habe das geforderte Gutachten nicht vorgelegt, könne keine Geltung beanspruchen. Diese Frage sei gerade Gegenstand des Verfahrens und könne ihm deswegen logischerweise nicht zur Last gelegt werden, da ihm ansonsten in rechtsstaatlich bedenklicher Weise die Rechtsschutzmöglichkeit genommen werde. Die Tatsache des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz solle im Rahmen der Interessenabwägung nun zum Nachteil gewertet werden. Dies erscheine gänzlich unvertretbar. Die fehlende Fahreignung sei gerade streitig. Dem stünden gravierende existenziell bedrohliche Einschränkungen gegenüber, die aus der sofortigen Vollziehung resultierten. Der Antragsteller werde an seiner beruflichen Tätigkeit gehindert. Als Bäcker mit entsprechenden Arbeitszeiten könne er seinen Arbeitsort nicht erreichen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig wäre.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. April 2021 (BGBl I S. 822), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. April 2021 (BGBl I S. 822), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde. Nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV ist ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer das Führen von Fahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann (Alkoholmissbrauch). Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung begründen, so kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens anordnen (§ 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 i.V.m. §§ 11 bis 14 FeV). Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung geschlossen werden. Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung der Begutachtung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 = juris Rn. 19).
§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV eröffnet kein Ermessen (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 11 FeV Rn. 51 m.w.N.). D.h., die Fahrerlaubnis ist entgegen der Auffassung des Antragstellers zu entziehen, wenn ein zu Recht angeordnetes Gutachten nicht beigebracht wird. In den geltenden rechtlichen Bestimmungen ist angelegt, dass die Fahreignung des Betroffenen dann ungeklärt bleibt. Die rechtlichen Folgen einer Verweigerung der Mitwirkung an einer medizinisch-psychologischen Begutachtung sind dem Betroffenen allerdings aufgrund des Hinweises gemäß § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV von vornherein bekannt. Er muss sich zwischen der Mitwirkung an der Begutachtung und der inzidenten Prüfung der Rechtmäßigkeit der Beibringungsanordnung im Rahmen einer gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis gerichteten Klage entscheiden. Während des Klageverfahrens wird er regelmäßig nicht im Besitz seines Führerscheins sein, weil die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV von fehlender Fahreignung auszugehen hat und deshalb zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit und zum Schutz der Verkehrsteilnehmer berechtigt ist, die sofortige Vollziehung der Entziehung anzuordnen.
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV vorlagen. Hiernach ordnet die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an, wenn der Betroffene wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen hat. Der Antragsteller hatte mindestens zwei verwertbare Zuwiderhandlungen (Fahrten unter Alkoholeinfluss) begangen (vgl. Dauer a.a.O. § 13 FeV Rn. 22).
Der Antragsteller wendet sich nicht gegen die Anwendung der Tilgungsbestimmungen durch das Verwaltungsgericht, sondern vertritt die Auffassung, dass das Landratsamt die am 8. Februar 2013 begangene Straftat wegen des Zeitablaufs und der zwischenzeitlichen Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nicht mehr für die Beibringungsanordnung hätte heranziehen dürfen. Diese Ansicht findet im Straßenverkehrsgesetz und der Fahrerlaubnis-Verordnung jedoch keine Stütze. Nach § 63 Abs. 1 FeV führt eine Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nur dann zur vorzeitigen Tilgung von Eintragungen, wenn die Fahrerlaubnis ausschließlich wegen körperlicher oder geistiger Mängel oder wegen fehlender Befähigung entzogen oder versagt worden ist. Darüber hinaus hat der Gesetz- und Verordnungsgeber keine Verpflichtung zur Tilgung von „Alttatsachen“ bei Neuerteilung einer Fahrerlaubnis vorgesehen (vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2012 – 11 ZB 12.837 – juris Rn. 16). Nach § 4 Abs. 3 StVG sind zwar die im Fahreignungsregister eingetragenen Punkte mit der Neuerteilung der Fahrerlaubnis zu löschen, jedoch nicht die diesen zugrundeliegenden Entscheidungen über rechtskräftig geahndete Zuwiderhandlungen. Diese bleiben im Fahreignungsregister bis zur Tilgungsreife erfasst und können in späteren, etwa – wie hier – auf § 3 Abs. 1 StVG gestützten Entziehungsverfahren herangezogen werden (vgl. BT-Drs. 17/12636 S. 39 f.; Dauer in Hentschel/ König/Dauer, § 4 StVG Rn. 52 m.w.N.; BayVGH, B.v. 16.9.2020 – 11 CS 20.1061 – juris Rn. 21 m.w.N.). Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass Taten verwertbar sind und dem Betreffenden vorgehalten werden können, solange sie – wie hier aus den vom Verwaltungsgericht ausgeführten und vom Antragsteller nicht angegriffenen Gründen – im Fahreignungsregister noch nicht getilgt bzw. nicht tilgungsreif sind (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 21/04 – NJW 2005, 3440 = juris Rn. 25 f.; BayVGH, B.v. 16.9.2020 – 11 CS 20.1061 – juris Rn. 18 m.w.N.; B.v. 31.10.2014 – 11 CS 14.1627 – BeckRS 2014, 58910 Rn. 12; Siegmund in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand 9.12.2021, § 13 FeV Rn. 69). Die Neuerteilung der Fahrerlaubnis am 9. Dezember 2013 setzt keine Zäsur mit der Folge, dass die zeitlich davorliegende Tat nicht mehr berücksichtigt werden dürfte (vgl. BayVGH, B.v. 16.9.2020 a.a.O. Rn. 19; B.v. 7.12.2015 – 11 ZB 15.2271 – juris Rn. 18; B.v. 22.6.2012 – 11 ZB 12.837 – juris Rn. 15 ff.; B.v. 6.5.2008 – 11 CS 08.551 – juris Rn. 39 ff.; SächsOVG, B.v. 15.9.2020 – 6 A 572/20 – juris Rn. 7; Siegmund a.a.O. Rn. 70).
Aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. April 2017 (3 C 24.15 – DAR 2017, 533 = juris Rn. 14 ff.) kann der Antragsteller nichts für sich herleiten, da sie die hier nicht entscheidungserhebliche Frage zum Gegenstand hatte, ob nach einer strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB), die auf einer (einmaligen) Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss beruht, im Neuerteilungsverfahren unabhängig von der Blutalkoholkonzentration die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen ist. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht unter Hinweis auf die Systematik des § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen Buchst. a bis c dieser Vorschrift verneint. Eine einmalig gebliebene Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration unter 1,6 ‰ genügt ohne zusätzliche aussagekräftige Umstände nicht, um als sonstige Tatsache im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a FeV die Annahme von Alkoholmissbrauch zu begründen. Über diesen Fall hatte das Verwaltungsgericht jedoch nicht zu entscheiden.
Auch die Auffassung des Antragstellers, die Ordnungswidrigkeiten vom 4. Oktober 2019 und vom 23. Oktober 2020 könnten aufgrund ihres zeitlichen Abstands und der niedrigen Überschreitung der Promillegrenzen die Beibringungsanordnung nicht rechtfertigen, widerspricht dem geltenden Recht. Die Anordnung, ein medizinisch-psychologischen Gutachten beizubringen, setzt nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV lediglich die Begehung von mindestens zwei Zuwiderhandlungen (Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten) im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss voraus, ohne dass nach der Höhe der Atem- oder Blutalkoholkonzentration oder dem zeitlichen Abstand zwischen den Taten differenziert wird (vgl. SächsOVG, B.v. 15.9.2020 a.a.O. Rn. 6). Wie lange einem Betroffenen ein in der Vergangenheit liegendes Fehlverhalten entgegengehalten werden darf, richtet sich allein nach den Tilgungs- und Verwertungsbestimmungen (BayVGH, B.v. 14.11.2016 – 11 C 16.2116 u. a. – juris Rn. 15; BVerwG, U.v. 9.6.2005 a.a.O. Rn. 25, 33). Eine Einzelfallprüfung, ob die Verdachtsmomente noch einen relevanten Gefahrenverdacht begründen, ist nur vorzunehmen, wenn sich die Zweifel an der Fahreignung aus länger zurückliegenden Umständen herleiten, die nicht in das Fahreignungsregister einzutragen waren, da es dann an einer normativen Aussage darüber fehlt, wie lange ein solcher Sachverhalt berücksichtigungsfähig ist (Dauer a.a.O. § 13 FeV Rn. 22).
Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV erfüllt, sind behördliche Ermittlungen, mit denen die Fahreignung geklärt werden soll, auch verhältnismäßig. Der Antragsteller hätte, wie dargelegt, durch seine Mitwirkung an einer medizinisch-psychologischen Begutachtung die bestehenden Eignungszweifel ausräumen können und war über die rechtlichen Folgen der nicht rechtzeitigen Vorlage des Eignungsgutachtens informiert. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf den Schutz der Verkehrssicherheit und der übrigen Verkehrsteilnehmer sind die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Anordnung des Sofortvollzugs bei Verweigerung der Mitwirkung auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil er auf die Fahrerlaubnis beruflich angewiesen ist (vgl. OVG Bln-Bbg, B.v. 17.7.2015 – OVG 1 S 91.14 – Blutalkohol 52, 349 = juris Rn. 7).
Nachdem das Verwaltungsgericht den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO bereits wegen mangelnder Erfolgsaussichten der Hauptsache abgelehnt und die reine Interessenabwägung nur hilfsweise vorgenommen hat, kommt es auf die diesbezüglichen Ausführungen (Beschluss, S. 12 f.) nicht entscheidend an. Sie sind allerdings der Sache nach nicht zu beanstanden.
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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