Verkehrsrecht

Gutachtenverwertung bei Verbot des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge

Aktenzeichen  AN 10 K 15.1777

Datum:
14.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 124294
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV § 3 Abs. 1 S. 1
StVG § 2 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Gutachtensaufforderung wegen drei Verkehrszuwiderhandlungen (mit jeweils ca. 2,2 Promille BAK).
2. Ob ein Gutachten zu Recht angefordert wurde, ist in rechtlicher Hinsicht nicht zu prüfen, wenn es vom Kläger vorgelegt wird. Es kann und muss dann als neue Tatsache Verwendung finden (Anschluss BVerwG BeckRS 1996, 30432494). (redaktioneller Leitsatz)
3. Da das Eignungsbestandteil “Trennen des Alkoholkonsums vom Führen eines Fahrzeuges” definitionsgemäß fahrerlaubnispflichtige und fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge umfasst, begründet es keinen Fehler eines Gutachtens, wenn dieses sich auch über Kfz verhält, obwohl der Kläger seine Fahrerlaubnis bereits zurückgegeben hatte und dreimal auf dem Fahrrad alkoholauffällig geworden ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Beklagte hat dem Kläger zu Recht, gestützt auf § 3 Abs. 1 Abs. 1 Satz 1 FeV, das Führen von erlaubnisfreier Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen verboten, da die fehlende Eignung des Klägers zum Führen derartiger Fahrzeuge durch ein verwertbares und inhaltlich nicht zu beanstandenden Gutachten nachgewiesen wurde.
§ 3 Abs. 1 Satz 1 FeV bestimmt, dass die Fahrerlaubnisbehörde das Führen von Fahrzeugen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen hat, wenn sich der Betroffene als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von (fahrerlaubnisfreien) Fahrzeugen erweist. Es gilt der Eignungsbegriff des § 2 Abs. 4 StVG. Danach ist geeignet, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat (§ 2 Abs. 4 Satz 1 StVG). Die §§ 11 bis 14 FeV finden entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 2 Fev). Entsprechend anwendbar ist damit auch die Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV, jedenfalls soweit sich Mängel auf das Führen von nicht fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen beziehen (vgl. hierzu auch Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 3 FeV Rn. 11). Nach Nr. 8.1 der Anlage 4 fehlt im Regelfall im Falle von Alkoholmissbrauch, also wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann, die Fahreignung.
Diese Voraussetzungen sind zur Überzeugung des Gerichts durch das Gutachten vom 2. April 2015 nachvollziehbar und in nicht zu beanstandender Weise dargetan.
1. Ob das Gutachten zu Recht angefordert wurde, ist letztlich in rechtlicher Hinsicht nicht zu prüfen, denn es wurde jedenfalls vom Kläger vorgelegt, konnte und musste deshalb von der Behörde als neue Tatsache Verwendung finden (vgl. BVerwG v. 19.3.1996 – 11 B 14/96 unter Bezugnahme auf BVerwG v. 18.3.1982 – 7 C 68/81, jeweils in juris). Hiervon abgesehen ist jedoch auch nichts ersichtlich dafür, dass das Gutachten nicht materiell und formell rechtmäßiger Art angefordert worden ist.
2. Das Gutachten hat nachvollziehbar und nachprüfbar im Sinne von Anlage 4 a zur FeV dargelegt, dass der Kläger nicht in der Lage ist, den Konsum von Alkohol (in fahreignungsbeeinträchtigendem Umfang) vom Führen eines (fahrerlaubnisfreien) Fahrzeugs zu trennen. Die hierfür herangezogenen Vorfälle sind unbestritten und einschlägig, sie belegen einen stattgefundenen übermäßigen Alkoholkonsum und auch einen wiederholten Alkoholmissbrauch im Sinne von Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV. Desgleichen ist nachvollziehbar dargelegt, dass sich der Kläger der Ursachen seines Alkoholverhaltens nicht bewusst ist, dieses zumindest nicht bei der Begutachtung darstellen konnte oder wollte, sodass ein weiterer Alkoholmissbrauch beim Kläger nur dann ausreichend sicher ausgeschlossen werden kann, wenn er alkoholabstinent lebt, da ein kontrolliertes Trinken auf Grund der „Lerngeschichte“ nicht zu erwarten sei. Eine ausreichende Abstinenz konnte der Kläger jedoch zum Begutachtungszeitpunkt schon aus rein kalendarischen Gründen nicht erfüllen, geschweige denn belegen.
3. Auch die klägerischen Bedenken gegen die Verwertbarkeit des Gutachtens vom 2. April 2015 dringen nicht durch.
3.1 Die vom Kläger begangenen Verkehrszuwiderhandlungen unter Alkoholeinfluss sind entgegen seinem Vorbringen verwertbar gewesen, auch wenn sie letztlich in einem Zeitraum von ca. 14 Jahren sich abgespielt haben, denn sie sind im Fahreignungsregister zum Zeitpunkt der Gutachtensanforderung (zu dessen Maßgeblichkeit siehe BayVGH v. 27.5.2015 – 11 CS 15.645, juris) eingetragen, zudem auch noch im Zeitpunkt der Widerspruchszurückweisung. Die Verurteilungen vom 2. November 2000 und 28. Dezember 2004 sind erst am 2. November 2015 tilgungsreif geworden (§ 65 Abs. 3 Nr. 2 StVG i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 StVG a.F.). Die Verurteilung vom 18. Dezember 2014 ist nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a erst nach fünf Jahren ab deren Rechtskraft zu tilgen.
3.2 Soweit vorgetragen wird, das Gutachten sei nicht verwertbar, da es auch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geprüft habe, ist dem entgegenzuhalten, dass der oben genannte Eignungsbestandteil – Trennen des Alkoholkonsums vom Führen eines Fahrzeuges – definitionsgemäß beide Fahrzeuggruppen umfasst, also fahrerlaubnispflichtige als auch fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge. Diese Betrachtung ist unabhängig von der klägerseits behaupteten Gestaltung, dass im Bereich des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts in der Rechtspraxis sich Unterschiede zwischen der Behandlung von Fahrten – jeweils unter Alkoholeinfluss – mitfahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen bzw. von Fahrten mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen ergeben mögen.
3.3. Dass der Kläger „Alkoholiker“, also alkoholabhängig im Sinne von Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV sein solle, hat weder die Behörde noch die Begutachtungsstelle angenommen.
3.4 Es ist auch nicht der gerügte Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ersichtlich, denn der Kläger ist – nach Entziehung der Fahrerlaubnis im Jahr 2000 – im Jahr 2004 und 2014 jeweils mit dem Fahrrad mit Werten um 2,2 Promille BAK aufgefallen, weshalb die Behörde gemäß § 3 Abs. 1 FeV berechtigt und verpflichtet war, die Fahreignung des Klägers zu prüfen und aus dem Ergebnis Konsequenzen zu ziehen. Selbst wenn man den Vortrag des Klägers unterstellte, dass „früher“ nach alkoholbedingtem Entzug der Fahrerlaubnis regelmäßig kein – zusätzliches – Vorgehen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV erfolgt sein mag, so mag diese Praxis eventuell objektiv rechtswidrig gewesen sein, auf eine Gleichbehandlung im Unrecht hat der Kläger jedoch keinen Anspruch. Der Vortrag, dass zudem und viel mehr der Eindruck bestehe, dass eine zusätzliche Sanktion bei derartigen Fallgestaltungen beabsichtigt sei, kann unter diesen Umständen schwer als zutreffend angesehen werden, dies umso mehr, weil hier definitionsgemäß ein präventives Vorgehen der Fahrerlaubnisbehörden vorliegt, bei dem lediglich dessen Anlass in der Begehung einer alkoholbedingten Verkehrszuwiderhandlung liegt, nicht jedoch in deren strafrechtlicher, repressiver Ahndung.
3.5 Soweit letztlich vorgetragen wird, dass jedenfalls die Behörde unter den dann möglichen Maßnahmen wie Beschränkung, Auflagen und Untersagung ermessensfehlerhaft keine Auswahl getroffen habe, trifft auch dies nicht zu, denn nach dem nicht zu beanstandenden Ergebnis des Gutachtens kommen derartige Beschränkungen oder Auflagen als mildere Varianten zu einem Verbot nicht in Betracht. Hinzuweisen ist hierbei ergänzend, dass die Gutachtensfrage sich ausdrücklich darauf bezog, ob mildere Maßnahmen im Einzelfall denkbar sind. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger selbst keinerlei Hinweise für Ansatzpunkte für die Prüfung sonstiger möglicher Maßnahmen im Verlauf des Verwaltungsverfahrens vorgebracht hat. Erst im Rahmen der Klagebegründung wurde thematisiert, dass eventuell Fahrten mit dem Fahrrad zur Arbeit Ausgangspunkt für eine Prüfung hätten sein müssen. Derartige Umstände mussten sich aber weder der Behörde noch dem Gutachter aufdrängen, da sie in erster Linie zum persönlichen Lebensbereich des Klägers gehörten und – rechtzeitig – vorgebracht hätten werden müssen.
Die Klage ist deshalb abzuweisen.
Da der Kläger mit seiner Klage keinen Erfolg hatte, hat er gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen.


Ähnliche Artikel


Nach oben