Verkehrsrecht

Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten

Aktenzeichen  1 U 63/16

Datum:
23.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 156043
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 249 Abs. 2, § 398, § 823 Abs. 1
ZPO § 287 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnung bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder (ebenso BGH BeckRS 2014, 4270). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Verlangt der Sachverständige bei Vertragsabschluss Preise, die – für den Geschädigten erkennbar – deutlich überhöht sind, kann sich die Beauftragung dieses Sachverständigen als nicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erweisen. Der Geschädigte kann dann nur Ersatz der für die Erstattung des Gutachtens tatsächlich erforderlichen Kosten verlangen, deren Höhe der Tatrichter gemäß § 287 ZPO zu bemessen hat (ebenso BGH BeckRS 2016, 11737). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch im Rahmen der freieren Stellung des Tatrichters bei der Schadensbemessung nach § 287 Abs. 1 ZPO ist es zu beanstanden, wenn das Gericht eine Kürzung der geltend gemachten Sachverständigenkosten allein auf der Grundlage einer Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes vornimmt (ebenso BGH BeckRS 2014, 4270). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

13 O 702/13 2016-03-30 Schlussurteil LGCOBURG LG Coburg

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Schlussurteil des Landgerichts Coburg vom 30.03.2016 (Az.: 13 O 702/13) abgeändert.
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin weitere 2.960,25 € nebst Zinsen in 1 u 63/16 – Seite 2 Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.03.2014 zu bezahlen.
Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin weitere 1.613,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.03.2014 zu bezahlen.
Die Beklagte zu 3) wird verurteilt, an die Klägerin weitere 998,48 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit 27.3.2014 zu bezahlen.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
2. Die Gerichtskosten der 1. Instanz tragen:
– die Klägerin zu 50%
– die Beklagte zu 1) zu 25%
– die Beklagte zu 2) zu 15%
– die Beklagte zu 3) zu 10%.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in 1. Instanz haben zu tragen:
– die Beklagte zu 1) zu 25%
– die Beklagte zu 2) zu 15%
– die Beklagte zu 3) zu 10%.
Die Klägerin hat 50% der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) zu tragen. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens tragen:- die Beklagte zu 1) zu 52% .- die Beklagte zu 2) zu 30,5%
– die Beklagte zu 3) zu 17,5%.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren tragen:
– die Beklagte zu 1) zu 52%
– die Beklagte zu 2) zu 30,5%
– die Beklagte zu 3) zu 17,5%.
Im Übrigen tragen die Beklagten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

(abgekürzt gemäß §§ 313 a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO)
I.
Die Berufung ist zulässig (§§ 511 ff. ZPO).
In der Sache ist die Berufung überwiegend begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung weiterer Sachverständigenkosten im tenorierten Umfang aus §§ 823 Abs. 1, 398, 249 Abs. 2 BGB, 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 17 Abs. 1, 2 StVG, 115 Abs. 1 VVG.
Der Begründung des Landgerichts, das die Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten an der Honorarbefragung des Bundesverbands der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. (BVSK) orientiert, kann nicht gefolgt werden. Der BGH hat die Kürzung der Sachverständigenkosten auf der Grundlage einer Honorarumfrage des BVSK ausdrücklich abgelehnt.
Der Leitsatz 3. des Urteils des BGH vom 11.2.2014 (VI ZR 225/13), lautet:
„Auch im Rahmen der freieren Stellung des Tatrichters bei der Schadensbemessung nach § 287 Abs. 1 ZPO ist es zu beanstanden, wenn das Gericht eine Kürzung der geltend gemachten Sachverständigenkosten allein auf der Grundlage einer Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes (hier: Befragung zur Höhe des Kfz Sachverständigenhonorars 2010/2011 durch den Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. BVSK) vornimmt“.
Das angefochtene Urteil kann somit, soweit die Klage abgewiesen wurde – bis auf einen geringfügigen Betrag in Höhe von 128,50 € (vgl. anliegende excel-Tabelle) – keinen Bestand haben.
Die im vorliegenden Fall angefallenen Sachverständigenkosten waren im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Herstellung erforderlich.
Der BGH führt in RdNr. 8 des Urteils vom 11.2.2014 aus:
„Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnung bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder.
Nur dann, wenn der Sachverständige bei Vertragsabschluss Preise verlangt, die für den Geschädigten erkennbar deutlich überhöht sind, kann sich die Beauftragung des Sachverständigen als nicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erweisen. Der Geschädigte kann dann nur Ersatz der für die Erstattung des Gutachtens tatsächlich erforderlichen Kosten verlangen, deren Höhe der Tatrichter gemäß § 287 ZPO zu bemessen hat (BGH, Urteil vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – RdNr. 9 und BGH, Urteil vom 26.4.2016 – VI ZR 50/15)”.
Dass die in Rechnung gestellten Kosten im Streitfall für den Geschädigten erkennbar deutlich überhöht sind, kann nicht festgestellt werden. Ein Indiz für die Erforderlichkeit bildet die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt (BGH, Urteil vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – Rdnr. 8). Dass es im Bereich des privaten KFZ-Wesens übliche Preise gibt, ist nicht dargetan und nicht ersichtlich. Nach den Ausführungen der Sachverständigen in dem der BGH-Entscheidung vom 26.4.2016 zugrunde liegenden Fall existiert ein übliches Honorar bei privaten KFZ-Sachverständigen nicht, die Honorare weisen vielmehr eine erhebliche Bandbreite auf (Rdnr. 17 der Entscheidung vom 26.4.2016). Dann fehlt es aber an einem für den Geschädigten erkennbaren objektiven Maßstab, an dem der Geschädigte sich bei der Beauftragung eines KFZ-Sachverständigen orientieren könnte.
Die im vorliegenden Fall in Rechnung gestellten Kosten überschreiten nicht die in vergleichbaren Fällen als erforderlich angesehenen Kosten. Der BGH hat in dem Urteil vom 11.2.2014 zur Erforderlichkeit im konkreten Fall ausgeführt:
„Ergab sich nach dem Schadensgutachten ein Reparaturaufwand für das verunfallte Fahrzeug von rund 1.050 € zuzüglich Umsatzsteuer, ist ein Sachverständigenhonorar von 534,55 €, das sich zusammensetzt aus einem Grundhonorar von 260 €, Lichtbildkosten in Höhe von 22,40 €, Telefon-, Portound Schreibkosten in Höhe von 75 €, Fahrtkosten/Zeitaufwand in Höhe von 91,80 € (d.h. 1,80 € je Kilometer, maximal 100 €) sowie auf den daraus errechneten Betrag entfallende Mehrwertsteuer, weder in Anbetracht der Höhe des Grundhonorars noch in Anbetracht der Nebenkosten zu beanstanden“.
Ein Vergleich mit den im vorliegenden Fall in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten ergibt, dass die Sachverständigenkosten sich in etwa in demselben Rahmen wie in dem vom BGH mit Urteil vom 11.02.2014 entschiedenen Fall bewegen. Im vorliegenden Fall wurde z.B. bei einem Schaden in Höhe von 1.459,41 € ein Grundhonorar in Höhe von 358,83 € berechnet (Fall 3, Geschädigter B.).
Auch hinsichtlich der Nebenkosten kann nicht festgestellt werden, dass diese für den Geschädigten erkennbar deutlich überhöht sind. Der BGH hat mit Urteil vom 26.04.2016 ausgeführt, es sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter im Rahmen der Schätzung der bei der Begutachtung anfallenden und erforderlichen Nebenkosten gemäß § 287 ZPO die Bestimmungen des JVEG als Orientierungshilfe heranzieht (BGH, Urteil vom 26.4.2016 – VI ZR 50/15 – zitiert nach Juris). Der BGH führt in der zitierten Entscheidung aus:
„Verlangt der Sachverständige bei Vertragsabschluss Preise, die – für den Geschädigten erkennbar – deutlich überhöht sind, kann sich die Beauftragung dieses Sachverständigen als nicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erweisen. Der Geschädigte kann dann nur Ersatz der für die Erstattung des Gutachtens tatsächlich erforderlichen Kosten verlangen, deren Höhe der Tatrichter gemäß § 287 ZPO zu bemessen hat“.
Der Auffassung des Landgerichts auf Seite 40 des angefochtenen Urteils, die Nebenkosten seien für den Geschädigten erkennbar deutlich überhöht, jedem Geschädigten müsse sich bei diesen Kosten bereits auf den ersten Blick aufdrängen, dass der Sachverständige auch aus dem Bereich der Nebenkosten einen nicht unerheblichen Gewinnanteil erhalte, folgt der Senat nicht. Woran der Geschädigte erkennen können soll, dass in den Nebenkosten Gewinnanteile enthalten sind, erschließt sich dem Senat nicht, denn die interne Kalkulation der KFZ-Sachverständigen ist dem Geschädigten regelmäßig nicht bekannt und muss ihm auch nicht bekannt sein. Darüber hinaus ist es bei einem auf privater Basis tätigen Sachverständigen, anders als bei einem gerichtlichen Sachverständigen, der auf der Basis des JVEG abrechnet, auch nicht unzulässig, auch im Bereich der Nebenkosten Gewinne zu erzielen.
Bei privaten KFZ-Sachverständigen gibt es – wie der Gutachter in dem der BGH-Entscheidung vom 26.4.2016 zugrunde liegenden Fall ausgeführt hat – ebenfalls eine erhebliche Bandbreite von zu erwartenden Nebenkosten. Ein ortsübliches Honorar existiere bei KFZ-Sachverständigenhonoraren nicht. Es seien Bandbreiten zu erwarten, die sich im Bereich von mehreren hundert Euro erstreckten (Rdnr. 17 des Urteils vom 26.4.2016). Da es ortübliche Preise bei privaten KFZ-Sachverständigen somit nicht gibt, hier vielmehr eine erhebliche Bandbreite existiert, gibt es keinen Maßstab, an dem der Geschädigte bei Beauftragung eines KFZ-Sachverständigen erkennen kann, dass die konkret berechneten Preise überhöht sind. Es fehlt insoweit eine objektive Größe, an der ein Geschädigter sich bei seiner Beurteilung orientieren könnte. Der Geschädigte könnte allenfalls durch Rückfragen bei mehreren in seiner Region ansässigen Sachverständigen in Erfahrung bringen, ob der jeweilige Sachverständige im Vergleich zu den anderen eher günstig oder eher teuer ist. Zu einer Markterforschung ist der Geschädigte nach ständiger Rechtsprechung aber nicht verpflichtet. Da es (orts-)übliche Preise nicht gibt, kann der Geschädigte mangels einer objektiven Bezugsgröße auch nicht erkennen, dass die in Rechnung gestellten Nebenkosten überhöht sind.
Die in Rechnung gestellten Nebenkosten bewegen sich auch in etwa in der Größenordnung, die in dem vom BGH im Urteil vom 11.2.2014 nicht beanstandet wurde:
– Die im vorliegenden Fall in Rechnung gestellten Fahrkosten sind mit 1,18 €/km (netto) günstiger als in dem der BGH-Entscheidung vom 11.2.2014 zugrunde liegenden Fall, in dem Fahrtkosten in Höhe von 1,80 € netto pro Kilometer abgerechnet und nicht beanstandet wurden.
– In dem der BGH-Entscheidung vom 11.2.2014 zugrunde liegenden Fall wurden die für Telefon/EDV-Kosten, Büromaterial, Porto- und Schreibkosten pauschal in Rechnung gestellten 75,00 € nicht beanstandet. Die in hier in Rechnung gestellten Nebenkosten für Porto Telefon, Verpackung und die Schreibkosten bewegen in sich je nach dem Umfang des Gutachtens und der Schadenshöhe in etwa in derselben Größenordnung.
– In dem der BGH-Entscheidung zugrunde liegenden Fall wurden Lichtbildkosten in Höhe von 2,80 € (netto) nicht beanstandet. Die hier berechneten Lichtbildkosten in Höhe von 2,95 € (netto) für ein erstes Lichtbild und 2,10 € (netto) für ein zweites Lichtbild bewegen sich etwa in demselben Rahmen.
Daher waren die noch in Streit stehenden restlichen Sachverständigenkosten zuzusprechen. Die zugesprochenen Beträge ergeben sich aus der anliegenden excel-Tabelle.
Zinsen waren erst ab Rechtshängigkeit zuzusprechen. Die Mahnungen Anlage K 13 und Anlage K 76 (Fälle 2 und 14) sind an die „X.“ adressiert; es ist nicht ersichtlich, dass die Mahnungen an die Beklagte zu 1) als richtige Adressatin gerichtet sind. Die standardisierten Ablehnungsschreiben der Beklagten genügen nicht den Anforderungen an eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Auf die zutreffenden Ausführungen auf Seite 66 der angefochtenen Entscheidung wird insoweit Bezug genommen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711,713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.
 


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