Verkehrsrecht

Haftungsreduzierung, Autovermietung, Eigenersparnis, Zulassungskosten

Aktenzeichen  130 C 253/18

Datum:
14.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 57701
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Aschaffenburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 128 Abs. 2, § 287
BGB § 249

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.596,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7,43 € seit 19.12.2017, aus 82,01 € seit 23.12.2017 und aus 1.507,36 € seit 30.12.2017 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.596,80 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.
Der Höhe nach sind dem Kläger die geltend gemachten Sachverständigen-, Mietwagen- und Zulassungskosten sowie die Kosten für die im Fahrzeug verbleibende Tankfüllung in Höhe von insgesamt 1.596,80 € zu erstatten.
1. Zwischen den Parteien war zuletzt unstreitig, dass sich die erforderlichen Sachverständigenkosten auf insgesamt 1.340,59 € belaufen. Nachdem die Beklagte hierauf vorgerichtlich unstreitig lediglich 1.333,16 € gezahlt hatte, hat der Kläger Anspruch auf Zahlung weiterer 7,43 € auf Sachverständigenkosten.
2. Dem Kläger stehen weiter restliche Mietwagenkosten in Höhe von 1.352,35 € zu. Nach der ständigen Rechtsprechung zu § 249 BGB kann der Geschädigte vom Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand den Ersatz derjenigen Mietkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig erachten darf, wobei er nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit gehalten ist, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen Alternativen den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung zu wählen.
a) Zur Bemessung der Schadenshöhe kann sich das Gericht der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO bedienen. Als Schätzungsgrundlage für die Beurteilung der Höhe der Mietwagenkosten, die der Geschädigte für notwendig halten durfte, wird im hiesigen Gerichtsbezirk in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Landgerichts Aschaffenburg (vgl. LG Aschaffenburg, Urteil vom 08.09.2016, Az. 23 S 63/16) in ständiger Rechtsprechung die „Schwacke-Liste Automietpreisspiegel“ für das relevante Postleitzahlengebiet des Geschädigten bzw. Schadensortes für die Ermittlung des Normaltarifs (arithmetisches Mittel) herangezogen. Hieran hält das erkennende Gericht nach nochmaliger Überprüfung der Argumente der Beklagten fest. Es existiert keine höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach der Mietpreisspiegel nach Frauenhofer grundsätzlich vorzugswürdig ist (BGH, Urteil vom 12.04.2011 – VI ZR 300/09; NVZ 2011, 385). Anderes gilt nur, wenn mit konkreten Tatsachen Mängel der betreffenden Schätzgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (vgl. BGH, Urteil vom 14.10.2008 – VI ZR 308/07; NJW 2009, 58 ff.; LG Aschaffenburg, Urteil vom 08.09.2016, Az. 23 S 63/16). Die Beklagte hat einen entsprechenden Tatsachenvortrag nicht erbracht. Allgemeine methodische Bedenken gegen die Schwacke-Liste genügen nicht (vgl. LG Aschaffenburg, a.a.O.). Die von der Beklagten vorgelegten Internetangebote der Firmen Avis, Europcar und Sixt aus dem Jahr 2018 sind nicht geeignet, die Eignung des Mietpreisspiegels nach Schwacke als Schätzgrundlage in Zweifel zu ziehen. Die Angebote beziehen sich auf den Zeitraum September/Oktober 2018, so dass keineswegs gesichert ist, ob im Unfallzeitpunkt ein Fahrzeug zu den gleichen Konditionen hätte angemietet werden können. Für die Bestimmung des erstattungsfähigen Normaltarifs kommt es zudem nicht auf den günstigsten Anbieter des regionalen Marktes an, sondern – so auch die ständige Rechtsprechung des Landgerichts Aschaffenburg – auf das arithmetische Mittel. Aus den vorgelegten Angeboten ergibt sich teilweise, dass der Preis nur bei Vorab-Kasse gilt (vgl. Angebot Avis: „jetzt zahlen: 851,56 € (…) Bezahlen Sie bei der Rückgabe des Mietfahrzeuges für einen Aufpreis von 85,14 €“, Bl. 47 d.A.); teilweise ergibt sich nicht, ob und für welchen Preis die Zusatzleistung Haftungsreduktion zubuchbar ist. Beim Angebot der Firma Europar (Bl. 48 d.A.) beträgt die Selbstbeteiligung 950,00 €. Zudem handelt es sich bei allen drei vorgelegten Angeboten um solche aus 63739 Aschaffenburg und damit um solche aus einem anderen Postleitzahlengebiet als der Wohn- und Anmietort des Klägers in 6… M.
b) Das Gericht geht von einer Anmietdauer von 22 Tagen aus. Zwar ist zutreffend, dass der Mietwagen ausweislich der vorgelegten Rechnung (Anlage K2, Bl. 21 d.A.) vom 23.11.2018, 16:00 Uhr bis zum 14.12., 16:00 Uhr angemietet wurde, so dass sich rein rechnerisch 21 Tage „netto“ ergeben. Nach Auffassung des Gerichts führt dies jedoch nicht dazu, dass tatsächlich lediglich 21 Tage in Ansatz gebracht wurden. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Fahrzeug naturgemäß nicht unmittelbar nach Rückgabe an den nächsten Mieter weitergegeben werden kann, so dass sich schon hier ergibt, dass der Mietwagen faktisch am Anmiettag vor 16:00 Uhr und am Rückgabetag nach 16:00 Uhr nicht für eine weitere Vermietung zur Verfügung stand. Insoweit kann nach Auffassung des Gerichts nicht auf die reine Nettozeit der Anmietung abgestellt werden.
c) Soweit die Beklagte vorträgt, dass es sich nicht um ein Selbstfahrer-Vermietfahrzeug gehandelt habe, dringt sie hiermit nicht durch. Dieser Umstand ist unerheblich (vgl. LG Köln, Urteil vom 13.04.2012, Az. 24 O 411/10; AG Aschaffenburg, Urteil vom 01.08.2017, Az. 122 C 332/17).
d) Der Kläger muss sich auf die Mietwagenkosten nach Schwacke eine Eigenersparnis von 10 % anrechnen lassen. Lediglich bei einer Anmietdauer unter 14 Tagen ist ein solcher Abzug nach der ständigen Rechtsprechung des Landgerichts Aschaffenburg nicht vorzunehmen (vgl. LG Aschaffenburg, Urteil vom 10.10.2013, Az. 23 S 59/13).
e) Danach ist unter Zugrundelegung des Schwacke-Mietpreisspiegels 2017 nach dem Anmietzeitraum von 22 Tagen und dem Postleitzahlengebiet 637 sowie Gruppeneinordnung als Mietwagenklasse 5 grundsätzlich ein Betrag von 1.838,05 € (3 × Wochenpauschale zu 576,39 € + 1 × 1-Tagespauschale zu 108,88 €) als Normaltarif abzüglich der Eigenersparnis von 10 % erstattungsfähig. Von der Autovermietung wurden lediglich 1.730,33 € abgerechnet. Dieser Betrag liegt unter dem nach der Schwacke-Liste erstattungsfähigen Betrag von 1.838,05 €, so dass dieser Betrag anzusetzen ist. Nach Abzug der Eigenersparnis sind damit 1.557,30 € erstattungsfähig.
f) Kosten für Winterreifen sind nach der Schwacke-Liste ebenfalls zu erstatten. Es ergibt sich hier aus der Tabelle Für Nebenkosten ein Betrag in Höhe von 11,07 € pro Tag, mithin insgesamt 243,54 €.
g) Auch die Kosten für den Vollkaskoschutz sind abrechenbar. In der Nebenkostentabelle der Schwacke-Liste gesondert aufgeführte und in der Grundtabelle noch nicht eingepreiste Nebenkosten sind grundsätzlich abrechenbar, wenn sie tatsächlich angefallen sind (st. Rspr. des LG Aschaffenburg, vgl. Hinweis vom 26.06.2012, Az. 22 S 46/12). Zu berücksichtigen ist, dass die Kosten der Haftungsfreistellung mit einer Selbstbeteiligung von 500,00 € seit dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2011 in den dortigen Tabellen bereits eingepreist sind. Soweit in der Nebenkostentabelle Aufwendungen für eine darüber hinausgehende Reduzierung der Selbstbeteiligung auf 0 € ausgewiesen sind, sind diese nur erstattungsfähig, wenn die weitergehende Haftungsreduzierung vertraglich vereinbart wurde und das verunfallte Fahrzeug in dem geltend gemachten Umfang ebenfalls vollkaskoversichert ist (LG Aschaffenburg, Urteil vom 08.09.2016, Az. 23 S 107/16). Aus der vorgelegten Service-Card (Anlage K4, Bl. 22 d.A.) ergibt sich, dass das klägerische Fahrzeug mit einer Selbstbeteiligung von 300,00 € vollkaskoversichert ist. Es sind damit 2/5 der durch das Mietwagenunternehmen für die Haftungsreduzierung auf 0 € berechneten Betrages begrenzt durch den Wert der Schwacke-Nebenkostentabelle für die Haftungsreduzierung anzusetzen. Folglich sind über die Anmietdauer von 22 Tagen 176,26 € erstattungsfähig (22 Tage × 20,03 € × 2/5).
h) Insgesamt ergeben sich damit Mietwagenkosten in Höhe von 1.977,10 €. Nach Abzug der unstreitig geleisteten Zahlung der Beklagten in Höhe von 624,75 € ergibt sich ein weiterer Anspruch des Klägers in Höhe von 1.352,35 €.
3. Die Zulassungskosten sind gemäß § 249 Abs. 2 BGB zu erstatten, sofern sie tatsächlich angefallen sind. Der Kläger macht im Einzelnen folgende Kosten geltend: Für den Zulassungs- und, Abmeldeservice 98,50 €, für die Schilder 21,01 €, für die Feinstaubplakette 4,20 €, für die Änderung der Zulassungsbescheinigung 40,40 € und Abmeldegebühren für das Altfahrzeug von 7,80 €. Der Kläger hat hier zum einen die Rechnung des Autohauses M. K. vom 14.12.2017 (Anlage K7, Bl. 25 d.A.) und zum anderen die Quittung des Landratsamtes Aschaffenburg vom 14.12.2017 (Anlage K8, Bl. 26 d.A.) vorgelegt. Die Beklagte bestreitet lediglich pauschal die Erforderlichkeit dieser Kosten. Aufgrund des substantiierten Vortrags des Klägers ist dieses pauschale Bestreiten der Beklagten nach Auffassung des Gerichts nicht ausreichend und daher unbeachtlich. Die Zulassungskosten sind danach zuzusprechen.
4. Der Kläger hat weiter gegen die Beklagten Anspruch auf Zahlung in Höhe von 82,01 €. Das Gericht schließt sich insoweit nach nochmaliger Überprüfung der jeweiligen Argumentation der Rechtsprechung im hiesigen Gerichtsbezirk an, nach welcher der im verunfallten Fahrzeug verbleibende Kraftstoffrest einen ersatzfähigen Schaden darstellt (vgl. AG Aschaffenburg, Urteil vom 01.08.2017, Az. 122 C 332/17, Bl. 57 ff d.A.). Die Schadenshöhe unterliegt der Schätzung nach § 287 ZPO. Im Nachtrag zum Privatgutachten des Sachverständigen U. V. vom 11.12.2017 (Anlage K9, Bl. 27 d.A.) ist angegeben, dass der verunfallte Pkw noch über einen Tankinhalt von 59 Litern Super-Benzin verfügt hat. Dieser Kraftstoff wurde in der Feststellung des Wiederbeschaffungs- und Restwertes ausweislich der Bescheinigung vom 22.10.2018 (Anlage K10, Bl. 79 d.A.) nicht berücksichtigt. Das Gericht geht bei seiner Schätzung davon aus, dass sich noch 59 Liter im Tank befunden haben. Die klägerseits vorgenommene Schätzung eines Literpreises von 1,39 € ist aus Sicht des Gerichts nicht zu beanstanden. Die Höhe des insoweit vorgetragenen Schadens wurde beklagtenseits nicht in Abrede gestellt.
II.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzug gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB. Der jeweilige Zinsbeginn war zwischen den Parteien unstreitig.
III.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
IV.
Der Streitwert bemisst sich nach § 3 ZPO.


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