Verkehrsrecht

Höchstgeschwindigkeit, Fahrzeug, Geschwindigkeitsmessung, Zwangsgeldandrohung, Verkehrsverstoß

Aktenzeichen  W 6 S 20.1555

Datum:
11.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 32646
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3, Abs. 4, Abs. 5 S. 1 Alt. 2, Abs. 7, Abs. 8, § 154 Abs. 1
VwZVG Art. 21a S. 1, S. 2
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1
GKG § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2
StVZO § 31a Abs. 1 S. 1, Abs. 2, Abs. 3
StVO § 3, § 41 Abs. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 3
StVG § 6 Abs. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.800,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehung einer Fahrtenbuchauflage.
1. Der Antragsteller ist Halter des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … Mit diesem Fahrzeug soll – ausweislich einer Geschwindigkeitsmessung des Kreises D. – am 6. Juni 2020, 9:07 Uhr, in R. (Kreis D., Schleswig-Holstein) in der D. straße gegenüber einer Kfz-Werkstatt die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 49 km/h überschritten worden sein. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug 50 km/h; die festgestellte Geschwindigkeit habe 99 km/h (nach Toleranzabzug) betragen.
Im daraufhin eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahren wurde dem Antragsteller mit Schreiben des Kreises D. vom 18. Juni 2020 der oben genannte Verkehrsverstoß zur Last gelegt und ihm wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Ausweislich einer Gesprächsnotiz des Kreises D. erklärte der Antragsteller am 23. Juni 2020 telefonisch, dass er sich die Überschreitung nicht erklären könne. Auf Bitte des Antragstellers hin, ihm ein Frontfoto zu übersenden, wurde diesem mitgeteilt, dass ein solches nicht vorliege. Daraufhin gab der Antragsteller an, dass vier mögliche Fahrzeugführer an Bord gewesen seien. Der Antragsteller wurde insoweit um schriftliche Erklärung gebeten und auf die Möglichkeit einer Fahrtenbuchauflage hingewiesen.
Mit E-Mail vom 25. Juni 2020 an den Kreis D. führte der Antragsteller unter anderem aus, man könne nicht eindeutig sagen, wer von den vier Personen am Steuer gesessen habe. Man solle sich Gedanken machen, ob eventuell das Gerät eine Fehlfunktion hatte, da die Frontkamera des Messgeräts offenbar nicht ausgelöst habe.
Da der für den Verkehrsverstoß vom 6. Juni 2020 verantwortliche Fahrzeugführer anhand des vorhandenen Beweisfotos (Heckaufnahme) nicht habe ermittelt werden können, stellte der Kreis D. das Ordnungswidrigkeitenverfahren daraufhin ein und unterrichtete den Antragsteller hierüber mit Schreiben vom 1. Juli 2020. Zugleich wurde der Vorgang an das Landratsamt M. (künftig: Landratsamt) zum Zwecke der Prüfung der Anordnung eines Fahrtenbuchs übersandt.
Mit Schreiben vom 20. Juli 2020 teilte das Landratsamt dem Antragsteller die beabsichtigte Auferlegung eines Fahrtenbuches mit und gab Gelegenheit zur Stellungnahme.
Nachdem der Antragsteller erneut unter Verweis auf die unterbliebene Auslösung der Frontkamera eine Fehlfunktion des Messgerätes anführte, erklärte der Kreis D. auf Nachfrage des Landratsamts mit Schreiben vom 7. August 2020, die Geschwindigkeit sei mit einem geeichten Messgerät festgestellt worden. Dass kein Fahrerfoto vorliege, bedeute nicht, dass die Geschwindigkeitsmessung fehlerhaft sei. Unregelmäßigkeiten während des Messvorgangs wären von den Messangestellten vermerkt worden, hätten aber nicht vorgelegen.
2. Mit kostenpflichtigem Bescheid vom 17. August 2020 verpflichtete das Landratsamt den Antragsteller ab Bekanntgabe des Bescheids zur Führung eines Fahrtenbuchs für das auf ihn zugelassene Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … *. Die Verpflichtung wurde bei Fahrzeugwechsel auch auf das jeweilige Ersatzfahrzeug erstreckt (Ziff. I). Das Fahrtenbuch müsse vor jeder Fahrt einen zuverlässigen Nachweis darüber erbringen, wer das Fahrzeug geführt habe und mindestens folgende Angaben enthalten: vor Fahrtbeginn Name, Vorname und Anschrift des Fahrers, amtliches Kennzeichen des Fahrzeugs, Datum und Uhrzeit des Beginns der Fahrt; nach Beendigung der Fahrt Datum und Uhrzeit der Beendigung der Fahrt mit Unterschrift (Ziff. II). Die Aufhebung der Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuches wurde nach Ablauf von neun Monaten unter der Voraussetzung in Aussicht gestellt, dass ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch nach diesem Zeitpunkt zusammen mit einem entsprechenden Antrag dem Landratsamt vorgelegt wird (Ziff. III). Das Fahrtenbuch sei vom Fahrzeughalter oder von dessen Beauftragten verantwortlich zu führen und auf Verlangen Polizeibeamten oder Vertretern der Straßenverkehrsbehörde des Landratsamts M. zur Überprüfung auszuhändigen sowie mindestens sechs Monate nach Ablauf der Zeit, für die es zu führen ist, aufzubewahren (Ziff. IV). Die sofortige Vollziehbarkeit der Ziffern I, II und IV des Bescheides wurde angeordnet (Ziff. V) und für den Fall, dass der Antragsteller kein Fahrtenbuch führt, ein Zwangsgeld von 500,00 EUR angedroht (Ziff. VI).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, Rechtsgrundlage sei § 6 Abs. 1 Nr. 3 StVG i.V.m. § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Danach könne die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen seien erfüllt. Mit dem Pkw des Antragstellers sei am 6. Juni 2020 um 9:07 Uhr in R. die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 49 km/h überschritten worden. Den am 18. Juni 2020 verschickten Anhörungsbogen des Kreises D. habe der Antragsteller mit der Bemerkung zurückgesandt, dass er eine ordnungsgemäße Messung bezweifele. Den verantwortlichen Fahrzeugführer habe er nicht benannt. Daraufhin habe der Kreis D. das Ordnungswidrigkeitenverfahren eingestellt und das Landratsamt gebeten, die Auferlegung eines Fahrtenbuches zu prüfen. Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 49 km/h innerorts stelle eine schwerwiegende Verkehrszuwiderhandlung dar. Die Vermutungen über ein angeblich fehlerhaftes Messgerät habe der Antragsteller nicht näher belegen können. Eine Rückfrage beim Kreis D. habe ergeben, dass die Messung mit einem geeichten Messgerät durchgeführt worden sei. Dass das Frontfoto nicht ausgelöst habe, bedeute nicht, dass die Messung fehlerhaft gewesen sei. Die Feststellung des für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Fahrzeugführers sei daran gescheitert, dass der Antragsteller bei seiner Anhörung keine Angaben gemacht habe, wer sein Fahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt habe. Nachdem keine Angaben zum Fahrzeugführer gemacht worden seien, sei es den Behörden nicht zumutbar gewesen, weitere, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen (zum Beispiel im Umfeld bzw. Freundeskreis des Antragstellers) zu tätigen. Nachdem die Feststellung des für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Fahrzeugführers daran gescheitert sei, dass der Antragsteller keine Angaben gemacht habe, sei es rechtens, ihm die Führung eines Fahrtenbuchs aufzuerlegen. Die Fahrtenbuchauflage sei eine Maßnahme der vorbeugenden Gefahrenabwehr und diene der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs. Sie sei schon dann erforderlich, wenn – wie im vorliegenden Fall – nicht sicher ausgeschlossen werden könne, dass der Antragsteller in einer vergleichbaren Situation erneut nicht angeben wolle oder könne, wer sein Fahrzeug geführt habe. Die Einbeziehung von Ersatzfahrzeugen sei in § 31a StVZO konkret zugelassen und erforderlich. Die Dauer der Fahrtenbuchauflage (neun Monate) sei angemessen. Die sofortige Vollziehbarkeit sei im öffentlichen Interesse auf der Grundlage des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO anzuordnen. Sie diene dem Schutz der Allgemeinheit. Diese habe ein großes Interesse daran, dass Personen, die durch ihre Verkehrszuwiderhandlungen die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs beeinträchtigten oder zumindest beeinträchtigen könnten, schnell ermittelt und die Tat einer Ahndung zugeführt werden könne. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass der jeweilige Fahrzeugführer (auch) zukünftig die nötige Sorgfalt im Straßenverkehr außer Acht lasse oder sogar bewusst Verkehrszuwiderhandlungen begehe in dem Glauben, nicht ermittelt werden zu können. Im vorliegenden Fall handele sich um einen schwerwiegenden Verstoß, der jederzeit auch zu einer Beeinträchtigung oder gar Verletzung fremder Rechtsgüter hätte führen können. Die Nichtmitwirkung bei der Täterfeststellung durch den Antragsteller belege hinreichend die Gefahr, dass dies auch bei weiteren Verstößen der Fall sein könne. Denn niemand könne dafür garantieren, dass nicht wieder eine ähnliche Situation eintrete wie am Tattag und der Antragsteller sich erneut nicht äußere. Da eine Wiederholung der Gefahr nicht ausgeschlossen werden könne, bestehe zur Durchsetzung der Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Straßenverkehr ein dringendes öffentliches Interesse daran, sofort Maßnahmen ergreifen zu können, die sicherstellen, dass Personen, die Verkehrszuwiderhandlungen begehen, ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden können. Dies könne nur dadurch geschehen, dass die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet werde, da ansonsten durch die Einlegung von Rechtsmitteln das Verfahren um Monate oder Jahre hinausgezögert werden könne. Dies sei im Interesse der Verkehrssicherheit nicht zu verantworten. Das öffentliche Interesse an einer sofortigen Aufklärung von Verkehrszuwiderhandlungen überwiege deshalb das private Aufschubinteresse des Antragstellers. Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29, 34 und 36 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG). Auf den dem Antragsteller am 20. August 2020 zugestellten Bescheid wird im Übrigen verwiesen.
3. Am 16. September 2020 ließ der Antragsteller Klage (W 6 K 20.1327) gegen den Bescheid vom 17. August 2020 erheben, über die noch nicht entschieden ist.
Am 16. Oktober 2020 ließ der Antragsteller im zugrundeliegenden Verfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Landratsamts M. vom 17. August 2020 wiederzustellen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsgegner verkenne, dass kein strafrechtlicher Vorwurf, sondern lediglich ein bußgeldrechtlicher Vorwurf vorliege. Es seien keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet worden. Die im Bescheid angegebene Begründung zur Anordnung des Sofortvollzugs sei daher zu pauschal und nicht ausreichend. Diese müsse über den bloßen Vollzug des Verwaltungsakts hinausgehen und dürfe mit der Begründung des Verwaltungsaktes nicht identisch sein. Ferner sei die mit Schreiben vom 20. Juli 2020 erfolgte Anhörung unzureichend, da nicht auf die sofortige Vollziehbarkeit hingewiesen worden sei. Im Hinblick auf das Rechtstaatsprinzip sowie den Anspruch auf rechtliches Gehör reiche es nicht aus, dem Bürger nur im Nachhinein die Möglichkeit zur Stellungnahme hierzu zu geben. Ebenso wie die Entscheidung in der Sache könne auch die Vollziehungsanordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in Rechte eines Beteiligten eingreifen. Dem Betroffenen müsse daher Gelegenheit gegeben werden, seine Rechte in dem der Vollziehungsanordnung vorausgehenden Verwaltungsverfahren wahrzunehmen. Der Antragsteller habe sich unmittelbar nach Erhalt des Anhörungsbogens am 23. Juni 2020 telefonisch mit dem Kreis D. in Verbindung gesetzt. Er habe um ein Frontfoto gebeten und ihm sei mitgeteilt worden, dass ein solches nicht vorliege. Der Antragsteller habe darauf hingewiesen, dass vier Fahrzeugführer an Bord gewesen seien. In seiner schriftlichen Mitteilung vom 25. Juni 2020 habe der Antragsteller nochmals darauf hingewiesen, dass vier Personen in Betracht kämen. Vor der Verfahrenseinstellung sei nicht nachgefragt worden, wer diese vier Personen im Fahrzeug gewesen seien. Es sei nicht die Verpflichtung eines Betroffenen, von sich aus – ohne hierzu ausdrücklich befragt zu werden – irgendwelche Personen zu nennen. Es seien neben dem Antragsteller noch seine Lebensgefährtin sowie seine Schwester und deren Lebensgefährte im Fahrzeug gewesen, die problemlos hätten benannt werden können. Die ermittelnde Behörde habe die ihr obliegenden und zumutbaren Ermittlungen nicht durchgeführt, was der Antragsgegner bei seiner Entscheidung hätte berücksichtigen müssen. Mit Schreiben vom 31. Juli 2020 habe der Antragsteller im Rahmen der Anhörung erklärt, dass seine Lebensgefährtin mit im Fahrzeug gewesen sei und auch das Fahrzeug des Antragstellers führen würde. Ihr Name habe sich aus der Absenderadresse der E-Mail ergeben. Spätestens hier sei es möglich gewesen, Ermittlungen durchzuführen. Die Messung dürfte ca. 20 m hinter einem Bahnübergang erfolgt sein, was bedeuten würde, dass das Fahrzeug des Antragstellers mit der vorgeworfenen Geschwindigkeit von über 100 km/h (ohne Toleranzabzug) über die Eisenbahnschienen gefahren sein müsste. Auch deshalb hätten erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Messung aufkommen müssen, zumal die Frontkamera aus nicht bekannten Gründen nicht ausgelöst habe. Es sei mit dem allseits bekannten System Poliscan gemessen worden. Dieses sei offensichtlich falsch bedient worden, da das Fahrzeug nur von hinten und nicht von vorne fotografiert worden sei. Es sei ungewöhnlich, mit diesem System nur von hinten zu fotografieren. Aus dem Messprotokoll ergebe sich nicht, dass die Frontkamera nicht ausgelöst habe bzw. dass sie defekt gewesen sein müsse. Nach Auskunft des Kreises D. hätten solche Unregelmäßigkeiten bei der Geschwindigkeitsmessung von Messangestellten vermerkt werden müssen. Bei den hier tätigen Messbeamten des Kreises D. handele es sich um angelernte Personen, die ausweislich ihres Schulungszertifikates noch nicht über eine große Erfahrung im Bereich von Geschwindigkeitsmessungen verfügt hätten.
Das Landratsamt beantragte für den Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurden im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe im Rahmen der Anhörung den Kreis der in Betracht kommenden Fahrzeugführer nicht näher eingeschränkt. Er hätte zumindest genauere Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugnutzer machen müssen, allerdings habe er keine Namen genannt. Der Antragsteller hätte schon nach der Anhörung im Bußgeldverfahren der Bußgeldstelle mitteilen müssen, welche weiteren Personen am Tattag als Fahrer in Betracht hätten kommen können. An einer hinreichenden Mitwirkung des Fahrzeughalters daran, den Fahrzeugführer zu bezeichnen, fehle es regelmäßig, wenn der Fahrzeughalter den Anhörungsbogen nicht zurücksendet oder weitere Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugbenutzer nicht macht. Der Behörde seien in diesen Fällen weitere Ermittlungen grundsätzlich nicht zumutbar. Mangels Verwaltungsaktsqualität sei eine zusätzliche Anhörung bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht erforderlich. Die Vorschrift des § 28 VwVfG sei auch nicht analog anwendbar.
4. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verfahrensakte W 6 K 20.1327 und die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig.
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anordnungen in Ziff. I, II und IV des streitgegenständlichen Bescheids entfällt, weil die Straßenverkehrsbehörde diese in Ziff. V des Bescheids nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt hat. In diesem Fall kann das Gericht der Hauptsache nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO die aufschiebende Wirkung wiederherstellen.
Soweit der Antrag gegen die in Ziff. VI des Bescheids vom 17. August 2020 verfügte Zwangsgeldandrohung gerichtet ist, ist er ebenfalls zulässig. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a Satz 1 VwZVG entfaltet die Klage gegen die Zwangsgeldandrohung keine aufschiebende Wirkung. Gemäß Art. 21a Satz 2 VwZVG gelten § 80 Abs. 4, 5, 7 und 8 VwGO entsprechend. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in einem solchen Fall auf Antrag die aufschiebende Wirkung anordnen.
2. Der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Anordnungen des Bescheids vom 17. August 2020 hat in der Sache keinen Erfolg.
2.1. Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prüft das Gericht, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage bzw. des Widerspruchs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581; BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369; Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 89 ff.). Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
2.2. Es bestehen keine Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs.
Insbesondere litt die in Ziff. V des Bescheids vom 17. August 2020 verfügte Anordnung des Sofortvollzugs nicht deshalb an einem Verfahrensfehler, weil der Antragsteller zuvor im Rahmen der Anhörung (Schreiben des Landratsamts vom 20.7.2020) nicht gesondert auf die Möglichkeit einer Anordnung des Sofortvollzugs hingewiesen wurde. Nach herrschender Auffassung, der sich das Gericht anschließt, erfordert die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO grundsätzlich nicht, dass der Betroffene nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG hierzu gesondert anzuhören ist, da es sich bei der Anordnung des Sofortvollzugs um keinen Verwaltungsakt handelt (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 53 mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur). Zudem geht die herrschende Auffassung richtigerweise davon aus, dass eine analoge Anwendung des Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG schon mangels einer für die entsprechende Anwendung erforderlichen Regelungslücke ausscheidet. Denn bei § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 3 VwGO handelt es sich um eine abschließende Bestimmung der formellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für die Vollziehbarkeitsanordnung. Eine vorherige Anhörung zur Anordnung des Sofortvollzugs wird dort gerade nicht vorausgesetzt. Mit Blick auf das vom Antragstellerbevollmächtigten angeführte Rechtsstaatsprinzip ist hiergegen nichts zu erinnern. Vor dem Erlass eines belastenden Verwaltungsakts wird der Betroffene – wie auch vorliegend – unter den Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG angehört; mit der Möglichkeit einer Vollziehbarkeitsanordnung muss dabei gerechnet werden (Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 38. EL Januar 2020, § 80 Rn. 259 m.w.N.).
Die Anordnung des Sofortvollzugs wurde auch in einer § 80 Abs. 3 VwGO genügenden Weise begründet. Im Interesse der Sicherheit des Straßenverkehrs kann in aller Regel auf das sofortige Führen eines Fahrtenbuches nicht verzichtet werden. Das besondere öffentliche Vollzugsinteresse fällt hier mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsakts zusammen (vgl. OVG Saarland, B.v. 4.5.2015 – 1 B 66/15 – juris). In typisierten Fallkonstellationen kann sich die Behörde zur Begründung in zulässiger Weise darauf beschränken, die für die jeweilige Fallgruppe typische Interessenlage zur Rechtfertigung der Vollziehungsanordnung aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass nach Auffassung der Behörde diese typische Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt. Dies ist insbesondere im Bereich des Sicherheitsrechts der Fall, zu dem auch § 31a StVZO gehört. Bei solchen Vorschriften zur Abwehr von Gefahren für die Ordnung und Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs fällt das besondere öffentliche Vollzugsinteresse gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im Regelfall mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsakts zusammen. Die Behörde kann sich bei der Abwägung zwischen den Beteiligteninteressen im Wesentlichen auf die Prüfung beschränken, ob nicht ausnahmsweise in Ansehung der besonderen Umstände des Falles die sofortige Vollziehung weniger dringlich als im Normalfall ist (zum Ganzen BayVGH, B.v. 18.3.2008 – 11 CS 07.2210 – BeckRS 2008, 27714 Rn. 19). Die Begründung des Sofortvollzugs im verfahrensgegenständlichen Bescheid lässt erkennen, dass der Antragsgegner solche besonderen Umstände nicht für gegeben ansah.
2.3. Des Weiteren ergibt eine summarische Überprüfung, wie sie in einem Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, dass die Klage des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben wird. Der vorliegende Antrag ist unbegründet und abzulehnen, weil die Anordnung der Fahrtenbuchauflage für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … rechtmäßig sein dürfte und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt.
Gemäß § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Verwaltungsbehörde kann nach § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO die Anordnung auch auf ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge erstrecken. Nach § 31a Abs. 3 StVZO hat der Fahrzeughalter das Fahrtenbuch der anordnenden oder der von ihr bestimmten Stelle oder sonst zuständigen Personen auf Verlangen jederzeit an dem von der anordnenden Stelle festgelegten Ort zur Prüfung auszuhändigen und es sechs Monate nach Ablauf der Zeit, für die es geführt werden muss, aufzubewahren.
Die vorgenannten tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO liegen hier – nach summarischer Prüfung – vor. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist genauso wenig ersichtlich wie ein Ermessensfehler. Im Einzelnen:
2.3.1. Der Antragsteller ist bzw. war im Zeitpunkt des Bescheiderlasses Halter des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen … Halter ist, wer ein Kraftfahrzeug für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt darüber besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt. Ein Fahrzeug für eigene Rechnung in Gebrauch hat derjenige, der die Nutzungen aus der Verwendung zieht und die Kosten dafür bestreitet. Die Verfügungsgewalt übt derjenige aus, der Ziel und Zeit seiner Fahrt selbst bestimmen kann (BayVGH, B.v. 30.10.2012 – 11 ZB 12.1608 – juris). Der Antragsteller selbst hat seine Haltereigenschaft nicht in Frage gestellt.
2.3.2. Es spricht nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage überwiegendes dafür, dass mit dem Fahrzeug des Antragstellers am 6. Juni 2020 eine Verkehrszuwiderhandlung begangen wurde, die einen erheblichen Verkehrsverstoß darstellt und bereits bei erstmaliger Begehung eine Fahrtenbuchauflage rechtfertigt.
2.3.2.1. Das Gericht geht davon aus, dass mit dem Fahrzeug des Antragstellers, amtliches Kennzeichen …, der fragliche Verkehrsverstoß vom 6. Juni 2020 tatsächlich begangen wurde.
Die Bestimmung des § 31a StVZO setzt voraus, dass der Verstoß gegen Verkehrsvorschriften in tatsächlicher Hinsicht feststeht. Die Behörde, die die Auferlegung eines Fahrtenbuchs prüft, muss daher ebenso wie das Verwaltungsgericht in einem sich anschließenden Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit der Fahrtenbuchauflage die (objektiven) Tatbestandsmerkmale der Bußgeld- bzw. Strafvorschrift selbstständig prüfen (BayVGH, B.v 20.09.2007 – 11 CS 07.1198 – BeckRS 2007, 30485 Rn. 12; OVG NW, B.v. 5.3.2015 – 8 B 1213/14 – juris Rn. 5). Dabei genügt es – anders als im Strafprozess – wenn sich mit hinreichender Sicherheit ergibt, dass ein Verkehrsverstoß begangen worden ist (BayVGH, B.v. 15.10.2018 – 11 CS 18.1240 – BeckRS 2018, 26915 Rn. 11; B.v. 9.1.2012 – 11 CS 11.2727 – juris Rn. 29; OVG NW, B.v. 31.1.2018 – 8 A 3024/17 – BeckRS 2018, 957 Rn. 9; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 31a StVZO Rn. 16). Bestreitet der Halter eines Fahrzeuges, der ein Fahrtenbuch führen soll, den begangenen Verkehrsverstoß, so muss er nach Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens im Verwaltungsverfahren oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren substantiierte Angaben machen, die seine Schilderung plausibel erscheinen lassen (OVG NW, B.v. 31.1.2018 – 8 A 3024/17 – BeckRS 2018, 957 Rn. 10).
Weder das Vorbringen des Antragstellers im Verwaltungsverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren führt jedoch zur Annahme, dass die vom Kreis D. dokumentierte Verkehrszuwiderhandlung tatsächlich nicht vorliegt. Insbesondere bestehen keine überzeugenden Anhaltspunkte für die vom Antragsteller behauptete Unrichtigkeit der Geschwindigkeitsmessung infolge einer etwaigen Fehlfunktion oder Fehlbedienung des eingesetzten Messgeräts.
Für die Anordnung eines Fahrtenbuches ist davon auszugehen, dass geeichte Geschwindigkeitsmessgeräte mit Bauartzulassung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt bei Fehlen konkreter Anhaltspunkte für eine Fehlfunktion oder unsachgemäße Bedienung hinreichend verlässlichen Beweis für eine Geschwindigkeitsmessung erbringen (vgl. VGH BW, B.v. 4.12.2013 – 10 S 1162/13 – BeckRS 2014, 45456; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 31a StVZO Rn. 17). In der Rechtsprechung war bereits hinreichend geklärt, dass es sich bei der automatischen Verkehrsüberwachung mit dem Laserscanner Poliscan um ein gerichtsverwertbares standardisiertes Messverfahren handelt (vgl. zum Gerätetyp Poliscan F1 HP: KG Berlin, B.v. 12.11.2015 – 3 Ws (B) 515/15 – 122 Ss 111/15, BeckRS 2015, 19017 Rn. 4; OLG Saarbrücken, B.v. 25.10.2017 – Ss RS 17/2017 (30/17 OWi) – SVR 2018, 155). Für das vorliegend eingesetzte Nachfolgemodell Poliscan FM1 gilt nichts anderes (vgl. OLG Düsseldorf, B.v. 27.04.2020 – 2 RBs 61/20 – BeckRS 2020, 7757 Rn. 5; OLG Zweibrücken, B.v. 11.02.2020 – 1 OWi 2 SsBs 122/19 – BeckRS 2020, 5104 Rn. 6 ff.; OLG Brandenburg, B.v. 2.1.2020 – (1 Z) 53 Ss-OWi 660/19 (380/19) – BeckRS 2020, 24 Rn. 6 ff.). Das Messgerät Poliscan FM1 (Rotlicht- und Geschwindigkeitsüberwachungsanlage) hat mit Zertifikat der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt vom 23. Juni 2017 (DE-17-M-PTB-0033) die amtliche Bauartzulassung erhalten. Nach der durchgeführten Konformitätsbewertung sind bei diesem Gerätetyp die Messrichtigkeit, Messbeständigkeit und Zuordnungssicherheit gewährleistet, so dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (OLG Düsseldorf, B.v. 27.04.2020 – 2 RBs 61/20 – BeckRS 2020, 7757 Rn. 5). Das vorliegend eingesetzte Gerät verfügt auch über eine bis 31. Dezember 2020 gültige Eichung (vgl. Eichschein des Landesamts für Mess- und Eichwesen Berlin-Brandenburg vom 15.8.2019).
Die Geschwindigkeitsmessung vom 6. Juni 2020 und der daraus folgende hinreichend sichere Beweis für den begangenen Verkehrsverstoß wird auch nicht durch das Vorbringen des Antragstellers in Frage gestellt, wonach das Fehlen eines Frontfotos auf eine Fehlfunktion oder Fehlbedienung des Messgerätes hindeute. Eine solche Schlussfolgerung erscheint weder zwingend noch naheliegend, da das vom Kreis D. eingesetzte Gerät Poliscan FM1 nach den technischen Angaben des Herstellers (abrufbar unter: www.vitronic.com/de; dazu auch Krumm in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Aufl. 2017, Anhang zu § 3 StVO Rn. 89 ff.) die zeitgleiche Überwachung verschiedener Fahrstreifen ermöglicht, wobei zwischen ankommendem und abfließendem Verkehr unterschieden werden kann. Bei einem Einsatz mittels Stativ ist über eine zusätzliche abgesetzte Kamera auch eine Verkehrskontrolle in zwei Fahrtrichtungen möglich. In einem Überwachungsbereich von bis zu ca. 75 m können Geschwindigkeitsverstöße auf bis zu vier Fahrspuren per Front- oder Heckmessung durchgeführt werden.
Ausweislich des Messprotokolls vom 6. Juni 2020 (Bl. 3 der Behördenakte) wurde die Verkehrsüberwachung in der D. straße R. (gegenüber der Kfz-Werkstatt) dergestalt durchgeführt, dass die „Kamera I“ in Fahrtrichtung Ortsmitte ausgerichtet war und eine beidseitige Messung durchführte. Die abgesetzte Kamera („AbKam“) war in Fahrtrichtung Wesselburen ausgerichtet und führte ebenfalls eine beidseitige Kontrolle durch. Daher ist es naheliegend, dass der Führer des Fahrzeugs des Antragstellers von der Ortsmitte R. kommend bei Überschreitung des Bahnüberganges in etwa bis zum Standort des Messgeräts gegenüber der Kfz-Werkstatt noch nicht die innerorts zulässige Geschwindigkeit überschritten haben muss, sodass bis dahin kein Verstoß gemessen werden konnte und die in Ortsmitte ausgerichtete Kamera I deshalb auch kein (Front-)Foto anfertigte. Die vom Messgerät angefertigte Heckaufnahme zeigt, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Geschwindigkeitsverstoßes offenbar aus Richtung Ortsmitte kommend bereits am Messgerät sowie der in Richtung Ortsmitte ausgerichteten Kamera vorbeigefahren war. In Anbetracht der Tatsache, dass die Geschwindigkeitsmessung in zwei Richtungen erfolgte, spricht deshalb vieles dafür, dass der Pkw nach Passieren des Messgerätes – den Ortsausgang vor Augen, aber offenbar noch vor dem Verkehrszeichen 311 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO – erheblich beschleunigt wurde. Dabei dürfte das Fahrzeug von der in Richtung Wesselburen ausgerichteten abgesetzten Kamera („AbKam“) des Systems Poliscan FM1 bei der fraglichen Geschwindigkeitsübertretung erfasst und von hinten fotografiert worden sein. Das bloße Fehlen eines Frontfotos sowie auch die weiteren Erklärungen des Antragsstellers erschüttern die Beweiskraft der Geschwindigkeitsmessung demnach nicht.
Auch bestehen keine überzeugenden Anzeichen für eine das Messergebnis in Frage stellende Fehlbedienung des Gerätes. Die die Messung durchführenden Mitarbeiter des Ordnungs- und Sicherheitsamtes des Kreises D. waren ausweislich der vorliegenden Schulungszertifikate des Geräteherstellers im Umgang mit dem Gerät Poliscan FM1 unterwiesen. Es sind auch keine Umstände erkennbar, dass die vom Antragstellerbevollmächtigten behauptete fehlende Erfahrung der Messbeamten zu einer Fehlbedienung führte.
2.3.2.2. Die Zuwiderhandlung vom 6. Juni 2020 stellt einen erheblichen Verkehrsverstoß dar, der bereits bei erstmaliger Begehung eine Fahrtenbuchauflage rechtfertigt.
Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage setzt unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einen Verkehrsverstoß von einigem Gewicht voraus (BVerwG, U.v. 17.5.1995 – 11 C 12.94 – BVerwGE 98, 227). Die Bemessung des Gewichts einer Verkehrszuwiderhandlung ist am Punktsystem zu orientieren. Die Gruppenbildung in Anlage 13 zu § 40 FeV, die an die Einstufung im Bußgeldkatalog anknüpft, enthält eine typisierende Bewertung von Verkehrsverstößen nach dem Maße ihrer Gefährlichkeit. Nach der Rechtsprechung rechtfertigt bereits die erstmalige Begehung eine Verkehrsordnungswidrigkeit, die mit einem Punkt zu bewerten ist, die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage, weil ein hinreichend gewichtiger Verkehrsverstoß vorliegt, ohne dass es auf besondere Umstände des Einzelfalls, namentlich die Gefährlichkeit des Verkehrsverstoßes, ankommt (BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 11 CS 14.176 – juris; OVG NW, U.v. 29.4.1999 – 8 A 699/97 – NJW 1999, 3279; NdsOVG, B.v 26.3.2012 – 2 LA 21/12 – juris). Die Wesentlichkeit des Verstoßes hängt hiernach nicht davon ab, ob er zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer geführt hat (vgl. BVerwG, U.v. 17.5.1995 – 11 C 12.94 – BVerwGE 98, 227 und B.v. 9.9.1999 – 3 B 94/99 – juris; BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 11 CS 14.176 – juris). Ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht liegt auch vor, wenn die Verkehrsordnungswidrigkeit nach dem neuen Punktsystem mit einem Punkt geahndet werden kann (vgl. VG Sigmaringen, B.v. 16.6.2015 – 5 K 1730/15 – juris).
Die Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 49 km/h ist eine Ordnungswidrigkeit, die in der Regel nach der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) mit einer Geldbuße von 200,00 EUR sowie einem Fahrverbot von einem Monat geahndet wird (§ 24 StVG i.V.m. § 41 Abs. 1 und § 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO i.V.m. Nr. 11.3 BKatV, Nr. 11.3.7 der Tabelle 1 hierzu) und nach dem Fahreignungsbewertungssystem gemäß § 40 FeV i.V.m. Nr. 2.2.3 der Anlage 13 zur FeV eine Eintragung von zwei Punkten im Fahreignungsregister zur Folge hat. Bei Anlegung des zuvor dargestellten Maßstabs liegt damit ein erheblicher Verkehrsverstoß vor, der auch bei nur einmaliger Verkehrszuwiderhandlung die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage rechtfertigt.
2.3.3. Die Feststellung des für die Verkehrsordnungswidrigkeit vom 6. Juni 2020 verantwortlichen Fahrzeugführers war in der Folgezeit trotz ausreichender Ermittlungen nicht möglich.
Für die Erfüllung des Begriffs der Unmöglichkeit im Rahmen des Tatbestandes des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO ist es nach ständiger Rechtsprechung ausreichend, dass die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat (vgl. BVerwG, B.v. 25.6.1987 – 7 B 139.87 – juris). Für die Beurteilung der Angemessenheit der Aufklärungsmaßnahmen kommt es dabei wesentlich darauf an, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Dabei können sich Art und Umfang der Tätigkeit der Behörde, den Fahrzeugführer zu ermitteln, an der Erklärung des betreffenden Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser die sachdienliche Mitwirkung an der Aufklärung des Verstoßes ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG, B.v. 25.6.1987 – 7 B 139.87 – juris).
Gemessen an diesen Maßstäben liegt hier kein für das negative Ermittlungsergebnis ursächliches Ermittlungsdefizit vor. Denn von der Bußgeldbehörde wurden – unter Berücksichtigung der Mitwirkungsbereitschaft des Antragstellers – die angemessenen und zumutbaren Nachforschungen zur Ermittlung des Fahrers angestellt, die jedoch ergebnislos blieben.
Zu einem angemessenen Ermittlungsaufwand gehört, dass der Halter regelmäßig innerhalb von zwei Wochen nach dem Verstoß zu befragen ist (st. Rspr., vgl. erstmals BVerwG, U.v. 13.10.1978 – VII C 77/74 – NJW 1979, 1054). Eine Überschreitung der bei der Anhörung des Fahrzeughalters regelmäßig einzuhaltenden Zweiwochenfrist steht der Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches nach der Rechtsprechung jedoch dann nicht entgegen, wenn sie für die Nichtermittlung des Fahrzeugführers nicht ursächlich war. Diese Voraussetzung ist dann gegeben, wenn die ergebnislose Ermittlung nicht auf Erinnerungslücken des Halters beruht, sondern etwa auf einer fehlenden Bereitschaft, zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 31a StVZO, Rn. 30).
Im vorliegenden Falle ging dem Antragsteller nach Ermittlung seiner Haltereigenschaft zunächst ein Zeugenfragebogen zu, datiert vom 18. Juni 2020, somit innerhalb der Zweiwochenfrist. Ein genauer Zugangsnachweis ergibt sich aus den vorliegenden Akten zwar nicht. Wann der Zeugenfragebogen den Antragsteller erreicht hat, kann jedoch letztlich dahinstehen, denn erkennbar waren nicht Erinnerungslücken des Antragstellers ursächlich für die Nichtermittelbarkeit des Fahrzeugführers, sondern dessen nicht ausreichende und zumutbare Mitwirkung bei der Aufklärung. Erst als der Antragsteller in einem Telefonat mit dem Sachbearbeiter des Kreises D. am 23. Juni 2020 erfuhr, dass kein Frontfoto vorliegt, erklärte der Antragsteller, es seien vier mögliche Fahrzeugführer an Bord gewesen. Auch in der E-Mail vom 25. Juni 2020 wies der Antragsteller ohne nähere konkretisierende Angaben daraufhin, es kämen vier Personen als Fahrer in Betracht. Aus den Ausführungen des Antragstellerbevollmächtigten in der Antragsschrift vom 16. Oktober 2020 wird indes erkennbar, dass nicht Erinnerungslücken des Antragstellers für die unterbliebene Nennung der im Fahrzeug anwesenden Personen ursächlich waren, sondern der Umstand, dass der Antragsteller hiernach nicht gefragt worden sei; die neben dem Antragsteller anwesende Lebensgefährtin, seine Schwester sowie deren Lebensgefährte- so das Vorbringen des Antragstellerbevollmächtigten – hätten in diesem Falle bei konkreter Nachfrage „problemlos“ benannt werden können. Demnach beruhte die Nichtnennung der in Frage kommenden Personen nicht darauf, dass der Antragsteller sich bei den Ermittlungen der Bußgeldbehörde nicht mehr an die in Betracht kommenden Fahrer erinnern konnte, sondern darauf, dass er hiernach nicht gefragt worden sei. Auch im gerichtlichen Verfahren hat der Antragsteller keine konkreten Angaben zur Identität der möglichen Fahrzeugführer gemacht. All diese Umstände zeigen zur Überzeugung des Gerichts, dass der Antragsteller an der Aufklärung des Fahrzeugführers nicht mitwirken will und letztlich nicht Erinnerungslücken maßgebend sind. Hat der Antragsteller nicht in ausreichendem und zumutbarem Maße an der Ermittlung des Fahrzeugführers mitgewirkt, so sind weitergehende Ermittlungen aber nicht veranlasst.
So darf die Behörde ihre Ermittlungstätigkeit grundsätzlich am Fahrzeughalter ausrichten und regelmäßig auf zeitraubende, kaum Erfolg versprechende weitere Aufklärungsmaßnahmen verzichten, wenn der Fahrzeughalter erkennbar nicht gewillt ist, an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes mitzuwirken. Dies gilt unabhängig von den Gründen, warum der Fahrzeughalter zu seiner Mitwirkung nicht gewillt ist, und unbeschadet dessen, dass er zu einer Mitwirkung auch nicht verpflichtet wäre, etwa weil er nicht verpflichtet ist, sich selbst oder Familienangehörige zu belasten. Eine Anhörung zum Verkehrsverstoß begründet für den Halter eine Obliegenheit, an der Aufklärung des mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes soweit mitzuwirken, wie es ihm möglich und zumutbar ist. Dazu gehört insbesondere, dass er zumindest den möglichen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung mit Nachfrage im Kreis der Nutzungsberechtigten fördert (Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 31a StVZO Rn. 31 m.w.N.). Dieser Obliegenheit wird der Halter dann nicht gerecht, wenn er wie hier keine Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugbenutzer macht. Insoweit genügte auch die Mitteilung des Antragstellers im Rahmen der Anhörung (E-Mail vom 31.7.2020) nicht, wonach sein Fahrzeug „in der Regel“ zu 20% von seiner Lebensgefährtin und zu 80% von ihm gefahren werde. Weder ließ sich hieraus ablesen, wer den konkreten Verkehrsverstoß an jenem Tag begangen haben könnte, noch bot diese Angabe ohne gleichzeitige Nennung von Namen und Anschrift der Lebensgefährtin einen Ansatzpunkt für erfolgversprechende Ermittlungen. Schließlich kann sich der Antragsteller nicht darauf berufen, er sei nicht nach den konkreten Namen der in Betracht kommenden Personen gefragt worden. Der Antragsteller hätte spätestens im Rahmen der vom Kreis D. im Telefonat vom 23. Juni 2020 erbetenen schriftlichen Mitteilung (E-Mail des Antragstellers vom 25.6.2020) auch ohne eine von ihm in Abrede gestellte ausdrückliche Frage nach dem in Betracht kommenden Personenkreis von sich aus alle möglicherweise weiterführenden Hinweise zur Person des Fahrzeugführers geben müssen. Dies liegt – entsprechend dem Zweck der Befragung – auf der Hand (vgl. NdsOVG, B.v. 4.12.2003 – 12 LA 442/03 – BeckRS 2004, 20377 Rn. 5; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 31a StVZO Rn. 35).
Bei Gesamtbetrachtung aller Umstände ist somit nicht von einem Ermittlungsdefizit auszugehen.
2.3.4. Die Fahrtenbuchauflage ist auch (im Übrigen) nicht unverhältnismäßig und auch sonst nicht ermessensfehlerhaft.
Mit der präventiven Zielsetzung, künftige Verkehrsverstöße dadurch zu vermeiden, dass der jeweilige Fahrer mit einer leichten Aufklärbarkeit des Verstoßes rechnen muss, wird ein legitimer Zweck verfolgt. Die Fahrtenbuchauflage ist hierzu geeignet, erforderlich sowie als angemessene Maßnahme anzusehen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt.
So verstößt die Auferlegung eines Fahrtenbuchs auch dann nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn es sich um einen erstmaligen Verstoß gehandelt haben sollte. Denn es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass es für die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage nicht erforderlich ist, dass künftig gerade durch den Fahrzeughalter als Fahrzeugführer eine Wiederholungsgefahr gegeben ist (BVerwG, B.v. 23.6.1989 – 7 B 90/89 – NJW 1989, 2704).
2.4. Auch die angeordnete Dauer der Fahrtenbuchauflage (unbefristet, mit der Möglichkeit der Aufhebung nach neun Monaten auf Antrag unter der Bedingung eines ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuches) in Ziff. III des Bescheides ist nicht zu beanstanden. Bei der Fahrtenbuchauflage handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt, deren Anordnung (zunächst) auch für unbestimmte Zeit zulässig ist. Sofern die Voraussetzungen entfallen, kann Aufhebung begehrt werden. Die Zeitspanne von (mindestens) neun Monaten, während der ein Fahrtenbuch zu führen ist, ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit als angemessen zu beurteilen. Durch die Fahrtenbuchauflage soll der Fahrzeughalter zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung und zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Falle eines erneuten Verkehrsverstoßes angehalten werden. Dazu ist eine gewisse Dauer der Fahrtenbuchauflage erforderlich; neun Monate stellen dabei keine übermäßige Belastung dar. Das Landratsamt hat von dem ihm bei der Entscheidung über die Anordnung zustehenden Ermessen in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.
2.5. Auch die weiteren getroffenen Verfügungen in Ziff. II und IV des Bescheids vom 17. August 2020 entsprechen den Vorgaben des § 31a Abs. 2 und 3 StVZO. Gegen die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung bestehen keine Bedenken. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheids verwiesen.
3. Auch bei Abwägung der gegenseitigen Interessen kann deshalb kein das öffentliche Interesse überwiegendes privates Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gesehen werden.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
5. Die Höhe des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 46.11 und 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Danach schlagen bei einer Fahrtenbuchauflage 400,00 EUR je Monat zu Buche. Damit ergibt sich bei einer neunmonatigen Fahrtenbuchauflage ein Streitwert in Höhe von 3.600,00 EUR, der für das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz zu halbieren ist.


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